Protocol of the Session on December 14, 2004

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft eines Volkes liegt in

der Entfaltung seiner Kreativität, liegt in seiner Innovationsfähigkeit. Das klingt gut, und es ist viel Wahres dran. Seit Herr Dr. Stoiber Ministerpräsident ist, sind die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung in Relation zum Gesamtvolumen des Staatshaushalts stetig gesunken, - -

(Widerspruch bei der CSU)

trotz des steigenden Bruttoinlandsprodukts. Noch nicht einmal 1 % des Bruttoinlandsprodukts ist dieser Regierung die Entfaltung der Kreativität und die Innovationsfähigkeit des bayerischen Volkes wert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn der Satz aus der Rede des Ministerpräsidenten vom 01.12.2004 wahr ist und wenn Sie davon überzeugt sind, warum investieren Sie dann nicht in die Zukunft? –

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alles Schönrechnen hilft nämlich nichts. Bei nüchterner Betrachtung bleibt von Ihrem Investitionsschwerpunkt „Hochschule“ nicht viel übrig. In 2005 geben Sie den Hochschulen gerade einmal das zurück, was Sie ihnen in dem Raubzug 2004 entrissen haben. Die für 2006 angekündigte Steigerung wird wohl nicht einmal die Teuerungsrate ausgleichen können. Sie investieren nicht, Sie sparen an diesem wichtigen Zukunftsbereich. Sie geben unseren Hochschulen nämlich nicht die notwendigen Mittel, um international im Wettbewerb zu bestehen, um in großer Breite zu Spitzenleistungen zu kommen – in großer Breite, das möchte ich betonen –, um die vielen begabten jungen Menschen in bayerischen Hochschulen nach ihren Talenten zu fördern, um endlich eine der am meisten vernachlässigte Zukunftsressource dieses Landes an die Positionen des Wissenschafts- und Hochschulbereichs zu bringen, an die sie gehört: Ich meine die gut ausgebildeten, hochintelligenten, jungen Akademikerinnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie geben den Hochschulen nicht genügend Mittel, um ausländische Studierende, um Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen, Professorinnen und Professoren aus dem Ausland anzulocken und die Hochschulen in Bayern attraktiv für diese zu machen. Sie geben nicht genügend Mittel, um mehr junge Menschen eines Jahrgangs an die Hochschulen zu bringen, um die Lehre signifikant zu verbessern, um die Betreuungsrelationen zu verbessern, um die Bibliotheken, Labors und Rechenzentren vernünftig auszustatten. Sie geben ihnen nicht genug, um wenigstens den Bestand der Gebäudesubstanz zu sichern, geschweige denn ordentlich zu sanieren oder zu modernisieren. Sie geben ihnen nicht einmal genug, um die Stromrechnungen zu zahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das eigentlich Betrübliche ist – ich meine insbesondere den Wissenschaftsminister: Sie wissen gar nicht, was die Hochschulen wirklich brauchen; denn Sie wissen gar nicht, welche Leistungen diese für die Gesellschaft erbrin

gen sollen und auch könnten, welche Rolle sie im gesellschaftlichen Diskurs spielen und wie sie dazu beitragen könnten, das Land weltoffener, demokratischer, ökologischer und insgesamt zukunftsfähiger zu machen. Sie betrachten die Hochschulen und ihre Leistungen nur unter dem Aspekt des kurzfristig ökonomisch Verwertbaren; deshalb sparen Sie bei den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften; deshalb setzen Sie auch die Schwerpunkte im Elitenetzwerk entsprechend, und deshalb muss jetzt schneller studiert werden. Angesagt ist Schmalspurkultur in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man kann Universitäten vielleicht ähnlich wie Wirtschaftsunternehmen führen, aber sie werden und dürfen nie reine Wirtschaftsunternehmen sein. Bildung ist kein Produkt, das man beliebig herstellen und veräußern kann. Den Mehrwert, den die Hochschulen für unsere Gesellschaft erwirtschaften können, werden Sie bei dieser Betrachtungsweise nicht in den Bilanzen wieder finden. Diese Sicht auf Wissenschaft, Forschung und Lehre resultiert aus einer Grundhaltung des Wissenschaftsministers, die sich mitunter in verbalen Ausbrüchen kund tut, zum Beispiel wenn er über Elite oder das, was er dafür hält, spricht,

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Er hält sich selbst dafür!)

oder wenn er sich zu der Aussage versteigt: Bloß weil daheim nichts ist, darf die Universität nicht als Wärmestube missbraucht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Margarete Bause (GRÜNE): Unverschämtheit!)

Damit, Herr Minister, haben Sie nicht nur die Studierenden, die aus sozial schwächeren und bildungsferneren Familien kommen oder aus Familien, deren Kinder nicht allein deshalb in diesem Freistaat etwas werden können, weil der Papa schon Minister und in der CSU war, beleidigt, sondern auch die Hochschulen im Ganzen. Ihnen, Herr Minister, fehlt der Respekt vor den jungen Menschen, die in der Gesellschaft etwas leisten wollen und können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es fehlt der Respekt vor den Begabungen dieser Menschen. Deshalb ist es Ihnen egal, wenn durch Ihre Politik die Qualität der Hochschulen leidet, wenn junge Menschen aufgrund Ihrer Politik vom Studium abgehalten werden, und es ist Ihnen auch egal, welchen volkswirtschaftlichen Schaden Sie mit Studiengebühren anrichten werden.

Sie sprachen heute viel von Autonomie. Mehr Autonomie für die Hochschulen, ist ein vernünftiges Vorhaben. Schließlich ist die Autonomie der Hochschulen ursprünglich eine Folge aus der Freiheit der Wissenschaft. Hochschulen brauchen als Ort der Wissenschaft und kritischen Reflektionen Unabhängigkeit von Partikularinteressen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hieraus ergibt sich, dass die Autonomie ein Mittel zur Erfüllung der gesellschaftlichen Aufgaben sein muss. Wenn heute aber diejenigen, die bislang die Hochschulen allzu gerne am engen ministerialbürokratischen Zügel geführt haben, über Autonomie als lohnenswertes Reformziel sprechen, ist Vorsicht angezeigt. Die Ökonomisierung aller Politikbereiche scheint hier das bestimmende Motiv zu sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Autonomie wird von Ihnen primär als Mittel der Selbstregulierung zur betriebswirtschaftlichen Effektivitätssteigerung verstanden. Mit der wahren, der echten Autonomie kann es bei Ihnen gar nicht so weit her sein; denn bei der Graduierten-Förderung haben Sie gnadenlos zentralisiert und die Hochschulen in ihrer Autonomie beschnitten. Wenn Hobbys einzelner CSU-Granden betroffen sind, ist auch schnell mit der Autonomie Ende – siehe bayerische Landesgeschichte. Wenn es aber um faire Finanzierung für die Erfüllung neuer Aufgaben geht, zum Beispiel familiengerechte Hochschulen, was Sie kürzlich vorgestellt haben, Öko-Audit und die neuen Auswahlverfahren, die die Hochschulen entwickeln müssen, dann wird die Autonomie ganz groß geschrieben. Es heißt, zusätzliches Geld dafür wäre ein Eingriff in die Autonomie der Hochschule. Das wäre sicher einer, den die Hochschulen gerne hinnähmen.

Es wäre gut, wenn Sie, meine Damen und Herren von der CSU, bis zur Vorlage der Hochschulgesetznovelle eindeutig geklärt hätten, welche Ziele Sie tatsächlich mit dem Ruf nach mehr Autonomie verfolgen. Ich sage Ihnen, was wir wollen: Wir GRÜNE wollen die Selbstständigkeit von Hochschulen in öffentlicher Verantwortung stärken. Ihre Aufgaben sollen die Hochschulen in größtmöglicher Eigenverantwortung ohne ministerialbürokratisches Hineinregieren erfüllen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu gehört die bessere Wahrnehmung von Leitungsverantwortung und professionelles Wissensmanagement genauso wie die Identifikation der Hochschulmitglieder mit ihrer Hochschule.

Starke Hochschulleitungen brauchen deshalb eine starke Legitimationsbasis. Im Gegenzug zur Übertragung von Entscheidungskompetenzen müssen die Hochschulen zur öffentlichen Rechenschaftspflicht und zur strikten Transparenz ihres Handelns verpflichtet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb wollen wir in Zukunft die Zielvereinbarungen, die heute schon angesprochen wurden, auch im Parlament diskutieren und vereinbaren, zumindest hinsichtlich der Grobabstimmung und der strategischen Ausrichtung. Wir laden die Hochschulen ein, zu regelmäßigen Berichten, in den Landtag zu kommen.

Professor Ulrich Beck hat kürzlich in der „Zeit“ postuliert: Als nationale Institution ist die Universität am Ende. Er fragt: Welcher historische Wandel erschüttert das Hochschulwesen, und welche Rolle soll die reformierte Universität in der veränderten Welt spielen? Er erklärt es: Es ist auch nicht die Universität, die in Ruinen liegt, sondern das nationale Modell der Universität, jenes Bündnis von modernem Staat, akademischer Wissenschaft und nationaler Kultur, das nach innen dem nationalstaatlichen Projekt der kulturellen Integration, nach außen dem Imperialismus diente. Die historischen Rahmenbedingungen, unter denen der Nationalstaat und der moderne Begriff der Nationalkultur sich wechselseitig hervorriefen, werden von der großen Veränderung einer sich zunehmend transnationalisierenden Wirtschaft, Kultur und Politik weggespült. Unter dem Eindruck der nationalen Einheit von Staat und Universität haben sich auch die Geistes- und Sozialwissenschaften ganz natürlich darin eingerichtet, den Staat als Nationalstaat, die Gesellschaft als Nationalgesellschaft,

(Zuruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

das habe ich gesagt; hätten Sie zugehört, würden Sie wissen, wer das gesagt hat; das ist ein Zitat; hören Sie halt zu;

(Beifall bei den GRÜNEN)

ich habe es gesagt; Zeitung lesen Sie aber auch nicht, sonst hätten Sie das Zitat schon gekannt – die Identität als nationale Identität, die Geschichte als nationale Geschichte, die Ungleichheit als nationale Ungleichheit, die Gerechtigkeit als nationale Gerechtigkeit, die Demokratie als nationale Demokratie zu begreifen und zu erforschen. Das konserviert in Zeiten des transnationalen Vermischens und Verwischens von Grenzen, der Erweiterung von Handlungsoptionen und Handlungsmöglichkeiten in Wirtschaft und Politik, der multinationalen Familienformen, Bildungs- und Arbeitskarrieren, kurz: in der globalisierten Welt falsche Erkenntnis- und Bildungswege.

So weit, Herr Kupka, Herr Professor Ulrich Beck, Professor an einer führenden bayerischen Universität, der Ihnen vom Namen her vielleicht bekannt ist. Das ist ein, wie ich finde, geradezu dramatischer Problemaufriss, der schonungslos vor Augen führt, wie weit die bayerische Wissenschaftspolitik, ja die bayerische Politik überhaupt von Problemlösungen für die Zukunft entfernt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie führen eine neue Leitkultur- und Nationalstolzdebatte, aber begreifen noch nicht einmal ansatzweise, vor welchen Herausforderungen unsere Gesellschaft steht. Die bayerische Politik ist der größte Hemmschuh für die Internationalisierung der Hochschulen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist nicht damit getan, den deutschen Studienabschlüssen ein englisches Etikett aufzukleben. Im internationalen Wettbewerb zu bestehen erfordert mehr, als den Chinesen den Transrapid zu verkaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Hans Ger- hard Stockinger (CSU): Was macht der Bundeskanzler?)

Machen Sie unsere Hochschulen zu weltoffenen Lernorten. Geben Sie Ihnen die Mittel und die Freiheiten, die sie dafür brauchen. Ermöglichen Sie Austausch und Mobilität für alle Studierenden, damit sie die Schlüsselkompetenzen erwerben, die sie befähigen, die globalisierte Welt mitzugestalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu den Frauen, nicht den Damen, Herr Goppel. Zu den Frauen. Nachdem noch vor wenigen Jahren der Begriff Frauenförderung gute Chancen gehabt hätte, zum Unwort der CSU-Staatsregierung erklärt zu werden, haben Sie mittlerweile begonnen, unsere Anträge zu kopieren. Wir haben übrigens gar nichts dagegen; allerdings bestehen wir darauf, dass Sie das dann auch umsetzen. Es reicht nicht, in jährlichen, nahezu wortgleichen Erklärungen Lippenbekenntnisse zur Bedeutung der Frauenförderung abzulegen. Ich finde das übrigens eine sehr interessante Form der Pressearbeit, die Sie im Wissenschaftsministerium betreiben. Man muss nämlich in den jährlichen Pressemitteilungen von Zeit zu Zeit nur den Namen des Ministers auswechseln. So heißt es im Januar 2003: Empfang für neu Berufene Professorinnen und Professoren an Universitäten – Zehetmair betont hohe Bedeutung der Frauenförderung an Bayerns Hochschulen. Am 11. November 2003 heißt es: Empfang für neu berufene Professorinnen und Professoren an Universitäten – Goppel betont hohe Bedeutung der Frauenförderung an Bayerns Hochschulen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Topaktuell!)

Der Rest der Pressemitteilung ist übrigens auch nicht viel abwechslungsreicher. Noch immer liegt der Anteil an Professorinnen in Bayern weit unter dem Bundesdurchschnitt. Bayern ist Schlusslicht aller 25 EU-Staaten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie haben in sieben Jahren noch nicht einmal eine Steigerung von 3 % geschafft. Wenn Sie in diesem Tempo weitermachen, werden wir in zirka 50 Jahren das Niveau von Portugal und der Türkei erreicht haben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Aber das ist die besondere Sorge des Herrn Goppel!)