Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Dringlichkeit eines Korruptions- oder Anti-Korruptionsregisters ist uns allen in letzter Zeit hinlänglich vor Augen geführt worden. Damit Sie mir nicht Einseitigkeit vorwerfen können, nenne ich gerne andere
Fälle, zum Beispiel in Leipzig oder in Köln. Solche Fälle gibt es aber auch in München, und damit meine ich nicht nur das Stadion und die Affäre „Wildmoser/Alpine-Mayreder“. In München gibt es auch noch andere Fälle. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie können darüber sicher ein lautes Klagelied anstimmen.
Mein Vorredner, Herr Kollege Graf von und zu Lerchenfeld, hat versucht, von diesem Thema abzulenken und die Anträge der Opposition, von SPD und GRÜNEN, madig zu machen. Wie wurde damals im Vermittlungsausschuss bei staatlichen Bauaufträgen argumentiert? – Damals wurde behauptet, die Vorlage des Bundes sei überfrachtet gewesen und hätte jede Menge handwerklicher Fehler enthalten. Das erinnert mich sehr stark an Ihr Geeiere beim Thema Tariftreue.
(Thomas Kreuzer (CSU): Wenn Sie weiterreden, werden Sie keine Redezeit mehr für Ihren nächsten Antrag haben!)
Herr Kollege Kreuzer, wir können das anhand der Fakten chronologisch auflisten, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. Zunächst ging gar nichts. Wenn Kommunen etwas machen wollten, zum Beispiel beim Thema Tarif, bei der Frauenförderung oder in der Lehrlingsausbildung, hieß es immer, das ginge nicht, weil das vergabefremd und rechtlich nicht haltbar wäre. Mit dieser Argumentation wurde das von der Staatsregierung immer abgebügelt. Obwohl kein Gesetz und keine Verordnung geändert worden ist, gab es plötzlich die so genannte Tariftreue- und Nachunternehmererklärung, mit der auf einmal die Tariftreue bei den Unternehmern und den Subunternehmern abgefragt worden ist. Dann kam ein Urteil des Berliner Kammergerichts, das bis zum BGH gegangen ist, in dem festgestellt wurde, dass den Ländern hierzu die Kompetenz fehle. Hier hat zum Beispiel das Thema negative Koalitionsfreiheit hereingespielt. Das Gericht hat festgestellt, dass auf Bundesebene eine Tariftreueregelung festgemacht werden müsste. Der Bund wollte das tun. Aber Edmund Stoiber, der wackere Kämpfer, hat dieses Vorhaben des Bundes zum Scheitern gebracht, obwohl er sich vorher für seine Tariftreueregelung im Beschäftigungspakt Bayern rühmen ließ. Warum? – Es war eben Wahlkampf. Das waren damals die Mechanismen.
Frau Kollegin Stahl ist bereits auf die Argumente von Herrn Bocklet im Vermittlungsausschuss eingegangen. Ich möchte das noch ergänzen. Herr Bocklet hat in seiner Argumentation zunächst eine Einzelfallaufdröselung betrieben und dann mit der Überfrachtung argumentiert. Herr Bocklet hat zum Beispiel die Frage gestellt, was mit einem Unternehmen geschehen sollte, das den Mitarbeiter, der bestochen hat, entlassen hat. Ich kann dazu Folgendes sagen: Sie glauben doch nicht, dass der Geschäftsführer einer Zweigniederlassung mir nichts dir nichts 2,8 Millionen Euro aus der Tasche ziehen kann, ohne dass der Firmenleitung dies bekannt ist. Er kann diesen Betrag auch nicht aus der Portokasse bezahlen und wird ihn wohl kaum aus seiner privaten Kasse zahlen. Das sind lächerliche Ausreden.
Nun zu dem Argument der Überfrachtung: Ich kann die meisten Punkte ganz klar widerlegen. Die CSU vertritt die Meinung, dass nur echte Korruptionsdelikte wie
Bestechlichkeit, Betrug oder Untreue aufgeführt werden sollten. Bestechlichkeit, Betrug und Untreue ist nicht einmal der Firma Alpine-Mayreder vorzuwerfen, sondern der anderen Seite. Sie wissen alle, dass die Bestechung erst vor kurzem als Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurde. Sie stoßen sich an dem Katalog, der andere Delikte und Verstöße enthält, die zum Beispiel unter das Arbeitgeberentsendegesetz, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, die Geldwäsche und den Subventionsbetrug fallen.
Frau Kollegin Stahl hat gesagt, dass dies sehr wohl Kriterien sind, mit denen wir die Zuverlässigkeit unserer Auftragnehmer hinterfragen wollen. Sie haben behauptet, das hätte nichts mit dem Wettbewerb zu tun. Ich frage Sie: Kann eine Firma, die Geldwäsche betreibt, ihre Leistungen denn nicht viel günstiger anbieten als eine andere? – Für mich ist das eine Wettbewerbsverzerrung.
Das sind die Probleme, die einen wirklichen Wettbewerb verhindern. Diese Probleme müssen wir in den Griff bekommen. Meine Damen und Herren, ich fordere Sie auf, einmal ins Grenzgebiet zu gehen. Ich weiß, dass Sie den Beschäftigten in den Baufirmen immer erzählen, wie sehr Sie sich für diese Beschäftigten einsetzen. In diesem Parlament passiert genau das Gegenteil, weil Sie sich weigern, die genannten Verstöße in einen solchen Katalog aufzunehmen.
Der Staatssekretär aus dem Innenministerium hat uns heute eine Anfrage zum Thema Alpine-Mayreder beantwortet. Ich habe angefragt, wie viele Bauvorhaben des Freistaates zwischen 1996 und 2004 an diese Firma bzw. deren Tochterunternehmen gegangen sind. Nach einem ersten Überblick hat sich ergeben, dass diese Firma 37 Aufträge für den Straßenbau und den Hochbau erhalten hat. Diese 37 Aufträge hatten ein Volumen von etwa 33 Millionen Euro. Dazu passt ein Beitrag im Bayerischen Fernsehen, wonach 20 Prüfungen auf der Stadionbaustelle stattgefunden hätten und bei jeder dieser Prüfungen Verstöße festgestellt worden seien. Diese Verstöße beträfen sowohl das Generalunternehmen als auch die Subunternehmen. Dabei ging es immer um die Zahlung des Mindestlohns.
Fazit : Wir wollen sehr wohl wissen, mit welchen Firmen wir es zu tun haben, wer unser Auftragnehmer ist, und wer es hoffentlich bald nicht mehr ist. Sie sollten endlich mit Ihrem Herumgeeiere aufhören. Wir haben jetzt gerade keinen Bundestagswahlkampf. Der Wahlkampf war damals der Grund für Ihre Ablehnung. Sie sollten den Anträgen von SPD und GRÜNEN zustimmen.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Bevor wir in namentlicher Form über die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 15/620 und 15/621 abstimmen, stelle ich den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend „Korruptionsregister einfordern“ auf der Drucksache 15/645 in der abgesprochenen geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Wer ist dagegen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Eine Enthaltung. Der Antrag ist damit in der geänderten Fassung angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend „Einführung eines bayernweiten Korruptionsregisters“ auf Drucksache 15/620. Die Abstimmung erfolgt in namentlicher Form. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der Seite der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die EnthaltungsUrne befindet sich auf dem Stenografentisch. Es kann mit der Abstimmung begonnen werden. Dafür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind mitten in der Abstimmung, ich bitte Sie doch um Ruhe. Wir führen zwischenzeitlich die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend „Bundesweites Antikorruptionsregister“ auf Drucksache 15/621 durch. Die Urnen sind wie bei der vorhergehenden Abstimmung aufgestellt. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Es stehen hierfür ebenso fünf Minuten zur Verfügung.
Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt. Wir fahren zwischenzeitlich mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fort. Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Joachim Herrmann, Thomas Kreuzer, Jakob Kreidl und anderer und Fraktion (CSU)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schutz der Bevölkerung vor Terrorgefahren verbessern: Sachlichkeit vor Ideologie (Drucksache 15/646)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und erteile für die Fraktion der CSU Herrn Kollegen Kreuzer das Wort. Die CSU hat noch 14 Minuten Redezeit. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Terror bisher unbekannten Ausmaßes hat die Europäische Union erreicht. Eine Hauptstadt der Europäischen Union, eine Stadt, in der die meisten von uns schon gewesen sind – viele in dienstlicher Eigenschaft, weil wir vom Bayerischen Landtag mit spanischen Abgeordneten sowohl in Madrid als auch in den Regionen gute Beziehungen unterhalten und uns austauschen.
Wir sehen uns im Angesicht von Leid, Schmerz, Trauer, vom Tod von über 200 Menschen, einer riesigen Anzahl Verletzter und einer Situation, wie sie sich viele in Europa bisher überhaupt noch nicht vorstellen konnten. Wir leiden mit den Angehörigen. Wir trauern mit dem spanischen Volk über dieses schreckliche, dieses furchtbare Ereignis. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist: Auch unsere Sicherheitslage hat sich durch diese Vorkommnisse verändert. Sie sind für Europa ähnlich dramatisch wie die Vorkommnisse am 11. September 2002 in den Vereinigten Staaten, wenn auch nicht diese Folgen eingetreten sind. Aber auch uns musste klar werden: Wir sind vom Terrorismus erreicht worden und erreichbar. Alles spricht dafür, dass arabischer Fundamentalismus dahinter steht, dass Organisationen, die zumindest al Qaida nahe stehen, mit diesen Anschlägen zu tun haben. Die Bekenntnisse sind schrecklich und gipfeln in den Sätzen in den Bekennerschreiben: „Ihr liebt das Leben, und wir lieben den Tod.“ Dies zeigt uns die Dimension auf, um die es geht, und die Dimension dessen, was wir in Zukunft zu erwarten haben.
Es soll sich niemand täuschen. Es kann jedes Land der Europäischen Union treffen – auch Deutschland. Wir können uns nicht wegducken. Vor allem sollten wir uns nicht in trügerischer Sicherheit wiegen nach dem Motto: Wir waren im Irak nicht beteiligt.
Wir müssen ganz klar sehen, dass es auch um Afghanistan geht. Das sagen auch diese Kreise. Dort sind wir sehr wohl beteiligt. Dort haben wir Truppen. Dort sind wir involviert, und somit besteht die Gefahr auch für uns. Das ist die schmerzliche Erkenntnis. Eine Erkenntnis, an der wir nicht vorbeikommen und auf die wir uns einstellen müssen. Die abstrakte Gefahr, auch in Deutschland terroristische Anschläge großen Ausmaßes zu erleben, ist durch die Vorkommnisse in Madrid angewachsen. Die Gefährdungslage ist größer geworden. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, und wir müssen entsprechend handeln.
Wir haben in der Folge des 11. September 2002 etliches auf den Weg gebracht. Ich sage, meine Damen und Herren: spät genug. Viele Forderungen, die von der Union Jahre vor dem 11. September 2002 gestellt worden sind, sind erst in den Sicherheitspaketen danach umgesetzt
worden, weil sich Rot und Grün in der Zeit davor geweigert haben, diese Dinge umzusetzen. Inzwischen sind wir in einer gemeinsamen Anstrengung und in einem gemeinsamen Gesetzgebungsverfahren weitergekommen.
Ich sage aber auch: Wir haben noch ganz entscheidende Lücken in Bezug auf die Sicherheitslage in unserem Land. Ich will heute drei Dinge ansprechen und herausarbeiten.
Wir brauchen eine Grundgesetzänderung mit glasklaren Vorgaben und entsprechende Gesetze. Es ist völlig unannehmbar, dass Sie versuchen, das Problem im Wege der Amtshilfe zu lösen. Hier geht es um Objektschutz. Hier geht es um Abwehr von Gefahren in der Luft, und hier geht es um Abwehr von Gefahren zur See – um nur drei Punkte zu nennen.
Meine Damen und Herren, wer glaubt, ohne Grundgesetzänderung und ohne klare rechtlichen Vorgaben beispielsweise Angriffe aus der Luft abwehren zu können, beispielsweise den Abschuss eines Flugzeugs durchzuführen im Wege der Amtshilfe, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Es ist den Soldaten, also den Handlungsträgern, nicht zuzumuten, aufgrund solcher schwammiger Rechtslagen derart gravierende Entscheidungen zu treffen. Das ist eine Zumutung für die verantwortlichen Menschen.
Ein Pilot, der einen Einsatzbefehl bekommt und handeln muss, und jemand, der diesen Befehl gibt, brauchen eindeutige Rechtsgrundlagen. Es muss völlig klar sein, dass er dies darf, und es muss eine originäre Zuständigkeit der Bundeswehr für diese Fragen bestehen. Wir fordern Sie auf: Setzen Sie sich in Berlin dafür ein, dass dies sauber geregelt wird. Drücken Sie sich nicht vor der Verantwortung, weil Sie sich selber wieder einmal nicht einig sind, was überhaupt geregelt werden soll.