Protocol of the Session on March 3, 2005

Zwischenfi nanzierung übernehmen müssen. Der Verweis auf den ORH-Bericht zieht deswegen nicht, Herr Vorsitzender Ach, weil der ORH noch andere Feststellungen macht, die Sie nicht so sklavisch umsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere an die geforderte Verminderung des Personals bei den obersten Behörden. Ich erinnere auch an die Ergebnisse von Prüfungen im Landwirtschaftsressort. In diesem Zusammenhang müssen wir den gleichen Maßstab anlegen.

Die Schilderungen der Auswirkungen des Nachtragshaushalts 2004 waren notwendig, um die wirklich bescheidenen Korrekturversuche im Doppelhaushalt richtig zu bewerten. Natürlich erhöht sich die Ausgleichsleistung, aber das ist angesichts des bescheidenen Niveaus im Jahre 2004 kein Wunder. Die Gesamtleistung bleibt unter dem Niveau der Jahre 2003 und 2002. Die Erhöhung der Verbundquote ist zwar löblich, aber marginal. Der Anstieg bei den Schlüsselzuweisungen ist bescheiden. Dafür bleiben die Mittel aus dem Kfz-Steuerverbund oder bei der Schülerbeförderung weit hinter den notwendigen Beträgen zurück.

Zu den Bezirken zwei, drei Worte: Natürlich ist hinsichtlich der Kostenübernahme manches löblich. Es ist auch gut, dass versucht wird, den Bezirken aus der Patsche zu helfen. Aber, Frau Kollegin Görlitz, das Problem vor die Tür der Bundesregierung zu legen, zieht nicht. Zwischen 1986 und 1985 verdoppelten sich die Sozialhilfeausgaben der Bezirke. Die Umlagen stiegen um acht Punkte. Durch die Pfl egeversicherung wurde den Bezirken ein, zwei Jahre Luft verschafft, ab dem Beginn des Jahres 1998 stiegen die Sozialhilfeausgaben ständig. Sie wissen, wer 1998 regierte, und wissen auch, wer 1986 regierte.

Die Auswirkungen bei der Solidarumlage seien ganz kurz erwähnt: Die Abschaffung der Solidarumlage soll die letzten Zweifl er von der Kommunalfreundlichkeit der Staatsregierung überzeugen. Es ist in der Tat zu begrüßen, dass sie nun endlich fällt. Ich erinnere auch an unsere jahrelangen Bemühungen, sie schon eher abzuschaffen – zuletzt im April 2004.

Dennoch: Die Neuregelung der Finanzierungslasten der deutschen Einheit, die endlich Schluss mit dem zweifelhaften Erbe der Regierung Kohl machen würde, ließe ganz andere Möglichkeiten zu. Nach eigenem Bekunden spart sich der Freistaat schon im Jahre 2005 200 Millionen, und zwar dank des Engagements der Bundesregierung. Aber erst ab dem Jahr 2006 sollen Bayerns Kommunen – dann auch nur anteilig – in den Genuss der Weiterleitung der Ersparnis kommen. Das ist ein fi nanzpolitischer Husarenstreich, der sich wiederum durch das ominöse Jahr 2006 erklären lässt. In der Tat verweist auch der Bayerische Landkreistag darauf, dass schon längst größerer Spielraum vorhanden ist.

Frau Kollegin Görlitz, da Sie sich schon Sorgen um Hartz IV machen, sollten Sie noch viel größere Sorgen im Hinblick auf die Diskussion über die Abschaffung der Ge

werbesteuer haben, und Sie sollten vielleicht fraktionsintern manches klären.

(Beifall bei der SPD)

Zusammenfassend und abschließend darf ich feststellen, dass der vorliegende Entwurf des FAG unserer Meinung nach ungenügend ist. Er trägt der schwierigen fi nanziellen Lage der bayerischen Kommunen in gar keiner Weise Rechnung. Vielmehr ist das FAG in der vorliegenden Fassung geeignet, die Verschuldung zu erhöhen und die notwendigen kommunalen Investitionen zu beeinträchtigen. Wir lehnen, nachdem auch unsere Anträge im Haushaltsausschuss abgelehnt wurden, das Finanzausgleichsänderungsgesetz 2005 ab.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegt keine weitere Wortmeldung vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Zum Schlusswort erteile ich dem Staatsminister der Finanzen das Wort. Ich darf darauf hinweisen, dass abschließend eine Abstimmung über die Etats stattfi ndet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst will ich einen sehr herzlichen Dank an die Kollegen des Haushaltsausschusses richten, an ihrer Spitze Herrn Kollegen Ach und Herrn Kollegen Kaiser. Sie haben ein Haushaltskonvolut – das ist nun wirklich nachvollziehbar – von 5300 Seiten durchgearbeitet. Worüber in dieser Aussprache so verkürzt debattiert wird, ist das Ergebnis mühsamer Einzelarbeit. Ich bedanke mich gleichzeitig bei den Mitarbeitern meines Hauses, die seit Monaten an diesem Doppelhaushalt arbeiten, und zwar nicht bis nachmittags um halb fünf, sondern bis tief in die Nacht und an Sonn- und Feiertagen. Herzlichen Dank!

Dieser Haushalt ist ein Dokument der Solidität und der Verantwortung für zukünftige Generationen. Dabei haben wir für diesen Doppelhaushalt dramatische Rahmenbedingungen. Von Herrn Kollegen Ach wurde schon darauf hingewiesen, dass im November das achte Mal in Folge bei der Steuerschätzung weniger Steuereinnahmen prognostiziert worden sind. Man hat immer gemeint, nach zwei oder drei Mal würde das abbrechen und sich wieder normalisieren. Achtmal hintereinander wurde ein niedrigeres Steueraufkommen als jeweils zuvor prognostiziert. Wir mussten dabei in all den Jahren seit 2001 jeweils korrigieren. Wir haben auch jetzt nach der Ersten Lesung des Haushalts wieder korrigieren müssen.

Ich habe die notwendigen Maßnahmen – ich habe das im Haushaltsausschuss deutlich gemacht – nicht sofort im November durchgeführt, weil ich zuerst einmal wissen wollte, wie der Dezember und das Gesamtjahr 2004 abgeschlossen wird, und ich wollte wissen, wie sich die Steuern am Jahresanfang 2005 entwickeln werden. Leider haben sie sich genau so entwickelt, wie es die Sachverständigen in der Arbeitsgruppe zur Steuerschätzung vorausgesagt haben – ein weiterer dramatischer Einbruch.

Wir haben im Januar und Februar – wenn ich Ihnen das sagen darf – zusammen genommen ein Minus von 5,9 % bei den Steuereinnahmen in Bayern. Das ist, Herr Kaiser, ein Minus von 247 Millionen. Das bedeutet, die Entwicklung setzt sich genauso fort, wie bei den acht Schätzungen vorher vorausgesagt. Wir sind weiterhin vor dem Hintergrund der Steuerschätzung vom Mai auf einer Talfahrt. Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, das Ruder herumzureißen und Wachstum zu erzeugen.

Wir stehen jetzt vor der Notwendigkeit, ab Anfang März für das Gesamtjahr zusätzliche Steuereinnahmen von 1,2 % im restlichen Jahresverlauf zu erwirtschaften, um auf diese Weise auf dem Niveau zu bleiben, das diesem Doppelhaushalt für das Jahr 2005 zugrunde gelegt ist. Ob dies angesichts der neuen Prognosen zum Wirtschaftswachstum erreichbar ist, kann man bezweifeln. Wenn jetzt sogar der Sachverständigenrat ankündigt, seine Prognose von 1,6 % werde auf etwa 1 % korrigiert, andere wirtschaftswissenschaftliche Institute ebenfalls heruntergehen und internationale Beobachter ihre Schätzungen korrigieren, dann muss ich darauf verweisen, dass die Steuerschätzung, auf der dieser Doppelhaushalt fußt, für das Jahr 2005 ein Wachstum von 1,6 % beim Bruttosozialprodukt prognostiziert.

Das zeigt von den Haushaltszahlen her, liebe Kolleginnen und Kollegen, welch dramatisch ernste Lage das ist. Es geht dabei nicht nur um die 5,2 Millionen Arbeitslosen, die jeden auf der Straße beunruhigen. Darüber hinaus haben 10 Millionen Menschen unmittelbar Angst, dass sie morgen oder übermorgen auch arbeitslos sein könnten. Das ist die Realität in diesem Staat. Auch die Haushalte, darunter auch der bayerische Haushalt, sind von dieser Entwicklung unmittelbar betroffen.

Ich stelle das nur als Faktum fest. Ich habe gar keine Lust mehr, auf Herrn Schröder, auf Herrn Clement, auf Herrn Eichel zu schimpfen. Das weiß jeder im Land draußen. Ich stelle nur die Fakten fest, und die Fakten alleine sind erschütternd.

Meine Damen und Herren, wir sehen deshalb angesichts der 5,2 Millionen Arbeitslosen, angesichts unserer Haushaltssituation die Notwendigkeit, die begonnenen Reformen – ich unterstreiche ausdrücklich die Notwendigkeit von Hartz IV – fortzusetzen. Ich habe aber den Eindruck, dass die Bundesregierung für die nächsten eineinhalb Jahre nichts mehr vorhat, weder im Steuerrecht noch im Arbeitsrecht noch in der Sozialpolitik. In all den Bereichen, in denen wir Reformen brauchen, wobei dieses Land keine Zeit verlieren darf, wird erkennbar nichts gemacht. Ich halte das für falsch.

(Beifall bei der CSU)

Dass in einer derartig dramatischen Situation ein Streit zwischen den beiden wichtigsten Ministern, nämlich zwischen Clement und Eichel, über die steuerliche Behandlung der Unternehmen ausbricht, ist ein typisches Zeichen nicht nur der Ratlosigkeit, sondern auch der Konzeptionslosigkeit langfristig. Da muss etwas geschehen. Ich glau

be, dass es sich dieses Land nicht leisten kann, dass sich die beiden Schwergewichte im Bundeskabinett gegenseitig öffentlich bekriegen.

Ich sehe durchaus, dass es einen gewissen Zielkonfl ikt gibt, der hier diskutiert wird. Nur: Es ist Aufgabe einer Regierung, einen in fast allen politischen Fragen vorhandenen Zielkonfl ikt durch Entscheidungsfreude und Entschlossenheit aufzulösen. Ich kann den Bundeskanzler nur dazu auffordern, diese Frage tatsächlich zur Chefsache zu machen und entsprechend zukunftsorientiert zu handeln. Dann sind wir durchaus bereit, Herr Kaiser, bei einer entsprechenden Konzeption, etwa bei der Steuerpolitik gegenüber Unternehmen, mitzumachen.

Wir haben gute Fachkräfte, wir haben unsere eigenen Ideen, aber man kann das nicht umkehren. Man kann doch nicht sagen: Legt ihr von der Opposition doch etwas vor! – Ich muss rückblickend kritisieren, dass wir leider in den vergangenen Jahren zu oft perfekte Konzepte vorgelegt haben, während die Bundesregierung nichts vorgelegt hat. Solange wir nicht die Mehrheit haben, haben wir nicht die Verantwortung. Die Verantwortung hat die Bundesregierung. Wenn sie sie wahrnimmt, kommen wir auch wieder zu mehr Wachstum.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Heinz Kaiser (SPD))

Man muss sich das einmal vorstellen, Herr Kollege Kaiser: Wir liegen mittlerweile in diesem Land, wenn es so läuft, wie die Institute nunmehr sagen, 4 % hinter der weltwirtschaftlichen Wachstumsquote zurück, nicht marginal 0,4 oder 0,5 % – das ist schon viel –, sondern glatte 4 %. Das heißt, wir sind nicht nur Schlusslicht, sondern wir sehen gar kein Licht mehr im Nebel unserer Situation. So weit sind wir weg.

Dass in einem derartigen Umfeld die Verschuldung insgesamt in diesem Land dramatisch wächst, ist eine Sache, die uns besonders besorgt macht. Das sage ich in die Richtung derjenigen, die Schulden offenbar immer noch auf die leichte Schulter nehmen. Jedes Kind, das heute in diesem Land geboren wird, hat bereits 17 000 Euro Schulden auf dem Buckel. Wir haben allein beim Bund in den Jahren 2003 und 2004 jeweils fast 40 Milliarden Euro Schulden auf die alten Schuldenberge aufgetürmt.

Sie, Herr Kaiser, sagen immer: Ja, früher habt ihr auch Schulden gemacht. – Ich habe es hier schon wiederholt gesagt: Dies ist der Fehler meiner Generation, dass wir Verteilungskonfl ikte jeweils dadurch gelöst haben, dass wir immer wieder Schulden gemacht haben. Man muss doch allmählich erkennen, dass das der falsche Weg ist. Wir haben es, glaube ich, erkannt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich will jetzt nicht viel über den Bund reden, aber der entscheidende Haushalt in diesem Land ist der Bundeshaushalt. Der Bundeshaushalt hat mittlerweile 39 Milliarden

Euro an Zinszahlungen jährlich aufzubringen. Das sind über 15 % des Gesamtvolumens des Haushalts. Wir zahlen ein bisschen mehr als 3 % unseres Haushalts dafür. Das ist mir immer noch zu viel, weil es 1 Milliarde Euro sind. Aber Sie sehen den Abstand. Das sind völlig andere Dimensionen. Der Kollege in Nordrhein-Westfalen zahlt mittlerweile auch schon über 10 %. Das Gleiche gilt für meinen Kollegen in Niedersachsen: 11,8 %. In anderen Ländern steigt diese Zinsquote ebenfalls dramatisch.

Je mehr Zinsen ich zur Bank trage, umso weniger kann ich in einem Land gestalten. Unsere Aufgabe in diesem Haus ist es doch, zu gestalten. Wenn wir die Gestaltungskraft auch in der Zukunft aufrechterhalten wollen, dann muss nachhaltige Haushaltspolitik statt Verschuldenspolitik Platz greifen.

(Beifall bei der CSU)

Ich erkenne an, dass insbesondere die Kollegen von den GRÜNEN zu unserer nachhaltigen Haushaltspolitik ebenfalls Ja sagen, aber, Herr Kollege Mütze und Herr Kollege Hallitzky, Sie müssen das dann auch im konkreten Streit mit Verbänden, mit Gruppen draußen durchhalten. Wenn man eine nachhaltige Haushaltspolitik betreiben will, dann muss man auch den Mut haben, gegenüber denjenigen Rückgrat zu zeigen, die mehr haben wollen. Das ist die eigentliche Schwierigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich stelle fest, dass Kollege Eichel, der in den ersten zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit eine mutige Haushaltspolitik betrieben hat – das habe ich hier auch schon gesagt –, als Haushaltspolitiker überhaupt nicht mehr sichtbar ist, weil er innerhalb der Bundesregierung kein Standing mehr hat, weil ihn der Bundeskanzler nicht mehr unterstützt und weil er selbst nicht mehr mag. Und was macht er? Er dreht mittlerweile die Ideologie um. Er versucht, seine Not, die er hat, gegen eigene Erkenntnis, wie ich weiß, umzukehren in wirtschaftspolitische Ideologie.

Er schreibt zum Beispiel in einem Brief an den Präsidenten der EU, Herrn Jean-Claude Juncker, über seine Vorstellungen zum Stabilitätspakt der EU, was er geändert haben will. Der Vorgang als solcher ist schon interessant. Die Bundesrepublik Deutschland war das Land, das den Stabilitätspakt gegen den Widerstand anderer Länder durchgesetzt hat. Die Bundesrepublik Deutschland war das Land, das den Maastrichter Vertrag und den Amsterdamer Vertrag gegen die Zielsetzung anderer Länder durchgesetzt hat, weil wir gesagt haben: Wir wollen den Leuten in die Augen schauen können, wenn wir sagen, der Euro werde so stabil sein und bleiben wie die D-Mark. – Grundvoraussetzung für eine derartige Aussage ist eine stabile Haushaltspolitik. Dies muss man durch ein vertraglich vereinbartes Regelwerk festlegen. Das steht nunmehr im EU-Vertrag und im Stabilitätspakt drin.

Genau hier setzt nun gerade der Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland – nicht der Finanzminister von

Griechenland, Portugal oder sonst einem Land, sondern der Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland – an und sagt: Das will ich nicht mehr so haben. – Er sagt – ich zitiere diesen Satz –:

Mit Blick auf die Lissabon-Agenda

irgendetwas muss man immer als Basis nehmen –

und auch die Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen muss dem Wachstumsziel des Paktes mehr Gewicht beigemessen werden. Wichtig für dauerhaft höheres Wachstum sind zukunftsorientierte Investitionen.

(Zuruf von der SPD: Recht hat er!)

Ja, das weiß ich, dass auch Sie diesem Irrglauben anhängen. Nur, meine Damen und Herren, das ist die ideologische Grundlage für die Abkehr vom Stabilitätskurs.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Leider wird die Absicht, grundsätzlich vom Stabilitätskurs wegzugehen, mittlerweile auch von allen möglichen Leuten geteilt und mitgetragen. Teilweise bemüht sich auch die Wissenschaft, hier ein paar Hilfsdienste zu leisten.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Es gibt einen in Bayern, der das in besonderer Weise macht. Deshalb zitiere ich diejenigen in diesem Land, die aufgrund ihrer hohen Qualifi kation mehrheitlich deutlich etwas ganz anderes sagen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wenn die nicht Ihrer Meinung sind, haben sie keine Qualifi kation!)