Protocol of the Session on October 20, 2004

Das Wort hat Frau Kollegin Schieder. Bitte, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatsministerin, Herr Professor Waschler, ich weise in schärfster Form Ihre unverschämte Unterstellung zurück, ich hätte hier die Fachhochschüler diskreditiert. Ich habe das Wort Fachhochschulreife nicht einmal in den Mund genommen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Hören Sie zunächst einmal zu! Ich habe gesagt, es ist zu wenig, dass 17, 18 oder 19 % junger Menschen eines Jahrganges die allgemeine Hochschulreife erreichen. Die allgemeine Hochschulreife wird in diesem Land von 18, 19 % der Schüler erreicht. Die Fachhochschulreife ist nicht die allgemeine Hochschulreife. Stellen Sie sich doch nicht hierher und tun Sie nicht so, als wäre die allgemeine Hochschulreife dasselbe wie der Erwerb der Fachhochschulreife oder der fachgebundenen Hochschulreife an einer Fachoberschule. Herr Professor Waschler, ich werde Ihnen doch jetzt nicht erklären müssen, worin die Einschränkungen bestehen.

(Zurufe von der CSU)

Herr Professor Waschler, die allgemeine Hochschulreife berechtigt, jeden Studiengang zu studieren; die Fachhochschulreife berechtigt, an der Fachhochschule bestimmte Studiengänge zu studieren. Das ist die Wahrheit! Nichts anderes habe ich gesagt. Damit habe ich keinen einzigen Menschen, der die Fachhochschulreife hat, irgendwie in ein schiefes Licht gestellt. Ich habe in keiner Weise die Ab

schlüsse, die über FOS und BOS erworben werden, in Abrede gestellt.

(Zurufe von der CSU – Glocke der Präsidentin)

Ein Weiteres: Ich habe hier gesagt, dass 10 % der bayerischen Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Das sind Zahlen, die Sie uns auf zahlreiche schriftliche Anfragen hin gegeben haben. Damit habe ich keinen einzigen Förderschüler irgendwie angegriffen und in irgendeinen Misskredit gebracht, wie das die Frau Ministerin behauptet hat. Ich bitte doch, solche Verunglimpfungen zu unterlassen.

(Zurufe von der CSU – Glocke der Präsidentin)

Ich bitte auch, darauf mit den richtigen Argumenten zu reagieren.

Sie können doch den Lehrermangel an Bayerns Schulen nicht leugnen. Es ist doch keine Erfindung der SPD-Fraktion, dass die Gymnasien 300 Lehrer zu wenig haben. Das ist doch eine Feststellung, die Sie im Ministerium genauso kennen wie wir. Das hat Ihnen der Philologenverband als die Vertretung der Lehrerinnen und Lehrer an Bayerns Gymnasien vorgerechnet. Sie haben doch zum Schuljahresende einräumen müssen, dass pro Gymnasium ca. 15 Stunden fehlen. Sie haben ganze 65 oder 68 Lehrer zur Verfügung gestellt, die Sie bei den beruflichen Schulen abgezogen haben.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sie haben doch eben gesagt, dass sich die Klassenstärke an den Realschulen nicht geändert hat. Damit haben wir an Bayerns Realschulen nach wie vor circa 250 Klassen mit Schülerzahlen von 34 bis 39. Das war der Zustand zu Schuljahresende, und so ist er auch heute.

Dasselbe gilt für die beruflichen Schulen. Wir hatten an den beruflichen Schulen zum Schuljahresende eine Budgetlücke, die sich in 450 Lehrkräfte umrechnen lässt. Sie haben mehr eingestellt, als aufgrund der Pensionierungen erforderlich wäre, aber Sie haben das nur getan, um den steigenden Schülerzahlen gerecht zu werden. Diese steigenden Schülerzahlen gibt es an den Gymnasien und an den Realschulen; an den Fachoberschulen und Berufsoberschulen steigt die Schülerzahl um bis zu 20 %. Die Löcher sind also genau dieselben geblieben.

Herr Professor Waschler, Sie sagen: Na ja, es ist doch nicht schlimm, wenn ein Vater im Rahmen des bürgerschaftlichen Engagements in die Schule geht und Unterricht erteilt. Ich sage Ihnen: Sie brauchen sich nur noch hier herzustellen und zu sagen: Jawohl, wir wenden uns an die Bundesagentur für Arbeit und machen jetzt Hartz-IV-Jobs daraus; wir zahlen noch einen Euro, und ansonsten bitten wir alle Eltern und alle dementsprechend qualifizierten Leute, sich zu melden; denn wir wollen nicht, dass es an unseren Schulen genügend Lehrerinnen und Lehrer gibt, sondern wir suchen nach irgendeinem Fleck, der das Loch etwas abdecken kann, wobei im Endeffekt die Misere aber dieselbe bleibt. Das ist die Mangelverwaltung, die Sie doch auch den Gymnasien per Schreiben zum Schuljahresende mit

geteilt haben. Sie haben ihnen doch gesagt: Es wird einen nicht unerheblichen Unterrichtsausfall geben, und Sie sorgen dafür, dass dieser Mangel auf alle Schulen gleichmäßig verteilt wird. Frau Ministerin, bleiben Sie bei der Wahrheit und nehmen Sie Abstand von persönlichen Verunglimpfungen.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine riesige Bitte: Nachdem jetzt erfreulicherweise wieder mehr Abgeordnete im Plenarsaal sind, wird natürlich auch der Lärmpegel wieder höher. Ich bitte also in unser aller Interesse, den Lärmpegel nicht nur etwas, sondern sehr stark zu reduzieren. – Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Schneider.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur noch ein paar Anmerkungen zu dem machen, was gerade gesagt wurde. Frau Kollegin Schieder, ich stelle fest, dass die SPD bei jeder Debatte vergisst, die Fachhochschulen und die Fachoberschulen zu erwähnen. Das ist ein Beweis Ihrer Wertschätzung.

(Marianne Schieder (SPD): Das ist nicht wahr!)

Auch heute haben Sie es wieder vergessen. Für mich ist das ein Zeichen fehlender Wertschätzung.

(Marianne Schieder (SPD): Eine Unverschämtheit!)

Wir haben in Bayern die Fachhochschulen – 17 an der Zahl – ganz gezielt ausgebaut.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ihr seid doch insgesamt unterdurchschnittlich, auch wenn ihr die Fachhochschulen dazurechnet!)

Lieber Josef Dürr, zuerst zuhören, dann reden wir weiter. Wir haben 17 Fachhochschulen ausgebaut und sind in die Fläche gegangen, um möglichst vielen jungen Menschen in Bayern ein derartiges Angebot zu machen. Die Abschlüsse der Fachoberschulen, der Berufsoberschulen und des Telekollegs ermöglichen das Studium an den Fachhochschulen.

(Franz Maget (SPD): Das Telekolleg haben Sie kaputtgemacht!)

Mit der Fachhochschule haben die jungen Leute dann alle Möglichkeiten. Herr Kollege Pfaffmann, bei den Hauptschulen haben wir in der Tat einen Rückgang zu verzeichnen. – Ich stelle fest, Herr Kollege Pfaffmann ist leider nicht da. Ich wollte gern auf seine Frage antworten, weil er die Hauptschulen angesprochen hat. Obwohl die Zahl der Schüler an dieser Schulart um knapp 11 000 gesunken ist, weil die Schülerinnen und Schüler gesagt haben, sie wollten einen anderen Weg gehen, also die Realschule und das Gymnasium besuchen, ist annähernd die gleiche Zahl von Lehrkräften an den Hauptschulen und den Grundschulen beschäftigt. Damit ist ein Rückgang der Klassenstärken

und ein Mehr an individueller Förderung an den Hauptschulen verbunden.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben Krokodilstränen über die Hauptschule geweint. In all den Beiträgen, die wir von Ihnen hören, sagen Sie jedoch, dass Sie die Hauptschulen abschaffen wollen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Weil uns die Schüler Leid tun! – Franz Maget (SPD): Bei Ihnen sterben die Hauptschulen!)

Herr Kollege Maget, ich komme damit zu den Evaluationsergebnissen. Alle Studien, ob international oder national, die Tims-Studie, die Pisa-Studie oder die Pisa-E-Studie, belegen, dass die Länder, die von der Union regiert werden, in allen Ergebnissen mit einem Vorsprung von ein bis zwei Jahren positiv abschneiden. In den Ländern, in denen Sie die Verantwortung tragen, liegen die Ergebnisse ein bis zwei Jahre zurück. Das ist das Ergebnis der Politik Ihrer Kollegen in den Ländern, in denen die SPD und die GRÜNEN Verantwortung tragen. In diesen Ländern betreiben Sie einen Bildungsabbau und stellen sich dann hierher und machen uns glauben, Patentrezepte zu haben.

Ich stelle fest: Wo die SPD und die GRÜNEN die Verantwortung haben, wird Bildungsabbau betrieben. Dort werden schlechte Ergebnisse erzielt. In diesen Ländern herrscht eine höhere Jugendarbeitslosigkeit, und die wirtschaftlichen Daten sind schlechter. Diese Länder sind insgesamt in einem schlechteren Zustand. Deshalb dürfen Sie sich nicht hierher stellen und einen Wunschkatalog vorlegen, der zwar viele inhaltlich nachvollziehbare Punkte enthält, aber keinen Finanzierungsvorschlag.

Frau Kollegin Schieder, Sie haben von einer „sinnlosen Sparerei“ gesprochen. Ein Blick in die Länder, in denen Sie die Verantwortung tragen, zeigt, dass diese Länder kurz vor dem Bankrott stehen.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen nicht zu Raubrittern an der jungen Generation werden.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/1808 – das ist der Antrag der SPDFraktion –, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es

Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/1841 – das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um

das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den nächsten Dringlichkeitsantrag aufrufe, darf ich zur Geschäftsordnung mitteilen, wie sich die verbliebene Redezeit auf die einzelnen Fraktionen verteilt: Die CSU-Fraktion hat noch elf Minuten, die SPD-Fraktion fünf Minuten und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 17 Minuten.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Weil wir haushalten können und ihr nicht!)

Ich teile außerdem mit, dass die Staatsregierung noch zwei Minuten Redezeit hat, wenn sich die Redezeit für die Fraktionen nicht verlängern soll.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Sepp Dürr, Ruth Paulig, Dr. Christian Magerl und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weg vom Öl – Umorientierung bayerischer Energie- und Verkehrspolitik (Drucksache 15/1809)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Paulig.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Dringlichkeitsantrag „Weg vom Öl – Umorientierung bayerischer Energie- und Verkehrspolitik“ setzen wir das notwendige Signal, das angesichts der über Wochen gestiegenen Ölpreise endlich erfolgen muss. Der Ölpreis hat inzwischen ein Rekordniveau erreicht.

Die Staatsregierung hat Szenarien entworfen und Gutachten erstellen lassen. Darin wird von Kosten ausgegangen, die heute kaum mehr vorstellbar sind. Ich nenne nur die Studie, die für den Energiedialog im Wirtschaftsministerium von Prof. Dr. Voß vom Institut für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung in Stuttgart erstellt wurde. Darin wird von einem Ölpreisanstieg auf knapp 24 Dollar pro Barrel bis zum Jahr 2020 ausgegangen.

Wenn Sie nur diese Zahl hören, wissen Sie, wie verkehrt Sie mit Ihren Prognosen, Grundlagen und Daten, die Sie für Ihre alte Energie- und Verkehrspolitik heranziehen, liegen. Das war rausgeschmissenes Geld. Das kann man ganz klar sagen.