Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann keine verantwortungsvolle Politik sein. Zwei Aussagen aus dem Kreis der Bundesregierung belegen deren Haltung. Der Bundeskanzler weist darauf hin, dass es trotz der Rekordzahl keiner neuen Maßnahmen bedürfe, weil mit Hartz IV das Notwendige schon getan sei. Der Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Clement reduziert das Schicksal der Menschen darauf, dass durch die Einführung der HartzIV-Maßnahmen erstmals Transparenz in die Arbeitslosenzahlen gebracht worden sei. Wer bei diesen gravierenden Zahlen mit solchen Aussagen Politik betreibt, der macht eine Politik, die für unser Land verheerend ist.
Die Kosten durch Steuerausfälle und entgangene Sozialversicherungsbeiträge betragen beim gegenwärtigen Stand der Arbeitslosenzahlen rund 125 Milliarden Euro. Man muss sich die Zahl auf der Zunge zergehen lassen: 125 Milliarden Euro. Wir müssten uns über viele Reformvorschläge zur Zukunft der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung keine Gedanken machen, wenn wir nur bundesweit die Arbeitslosenzahlen hätten, die wir im Freistaat Bayern haben. In diesem Fall müssten wir auch über Fragen der Staatsverschuldung nicht in der Form diskutieren, wie wir es heute tun müssen. Das alles ist aber in der Verantwortung von Rot-Grün im Bund passiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jede vierte Familie in Deutschland ist unmittelbar oder mittelbar von der Arbeitslosigkeit betroffen. Dass die gesamtwirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen sich natürlich auch auf den Freistaat Bayern auswirken, das wird in einer offenen Volkswirtschaft jeder nachvollziehen können. Man muss sich vorstellen, dass mit dem Umstand, arbeitslos zu sein, viele menschliche Probleme im Umfeld der Familie und des Freundeskreises verbunden sind. Wer deshalb einen Zusammenhang – das wurde vorhin bereits eingehend diskutiert – zwischen dieser Entwicklung und der Neigung von manchen Wählern zum Protest verneint, der sieht offenbar die Realität nicht.
Jeder fünfte Arbeitnehmer hat in unserem Land Sorge um die Zukunft seines Arbeitsplatzes, und zwar nicht eine allgemeine Sorge, sondern eine konkrete und unmittelbare. Nehmen Sie bitte endlich zur Kenntnis, dass die rotgrüne Bundesregierung mit ihrer Politik des Nichtstuns gescheitert ist. Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Clement versucht jetzt, mit der Diskussion über einen differenzierten Steuersatz für Unternehmen eine Art Notbremse zu ziehen.
Lassen Sie mich angesichts des ständigen und ausschließlichen Verweises auf die Wirkung von Hartz IV auf Folgendes hinweisen: Auch CDU und CSU haben sich bekanntlich an dieser Arbeitsmarktreform beteiligt. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und vor allem die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen sowie die Beseitigung von zahlreichen arbeitsmarktpolitischen Missbrauchs- und Fehlentwicklungen sind ein vernünftiger Ansatz, aber man muss auch hier wie bei vielen anderen Bundesgesetzen sagen: Idee richtig, Ausführung katastrophal.
Meine Damen und Herren von SPD und GRÜNEN, Sie machen einen entscheidenden Fehler. Diese Arbeitsmarktreform kann nur dann Erfolg haben, wenn gleichzeitig mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Deshalb ist es ein völlig falscher Ansatz, der hier gewählt wird. Nicht durch Arbeitsmarktpolitik allein wird die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft, sondern dadurch, dass sich die Bedingungen des Wirtschaftens für die Unternehmen in unserem Land verbessern. Nur das Zusammenspiel von positiver wirtschaftlicher Entwicklung und effizienter Arbeitsmarktpolitik kann Erfolg haben. Wie sollen Anreize für Arbeitslose nach Hartz IV greifen, wenn die Arbeitsplätze dazu fehlen?
Doch die Bundesregierung hat aus ihrer Fehleinschätzung nichts gelernt. Was Ihre Genossen und Parteifreunde in Berlin mit dem Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes in unsere Gesellschaft hineintragen wollen, hat nichts mit einem besseren Schutz betroffener Menschen gegen Diskriminierungen in unserer Gesellschaft und mit der Umsetzung von EU-Richtlinien zu tun.
Es ist vielmehr ein untauglicher Versuch, auch hier mit einer beispiellosen Verrechtlichung und Bürokratisierung aller Lebensverhältnisse ein Arbeitsmarktprogramm ausschließlich für Juristen auf den Tisch zu legen, das bei allen politischen Richtungen – selbst in Ihren Parteien – auf Kritik stößt. Durch unklare Definitionen und zahlreiche weit gefasste, unbestimmte Rechtsbegriffe drohen zusätzliche Rechtsunsicherheiten in der Praxis und eine wahre Prozessflut im Zivil- und insbesondere im Arbeitsrecht. Wir werden im Rahmen eines weiteren Dringlichkeitsantrages darauf zu sprechen kommen.
Durch den Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes wird ein weiteres Bürokratieungetüm geschaffen, das erhöhten Dokumentationsaufwand bedeutet, unnötige Kosten verursacht und die dringend notwendige Schaffung weiterer Arbeitsplätze verhindert. Im Arbeitsrecht sollen durch den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes Pflichten des Arbeitgebers begründet werden, die die Betriebe stark belasten.
Ich denke, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Bekämpfung von Diskriminierung der selbstverständliche Konsens in den demokratischen Parteien ist. Es kann aber nicht sein, dass mit solchen Maßnahmen eine Blockade und das Hineinschnüffeln in verschiedene Lebensbereiche produziert werden. Auf diesem Weg kann man keine Politik und keine Gesetzgebung machen. Das Gesetz wird zum Abbau von Arbeitsplätzen führen.
Rot-Grün in Berlin weiß offensichtlich gar nicht, was mit diesem Vorhaben bei der Wirtschaft ausgelöst wird. Wer kann, verlagert die Arbeitsplätze ins Ausland. Das ist der völlig falsche Weg.
Ich teile die Auffassung, dass wir die Entwicklung in unserem Land nicht ständig schlecht reden sollen. Dazu müssten Sie aber bereit sein, aufgrund dieser dramatischen Situation endlich die politischen Konsequenzen zu ziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland kann mehr, als die rot-grüne Bundesregierung zulässt. Die Probleme Deutschlands in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt sind in der Regierungszeit von Rot-Grün ungelöst und bedrohen mittlerweile breite Schichten der Bevölkerung.
Wenn selbst Teile der Automobilproduktion in unserem Land nicht mehr wettbewerbsfähig sind und qualifizierte Facharbeiter in Massen entlassen werden, ist die Krise im Herzen der deutschen Industrie angekommen. Um wieder spürbar mehr Beschäftigung zu schaffen, benötigen wir ein Wachstum von rund 4 % pro Jahr. Diese Forderung stellt eine Herausforderung dar. Aber nur, wenn die jährliche Steigerung der Wirtschaftskraft bei ein bis zwei Prozentpunkten über der Beschäftigungsschwelle liegt, werden das Arbeitsvolumen sowie die Beschäftigung ebenfalls spürbar ansteigen. Unser Ziel muss es sein, meine Damen und Herren, jeden Tag mindestens Tausend Arbeitsplätze in Deutschland neu zu schaffen, anstatt wie derzeit rund Tausend Arbeitsplätze jeden Tag zu verlieren. Die deutsche Wirtschaft muss deshalb im weltweiten Wettbewerb umso viel besser sein, wie sie teurer ist.
Den dazu nötigen Aufbruch in die wissensbasierte Wirtschaft können wir schaffen, indem wir das Lohnniveau der deutschen technologischen Leistungsfähigkeit weiter ausbauen. Bestehende bürokratische Hindernisse in der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen oder neue, wie ich Sie zum Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes bereits beschrieben habe, müssen konsequent verhindert bzw. abgebaut werden. Selbst in den wirtschaftsstarken Regionen des Freistaats Bayern kann diese Entwicklung ohne eine andere Weichenstellung in der gesamten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nicht aufgehalten werden. Deshalb möchte ich folgende zehn Forderungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erheben:
Erstens. Die Bundesregierung muss endlich erkennen, dass die Situation nur durch verbesserte Rahmenbedingungen für die Wirtschaft tatsächlich verbessert werden kann. Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist eine Grunderkenntnis, die doch eigentlich in Berliner Regierungskreisen Akzeptanz gefunden haben sollte.
Zweitens. Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit muss in der Bundes- und Landespolitik absolute Priorität haben. Hiervon hängen alle anderen Haushalts- und Sozialstaatsdiskussionen ab. Insofern hat der Satz „Sozial ist, was Arbeit schafft“ absolute Priorität.
Herr Kollege, sind Sie sich darüber im Klaren, dass 16 Jahre lang die so genannten und von Ihnen so bezeichneten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft ständig verbessert wurden und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit ständig gestiegen ist?
Dazu darf ich Ihnen zwei Antworten geben. Zum Ersten wissen Sie, dass insbesondere in den Neunzigerjahren die Belastungen aus der deutschen Einheit und die Globalisierung insgesamt zu erheblichen Veränderungen des Arbeitsmarktes geführt haben.
Zum Zweiten ist diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder mit dem Versprechen angetreten, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Insbesondere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gesagt, wenn es ihm nicht gelinge, die Arbeitslosenzahlen um zwei Millionen, um die Hälfte, zu reduzieren, solle er nicht wieder gewählt werden.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das hat Kohl auch gesagt! – Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Das hat Stoiber auch gesagt!)
Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit muss – darüber sollten wir uns alle im Klaren sein – absolute Priorität haben.
Drittens. Die deutsche Wirtschaft – das begrenzt sich nicht auf das „Genosse-der Bosse-Prinzip“, sondern auf die kleinen und mittelständischen Betriebe – muss Vertrauen in eine verlässliche Politik haben können.
Viertens. Der Abbau von Bürokratie und Hemmnissen muss Vorrang haben. Im Gegensatz zu den erfolgreichen Bemühungen der Bayerischen Staatsregierung ist es der Bundesregierung bisher noch nicht gelungen, in Sachen Verwaltungsreform und Bürokratieabbau Zeichen zu setzen. Im Gegenteil, jede Neuregelung wird zu einem bürokratischen Moloch, wodurch in den Betrieben Personalsachbearbeiter schlaflose Nächte haben und in ihrer Arbeit gebunden werden.
Fünftens. Hartz IV ist im Zusammenhang mit einer Arbeitsmarktreform ein zwar wesentlicher, aber eben nur ein Baustein. Die Kinderkrankheiten von Hartz IV müssen schnellstmöglich beseitigt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Benachteiligungen von optierenden Kommunen gegenüber den Arbeitsgemeinschaften bei der Bezahlung von Umsatzsteuer, bei der Verlagerung von Zuständigkeiten der Arbeitsagentur auf die Kommunen, die zulasten der Steuerzahler geht und bei der geringeren Anrechnung von Arbeitseinkommen bei den Arbeitslosengeld-II-Beziehern. Man sollte so souverän sein und zugeben, dass es einen von der Union hervorgerufenen Nachbesserungsbedarf gibt.
Ich bedauere darüber hinaus außerordentlich, dass insbesondere die Bundesagentur für Arbeit sowohl bei den Arbeitsgemeinschaften als auch bei den optierenden Kommunen den Sachverstand von frei gemeinnützigen Trägern in der Wohlfahrtspflege und von privaten Initiativen nicht ausreichend berücksichtigt. Sie müssten von vorne herein in die Planungen und die Arbeitsschwerpunkte einbezogen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun zum Stichwort „Bundesagentur für Arbeit“. Ich erinnere daran, welche Zahlen über den Abbau der Arbeitslosigkeit wegen der Hartzschen Reformen in die Welt gesetzt wurden. Was ist Realität? – Nicht einmal zehn Prozent von all den Zielvorstellungen, die die Bundesregierung damit verbunden hat, sind überhaupt erreicht worden.
Diese Konzepte sind alle gescheitert. Deswegen müssen wir bei der Bundesagentur für Arbeit weiterhin nachstochern, weil Mittel der Beitragszahler – der Arbeitnehmer und der Betriebe – auf dem Spiel stehen. Ich bedauere darüber hinaus außerordentlich, dass bei der Reform des Arbeitsmarktes nicht das Know-how der Wohlfahrtsverbände und derjenigen, die bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit eine wichtige Rolle spielen, ausreichend herangezogen wird.
Hier muss künftig ein Schwerpunkt liegen. Anstatt die Rahmenbedingungen für den Energiestandort Deutschland weiter einzutrüben, braucht es Planungssicherheit für Großinvestitionen mit einer Investitionssumme von rund 40 Milliarden Euro im Zukunftsmarkt Stromerzeugung und Übertragungsnetze. Notwendige Basis dafür ist eine effiziente und wettbewerbsstimulierende Regulierung. Ideologie, wie sie Rot-Grün seit Jahren betrieben hat, ist der falsche Weg. Die differenzierte und zukunftsorientierte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Bayerischen Staatsregierung und der CSU-Landtagsfraktion muss Modell für das gesamte Land sein. Trotz der Zuwanderung auf den bayerischen Arbeitsmarkt ist im Freistaat Bayern in den letzten Jahren die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um mehr als 2 % gestiegen.
Im vergangen Jahr lag Bayern gemeinsam mit Sachsen beim Wirtschaftswachstum an der Spitze. Darüber hinaus soll den Betrieben erleichtert werden, mehr Arbeitsstellen zu schaffen, indem der tarifrechtliche Gestaltungsfreiraum gestärkt wird. Wir setzen uns deshalb für eine Stärkung der Arbeitnehmer in den Betrieben sowie für die rechtliche Absicherung betrieblicher Bündnisse für Arbeit ein.
(Werner Schieder (SPD): Das ist Zynismus! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sie wollen den Kündigungsschutz aufheben, so passen Sie auf Arbeitnehmerrechte auf!)
Es notwendig, dass wir die Reformen angehen und Sie sich nicht weiter verweigern. Die Balance zwischen den Beiträgen und den Leistungen der Arbeitslosenversicherung muss wieder hergestellt werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Dauer des Leistungsbezuges ab 2006 begrenzt wird. Deswegen ist der Arbeitslosenversicherungsbeitrag baldmöglichst auf 5 % zu senken.