Was fällt Ihnen heuer ein? – Das Antidiskriminierungsgesetz. Glauben Sie denn, dass ein bayerischer Unternehmer bereit ist, die Zahl seiner Beschäftigten zu vergrößern, wenn er Gefahr läuft, bei jeder Neueinstellung vor dem Arbeitsgericht zu landen?
Nun zu betrieblichen Bündnissen: Da müssen Sie schnell schauen, dass Sie auch mit Ihren Freunden in der Gewerkschaft vorankommen, damit wir betriebliche Bündnisse ausweiten können. Herr Wahnschaffe, was spricht denn dagegen?
Was spricht dagegen, dies bei Zustimmung eines bestimmten Anteils der Belegschaft und des Betriebsrates auszuweiten? Wir brauchen doch nicht noch die Zustimmung der Tarifpartner, wenn wir betriebliche Bündnisse eingehen wollen.
Weiterhin gibt es die Forderung: „Stopp dem Schuldendienst“. Ich bitte Sie, wenn Sie so weitermachen wie bisher, müssen Sie permanent neue Schulden aufnehmen, um gerade noch die Zinsen für die alten zu zahlen.
Was ist schlimm an der Forderung „Vorfahrt für Bildung und Forschung“? Das brauchen wir doch, Kollege Wahnschaffe. Wir brauchen moderne Arbeitsplätze.
Wir tun es doch, ich bitte Sie. Ich entsinne mich an Diskussionen in diesem Hause, als sich der Freistaat Bayern bereit erklärte, den Forschungsreaktor in Garching vorzufi nanzieren. Seinerzeit gab es Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Fraktion, die gesagt haben, das brauchen wir nicht, die Studenten können das Gleiche auch in Grenoble in Frankreich machen. – Daraufhin haben wir gesagt: Wenn erst die Studenten dort sind, dann sind irgendwann die Unternehmer und die Arbeitsplätze auch dort!
Deshalb, liebe Damen und Herren von der Opposition, hilft dieser Antrag nicht. Sie haben den falschen Adressaten gewählt. Der Antrag lenkt ab von dem Versagen von RotGrün in Berlin, sonst gar nichts. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten uns doch nichts vormachen: Beschäftigungspakte sind ein Jahr vor der Bundestagswahl, egal auf welcher Ebene sie angeboten werden, von Ihnen im Bund oder von Ihnen im Land, nicht mehr als die Institutionalisierung taktischer Spielereien.
Wie Sie alle wissen, hatte Bayern schon einmal ab 1996 einen Beschäftigungspakt versucht, der zwischen bayerischer Wirtschaft, Gewerkschaften und Staatsregierung geschlossen wurde. Innerhalb des Paktes war 1996 unter anderem die Halbierung der Arbeitslosenzahl bis zum Jahr 2000 vorgesehen. Ergebnis: Statt der Halbierung der Arbeitslosenzahl stieg die Zahl der Arbeitslosen drastisch an.
Insoweit – das nur als Randbemerkung an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU – war also rein historisch im Ablauf in Sachen Arbeitslosenlüge Stoiber der Lehrmeister. Das nur am Rande.
Zurück zum Pakt: In Bayern hat sich die Zahl der Arbeitslosen seit Stoibers Regierungsantritt um fast ein Drittel erhöht. Nur zum Vergleich: In Baden-Württemberg betrug die Zunahme 10 % oder noch weniger. Ich sage das, damit wir eine Vorstellung von der Größenordnung haben.
In der Zeit des Beschäftigungspaktes haben sich die Disparitäten zwischen den Regionen in Bayern – Herr Wahnschaffe hat darauf hingewiesen – dramatisch verschärft. In dieser Zeit ist die Zahl der Arbeitslosen in Bayern prozentual schneller gewachsen als in den meisten anderen Bundesländern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Pakt in Bayern war ein Flop. Er war nicht mehr als eine Palaverrunde. Nachdem alle Ankündigungen und Willenserklärungen mehrmals durchgeknetet waren, löste er sich – da hat Herr Pschierer Recht – angesichts mangelnder Tariftreue der Staatsregierung, aber faktisch doch mangels Masse auf.
Schon zuvor, Mitte der Neunzigerjahre, gab es auf der Bundesebene das gleiche Spiel. In dieser Phase der Kohlschen Götterdämmerung stieg während der Paktzeit die Arbeitslosigkeit schneller als je zuvor und je danach.
Der nächste Pakt kam natürlich, auch von uns. Auch wir waren nicht ganz frei davon. Aber wir sind lernfähig. Das werden Sie gleich sehen. Der nächste Pakt kam also pünktlich nach der Regierungsübernahme, die die Deutschen zu Recht ersehnt hatten. Aber auch er verlief schneller im Sand, als manche schauen konnten.
Und jetzt ein neuer Pakt, liebe Kolleginnen und Kollegen? Kann mir irgendjemand sagen, welcher Pakt in Deutschland je zu etwas geführt hat, etwas bewegt hat?
Es war ein einziger, dem das gelang, und das war der Ausbildungspakt zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den Arbeitgeberverbänden. Wissen Sie, warum das gelang, Herr Pschierer? – Das gelang deshalb, weil die Drohung mit der Ausbildungsplatzabgabe, nein mit der Ausbildungsplatzumlage – jetzt habe ich schon Ihre falsche Terminologie übernommen – im Hintergrund stand, weil diese Drohung klar war und weil die Arbeitgeber sahen, sie kommen dort nicht heraus. Pakte, die auf freiwilliger Basis geschlossen wurden, sind immer gescheitert.
Dieses Druckmittel hat der Pakt, den die SPD vorschlägt, nicht. Deswegen würde er sich auch einreihen in die Liste vergeblicher, erfolglos versandeter Versuche. Das ist der
eine Grund, warum wir den Pakt ablehnen, übrigens genauso ablehnen wie den offensichtlich – ich kann das nicht mehr steigern – taktisch motivierten Paktvorschlag, den CSU und CDU gerade auf Bundesebene den Medien in geradezu lächerlicher Unglaubwürdigkeit vorsäuseln.
Der andere Grund, warum wir den Pakt ablehnen, ist sein Inhalt. Wir GRÜNEN spielen das Spiel von Minister Faltlhauser mit dem Verstecken und Verschleiern der tatsächlichen Haushaltssituation bekanntermaßen nicht gerne mit. Wir reden immer dagegen. Herr Meyer wird das bestätigen. Kollege Mütze hat auch in seiner eindrucksvollen Haushaltsrede heute wieder darauf hingewiesen. Wir spielen dieses Spiel aber auch dann nicht mit, wenn es vonseiten der SPD kommt, zum einen deswegen, weil wir nicht davon überzeugt sind, dass in der heutigen fi nanzpolitischen Situation ein staatliches Konjunkturprogramm der richtige Weg ist, den Ausfall der inländischen Privatnachfrage, zu der ich gleich noch kommen werde – Stichwort Angstsparen – aufzufangen.
Zum anderen halten wir gerade Public Private Partnership für eine gefährliche Sache, weil wir damit am Haushalt vorbei Straßen bauen, viele schöne Dinge machen und auch die Etats künftiger Wahlperioden ausgeben, aber das zusätzlich zur offenen Staatsverschuldung tun und damit die Handlungsmöglichkeiten künftiger Generationen im Widerspruch zu Haushaltsklarheit, – Wahrheit und Zukunftsfähigkeit einschränken. Deshalb sehen wir PPP, das im Moment als CSU-Antrag vorliegt, sehr viel kritischer als Sie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihr Antrag wurde offensichtlich mit sehr heißer Nadel gestrickt; denn es wird ein beliebiger Teilbereich der Bürokratie herausgegriffen, eine Verschuldung am Haushalt vorbei gefordert und im Antrag auf jede Begründung verzichtet. Ihr Antrag unterscheidet sich natürlich in den Inhalten diametral von den diversen Papierchen – es sind ja einige –, die wir in jüngerer Zeit von der bayerischen Mehrheitspartei vermehrt erhalten. Herr Pschierer, über den Inhalt dieser Papiere haben wir vor zwei Wochen debattiert; das ist im Prinzip dasselbe, das brauche ich heute nicht zu wiederholen. Meine Position dazu können Sie im Internet nachlesen: Sie war freundlich, aber kritisch.
Der Antrag für den Pakt unterscheidet sich nicht – und das ist das Problem – in der Begründung; denn sowohl SPD als auch CSU geht es vor allem um die politischen Wasser der gesellschaftlichen Katastrophe „Massenarbeitslosigkeit“ und ihren bitteren und grausamen Folgen für viele Einzelschicksale. Frau Stewens, Herr Wahnschaffe und ich haben dies gestern im Bürgerforum wieder vorgeknallt bekommen. Es geht um diese politischen Möglichkeiten, die Wasser auf Ihre Mühlen leiten. In der heutigen „Süddeutschen Zeitung“ kommentiert Christoph Schwennicke deswegen die Opposition von CDU und CSU zu Recht, sie solle sich endlich von ihren Scheinlösungen verabschieden. Ich füge hinzu: Eine solche Scheinlösung ist ein Antrag der SPD auf Wiedervorlage eines gescheiterten Beschäftigungspaktes ein Jahr vor der Bundestagswahl.
Die Massenarbeitslosigkeit ist ein viel zu ernstes Thema. Wer heute den „Pressespiegel“ gelesen hat, kann diesem entnehmen, dass wir dem Patienten „Menschen“ Scheinlösungen anbieten dürfen; damit belügen wir letztlich die Menschen in unserem Land. Stattdessen brauchen wir in der Debatte dringend mehr Ehrlichkeit. Zu dieser Ehrlichkeit gehört es auch, den Menschen zu sagen, dass wir die Kosten der Deutschen Einheit bei etwa 5 Billionen Euro ansiedeln dürfen, dass sie – anders gesagt – das 150-fache des bayerischen Staatshaushalts ausmachen. Es gehört auch zur Ehrlichkeit, den Menschen zu sagen, dass Deutschland damit, anders als alle anderen Länder in Europa – Sie haben immer sehr schnell Vergleiche zur Hand – eine fi nanzielle Aufgabe zu stemmen hat, die sowohl den Arbeitsmarkt als auch die Haushalte zu überfordern drohte und an der wir noch lange arbeiten werden, unabhängig davon, wie wir im Einzelnen regieren. Das kann keiner von uns wegdrücken.
Zur Ehrlichkeit gehört es auch, in diesem Zusammenhang festzustellen, wo die Grenzen der Politik – auch und gerade beim Abbau von Massenarbeitslosigkeit – liegen. Im Rahmen dessen, was möglich ist – durch das Scheitern der Föderalismuskommission ist dieser Rahmen leider sehr eng gezogen –, hat die Bundesregierung sehr viel durchgesetzt, um die jahrzehntelange Sklerose auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu überwinden.
Selbst nach Meinung konservativer Wissenschaftler ist das so. Herr Wahnschaffe hat einige Dinge genannt, etwa die tatsächliche Steuerbelastung samt Hartz. Verschiedene Sachen sind gut, manche überfl üssig; darin sind wir uns einig. Manches gilt es nachzubessern, zum Beispiel die Sache des Hinzuverdienens. Aber wir alle wissen, dass diese Reform im Vermittlungsausschuss nicht an uns scheiterte.
Mit der Gesundheitsreform haben wir den Anstieg der Lohnnebenkosten gesenkt – übrigens auch mit der ÖkoSteuer, aber das ist ein anderes Thema. Auch mit der Gesundheitsreform sind Spielräume vorhanden, um die Lohnnebenkosten um etwa 0,5 Prozentpunkte zu senken. Jetzt kommt es darauf an, dass dies auch umgesetzt wird. Diese für sehr viele Menschen äußerst harten Reformen haben wir auch gegen eine – mit Verlaub – zum Teil populistische Opposition im Bund durchgesetzt.
Aber wir alle wissen auch, dass die Reformen nicht von heute auf morgen wirken. Deshalb gilt, dass, wer der Bevölkerung etwas anderes suggeriert, wer sich heute hinstellt und das Scheitern der Reformbemühungen in unverantwortlicher Weise herausposaunt, wer, egal von welcher Seite, jeden Tag einen neuen Vorschlag bringt, was wir im Bereich des Arbeitsmarktes machen sollten und eine neue „Sau durchs Dorf treibt“, nicht die Sache, sondern den nächsten Wahltermin im Blickfeld hat. Dieses Spiel machen die GRÜNEN nicht mit.
Das hat nichts damit zu tun, dass wir Gutmenschen seien – die sind wir ausdrücklich nicht –, sondern das hat einen handfesten, sachlichen Grund: Wirtschaft besteht bekanntlich zu 50 % aus Psychologie. Es gibt einen Grund dafür, dass in Deutschland die Unternehmen im Durchschnitt deutlich mehr Gewinne machen, als sie in Deutschland reinvestieren, nämlich die Kaufzurückhaltung der Beschäftigten in Deutschland, die Kaufzurückhaltung der Bevölkerung im eigenen Land. An diesem Angstsparen tragen wir mit unserer Inszenierung von Politik zum Thema „Arbeitslosigkeit“ – mit „wir“ meine ich alle Parteien – ein gehöriges Stück Mitverantwortung, meine Damen und Herren.
Wir fahren täglich mit neuen Meldungen fort, die meist nicht viel mehr sind als eine Häppchen-Reaktion auf unverantwortliche Schlagzeilen in der „Bild“-Zeitung, die sagt, tut doch endlich etwas; und dann steht am nächsten Tag in der „Bild“-Zeitung, wir haben etwas getan, nämlich einen Antrag gestellt. Wenn wir damit – vorgestern Henzler, gestern ein Fünf-Punkte-Programm und Zehn-PunktePaktangebot, heute einen „Beschäftigungspakt Bayern“ – und mit diesem inszenierten Wahlkampfgetöse die Menschen weiterhin verunsichern, fördern wir die Politik des Angstsparens, versetzen wir der Inlandsnachfrage einen schweren Schlag und verhindern jeden Wirtschaftsaufschwung. Das ist der Preis, den Bayern und Deutschland für die von der Politik immer wieder mutwillig angefachte Verunsicherung zahlen müssen, und dieser Preis ist uns zu hoch.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei den GRÜNEN „Gutmenschen“ habe ich schon etwas schmunzeln müssen angesichts des massenhaften Visa-Missbrauchs, der sich in den letzten Jahren in Deutschland abgespielt hat.
Vom „Gutmenschen“ zu sprechen, wenn man auf die Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt denkt, dazu gehört schon eine gewissen Unverfrorenheit.
(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie sind bestimmt kein „Gutmensch“, da bin ich sicher! – Zuruf der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))
Herr Kollege Hallitzky, lassen Sie mich zur Ausbildungsplatzabgabe etwas sagen. Wenn Sie denken, das sei ein Druckmittel auf die Wirtschaft gewesen, haben Sie sich nicht mit dem Handwerk und der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland und Bayern unterhalten, denn tatsächlich war es ein Mittel, um davor abzuschrecken, zusätzlich Ausbildungsplätze zu schaffen. Da ist gerade bei denjenigen, die für unsere jungen Menschen die meisten Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, Vertrauen zer