Protocol of the Session on July 17, 2008

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich darf gleichzeitig sagen: In Bayern haben wir die niedrigste Kinderarmut von allen deutschen Ländern.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Jedes arme Kind ist ein Skandal! Jedes!)

Die Zahl der Grundsicherungsempfänger bis zum 5. Lebensjahr ist am geringsten. Sie sollten sich über diese Zahlen freuen und nicht meckern.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Über Kinderarmut freue ich mich nicht!)

sozial gerecht ist, wenn Sozialhilfeempfänger und Grundsicherungsempfänger zusätzlich das Mittagessen bezahlt bekommen, während wir, die wir knapp darüber liegen, es nicht bekommen? Hören Sie nur zu. Es geht hier auch um soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.

Wir, die wir den ganzen Tag arbeiten, wir zahlen alles selbst und bekommen kein Mittagessen für unsere Kinder erstattet. Herr Kollege Wahnschaffe, im Kindergarten oder im Hort gibt es kein Problem: Dort werden gerade für die SGB-II- und SGB-XII-Empfänger die Mittagessen übernommen, das wird über die wirtschaftliche Jugendhilfe finanziert.

(Simone Tolle (GRÜNE): Nein! In Schweinfurt nicht!)

30 % unserer Eltern, die Grundsicherung erhalten, bekommen die Kosten erstattet und zahlen keinen Elternbeitrag und auch kein Mittagessen. Das Problem ist bei den Ganztagsschulen aufgetaucht, ob offen oder gebunden, ist dabei egal, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wo liegt das Problem genau? – Ich bin schon der der Ansicht, dass man genau hinschauen muss, denn es geht wirklich um soziale Gerechtigkeit.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Richtig!)

Der Bund, das Bundesarbeitsministerium, ist damals vom Warenkorb auf die tatsächlichen Bedarfe umgestiegen. Man hat die Bedarfe für die Erwachsenen erhoben und war, ich sage das jetzt einmal ganz deutlich, zu faul, die Bedarfe für die Kinder zu erheben. Man hat gesagt, ich nehme die Bedarfe für die Erwachsenen und sage, 60 % davon bekommen Kinder bis zum 12. Lebensjahr,

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wo waren Sie denn da? – Simone Tolle (GRÜNE): Ja, wo waren Sie denn da? – Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

bis zum 14. Lebensjahr, Entschuldigung, fast hätten Sie mich drausgebracht. Ab diesem Alter gibt es 80 %. Nun wissen wir aber alle, das weiß jeder mit gesundem Menschenverstand, dass ein Kind wesentlich höhere Kosten verursacht ab dem Zeitpunkt, zu dem es in die Schule kommt, also ab dem 6. Lebensjahr. Ich bin der festen Überzeugung, und das sage ich hier auch noch einmal ganz klar, dass sich der Bundesarbeitsminister – Herr Kollege Wahnschaffe, als SPDler könnten Sie da auch ein bisschen Druck in Berlin aufbauen – sich der Aufgabe nicht entziehen darf. Wir haben 2007 einen einstimmigen Beschluss aller deutschen Arbeits- und Sozialminister gehabt. Der Bundesarbeitsminister darf sich nicht der Aufgabe entziehen, endlich die Bedarfe für unsere Kinder zu erheben. Da muss auch ein Mittagessen dabei sein und eine Schulausstattung, wenn die Kinder in die Schule kommen. Dann hätten wir nämlich die Probleme alle nicht, über die wir heute diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, natürlich gibt es verschämte Armut in Deutschland, das ist überhaupt keine Frage. Ich bin aber schon der Ansicht,

die Bayerische Staatsregierung zu tun gedenkt, um bei diesem Problem selbst einen Beitrag zu leisten. Soviel zum Ersten.

Zweitens. Sie wissen sehr genau, dass die Bedarfe im Bund – und das ist gesetzlich festgelegt – alle fünf Jahre neu überprüft werden. Man kann das Gesetz selbstverständlich ändern und die Intervalle verkürzen. Es gibt, und auch das wissen Sie, eine Initiative des Bundesarbeitsministers, um für Kinder, beispielsweise für den Schulanfang, einen zusätzlichen Bedarf in den Warenkorb zu legen. Übrigens ist das anders, als Sie das vorhin dargestellt haben. Man ist jetzt zur Pauschalierung gekommen und nicht umgekehrt.

Drittens. Sie reden immer nur von den Kindern, deren Eltern SGB-II- oder SGB-XII-Empfänger sind. Herr Kollege Imhof, und das war das einzig Richtige in seinem Beitrag, hat darauf hingewiesen, dass es auch Kinder gibt, deren Eltern an dieser Schwelle leben, und die auch Bedarf haben. Auch Sie haben das in Ihrer Arbeitsgruppe so empfunden. Frau Staatsministerin, es geht nicht darum, nur auf den Bund und auf die Kommunen zu zeigen. Es geht darum, und darum hatten wir Sie gebeten, zu sagen, was die Staatsregierung zu tun bereit ist, um diesem Problem endlich beizukommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Wahnschaffe, der Antrag für die Öffnungsklausel der Schulbedarfe kam aus Nordrhein-Westfalen und keineswegs vom Bundesarbeitsminister.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Und ob!)

Den Antrag haben wir auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz lange behandelt. Der Bundesarbeitsminister war keineswegs bereit, der Öffnungsklausel zuzustimmen.

Ich möchte das klar und deutlich sagen. Ich kann Ihnen auch deutlich sagen, dass ich diejenige Länderministerin war, die sich intensiv dafür eingesetzt hat, dass wir einen Beschluss mit 16 zu 0 Stimmen bekommen dafür, dass die Kinderbedarfe ordentlich erhoben werden; denn sie sind beim letzten Mal überhaupt nicht erhoben worden, sondern man hat eine prozentuale Kürzung der Erwachsenenbedarfe durchgeführt. Da ist zum Beispiel der anteilige Friseurbedarf der Frauen dabei. Da ist der anteilige Wirtshausbesuch für die Väter dabei. Kolleginnen und Kollegen, das hat mit Kinderbedarfen überhaupt nichts zu tun. Deshalb brauchen wir hier sofort eine Bereinigung, das möchte ich ganz klar sagen.

(Beifall bei der CSU)

Zum Zweiten gehören natürlich das SGB II, das SGB XII, der ganze Bereich der Asylbewerber und Leistungsempfänger dazu.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Die Zahl liegt bei 7,9 %. In Deutschland liegt sie in etwa um das Doppelte höher. Frau Kollegin Ackermann, auch zu Ihrem Redebeitrag möchte ich etwas sagen. Wenn Sie hier vorbringen, dass Kinder die Armutsfalle Nummer 1 in Bayern und in Deutschland sind, dann sollten Sie sich auch dafür einsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass das Landeserziehungsgeld erhalten bleibt.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Damit verbessern wir nämlich die finanzielle Situation bei 64 % unserer Eltern. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass die Opposition, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hier verlangt haben, dass wir das Landeserziehungsgeld ersatzlos streichen sollen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, so schaffen Sie Kinderarmut in Bayern nicht ab, so entsteht vielmehr Kinderarmut!

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen mit unserer Sozialpolitik gerade den Eltern helfen, die – und das sage ich ganz offen – durch mehrere Kinder ärmer geworden sind. Deshalb haben wir die Staffelung für die Mehrkinderfamilien beim Landeserziehungsgeld.

Sie haben sich vorhin über Herrn Kollegen Imhof lustig gemacht. Das halte ich für falsch. Sie sollten uns hingegen sehr genau zuhören. Ich habe immer klar und deutlich gesagt: Unsere erste Stoßrichtung zielt darauf, dass die Sätze für die Kinder deren Bedürfnissen entsprechend verändert werden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich halte das für unabdingbar notwendig. Wenn sich der Bund dieser Forderung weiterhin verschließen sollte – hier könnten Sie sich einbringen –, dann bin ich der Ansicht, dass auch der Freistaat Bayern etwas auf den Weg bringen muss,

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

aber immer im Hinblick darauf, dass die soziale Gerechtigkeit in Bayern nicht in Schieflage gerät.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, würden Sie bitte am Rednerpult bleiben für die Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Wahnschaffe. Wenn Sie bitte noch einmal an das Rednerpult gehen würden, Frau Staatsministerin.

Frau Staatsministerin, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört, und wahrscheinlich auch alle anderen, die an diesem Thema interessiert sind. Ich habe von Ihnen aber kein Wort darüber gehört, was

Die Kinder brauchen ein faktisches Mittagessen, eines, das sie sich in den Mund schieben können und von dem sie satt werden. Sie brauchen keine Geldleistungen, die sie letztlich doch nicht zu sehen bekommen.

Frau Ministerin, ich habe das Fass mit dem Landeserziehungsgeld nicht aufgemacht, sondern das waren Sie. Aber wir können gern darüber reden. Wir sind deshalb gegen das Landeserziehungsgeld, weil es den Familien nicht weiterhilft. Das Geld ist viel zu wenig, um tatsächlich eine Hilfe zu sein. Wir brauchen Einrichtungen für Kinder, in denen sie Bildung erfahren, in denen sie betreut werden und in denen sie ein Mittagessen bekommen. Genau das verweigern Sie den Kindern. Sie wollen sie mit einem Almosen, das sich Landeserziehungsgeld nennt, abspeisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn das Landeserziehungsgeld ausgelaufen ist, wenn kein Anspruch mehr besteht, dann stehen die Familien allein da mit ihrem Kind, dann können sie schauen, wie sie weiterkommen. Deswegen sind wir dafür, dass Bayern ausgestattet wird mit einer Infrastruktur an Bildungseinrichtungen, die den Kindern tatsächlich eine Chance fürs Leben bieten, und nicht mit irgendwelchen Scheinlösungen, die den Familien niemals helfen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun liegen mir tatsächlich keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

(Unruhe)

Kolleginnen und Kollegen, ich bitte jetzt um etwas Aufmerksamkeit, damit die Abstimmungen klappen. Zur Abstimmung werden die Anträge wieder getrennt. Wir haben drei namentliche Abstimmungen vor uns.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, betreffend „Mittagessen für alle Kinder – ohne Kürzung des Lebensunterhalts“, Drucksache 15/9459 – das ist Tagesordnungspunkt 42 – abstimmen.

(Unruhe)

Ich bitte um etwas Ruhe. Ich bitte auch, die Gespräche einzustellen. Ich bitte, die Gespräche außerhalb des Plenarsaals zu führen.

Es geht um den Tagesordnungspunkt 42. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt auf Drucksache 15/11109 die Ablehnung. Wer entgegen dem Votum des Ausschusses dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zum Dritten bin ich der Ansicht, dass man wie in der wirtschaftlichen Jugendhilfe ein Stück weit über die Grenzen der Grundsicherung hinausgehen sollte. Aber es wird auch dann – täuschen Sie sich nicht darüber hinweg – eine Grenzproblematik geben. Überall dort, wo wir Grenzen setzen, werden wir über die Grenzziehung intensiv zu diskutieren haben.