Protocol of the Session on April 21, 2005

Nächste Wortmeldung: Herr Staatssekretär Freller.

Herr Präsident, Hohes Haus! Es ist wichtig, einiges von dem zu entkräften, was von den Rednern der Opposition gesagt wurde. Es ist auch wichtig, der Bevölkerung in Bayern die Fakten zu verdeutlichen, die zeigen, dass es vor allem auch in Bayern eine Politik gibt, seit vielen Jahrzehnten von der Union verantwortet, die gerade die Bildungschancen der Kinder in einer Weise sichert – meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich intensiv damit befasst, weiß dies –, die weiterreicht als in vielen anderen Ländern Deutschlands und die sich verantworten lässt.

Herr Pfaffmann, ich weiß wie Sie, dass auch wir Probleme haben. Kein Bundesland hat keine Probleme. Das ist angesichts der Bundespolitik und der Einnahmenseite in diesem Staat auch kein Wunder. Sie wissen aber, was wir bis zum heutigen Tag geleistet haben, weiterhin leisten werden und leisten wollen. Die Vorredner von der CSUFraktion haben in aller Deutlichkeit gesagt, was wir mit großer Kraftanstrengung in den Haushalt gepackt haben, dass es im Bildungsbereich ständige Steigerungen gab. Logischerweise wäre ich um jede einzelne Stelle froh, die wir zusätzlich bekommen. Ich muss aber auch sehen, was da ist und was daraus gemacht wird. Das, was daraus gemacht wird, ist sehr wohl eine auch und gerade sozial schwache Familien berücksichtigende Politik.

Ich will das ganz klar mit Fakten belegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich den Pisa-Bericht genau ansieht, wird auf Folgendes stoßen: Er wird darauf stoßen – das ist mehr als bemerkenswert –, dass Bayern von allen deutschen Ländern die kleinste Gruppe von Schülern hat, die nur die unterste Kompetenzstufe oder nicht einmal diese erreichen. Die Aussage „die kleinste Gruppe von Schülern, die nur die unterste Kompetenzstufe oder nicht einmal diese erreichen“ verdeutlicht, dass wir offenkundig am meisten auch für die Schwächeren tun. Das bestätigt sich in einer zweiten, ganz klar belegten Aussage der Pisa-Untersuchung: Zwar ist in Bayern die

Koppelung zwischen Gymnasialbesuch und Sozialschichtzugehörigkeit stark ausgeprägt, doch gelingt über alle Schularten hinweg die Förderung von Kindern aus eher bildungsfernen Schichten am besten. Bitte lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen. Das ist eine Aussage aus dem Pisa-Bericht: Zwar ist in Bayern die Koppelung zwischen Gymnasialbesuch und Sozialschichtzugehörigkeit stark ausgeprägt

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): So hoch wie nirgendwo in Europa!)

vorhin habe ich zugehört; jetzt hören Sie bitte mir zu –, doch gelingt über alle Schularten hinweg die Förderung von Kindern aus eher bildungsfernen Schichten am besten.

(Marianne Schieder (SPD): Am Gymnasium überhaupt nicht!)

Im Bereich Lesen erzielten bayerische Jugendliche aus Arbeiterfamilien mit in Deutschland geborenen Eltern den höchsten Wert aller Länder.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte nehmen Sie wenigstens diesen Fakt zur Kenntnis.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wenn sie auf das Gymnasium kommen!)

Ich verlange nicht mehr von Ihnen, als die Wirklichkeit zu akzeptieren. Dass Sie sie im Parlament vielleicht auch noch loben, wäre möglicherweise zuviel von Ihnen verlangt.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie sind ein Schönredner!)

Ich muss das hier aber sagen, da sonst der Eindruck bestehen bleibt, den Sie vermitteln wollen, dass nämlich bei uns für die bildungsfernen Schichten zu wenig getan würde. Das, was geleistet wird, ist hervorragende Arbeit,

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Schönredner!)

auch unserer Lehrkräfte, auch unserer Bildungspolitik.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf noch ein Ergebnis aus der Pisa-Untersuchung bringen; auch das muss man sich einmal vor Augen führen:

Auch die Förderung von Kindern und Jugendlichen ausländischer Herkunft gelingt in Bayern am besten. In der Lesekompetenz erreichen türkischstämmige Schüler in Bayern nahezu denselben Wert – 444 Punkte – wie die Gesamtheit der Schüler aller Schularten in Bremen; dort beträgt der Wert 448. Ein größeres Lob kann eigentlich die OECD an ein Bundesland gar nicht aussprechen, als zu

sagen, dass bei uns sogar die Förderung türkischstämmiger Schüler in der Lesekompetenz so gut ist wie die in anderen, von Ihnen regierten Ländern für die Schüler aller Schularten. Das sind Fakten, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wichtig sind, auch um zu erklären, was in Bayern an Sozialem geleistet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es gibt noch viel mehr, was ich hier einfl ießen lassen könnte.

Meine Damen und Herren, Sie haben die Kosten kritisiert, die auf die Eltern zukommen. Ist Ihnen aber schon einmal bewusst geworden, dass Bayern zum Beispiel die Schulwegkostenfreiheit hat? Die Zahlen steigen hier sogar an von 220,4 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 228,3 Millionen Euro im Jahr 2003 und auf 236 Millionen Euro im Jahr 2004. Mit ständig steigenden Zahlen sichern wir die Beförderung der Schüler in die nächstgelegene Schule. Sie sagen, jawohl, das sei das Mindeste. Ich sage es auch. Gott sei Dank haben wir hier ein Gesetz, an dem wir nicht rütteln werden. Ich bitte Sie aber auch darzulegen, was in den von Ihnen regierten Ländern diesbezüglich geleistet wird, um auch damit darzustellen, welche fl ankierenden Maßnahmen für unsere Familien ergriffen werden.

Ich darf noch weitergehen, ich komme zur Schulgeldfreiheit. Sie wissen, dass an öffentlichen Schulen in Bayern Schulgeldfreiheit besteht. Für bestimmte Privatschulen ersetzt der Freistaat Bayern außerdem den Erziehungsberechtigten oder volljährigen Schülern das Schulgeld bis zu einem gesetzlich festgelegten Betrag. Das heißt, wir fördern in Bayern auch Schüler, die Schulgeld bezahlen müssen, mit einem Betrag von 80 Millionen Euro. Nur noch ein einziges Land in Deutschland zahlt Schulgeldersatzleistungen. Es ist Sachsen. Alle anderen Länder und damit auch die von Ihnen regierten, kennen dieses Wort offenkundig nicht einmal. Auch das muss man als eine große soziale Errungenschaft in den Raum stellen.

Wir haben das Büchergeld, das jetzt eingeführt wird – den Gesetzentwurf werden wir noch heute einbringen –, sicher nicht mit Freude beschlossen. Das wird keiner in unserer Fraktion sagen. Wenn Sie aber glauben, Bayern hätte als erstes Land mit dem Büchergeld angefangen, haben Sie sich geirrt. Haben Sie sich einmal umgehört, was los ist? Haben Sie mitbekommen, was in Berlin passiert? Geplant ist eine Leihe mit Elternbeteiligung durch einen Eigenkauf im Wert von bis zu 100 Euro. Geplant ist die völlige Abschaffung der Lernmittelfreiheit. Oder wollen Sie nach Brandenburg schauen? 40 % des Richtbetrages sind als Eigenanteil geplant. Nordrhein-Westfalen verlangt 49 % Eigenanteil – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen.

(Karin Radermacher (SPD): Herr Freller, das müssen wir doch nicht nachmachen, bitte schön!)

Liebe Frau Radermacher, sagen Sie mir bitte, warum Nordrhein-Westfalen und die anderen Länder es tun. Warum tun es die von Ihnen regierten Länder? Warum machen die das? Ihnen ist das Geld ausgegangen, weil sie

zum einen selber schlecht gewirtschaftet haben, während wir in Bayern den Haushalt in Ordnung gehalten haben, und weil sie zum anderen unter der schlechten Einnahmesituation genauso leiden wie wir. Das ist der Grund dafür, dass die anderen Länder so handeln. Wir haben unter großen Mühen zusammen mit dem Ministerpräsidenten, dem Finanzminister und der Gesamtfraktion mit 20 bzw. 40 Euro einen Betrag festgelegt, der zu verantworten ist. Das Thema ließe sich noch fortsetzen. Ich weiß allerdings – mit Blick auf die Redezeit –, dass der heutige Vormittag noch mit anderen Themen zu füllen ist. Dies wollte ich aber unbedingt gesagt haben, damit nichts Falsches im Raum steht.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Ich darf zunächst zum Ablauf bekannt geben, dass wir keine Unterbrechung für eine Mittagspause machen, um die Zeit, die durch den zusätzlichen Tagesordnungspunkt von heute morgen verbraucht wurde, teilweise aufzuholen.

Des Weiteren darf ich zum Ablauf darauf hinweisen, dass wir jetzt eine Erste Lesung zum Bayerischen Schulfi nanzierungsgesetz haben. Je Fraktion sind fünf Minuten Redezeit vereinbart. Wir kommen dann zur Zweiten Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Waldgesetzes. Dafür sind 30 Minuten Redezeit je Fraktion und Staatsregierung vereinbart. Ich darf jetzt schon darauf hinweisen, dass dazu namentliche Abstimmung beantragt ist.

Zunächst rufe ich Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schulfi nanzierungsgesetzes und des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/3148) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Herr Staatssekretär Freller.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf den vorliegenden Gesetzentwurf begründen. Sie wissen, dass das bisherige System der Lernmittelfi nanzierung bei öffentlichen Schulen ausschließlich durch die öffentliche Hand erfolgt ist. Es soll dahin gehend geändert werden, dass eine Elternbeteiligung in Form von Büchergeld eingeführt wird. Die Höhe des Büchergeldes – so sieht es der Gesetzentwurf – soll 20 Euro pro Schüler und Schuljahr an Grundschulen, in Berufsvorbereitungsjahren an Berufsschulen, in Teilzeitklassen an berufl ichen Schulen und in Teilzeitklassen an berufl ichen Schulen zur sonderpädagogischen Förderung betragen. Es wird 40 Euro pro Schüler und Schuljahr an den übrigen Schulen betragen.

Wie bisher sollen die Kommunen für die Schulbuchbeschaffung verantwortlich sein. Das Büchergeld ist an die konkrete Schule gebunden und nur für die Beschaffung von Schulbüchern bestimmt. Es kann haushaltsrechtlich – so der Entwurf – in das Folgejahr übertragen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nichtsdestotrotz wird auch das Büchergeld eine starke soziale Komponente erhalten. Es wird entfallen, wenn soziale Gründe vorliegen, also bei kinderreichen Familien ab dem dritten Kind, für das Kindergeld bezahlt wird, sowie bei sozialer Bedürftigkeit; das sind Empfänger von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Wohngeld. Ausgenommen von der Zahlungspfl icht sind außerdem Schüler, denen kraft gesetzlicher oder vertraglicher Regelung ein Anspruch gegen Dritte auf Ersatz der Schulbuchkosten zusteht. Das ist in Ausbildungsverträgen geregelt, zum Beispiel bei Großbetrieben. Eine Zahlungspfl icht entfällt auch bei Schülern im Berufspraktikum, bei Schülern, die im dritten Ausbildungsjahr vorwiegend in der Praxis eingesetzt sind, wie zum Beispiel an der Fachakademie für Hauswirtschaft, bei Schülern an Förderschulen, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung keine Schulbücher verwenden können sowie – das ist ein Ergebnis der Anhörung – bei Schülern, die sich alle Bücher selbst beschaffen können und beschaffen.

Bei öffentlichen Schulen leisten Staat und Kommunen in Ergänzung zur Elternbeteiligung einen Sozialbeitrag für die Beschaffung von Schulbüchern. Bei privaten Schulen gewährt alleine der Staat einen solchen Zuschuss. Die Eltern erhalten über geeignete Schulorgane wie Schulforum, Berufsschulbeirat oder Elternbeirat Mitwirkungsrechte bei der Auswahl der zugelassenen Schulbücher im Sinne einer Abstimmung. An den Privatschulen bleibt es den Schulträgern freigestellt, das neue System der Lernmittelfreiheit zu übernehmen.

Nach den Haushaltsansätzen für 2004 gibt der Staat 23,1 Millionen Euro für Lernmittel aus. Auf die Kommunen entfällt ein Betrag von 9,5 Millionen Euro. Auf die nicht staatlichen Schulträger einschließlich der kirchlichen Träger entfällt ein Betrag von 0,5 Millionen Euro. Der Gesamtbetrag für Schulbücher an öffentlichen Schulen würde sich nach dem Gesetzentwurf wie folgt zusammensetzen: Das Büchergeld beträgt 20 bzw. 40 Euro, das sind insgesamt ca. 41,3 Millionen Euro; der kommunale Sozialbeitrag beträgt ca. 3,39 Millionen Euro. Die pauschalierte staatliche Zuweisung beträgt ca. 6,77 Millionen Euro. Die Gesamtsumme beläuft sich auf 51,5 Millionen Euro.

Die unter die Sozialkomponente fallenden Schülerinnen und Schüler wären ohne Zuzahlung lernmittelberechtigt. Zu rechnen ist mit einem Anteil von 18 % aller Schüler, die hiervon Gebrauch machen könnten. Nach vollständiger Einführung des neuen Finanzierungssystems ab 2007 wird der Staatshaushalt für Lernmittelausgaben um jährlich zirka 15,1 Millionen Euro entlastet. Für die Kommunen errechnet sich eine Kostenentlastung bei der Lernmittelbeschaffung in Höhe von zirka 6,1 Millionen Euro pro Jahr, ohne Verwaltungskosten.

Der fi nanzielle Aufwand der Kommunen würde nach den Berechnungen der Staatsregierung zirka 4,2 Millionen Euro jährlich betragen. Die privaten Schulträger würden, falls sie das künftige System der Lernmittelfreiheit übernehmen, einen staatlichen Zuschuss in Höhe von 4 Euro je Schüler und Schuljahr erhalten. Schulträger privater Volks- und Förderschulen bezögen einen erhöhten Beitrag von 6 Euro je Schüler und Schuljahr. Insgesamt wür

de für diese Schulen ein jährlicher Betrag in Höhe von 0,89 Millionen Euro anfallen.

Ich weise darauf hin, dass die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden in einem Dissens geendet haben. Das Hauptargument der Kommunen war, dass sich ihr jährlicher Verwaltungsmehraufwand auf bis zu 13,8 Millionen Euro zusätzlich belaufen würde. Dem widerspricht die Berechnung des Kultusministeriums.

Die Begründung verlangt, dass das Staatsministerium für Unterricht und Kultus nach Ablauf von jeweils drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes prüfen muss, ob mit den gesetzlich festgelegten Beträgen das Ziel einer verbesserten Schulbuchausstattung erreicht werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe versucht, in aller Kürze zusammenzufassen, was Ihnen in schriftlicher Form anhand einer Landtagsdrucksache bereits vorliegt. Ich bitte die Fraktionen um Beratung.

(Beifall bei der CSU)

Wir kommen zur Aussprache. Hierfür stehen jeder Fraktion bekanntlich fünf Minuten zur Verfügung. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Schieder.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, der das Ziel hat, über die Einführung eines Büchergeldes die Lernmittelfreiheit erheblich einzuschränken, ist für mich ein typisches Beispiel dafür, wie die Staatsregierung meint, Politik machen zu können. Das Grundproblem ist wieder einmal, dass der Rotstift den Ton angibt. Der Sparkurs muss weiter durchgesetzt werden. Nachdenken darüber, ob das Sparen an dieser Stelle sinnvoll ist, ist nicht zulässig. Die Suche nach zusätzlichen neuen Einkommensquellen geht unauffällig weiter.

Ich möchte Sie, Herr Staatssekretär, daran erinnern, dass Sie bis vor kurzem nicht müde geworden sind, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Lernmittelfreiheit und Schulwegkostenfreiheit zu den Grundprinzipien des staatlichen Bildungsauftrags gehören und zu den Grundvoraussetzungen, die man schaffen müsse, um Bildungsgerechtigkeit und gleiche Bildungschancen gewährleisten zu können oder doch zumindest das Beste dafür zu tun. Das ist in den Sozialberichten nachzulesen. Im Gegensatz dazu halten Sie es inzwischen für dringend erforderlich, die Lernmittelfreiheit beschränken zu müssen.

Aus der Sicht des Finanzministers geht diese Rechnung auf. Der Freistaat Bayern erspart sich im Haushalt 17 oder 18 Millionen Euro, und er spart sich jede Menge Verwaltungskosten und Verwaltungspersonal. Aus der Sicht der Betroffenen sieht die Sache etwas anders aus. Den Eltern werden nämlich im selben Atemzug 50 bis 60 Millionen Euro aus der Tasche gezogen. Bei den Schulen, bei den Kommunen werden die Arbeit und der Ärger abgeladen. Anders kann man die Sache nicht beschreiben.