Protocol of the Session on February 16, 2005

Es notwendig, dass wir die Reformen angehen und Sie sich nicht weiter verweigern. Die Balance zwischen den Beiträgen und den Leistungen der Arbeitslosenversicherung muss wieder hergestellt werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Dauer des Leistungsbezuges ab 2006 begrenzt wird. Deswegen ist der Arbeitslosenversicherungsbeitrag baldmöglichst auf 5 % zu senken.

Schließlich ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass es neben der betriebswirtschaftlichen Verantwortung von Großbetrieben auch eine volkswirtschaftliche Verantwortung gibt, die der sozialen Marktwirtschaft als Gestaltungsprinzip zur Bekämpfung der Situation, in der wir uns befinden, ihren Namen tatsächlich zu Recht gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesen Konzepten lässt sich nicht nur der Niedergang des Standortes Deutschland aufhalten, sondern auch das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit wieder herstellen. Nur wenn die Zuversicht der Bevölkerung auf eine bessere Zukunft geweckt werden kann, werden wir auch insgesamt wieder einen positiven Trend aufweisen. Wer dagegen, wie der amtierende Bundeskanzler, seine Leistungsfähigkeit an einer deutlichen Reduzierung der Arbeitslosenzahlen festmacht und dann nichts tut, hat abgewirtschaftet. Ich bitte, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Steiger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Unterländer, die Begründung zu diesem Antrag war mehr als merkwürdig und von Allgemeinplätzen durchzogen. Damit tragen Sie nichts zur Bekämpfung dessen bei, was unser aller Anliegen ist: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das ist die wichtigste Aufgabe. Ich gehe davon aus, dass das auch allen hier im Hause ein Anliegen ist, es muss auch unser aller Anliegen sein. In einem haben Sie Recht, nämlich wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass hinter den hohen Arbeitslosenzahlen Menschen, Schicksale stehen. Deshalb ist es unsere dringendste Aufgabe, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Menschen in Arbeit zu bringen. Ich sage Ihnen aber auch, dass es mehr als fraglich ist, ob das mit Ihrem Antrag gelingen könnte.

(Beifall bei der SPD)

Das Schlimme ist, dass Sie zwar behaupten, mit diesen Maßnahmen die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen. Sie wollen aber in Wirklichkeit -, und das wird durch diesen Antrag ein weiteres Mal deutlich-, Arbeitnehmerrechte ausdünnen. Sie wollen die sozialen Sicherungssysteme ausdünnen, und das verunsichert die Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss Sie schon fragen: Wollen Sie das wirklich? Es überrascht mich über die Maßen, dass ausgerechnet die erkleckliche Anzahl der christlich-sozialen Sozialpolitiker auf diesem Antrag als Antragsteller steht. Es kann doch nicht sein, dass die Menschen verunsichert werden. Die Aussagen von Herrn Stoiber zu den Ursachen des Rechtsradikalismus-, das muss ich hier in allem Ernst sagen - waren entlarvend und verwerflich.

(Eduard Nöth (CSU): Und die von Herrn Schröder?)

Hier sollte Stimmung gemacht werden, doch das hilft niemandem.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Nun zum Antrag: Über 5 Millionen Menschen sind ohne Arbeit. Die Zahl von 5 Millionen kommt aber auch dadurch zustande, dass jetzt auch die Sozialhilfeempfänger gezählt werden, die arbeitslos sind. Hinzu gekommen sind auch die erwerbsfähigen Familienangehörigen der Leistungsempfänger. Das waren vorher verdeckte Arbeitslosenzahlen. Jetzt haben wir endlich die gesamten, die ehrlichen Zahlen auf dem Tisch. Das ist das SGB II vom Januar 2005, Kolleginnen und Kollegen. Der Anstieg im Januar liegt aber auch daran, dass es Entlassungen in witterungsbedingten Branchen gibt. Auch das ist bekannt.

Was fordern Sie? – Sie fordern die Staatsregierung wieder einmal auf, auf Bundesebene tätig zu werden. Ich möchte dazu ein Beispiel nennen, weil das Gedächtnis offensichtlich kurz ist, und verweise auf Punkt 4 Ihres Antrags. Darin fordern Sie, dass die Verdienstmöglichkeiten von Beziehern des Arbeitslosengeldes II ausgeweitet werden müssen. Sie fordern die Prüfung einer Familienkomponente. Eine Familienkomponente ist in der Regelung aber enthalten. Was aber ganz besonders charmant ist, ist die Tatsache, dass Sie das bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten fordern, obgleich die jetzige Regelung doch aufgrund eines Kompromisses entstanden ist. Die Bundesregierung, wir, wollten doch deutlich höhere Freibeträge auch für den unteren Einkommensbereich.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): So ist es! Erst verhindern, dann fordern!)

Doch der Verhandlungsführer der CDU/CSU Herr Koch wollte die volle Anrechnung der Hinzuverdienste.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Und jetzt Krokodilstränen weinen!)

Nun frage ich Sie, Herr Unterländer –– wo ist er denn, der Herr Unterländer?

(Joachim Unterländer (CSU) im Gespräch mit Joachim Wahnschaffe (SPD))

- Aha, er holt sich die Informationen. Haben Sie damals als CSU geschlafen, oder konnten Sie sich gegen Herrn

Koch nicht durchsetzen? Jetzt wollen Sie genau das, was Sie im letzten Jahr abgelehnt haben. Das ist schon mehr als merkwürdig.

Dann wollte ich noch den fünften Punkt auf Ihrem Antrag ansprechen, in dem es um Arbeitsrecht geht. Sie wollen deregulieren. Das ist der wiederholte Aufguss früherer Anträge zur parlamentarischen Umsetzung ihrer Parteitagsbeschlüsse. Herr Unterländer, es gibt eine empirische Forschung des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit. Die besagt eindeutig, dass Lockerungen beim Kündigungsschutz wie 1996, also zur Zeit der CDU/CSU/ FDP Bundesregierung, ebenso wenig zu Veränderungen geführt haben wie eine Verschärfung des Kündigungsschutzes im Jahr 1999 unter der SPD-geführten Bundesregierung. In beiden Fällen hat es keine Veränderungen bei den Beschäftigungszahlen gegeben. Weder eine Lockerung noch eine Verschärfung dieser Rechte hat etwas bewirkt. Nach der Verschärfung des Kündigungsschutzes im Jahr 1999 kam es sowohl zu mehr Einstellungen als auch zu mehr Entlassungen. Was Sie hier anbringen, ist deshalb ein Unding, und dieser alte Aufguss hilft niemandem.

(Beifall bei der SPD)

Sie verweisen immer auf die Bundesebene. Nun sage ich Ihnen einmal, was die Staatsregierung für den Arbeitsmarkt tut, hier, wo sie handeln könnte. Im Ausbildungspakt hat der Bund selbst die Zielvereinbarung geschlossen, 20 % mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich aber sind es 30 % mehr geworden. Wir haben im letzten Jahr ebenfalls 20 % mehr Auszubildende in der bayerischen Verwaltung gefordert. Das haben Sie uns abgelehnt.

(Beifall bei der SPD)

Dazu kommt nun noch die fragwürdige Verwaltungsreform, die 12 000 Arbeits- und Ausbildungsplätze in Bayern kostet.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist der größte Arbeitsplatzabbau!)

Beim Arbeitgeber Freistaat Bayern findet der größte Arbeitsplatzabbau statt. Das sucht seinesgleichen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben heute eine ausführliche Bildungsdebatte gehabt. Um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu stärken, brauchen wir eine vernünftige Bildung. Aber 10 % unserer Kinder verlassen die Schule ohne einen Abschluss. Auf der anderen Seite beklagt die Wirtschaft auch noch das Fehlen von Kompetenz und Ausbildungsfähigkeit bei den Jugendlichen. Dazu fehlen Lehrer, und der Unterricht fällt aus. Das ist Ihre Antwort auf die Frage nach Zukunftschancen für junge Leute.

Dann kommt das Ausführungsgesetz zum SGB. Sie haben vorgeführt, wie man es nicht machen sollte. Sie haben die anstehenden Aufgaben nicht gelöst, sondern Sie ha

ben sie auf das nächste Jahr verschoben. So geht es immer weiter. Im bayerischen Haushalt, im Nachtragshaushalt 2004, haben wir Kürzungen und eine Schwächung der Finanzkraft der Kommunen. Das ist eine ungeheuere Investitionsbremse. Gerade die Bauwirtschaft bräuchte derzeit Aufträge. Sie könnte Arbeitsplätze schaffen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Bayern ist Schlusslicht!)

Das ist eine Kaufkraftbremse. Das ist ein Grund, warum die Binnennachfrage nicht anspringt.

Schauen Sie sich doch einmal die regionalen Arbeitsmarktzahlen an. Sie haben auf die Arbeitslosenquote des Bundes mit 12,1 % hingewiesen. In keinem Bundesland ist die Spanne bei den Arbeitslosenzahlen aber so groß wie in Bayern.

In Freising haben wir 5,6 % Arbeitslosigkeit, in Passau 12,5 %, in Weiden 12,9 %, in Coburg 12,7 % und in Hof 12,9 %. Das ist deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Es ist Ihre landespolitische und strukturpolitische Aufgabe, eine vernünftige Landesentwicklung zu betreiben. Auch hier geschieht viel zu wenig.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein Letztes zu Ihrem Lieblingsthema Entbürokratisierung, das Sie auch in diesem Antrag wieder aufgenommen haben, und zu Ihrem Lieblingsgebetsbuch, nämlich der Broschüre der Henzler-Kommission. Wir haben in Bayern 1539 bayerische Gesetze und Verordnungen. Fangen Sie doch bitte dort mit Ihren bayerischen Aktivitäten zur Entbürokratisierung und Deregulierung an.

(Beifall bei der SPD)

Was beschließen Sie sozialpolitisch? – Sie beschließen eine Kopfpauschale, die keiner versteht, von der sich die Wirtschaft mit Grausen abwendet. Das ist ein bürokratisches Monster sondergleichen. Kommen Sie nicht mit Vorwürfen gegen die Bundesregierung, sondern fangen Sie bitte zunächst einmal bei sich an. Die Bundesregierung hat den Reformprozess auf den Weg gebracht. Sie hat Reformen eingeleitet, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das ist wichtig und notwendig; dazu ist es höchste Zeit – das ist keine Frage. Die Reformen des SGB II und Hartz IV werden greifen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Hören Sie bitte endlich auf, den Standort Deutschland schlecht zu reden, so wie Sie es gerade eben wieder gemacht haben, Herr Unterländer; damit schaden Sie der Sache, anstatt ihr zu nutzen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Hallitzky.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich einleitend kurz auf Ihre Präsenz bei Ihrem eigenen Dringlichkeitsantrag verweisen. Das zeigt, wie wichtig Sie das Thema in Wirklichkeit nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Was die CSU, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Präsident, hier und heute an Vorschlägen zur angeblich wirksamen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Deutschland präsentiert, zeugt nicht nur von einem gnadenlosen Populismus, den unser Land nun wirklich nicht braucht – auch wenn ich zugeben muss, dass Sie davon in der Tat mehr als wir verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Analyse und Ihre Vorschläge – das werde ich Ihnen gleich aufzeigen – sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Sie prangern den Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 5 Millionen zu Beginn dieses Jahres an. Dabei sollten Sie auch wahrgenommen haben, dass dieser Anstieg - nicht ausschließlich, aber weitgehend - auf die neue Ehrlichkeit in der Arbeitslosenstatistik zurückzuführen ist. Natürlich haben Sie das wahrgenommen; das wissen Sie auch. Sie wissen, dass wir jetzt sehr viel näher an ehrlichen Zahlen sind als vorher. Weil Sie dieses wissen, das aber in Ihrem schriftlichen Antrag mit keinem Wort erwähnen, zeigen Sie damit jedermann und „jederfrau“ in Bayern, dass es Ihnen nicht um Inhalte geht, sondern lediglich um einen Show-Antrag. Dazu passt auch hervorragend, dass Sie zu Zeiten Ihrer Regierung zu dieser höheren Ehrlichkeit in der Arbeitslosenstatistik nicht in der Lage waren.

(Zuruf von der CSU)

Ich habe einfach nur Recht, lieber Bernd.

Wenn ich mir jetzt noch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Bayern anschaue – es gibt oft mehrere Wahrheiten zu einem Phänomen –, dann ist die Bezeichnung „unterdurchschnittlich im Bundesvergleich“ geradezu schönfärberisch; dann haben Sie keinen, aber wirklich keinen Grund, den Bund so maßlos zu kritisieren, wie in Ihrem Text geschehen und in rhetorisch etwas abgemilderter Form in Ihrer Rede.