Protocol of the Session on February 16, 2005

Noch einmal, vielleicht gelingt es im zweiten Anlauf: Wir brauchen Unterrichtsstunden in der Größenordnung von circa 800 Lehrerstellen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Sie haben aber nur 500!)

Hören Sie einmal zu. – Wir werden 500 Lehrerstellen schaffen und das Defizit von rechnerisch 300 Lehrerstellen durch organisatorische Maßnahmen ausgleichen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Verschiebung von der Hauptschule an das Gymnasium!)

Herr Kollege Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schieder?

Nein, ich bin gerade dabei, die Sache zu erklären. – Die organisatorischen Maßnahmen bestehen beispielsweise darin, dass Referendare nicht nur an der Volksschule sechs Stunden eigenverantwortlich Unterricht geben, sondern künftig auch an der Realschule und am Gymnasium. Auf diese Weise werden wir Unterrichtsstunden bekommen. Das Ziel ist, Unterrichtsstunden zu bekommen, damit der Unterricht vor Ort gewährleistet wird. Nehmen Sie die Zahlen zur Kenntnis. Sie haben zwar gesagt, Sie nehmen sie nicht zur Kenntnis, aber vielleicht akzeptieren Sie die Wahrheit.

(Simone Tolle (GRÜNE): Die Realität wird Sie Lügen strafen!)

Verantwortliche Politik bedeutet, dass jedes Mehr, das wir für Bildung brauchen, zu einem Weniger in anderen Bereichen führt.

(Simone Tolle (GRÜNE): Zum Beispiel beim Hofer Flughafen! 32 Millionen Euro!)

Hören Sie doch mit dem Hofer Flughafen auf. Das wäre ein Strohfeuer, das ein Jahr wirkt, und nach einem Jahr wäre dessen Wirkung vorbei. Das ist doch ganz einfach.

(Beifall bei der CSU)

Insgesamt steht im nächsten Doppelhaushalt im Saldo ein Plus von 241 neuen Lehrerstellen zur Verfügung. Hinzukommen noch 646, die durch die Unterrichtspflichtzeiterhöhung für die Schulen gewonnen werden.

(Simone Tolle (GRÜNE): Die stehen nicht im Haushalt!)

Es wird also mehr Unterrichtsstunden geben. Für Frau Pranghofer möchte ich erklären: Ich habe gestern gesagt, es handelt sich um 40 000 Unterrichtsstunden je Woche mehr im laufenden Schuljahr; Sie aber haben Ihren Berechnungen das nächste Schuljahr zugrunde gelegt. Das ist immer gefährlich. Bei den 40 000 handelt es sich um das laufende Schuljahr und nicht um das nächste Schuljahr; ich möchte diese Unterscheidung machen.

Wir werden mit diesem Haushalt auch konsequent die Qualität des bayerischen Bildungswesens weiterentwickeln. Wir setzen auf die kindgerechte Leistungsschule, auf Fördern und Fordern, und wir werden auch unsere Schwerpunkte weiterentwickeln. Frau Ministerin Hohlmeier hat das bereits ausgeführt. Frühe Bildung, Bildungs- und Erziehungsplan, Kindergarten der Zukunft als Modellversuch, Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule, die neue Einschulung, Erkenntnisse der Hirnforschung und der Lernforschung – das wird der erste Schwerpunkt sein. Der zweite Schwerpunkt liegt in der Stärkung der individuellen Förderung: Intensivierungsstunden, Förderstunden – alles Maßnahmen, die Sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Sie wollen auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass es in Bayern Förderlehrer gibt. Es gibt 1300 Förderlehrer. Ich habe vor kurzem in der „Zeit“ gelesen, dass Berlin neu entdeckt hat, Förderlehrer auszubilden und einzustellen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Wir sollten ein paar mehr einstellen!)

Nur in Bayern gibt es Förderlehrer, die eine immens gute Arbeit an den Schulen leisten.

(Beifall bei der CSU)

Mit der Frage hat sich der Bildungsausschuss bereits vor zwei Jahren befasst. Die Frage wird aus meiner Sicht sein: Wie können wir den Einsatz der Förderlehrer noch optimieren? Es stellt sich auch die Frage: Müssen wir das Angebot an Förderlehrern ausbauen?

(Simone Tolle (GRÜNE): Das finde ich schon!)

Eine weitere Frage ist: Reicht ein Ausbildungsort in Bayreuth, oder sollten wir darüber nachdenken, auch im südlichen Bayern eine Ausbildungsstelle einzurichten? Darüber haben wir schon diskutiert.

Als dritten Schwerpunkt müssen wir in der Sprach- und Leseförderung weiter dranbleiben – beginnend im Kindergarten, über die Vorkurse und die Sprachlernklassen; auch darauf hat die Frau Ministerin schon hingewiesen.

Selbstständige Schule – es wird immer wieder behauptet, in Bayern würden alle gegängelt. Das Gegenteil ist der Fall. Gehen Sie einmal in die Modusschulen. Wenn Sie bei der Vergabe der i.s.i.-Preise dabei gewesen wären, hätten Sie gesehen, welche Qualität an den bayerischen Schulen in einer großen Bandbreite vorhanden ist. Sie hätten sich dann ein realistisches Bild von unseren Schulen machen können.

(Beifall bei der CSU – Simone Tolle (GRÜNE): Vielleicht werden wir das nächste Mal eingeladen!)

Die Schlüsselstelle für eine gute Schule ist der Schulleiter. Es wird eine Zukunftsaufgabe bleiben, die Ausbildung, die Fortbildung und die Auswahl der Schulleiter auf einen guten Stand zu bringen und zu halten.

Der nächste Punkt – ich erinnere mich gut an unsere Debatten in diesem Hause –: Qualitätssicherung und Ergebnisverantwortung. Als wir zum ersten Mal in Bayern über Jahrgangsstufentests und über Orientierungsarbeiten gesprochen haben, ging ein Aufschrei und ein Gekeife durch Ihre Reihen; Sie haben einen Theaterdonner inszeniert, und heute verkaufen Sie in den von Ihrer Partei regierten Ländern die gleichen Konzepte und die gleichen Rezepte, die Sie von Bayern abgeschrieben haben.

(Karin Radermacher (SPD): Das hat doch nichts mit Qualität zu tun!)

Die Schule kann nur im Miteinander gelingen. Lehrkräfte leisten viel. Sie brauchen aber die Unterstützung der gesamten Gesellschaft, vor allem aber auch die Unterstützung der Eltern.

(Simone Tolle (GRÜNE): Ganz genau, Herr Schneider!)

Schule und Elternhaus müssen an einem Strang ziehen, damit Bildung und Erziehung gelingen können. Dabei liegt die Erziehung primär in der Verantwortung der Eltern. Die Eltern dürfen sie nicht einfach bei der Schule abgeben. Die Lehrkräfte können selbst bei größtem Engagement die Defizite des Elternhauses nicht aufholen. Es muss aber genauso gelten: Die Schule muss das Engagement der Eltern als Bereicherung verstehen und dieses auch fördern. Ich habe bereits gesagt: Wir sind besser als jedes rot-grün regierte Land, aber wir haben einen anderen Anspruch. Bei Pisa 1 konnte sich Bayern international behaupten. Unser Ziel ist es, international weiter nach vorne zu kommen. Die Grundschule in Bayern hat bei der IgluStudie hervorragend abgeschnitten. Auch die Ergebnisse

von Pisa 2 werden wir in Bezug auf die Länderauswertung genau analysieren.

(Simone Tolle (GRÜNE): Die sind noch nicht da!)

Ich bin davon überzeugt, dass die Schule in Bayern auch bei Pisa 2 hervorragend abschneiden wird, und zwar sowohl die Gymnasien als auch die Real- und Hauptschulen.

Eine besondere Herausforderung sind sicher die Schüler, die ohne Abschluss die Schulen verlassen; denn ohne Schulabschluss sind ihre Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sehr gering. Wir müssen deshalb nach meiner Meinung unsere Fördermaßnahmen gerade auf diese Schüler konzentrieren und diese intensivieren. Konsequente Förderung von Lesen, Schreiben und Rechnen, von Deutsch und Mathematik, Einüben der sozialen Schlüsselqualifikationen, einen noch stärkeren Praxisbezug und vor allem auch die Zusammenarbeit mit den beruflichen Schulen sind wichtig.

Mein Dank gilt allen Lehrkräften, die trotz Unterrichtspflichtzeiterhöhung und trotz manchmal schwieriger Rahmenbedingungen Hervorragendes leisten – manche gehen auch an ihre Leistungsgrenzen. Mein Dank gilt allen Verantwortlichen in Schulaufsicht und Schulentwicklung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kultusministerium und der Spitze des Kultusministeriums. Mein Dank gilt aber auch den Eltern, besonders den Elternvertretern und Initiativen, die sich für die Schüler und die Schule engagieren. Die guten Ergebnisse in Bayern sind auch aufgrund des Pflichtbewusstseins eines Großteils der Eltern zustande gekommen. Mein Dank gilt auch allen gesellschaftlichen Gruppen, die die Arbeit der Schulen unterstützen – vor allem auch der bayerischen Wirtschaft, die ihrem gesellschaftlichen Auftrag in vorbildlicher Weise gerecht wird.

Dieser Haushalt ist für einen Bildungspolitiker sicherlich kein Wunschhaushalt.

Jeder von uns könnte sich zusätzlich etwas vorstellen und könnte zusätzlich Aktivitäten entwickeln. Aber es handelt sich um einen Haushalt, der in einer finanziell angespannten Zeit klare Priorität für die Bildung zeigt. Verantwortliche Politik bedeutet, das pädagogisch Notwendige zu leisten und das pädagogisch Wünschenswerte mit dem finanziell Machbaren zu verbinden. Das wird uns mit diesem Haushalt gelingen. Davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei der CSU)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Pfaffmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will in der heutigen Haushaltsdebatte ein paar Anmerkungen machen. Zunächst spreche ich Sie an, Herr Schneider. Sie haben sich hier wieder mit blumigen Worten bei allen möglichen Institutionen dieser Gesellschaft bedankt.

(Zuruf von der CSU: Die haben es verdient!)

Darauf komme ich noch. – Vor allem haben Sie sich zum Schluss herzlich bei der bayerischen Wirtschaft für die Zusammenarbeit bedankt. Es ist Ihnen schon klar, dass die bayerische Wirtschaft Ganztagsschulen fordert, eine längere Schulzeit fordert, kleinere Klassen fordert, eine andere Schulstruktur fordert.

Lieber Herr Schneider, man kann sich bedanken. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die bayerische Wirtschaft im Kern eine genau andere Schulpolitik wünscht, als Sie sie hier in Bayern machen. Das will ich deutlich feststellen.

Zum Zweiten haben Sie der kindgerechten Leistungsschule das Wort geredet, sie hoch gelobt und die individuelle Förderung der Kinder in den Mittelpunkt gestellt. Wunderbar! Auch ich bin für individuelle Förderung. Was Sie den Kindern aber in der 4. Grundschulklasse, im 10. Lebensjahr, mit Ihrem Übertrittszeugnis antun, um sie zu selektieren, hat mit kindgerecht nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Sie haben die Modusschulen angesprochen und damit ein Alibi für die Selbstständigkeit der Schulen geschaffen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Auch das ist ein lächerliches Argument. Ich bin zwar auch froh, dass es Modusschulen gibt, aber wir haben von 5000 Schulen, Herr Schneider, gerade 22 Modusschulen. Daraus nehmen Sie das Alibi für selbstständige Schulen. 4800 Schulen hängen am Gängelband des Ministeriums, während 22 Schulen Modusschulen sind. Das ist für Sie das Alibi für selbstständige Schulen in diesem Land. Das zeigt schon, mit wieviel Nebelkerzen Sie hier den Raum vollwerfen, damit keiner mehr etwas sieht.

Die Kultusministerin hat ihre Haushaltsrede heute so schnell heruntergelesen, so schnell heruntergehechelt, dass man fast den Eindruck gewinnen konnte, dass sie möglichst schnell fertig werden wollte, weil sie selber nicht glauben konnte, was sie da vorlas. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine so lustlos und kraftlos abgelesene Haushaltsrede habe ich schon lange nicht mehr gehört. Das ist ein Beispiel dafür, mit welchem Ernst und welcher Kraft der Bildungshaushalt vorgetragen wird. Dazu möchte ich einige Anmerkungen machen.

Man hört mit jedem zweiten Wort, dass es einem fast zum Halse heraushängt: Die bayerische Schulpolitik ist in Deutschland die beste. Was soll damit gesagt werden? Damit soll legitimiert werden, wie es in Bayerns Schulen ausschaut. Das ist sozusagen das Werbeziel dieser Aussage. Aber kein Mensch behauptet, dass es gut ist, was in anderen deutschen Bundesländern in der Schulpolitik passiert. Das ist überhaupt nicht so, Frau Staatsministerin. Wir wissen selber – nicht deshalb, weil wir dort regieren, sondern weil Pisa es gezeigt hat –, dass Deutschland mit seinen Ländern im schulpolitischen Vergleich nicht besonders gut ausschaut. Auch wir wären froh, wenn es besser wäre. Daraus aber abzuleiten, dass in Bayern alles gut sei, ist doch die pure Unverschämtheit.

Welchen Anspruch haben Sie eigentlich? Wollen Sie sich damit begnügen, dass Sie unter den Schlechten ein Guter sind? Dies wollen wir gar nicht abstreiten. Aber wollen Sie sich damit begnügen, in der Regionalliga und in der AKlasse – um in der Fußballersprache zu sprechen – an erster, zweiter oder dritter Position stehen? Ist das Ihr bildungspolitischer Anspruch? Unserer ist es nicht, meine Damen und Herren.

Wir wollen mit bildungspolitischen Maßnahmen nicht nur finanzieller, sondern auch inhaltlicher Art an die Spitze der Bundesliga kommen. Ihre schulpolitischen Maßnahmen und Ihr Haushalt werden damit keinen Erfolg haben.

(Siegfried Schneider (CSU): An der Spitze sind wir ja!)

Die Bundesregierung hat auf die Pisa-Studie reagiert. Ich darf daran erinnern, was hier gern verschwiegen wird, dass vor Ort etwas als eigene segensreiche Maßnahme verkauft wird. Vier Milliarden Euro investiert die Bundesregierung in die Schulpolitik in Deutschland, obwohl sie es nicht tun müsste und obwohl Bayern immer wieder an erster Stelle steht, wenn es darum geht, die eigene Zuständigkeit zu zementieren. Dieses Geld haben Sie gern genommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber hören Sie auf, auf andere mit dem Finger zu zeigen. Wo bleibt das Investitionsprogramm zur Sanierung der Schulhäuser in Bayern, wie es die Bundesregierung gemacht hat? Dem haben Sie nichts entgegenzusetzen.