Protocol of the Session on February 16, 2005

Die Bundesregierung hat auf die Pisa-Studie reagiert. Ich darf daran erinnern, was hier gern verschwiegen wird, dass vor Ort etwas als eigene segensreiche Maßnahme verkauft wird. Vier Milliarden Euro investiert die Bundesregierung in die Schulpolitik in Deutschland, obwohl sie es nicht tun müsste und obwohl Bayern immer wieder an erster Stelle steht, wenn es darum geht, die eigene Zuständigkeit zu zementieren. Dieses Geld haben Sie gern genommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber hören Sie auf, auf andere mit dem Finger zu zeigen. Wo bleibt das Investitionsprogramm zur Sanierung der Schulhäuser in Bayern, wie es die Bundesregierung gemacht hat? Dem haben Sie nichts entgegenzusetzen.

Ich darf noch etwas zu Ihren warmen Dankesworten an die Lehrer und an all die anderen sagen. Es klingt wie Hohn, wenn Sie sich bei den Lehrerinnen und Lehrern für ihre hervorragende Arbeit bedanken. Jawohl, Lehrerinnen und Lehrer haben hervorragend gearbeitet, aber nicht wegen Ihrer Politik. Die Lehrerinnen und Lehrer haben geradezu Schlimmeres verhindert. Wenn deren Engagement nicht gewesen wäre, würde es an den Schulen noch schlechter ausschauen. Aber Sie wagen es, sich hier hinzustellen und sich bei den Lehrerinnen und Lehrern zu bedanken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist zynisch.

Genauso verfahren sie übrigens mit den Sachaufwandsträgern. Auch bei denen haben Sie sich bedankt. Die Tatsache, dass Sie den Städten mit eigenen Schulen immer noch die volle Erstattung der Lehrpersonalkosten verweigern, macht zum Beispiel in München 200 Millionen Euro aus. Das sagen Sie aber nicht.

(Widerspruch von der CSU)

Hören Sie also mit den warmen Worten auf! Tun Sie etwas. Das wäre viel besser. Dann wäre der Dank, den Sie hier immer verströmen, letztlich glaubwürdiger.

Vergessen haben Sie offensichtlich auch den Dank an die Eltern. Es ist übrigens nicht möglich, dass die Elternhäuser die Defizite der Schulen ausgleichen. Nur durch das Engagement der Eltern ist es so, wie es ist. Ich möchte mich ausdrücklich auch bei den Eltern bedanken, die zu Hause die Defizite auffangen, die in den Schulen vorherrschen. Ich darf an die selbst organisierte Mittagsbetreu

ung an den Schulen erinnern. Die wird überwiegend von den Eltern getragen. Dafür muss man sich ebenfalls bedanken. Auch die höhere Belastung der Eltern mit dem Büchergeld und vielen anderen Dingen muss hier erwähnt werden.

Ein weiterer Punkt. Es wurde gesagt, die Opposition rede die Schulen schlecht. Mein Gott, lesen Sie denn nicht die Briefe, die Ihnen jeden Tag ins Haus flattern, die Zeitungen, die jeden Tag auf dem Tisch liegen, und hören Sie denn nicht die Botschaften der Verbände in der gesamten Schullandschaft? Nicht nur die Opposition kritisiert, sondern auch diese kritisieren heftig die bayerische Schulpolitik. In diesem Land gibt es ein breites Bündnis der Kritik an Ihrer Schulpolitik. Da brauchen Sie nicht der Opposition in diesem Hause vorzuwerfen, sie male die Schulpolitik schwarz.

Ich darf hier einmal ein paar Zitate anführen. Zunächst zitiere ich aus einem Brief eines Elternbeirats von einer Realschule in Wasserburg:

Damit sich die Qualität des Unterrichts trotz großen Engagements von Lehrkräften und Schulleitung nicht weiter verschlechtert, müssen umgehend ausreichend Lehrerplanstellen geschaffen werden.

Ein Zitat eines Schreibens eines Elternbeirats von Grund- und Teilhauptschule Ziemetshausen:

Bis heute gab es an unserer kleinen Schule mit rund 180 Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse bereits 67 Stunden, an denen der Unterricht entfiel. Zum Teil mussten Klassen tageweise zu Hause bleiben.

Zitat Bayerischer Lehrerinnen- und Lehrerverband:

Die qualitative Arbeitsbelastung der Lehrkräfte aller Schularten hat sich nicht zuletzt durch die demotivierende Arbeitszeiterhöhung im

Schuljahr 2004/2005 erneut erhöht, obwohl sie bereits in den vergangenen Jahren außerordentlich stark und zeitlich angespannt und ausgedehnt war.

München, „Abendzeitung“: „22 Hauptschulen rebellieren“. – Es gibt mittlerweile Elterninitiativen, die sich gründen, und die in Bayern eine Initiative „Für mehr Lehrer“ starten. – Haag: Die Eltern sind nicht länger bereit, den Unterrichtsausfall hinzunehmen, der durch den Lehrermangel verursacht wird. Den Versicherungen der Politik, alle Schulen seien ausreichend mit Lehrern versorgt, schenken wir gerade nach den jüngsten Tatsachen und Veröffentlichungen keinerlei Glauben mehr. – Münchner Merkur: „Essen auf dem Fußboden. Klassen zwangsfusioniert“. – Volksschule Mittenwald. Man klagt über akuten Lehrermangel. – Landkreis Miesbach: Es brennt lichterloh!

Dann geht es mit den Realschulen weiter oder mit den Gymnasien. Gymnasium Moosburg: 100 Schüler sitzen beim Essen auf dem Boden. – Gymnasium Gräfelfing:

Kommt es zu radikalen Kürzungen von Klassenfahrten? Man könnte diese Liste unendlich ausdehnen. Das ist die Realität in der bayerischen Schulpolitik. Und da hilft es nichts, angesichts dieser Schlagzeilen, die jeden Tag in der Presse nachzulesen sind, virtuelle Lehrer und Stellenäquivalente zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bin gespannt, Herr Schneider, wann das erste Stellenäquivalent in irgendeiner Klasse in diesem Land Unterricht erteilt. Das ist die entscheidende Frage, die hier zu stellen ist. Da bin ich sehr gespannt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte als Nächstes zu der hochgelobten Stellenplanentwicklung – das ist auch so eine Nebelkerze, Herr Schneider, die Sie in den Raum werfen – der Lehrerinnen und Lehrer der letzten zehn Jahre kommen. Dort ist von 5000 Lehrerstellen die Rede, die Sie geschaffen haben. Halten Sie denn den Rest der Welt für blöde? Wissen Sie nicht, dass 24,6 % mehr Schülerinnen und Schüler in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen waren? – Es gibt Berechnungen die sagen: Hätte man bei stabilen Klassengrößen für diese 24,6 % Lehrerplanstellen geschaffen, hätte man 20 000 Lehrerinnen und Lehrer gebraucht. Man höre: 20 000! Sie haben 5000 geschaffen, also 15 000 nicht geschaffen. Das ist die bittere Wahrheit.

Man will hier letztendlich ein dramatisches Versäumnis der letzten Jahre als großen Erfolg verkaufen. 24,6 % mehr Schülerinnen und Schüler hätten eine deutlich höhere Ausweitung der Stellenpläne bei den Lehrerinnen und Lehrern erfordert. Sie haben aber nur 5000 geschaffen. Das ist viel zu wenig. Die Konsequenz sehen wir hier jeden Tag: übervolle Klassen, Überbelastung der Lehrer, Überbelastung der Eltern, Schlagzeilen ohne Ende. Das ist die Konsequenz Ihrer Lehrerstellenentwicklung. Es ist also nicht alleine eine Frage der Schaffung der Personalstellen, es ist eine Frage des Bedarfs an Lehrerinnen und Lehrer. Diesen Bedarf decken Sie in unserem Land bei weitem nicht ab, obwohl Sie es immer wieder Glauben machen wollen.

Sie haben das Gegenteil getan. Vielleicht lesen Sie sich noch einmal Ihre Liste angesichts der warmen Worte für Lehrerinnen und Lehrer durch, angefangen von der Rücknahme der Arbeitszeitverkürzung von 1994/1995, wo 850 Planstellen eingespart wurden, bis zur Arbeitszeiterhöhung im Jahre 2004, wo 1400 Planstellen eingespart wurden, wo man doch über 4000 Planstellen mehr gebraucht hätte. Die haben Sie nicht eingestellt. Das ist die wahre Bilanz.

Zur Finanzierung: Ich bleibe dabei, man kann viele Finanzvergleiche machen: 1,97 % am Bruttoinlandsprodukt in diesem Freistaat, die im Einzelplan 05 im Jahr 1987 für Bildung ausgegeben werden, im Jahre 2002 sind es 2 %, also eine marginale Erhöhung. Mit der Steigerung im Jahre 2005 sieht es nicht anders aus. Der schlechte Durchschnitt der deutschen Bundesländer liegt bei 2,3 % des Anteils an den Bruttoinlandsprodukten der Länder. Das sind 1,1 Milliarden weniger als der schlechte Durchschnitt

der deutschen Bundesländer, den Sie in diesem Lande ausgeben. Und da stellen Sie sich hin und wollen uns verkaufen, dass Sie eine gute Schulpolitik machen! – Meine Redezeit ist leider zu Ende.

Herr Waschler hat ein biblisches Zitat bemüht; er hat etwas aus „Jesaja“ zitiert. Ich zitiere eines der zehn Gebote: Du sollst nicht lügen in der bayerischen Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich glaube, dass wir dann einen Schritt weiterkommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, einen Überblick über die Redezeiten: Die CSU-Fraktion hat noch 20 Minuten. GRÜNE und SPD haben ihre Redezeit voll ausgeschöpft. – Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Heckner.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute keine Grundsatzdebatte zu führen, wir haben den bayerischen Kultushaushalt zu beschließen.

(Marianne Schieder (SPD): Wenn die Haushaltsdebatte keine Grundsatzdebatte sein soll, was dann?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie jeden Tagesordnungspunkt einer Plenarsitzung dazu benutzen, um Strukturdebatten in der bayerischen Bildungspolitik zu führen, sollten wir ehrlichkeitshalber einmal darüber reden, dass wir hier in Bayern eine sehr verantwortungsvolle Bildungs- und Finanzpolitik leisten und dass die nicht prognostizierten Schülerzuwächse weitgehend dadurch entstanden sind, dass sehr viele Menschen aus den Bundesländern, für die Sie Verantwortung tragen, nach Bayern zuziehen. Wir wissen alle, dass Bildungsqualität und Bildungsstandorte durchaus einen Faktor für Wohnortwünsche und Wohnortwahl darstellen.

(Marianne Schieder (SPD): Zum Beispiel Thüringen!)

Bevor Sie, liebe Frau Schieder, sich in jeden Satz bei mir einmischen, darf ich Ihnen auch eines bescheinigen. Ich bin Ihnen fast dankbar dafür, dass Sie eine so konsequente rot-grüne Politik, wie Sie sie in Berlin machen, uns auch in Bayern tagtäglich vor Augen führen, die darin besteht, dass Sie sehr sorglos damit umgehen, wie sich unsere Einnahmesituation darstellt, wobei keinerlei Ursachenforschung oder Ursachendiskussion gewünscht wird, wobei von Ihnen tagtäglich eine sorglose Ausgabenpolitik angemahnt und gewünscht wird.

(Marianne Schieder (SPD): Sie wollen doch noch mehr Steuersenkungen!)

Das ist mit uns nicht zu machen; denn wir haben Verantwortung gegenüber der jungen Generation für die Zukunft. Wenn wir draußen in den Veranstaltungen sind, obwohl Sie eine unbeschreibliche Kampagne bei den Eltern fahren, Aufhetzung und Unterschriftenkampagnen betreiben

und lostreten, so wird uns doch immer wieder bestätigt, dass wir auf Dauer nicht mehr ausgeben können. Das Bildungsmonitoring bescheinigt uns, dass Bayern das Bundesland ist, das den effektivsten Mitteleinsatz im Bildungsbereich vorweisen kann. Dadurch sehen wir uns durchaus darin bestätigt, dass wir eine verantwortungsvolle, auf Qualität abzielende Haushaltspolitik betreiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf auch feststellen – ich spreche für den beruflichen Schulbereich –, dass wir Verantwortung übernehmen. Leider Gottes hört man von der Opposition immer nur: Wir haben unsere Leute fit zu machen für das Berufsleben durch eine berufliche Ausbildung.

Ich kann eines feststellen: Bayern hält als eines der wenigen Bundesländer am Umfang der Ausbildung an den Berufsschulen fest. Die von der KMK festgelegte 12-Stunden-Regelung entspricht im Durchschnitt eineinhalb Berufsschultagen. An denen hält Bayern trotz mancher andersgearteten Wünsche der bayerischen Wirtschaft mit Konsequenz fest.

Wir wissen nämlich, dass die berufliche Bildung nicht nur die Vermittlung beruflicher Fertigkeiten ist, sondern junge Menschen auch für ein lebenslanges Lernen befähigt.

Wir haben trotz angespannter Haushaltslage Tausende junger Menschen, die auf dem freien Arbeitsmarkt keine Ausbildungsplätze finden, in vollschulische Berufsbildungsmaßnahmen integriert. Wir haben in hohem Umfang Berufsfachschulen gegründet und dabei auch konjunkturelle Schwächen in der Region ausgeglichen. Darüber hinaus gehen wir den Weg, neue Berufsbilder in vollzeitschulischen Maßnahmen anzubieten wie Altenpflege, kaufmännische Assistenten und neuerdings auch biologisch-technische Assistenten. Damit wollen wir den Fachkräftebedarf der Zukunft durch eigene staatliche Ausbildung abdecken.

Wir haben Schulversuche zur Koordinierung der Ausbildung in der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege laufen; denn das sind aufgrund der demographischen Entwicklung Berufe der Zukunft. Wir stehen in dem Spannungsfeld, dass die geringeren Einnahmen natürlich nicht nur dem Staat, sondern auch zunehmend den Kommunen zu schaffen machen. Da haben wir in den letzten Jahren verstärkt einiges leisten müssen. Auch hier in München konnten wir erleben, dass die kommunalen Schulen ihre Zugangsklassen einschränken und die interessierten jungen Menschen dann im staatlichen Schulwesen landen.

(Zuruf von der SPD: Weil Sie nichts zuwege krie- gen! Das ist doch logisch! Es wäre Ihre Aufgabe!)

Wir haben in den letzten Jahren zusätzliche Schulstandorte errichtet. Die Schülerzuwächse haben wir auch durch eine Mehrung von Stellen aufgefangen, und wir haben – da spreche ich von einem besonderen Spannungsfeld der beruflichen Schulen – darauf geachtet, dass wir nicht in besonderem Maße nur von der Einkommenssituation der öffentlichen Hand abhängig sind, sondern wir haben selbstverständlich auch versucht, die verfehlte Wirtschaftspolitik und die daraus folgende mangelnde Investi

tionsfreudigkeit der Betriebe aufzufangen. Da Frau Kollegin Schieder vorhin moniert hat, wir seien nicht fähig, Prognosen zu treffen, dann möchte ich schon fragen, wie man so etwas prognostizieren will,

(Karin Radermacher (SPD): Obwohl die Schüler schon geboren sind?)

wenn das Bildungsverhalten der jungen Menschen wohl auch daraus resultiert, dass zunehmend erkannt wird, wie wichtig ein guter Schulabschluss für das weitere Leben ist.

(Zurufe und Lachen bei der SPD)

Die jungen Menschen verweilen immer länger in schulischen Einrichtungen; sie verbringen nicht nur ihre Pflichtjahre dort, sondern wiederholen zunehmend bis zu 10 % freiwillig die 9. Klasse, um bessere Aussichten auf eine Lehrstelle zu bekommen. Das sind gravierende Zeichen, aber wie soll man so etwas prognostizieren? Seriös kann man das nicht tun.

(Marianne Schieder (SPD): Oh je!)

Meine Damen und Herren, die Bayerische Staatsregierung hat auf all diese Veränderungen im Bildungsverhalten reagiert. Wir haben einen starken Anstieg der Schülerzahlen in den beruflich weiterbildenden Schularten, die in Bayern einen ganz zentralen Bildungsmarkstein darstellen. Allein die Anzahl der bayerischen Fachoberschüler ist identisch mit der Gesamtzahl der Fachoberschüler in ganz Deutschland. Wenn nun immer wieder moniert wird, in Bayern seien die Abiturientenquoten zu niedrig, darf ich daran erinnern, dass es sich bei diesen Statistiken ausschließlich um die Abiturienten aus den Gymnasien handelt.