Herr Kollege Hallitzky, lassen Sie mich zur Ausbildungsplatzabgabe etwas sagen. Wenn Sie denken, das sei ein Druckmittel auf die Wirtschaft gewesen, haben Sie sich nicht mit dem Handwerk und der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland und Bayern unterhalten, denn tatsächlich war es ein Mittel, um davor abzuschrecken, zusätzlich Ausbildungsplätze zu schaffen. Da ist gerade bei denjenigen, die für unsere jungen Menschen die meisten Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, Vertrauen zer
stört worden. Wir mussten durch gemeinsames Handeln mit der Bayerischen Staatsregierung Boden auch mit unserem Programm „Fit for work“ wieder gutmachen.
Herr Kollege Wahnschaffe, in Ihrer Rede haben Sie auf Ihren Antrag, den Beschäftigungspakt neu aufzulegen, schon nicht mehr Bezug genommen. Das ist die Philosophie des Kollegen Wahnschaffe: Augen zu und weiter so, was die Staatsverschuldung betrifft. Schauen Sie sich doch an, wie weit Sie in Deutschland gekommen sind. Vor gut zweieinhalb Jahren hat Ihr Kanzler Schröder mit Herrn Peter Hartz in Berlin die Hartz-Maßnahmen verkündet und gleichzeitig versprochen, dass wir in drei Jahren zwei Millionen Arbeitslose weniger haben werden. Diese drei Jahre sind am 16. August 2005 abgelaufen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir am 16. August 2005 keine zwei Millionen Arbeitslose weniger haben werden. 1998 ist Schröder schon einmal angetreten. Damals hat er gesagt, er verdiene nicht, wiedergewählt zu werden, wenn er die Arbeitslosigkeit nicht um zwei Millionen gesenkt habe. – Er hat es gerade vor dem Hintergrund der vielen Einzelschicksale eigentlich nicht verdient, wiedergewählt zu werden.
Herr Kollege Wahnschaffe, eines möchte ich noch sagen: Aus der Verantwortung, dass wir Hartz IV im Bundesrat gemeinsam verabschiedet haben, stehle ich mich keineswegs. Ich habe Ihnen gestern sehr gut erklärt, was Hartz IV, was die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bedeuten.
Aber für die Umsetzung trägt die Opposition keine Verantwortung. Das möchte ich Ihnen sagen. Die Umsetzung liegt in der Verantwortung der Regierung und nicht in der der Opposition.
Sie fordern nun auch noch, den Beschäftigungspakt Bayern neu anzustoßen. Sie haben diesen Pakt parteipolitisch instrumentalisiert und für Wahlkampfzwecke missbraucht. Der DGB Bayern hat den Pakt am 31. Mai 2002, mitten im letzten Bundestagswahlkampf, aufgekündigt mit einem Vorsitzenden, der sich für die SPD um ein Bundestagsmandat beworben hat. Es geschah dies zum Schaden von Bayern und vor allen Dingen der bayerischen Arbeitslosen, alles nach dem Prinzip: erst die Partei, dann das Land.
Ein gut funktionierendes Instrument aus parteipolitischen Gründen an die Wand zu fahren – so kann man keine verantwortungsvolle Politik in Bayern und in Deutschland machen. Wir hatten allergrößte Mühe, Herr Kollege Wahnschaffe, wenigstens die notwendigsten Arbeitsgruppen des Paktes, nämlich Arbeitsmarktfonds, Ausbildung und Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter weiterzuführen. Nun wollen Sie – scheinheilig – den Beschäftigungspakt Bayern neu anstoßen. Sie betreiben aber wieder nur Parteipolitik. Ihr Antrag ist ein reines Ablenkungsmanöver. Er soll ablenken vom völligen Versagen der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Für mich war ganz interessant, dass der grüne Wirtschaftspolitiker Schulz im Bund ein Bündnis für Arbeit
verlangt hat und der Regierungssprecher des Kanzlers letzten Endes dieses Bündnis für Arbeit abgelehnt hat. Er hat gesagt, es bestehe kein Bedarf, Gremien neu zu erfi nden.
Erstens. In der Pfl icht für die Rahmenbedingungen steht hier in erster Linie die Bundesregierung. Bayern betreibt seit Jahrzehnten eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Das Ergebnis dieser Politik ist, dass in Bayern seit 1978 die Arbeitslosenquoten unter dem Bundesdurchschnitt liegen, obwohl wir gerade in den letzten Jahren 100 000 Zuwanderer aus den neuen Ländern in den bayerischen Arbeitsmarkt hatten. Wir können uns leider vom Bundestrend nicht abkoppeln. Aber auf Landesebene wird mit großem Erfolg das getan, was landespolitisch zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit möglich ist. Auf Bundesebene wird demgegenüber alles unterlassen, was bundespolitisch zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit notwendig ist. Bewegen Sie endlich Ihre Parteifreunde in Berlin zum Handeln!
Zweitens. Ihr Ansatz, über Schulden die Wirtschaft ankurbeln zu wollen, ist grundfalsch. Investitionen vorzuziehen heißt im Klartext, neue zusätzliche Schulden zu machen. Dieser wirtschafts- und fi nanzpolitische Ansatz ist verfehlt. In Zeiten des europäischen Binnenmarktes und der Globalisierung verpufft eine nationale fi nanzpolitische Konjunktursteuerung. Die bayerische SPD zeigt eigentlich nur, dass sie die volks- und fi nanzwirtschaftlichen Zusammenhänge immer noch nicht richtig verstanden hat.
Das Märchen klassischer Konjunkturprogramme glauben nicht einmal ihre eigenen Parteifreunde in Berlin. Und da ist Folgendes interessant: Finanzminister Eichel hat zeitgleich mit Ihrem Dringlichkeitsantrag erklärt, noch mehr Geld auszugeben, das gehe nicht, und er hat gleichzeitig gesagt, klassische Konjunkturprogramme seien schlicht und einfach der falsche Weg. Vielleicht sollten Sie da ein wenig Nachhilfeunterricht nehmen.
Bayern beweist, dass solide Staatsfi nanzen der einzig richtige Weg sind. Wir haben die geringsten Schulden, und deshalb nehmen wir auch einen Spitzenplatz bei der Investitionsquote ein. Wir haben das höchste Wirtschaftswachstum und die zweitniedrigste Arbeitslosenquote.
Drittens. Ihr Vorschlag, öffentliche/private Partnerschaften zur Realisierung öffentlicher Investitionen einzugehen, ist in Bayern ein alter Hut. Wir gehen öffentliche/private Patenschaften in Bayern ein, beispielsweise beim Neubau einer Frauenhaftanstalt und einer Jugendarrestanstalt bei der JVA München, bei der Ortsumgehung Miltenberg, bei der Flughafentangente Ost und beim Ausbau der B 8.
Auch die von Ihnen geforderte Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ist nichts Neues. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Entbürokratisierung. Ich erinnere hier nur an die Henzler-Kommission, aber gleichzeitig auch an Ihr Antidiskriminierungsgesetz. Das ist lediglich ein Beschäftigungsprogramm für Rechtsanwälte in Deutschland.
Was ist also zu tun? – Damit der gefährliche Abwärtstrend gestoppt wird und Deutschland wieder richtig vorankommt, brauchen wir ein politisches Gesamtkonzept. Die notwendigen Reformen müssen vor allen Dingen die Kräfte von Markt und Wettbewerb aktivieren. Ein Beschäftigungspakt, wie Sie ihn fordern, kann dazu keinen Beitrag leisten. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die mehr marktwirtschaftliche Dynamik entfaltet, und eine Sozialpolitik, die eine tragfähige und verlässliche Sicherung gegen die großen Lebensrisiken unserer Menschen bietet. Wesentliche Bestandteile dabei müssen sein eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, ein Umbau der Sozialversicherung, eine Senkung der Staatsquote und eine Deregulierungsinitiative für den Mittelstand.
Von entscheidender Bedeutung ist hierbei natürlich die Flexibilisierung des verkrusteten, verriegelten Arbeitsmarktes. Dazu nur einige Beispiele, die von wichtiger arbeitsmarktpolitischer Bedeutung sind. Das sind zum einen die betrieblichen Bündnisse für Arbeit, und das ist zum anderen der Mut, die Einstellungsbremsen zu lösen. Eine Barriere für neue Arbeitsplätze ist schlicht und einfach der überzogene Kündigungsschutz, den wir in Deutschland haben.
In Dänemark, in Österreich mit einer Arbeitslosenquote von 4 % und in der Schweiz gibt es kaum einen Kündigungsschutz, aber die Arbeitslosenquoten sind nicht einmal halb so hoch wie in Deutschland.
Frau Ministerin, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass der ehemalige Bundesarbeitsminister Blüm kürzlich in einem Interview gesagt hat, er sei damals an der Lockerung des Kündigungsschutzes beteiligt gewesen und es seien ihm damals von der Wirtschaft 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze versprochen worden? Er sagte dann: Auf diese 400 000 warte ich heute noch.
Es war keine Frage, Herr Kollege, sondern die Worte „würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen“ waren eine Aufforderung. Natürlich kenne ich diesen Satz des ehemaligen Arbeitsministers Norbert Blüm genau. Angesichts der höchsten Arbeitslosigkeit, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg haben, meine ich schon, dass Sie nicht mehr mit alten Weisheiten kommen können, sondern sich vielmehr fragen müssen, wo Sie etwas im Arbeitsrecht bewegen können, damit diejenigen, die arbeitslos sind, eine Chance geboten bekommen, eine Einstellung zu erhalten.
Sie müssen sich dann einmal mit der Wirtschaft unterhalten. Der hohe Kündigungsschutz in Deutschland ist natürlich eine hohe Barriere für neue Einstellungen. Auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Der dritte Bereich ist die Senkung der Lohnnebenkosten. Niedrigere Lohnnebenkosten tragen schlicht und einfach dazu bei, dass wieder mehr Arbeit in Deutschland entstehen kann. 1 % bedeutet 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland.
Ich möchte noch einen Bereich anführen, und zwar niedrigere Energiekosten. International hat Deutschland mit die höchsten Energiekosten. Die staatlich bedingten Energiekosten lagen 1998 bei 3 Milliarden Euro; heute liegen sie bei 15 Milliarden. Glauben Sie wirklich, dass wir damit ein attraktiver Standort sind? Wir machen der Wirtschaft damit das Leben ausgesprochen schwer.
Entscheidend ist also, ein politisches Gesamtkonzept vorzulegen, das unserem Land wieder eine Perspektive bietet und das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit Deutschlands schafft. Das trägt dann letztendlich dazu bei, dass die 5 216 000 Arbeitslosen – zumindest ein Großteil davon, alle werden es nie schaffen – auch wieder eine Zukunftsperspektive bekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/2920 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen
Stimmenthaltungen aus den Reihen der SPD mit den Stimmen der CSU und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Ich erteile Kollegen Schieder für eine persönliche Erklärung nach § 133 Absatz 2 der Geschäftsordnung das Wort. Herr Kollege Schieder, Sie sind ein erfahrener Abgeordneter, sodass ich Ihnen den Text wohl nicht vorlesen muss. – Nein. Sie haben das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte den Grundtenor des Antrags der SPD zwar für richtig, habe mich aber der Stimme enthalten, weil ich bei dem Punkt „Öffentliche/Private Partnerschaften“ eine andere Auffassung habe. Ich bitte darum, dass wir uns sehr genau überlegen, ob wir die öffentliche Infrastruktur, die in Deutschland und auch in Bayern – ich sage: noch – ein hohes Niveau und einen hohen Standard hat, zunehmend in private Hände oder Beteiligungen übergeben. Ich will das nicht näher begründen, sondern nur darauf hinweisen, dass ich das für sehr problematisch halte.
Die Frage ist auch, ob das eine günstige Finanzierungsart ist. Private wollen Gewinn machen; das kostet zusätzlich etwas. Wir haben in Bayern Erfahrungen, weil es eine Reihe von privat vorfi nanzierten staatlichen Maßnahmen gibt. Wir wissen aus Rechnungshofberichten, dass diese Maßnahmen teurer geworden sind, als wenn sie der Staat oder die Kommune in eigener Regie gemacht hätte. Deshalb bitte ich darum, bei der noch stärkeren Forcierung öffentlich/privater Partnerschaften vorsichtig zu sein.
Ehe ich den nächsten Dringlichkeitsantrag aufrufe, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmungen bekannt. Bei der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Joachim Herrmann und anderer der CSU-Fraktion betreffend „Konsequenzen aus dem Fall Martin Prinz – wirksamer Schutz der Bevölkerung auch bei jugendlichen und heranwachsenden Straftätern“, Drucksache 15/2919, haben 93 Abgeordnete mit Ja gestimmt, mit Nein 46. Das ist das Ergebnis der Abstimmung über Nummer 1.