Protocol of the Session on July 15, 2008

(Christa Steiger (SPD): Ich greife nicht sie an, ich greife ihre Öffentlichkeitsarbeit an!)

Wir haben deshalb im federführenden Ausschuss vereinbart, dass rund ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes mit allen Verbänden und Initiativen im Bayerischen Landtag eine Anhörung zur Wirksamkeit des Gesetzes durchgeführt wird. – Diesbezüglich kommen wir zum gleichen Ergebnis. Insoweit bleiben auch sämtliche Petitionen und Anregungen zum Gesetz, die aus den genannten Gründen keine Berücksichtigung finden konnten, aufgegriffen.

(Christa Steiger (SPD): Das war mein Antrag!)

Wir werden dies sowohl mit den Vertretern der Münchner Universitätsklinika als auch mit den Verbänden und Organisationen in weiteren Gesprächen vertiefen.

Was hat sich nun durch den Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung über den bisherigen Rahmen hinaus positiv verändert? Dazu möchte ich einen Punkt aufgreifen, den meine Vorrednerin schon kurz gestreift hat. Ich halte es für sehr wichtig, und es ist uns ein besonderes Anliegen, dass sich der Geltungsbereich dieses Gesetzes auch auf Menschen mit seelischer Behinderung erstreckt. Diese Behinderungen sind häufig für die Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar. Deshalb ist es notwendig, dass ein Zugang, dass eine Berechtigung gefunden wird, sodass deren Belange in der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt werden.

Die CSU-Fraktion hat in das Gesetzgebungsverfahren insbesondere noch Fragen der Ausbildung der Gebärdensprachdolmetscher, der Gebärdensprachdozenten, wie wir in Zukunft sagen, eingebracht. Des Weiteren ist grundsätzlich zu fragen, wo die Behindertenbeauftragte des Landes anzusiedeln ist; denn es besteht eine stärkere inhaltliche Nähe zum Sozialministerium als zum Parlament. Wir haben nur einen Bereich, in dem es aus der logischen Konsequenz heraus anders ist. Das ist der Bereich des Datenschutzbeauftragten, weil dieser eine andere Funktion gegenüber der Staatsregierung hat als die Behindertenbeauftragte. Für ihn ist eine verstärkte Zusammenarbeit erforderlich.

(Christa Steiger (SPD): Behindertenbeauftragter ist eine Querschnittsaufgabe!)

Gemeinden, in unseren öffentlichen Verwaltungen und auch bei der Bauleitplanung als Selbstverständlichkeit angesehen wird, werden wir tatsächlich Erfolg haben.

(Zuruf von der CSU: Sehr richtig!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die unbedingte Barrierefreiheit beim Zugang zur öffentlichen Verwaltung ist notwendig. Das gilt sowohl für Gebäude als auch für vermeintlich banale Dinge wie Formulare und Ähnliches. Barrierefreiheit muss auch im Internet hergestellt werden. Der Bedarf an behindertenfreundlichen Wohnungen ist größer denn je. Bei Neubaumaßnahmen und bei Sanierungen müssen Behindertenwohnungen zur Voraussetzung gemacht werden. So muss, um nur ein Beispiel zu nennen, in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen und Aufzügen ein Drittel der Wohnungen barrierefrei erreichbar sein.

Ich darf an die Gesetzesberatungen des Jahres 2003 erinnern. Ohne unsere Initiative würde heute zur Barrierefreiheit in den Medien nichts im Gesetz stehen. Gehörlose und blinde Menschen haben es schwer, Fernsehen intensiv zu nutzen. Deshalb ist es notwendig, dass gerade die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, bei denen wir auch einen besonderen politischen Auftrag haben, stärker tätig werden. Hier muss dringend mehr getan werden. Sendungen müssen untertitelt werden, Hörfilme müssen verstärkt angeboten werden. Im Rahmen unserer Möglichkeiten müssen wir auch stärker an die privaten Fernsehsender herantreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das Bayerische Fernsehen ist hier vorbildlich, aber bei den Privaten läuft im Moment überhaupt nichts. Für uns besteht ein großer politischer Auftrag, auch in diesem Bereich tätig zu werden.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Ihr seid doch mit den Privaten befreundet! Macht was! – Christa Steiger (SPD): Das Geld hat Herr Kirch!)

Es ist notwendig, durch den Landesbehindertenrat und durch die Behindertenbeauftragten eine verbesserte Beteiligungskultur für Menschen mit Behinderung zu erreichen. Schließlich muss die Umsetzung des Paradigmenwechsels von einer ausschließlich fürsorgebestimmten Behindertenpolitik hin zu einer Politik des selbstbestimmten und autonomen Lebens gefördert werden. Ich sage an dieser Stelle aber auch: In diesem Gesetz – deswegen konnten wir vielen Vorschlägen nicht folgen – geht es darum, das Verhältnis zwischen Menschen mit Behinderung und öffentlichen Stellen zu regeln, nicht um Leistungsgesetze. Das sind andere Themen, andere Gesetze, bei denen wir natürlich miteinander darum ringen müssen, was der beste Weg ist; aber hier geht es um ein anderes Gesetz. Darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen.

(Christa Steiger (SPD): Ach was!)

zung des Gesetzes eine andere sei. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, mich beschleicht das Gefühl, dass Sie doch wieder nur versuchen, auszuweichen; denn immer dann, wenn konkrete Anforderungen gestellt werden und es um die Finanzen geht, ruft die CSU nach einem Leistungsgesetz. Dieses Spiel kennen wir aus allen Bereichen, angefangen von der Frage, wie man die Bezirke ausstattet, bis hin zu diesem Thema.

Was sagen Sie mir, wenn ich Sie damit konfrontiere, dass ich das Ganze für vorgeschoben halte? Sie können, dürfen und müssen als bayerischer Gesetzgeber natürlich hier konkrete Maßnahmen in die Wege leiten. Wenn Sie es nicht tun, weil Sie sagen, dafür will ich kein Geld ausgeben, damit will ich den Haushalt nicht belasten, dann sollten Sie das den Menschen mit Behinderung und denen, die für ein soziales Bayern eintreten, auch vor einer Landtagswahl deutlich sagen.

Noch einmal: Ich sehe keinen strukturellen Grund, warum wir als bayerischer Gesetzgeber nicht konkrete Maßnahmen für Menschen mit Behinderung auf den Weg bringen sollen, die ihre Integration stärken und zu einer wirklichen Gleichbehandlung führen. Das Argument, das Gesetz habe nur das Verhältnis zur öffentlichen Hand zum Inhalt, erscheint mir, wie gesagt, vorgeschoben.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn man diese Bedenken ausräumen könnte und sich dazu bekennen würde, dass im nächsten Jahr bei der von Ihnen in Aussicht gestellten Überprüfung des Gesetzes derartige vordergründige Gesichtspunkte keine Rolle mehr spielen.

Herr Kollege Unterländer, bitte.

Frau Präsidentin, Herr Kollege Dr. Beyer! Sie versuchen hier eine bewusste Verschleierung des Gesetzesauftrags. Nehmen Sie doch bitte in aller Sachlichkeit zur Kenntnis, dass dieses Gesetz dazu da ist, das Verhältnis zwischen Menschen mit Behinderung – also dem behinderten Bürger – und den öffentlichen Stellen zu regeln.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das sagen Sie!)

Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass als Antwort auf die Forderungen nach einer konkreten Verbesserung der Situation, die hier im Raum stehen, aus unserer Sicht drei Schritte notwendig sind: Zum einen müssen wir bei der Eingliederungshilfe das Thema „Zuständigkeitsverlagerung“ offensiv angehen; offensiv in dem Sinne, dass das Leistungsspektrum für Menschen mit Behinderung weiterentwickelt und verbessert wird. Zweitens müssen wir den nach der Sanierung des Staatshaushalts weiterentwickelten Weg mit Investitionen in den Behindertenbereich und einer Stärkung und Verbesserung der offenen Behindertenarbeit im Staatshaushalt weitergehen. Der Nachtragshaushalt 2008 zeigt dies deutlich. Drittens ist natürlich auch ein eigenes Leistungsgesetz für Menschen mit Behinderung zu fordern, an dem sich letztlich Kommunen, Bund und Länder beteiligen. Zu dieser Forderung bekenne ich mich persönlich ganz offen. Es gibt in meiner

Der Behindertenbeauftragte wird bei der Ressortanhörung wie ein Ministerium behandelt. Das heißt: Alle behindertenrelevanten Themen werden der Behindertenbeauftragten von vornherein zugänglich gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben einen Entschließungsantrag zum Gesetzgebungsverfahren eingebracht, dies auch, weil viele Bereiche nicht in diesem Gesetz, das einen bestimmten Zweck hat, geregelt werden können. Es gibt aber Bereiche, die dennoch angesprochen werden müssen. Zum einen betrifft dies die Frage einer verstärkten Barrierefreiheit durch Hörfilme und Untertitelungen bei den Privatsendern und bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie für das öffentlich-rechtliche Fernsehen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Dabei geht es auch um das Thema der Finanzierung der Übersetzungen für Gehörlose in Kindertagesstätten. Das ist eben nicht so einfach, wie Sie, Frau Kollegin Steiger, das dargestellt haben. Zur Entlastung der Eltern muss eine Finanzierungsregelung getroffen werden. So wird es auch kommen. Insoweit haben wir als Parlament mit dem Entschließungsantrag einen Auftrag gegeben. Darin wird die Bereitschaft, nach einem Jahr über die Wirksamkeit des Gesetzes miteinander zu beraten, noch einmal zum Ausdruck gebracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist ein guter Gesetzentwurf. Verbunden mit den übereinstimmenden politischen Zielsetzungen wird der Weg zur Integration, zur gleichberechtigten Teilhabe und zur Beseitigung der Barrieren für Menschen mit Behinderung im Freistaat Bayern weiter beschleunigt. Deswegen ist es gut, wenn wir diesem Gesetzentwurf mit einer möglichst breiten Mehrheit zustimmen, um auch in der Gesellschaft das Signal dafür zu geben, Barrieren zulasten der Behinderten niederzureißen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Unterländer. Bleiben Sie bitte gleich für eine Zwischenbemerkung am Rednerpult. – Bitte sehr, Herr Kollege Beyer.

(Zurufe von der CSU: Bravo!)

Frau Präsidentin, Herr Kollege Unterländer! Wir haben Ihnen signalisiert, dass wir diesem Gesetzentwurf mit all den Einschränkungen, die Frau Kollegin Steiger erwähnt hat, allein deshalb zustimmen werden, um eine Unterbrechung der gesetzgeberischen Regelung in Bayern zu verhindern.

Ich möchte nochmals darauf eingehen, dass Sie sich an mehreren Stellen fast entschuldigen und es ein bisschen bedauern, sich jetzt von diesem und jenem zurückgezogen zu haben, was in Bayern die Situation der Menschen mit Behinderung konkret verbessern würde. Sie täten es gerne, könnten es aber nicht, weil die Zielset

die Maßnahmen zu kostenintensiv oder vielleicht nicht wichtig genug? Sie können selbst beurteilen, ob sie nötig gewesen wären oder nicht. Deshalb will ich hier einige Kostproben von Vorschlägen der Behindertenbeauftragten der Staatsregierung zum Besten geben. Die Vorschläge beruhen im Wesentlichen auf den im Rahmen der Fachtagung mit den Kommunalen Behindertenbeauftragten und den Beiräten im letzten Oktober in Bad Gögging getroffenen Vereinbarungen. Zum Beispiel ist das Ambulantisierungsprogramm, ein Fachprogramm analog dem Landespsychiatrieplan oder Landesbehindertenplan, in die Regelungen nicht eingeflossen.

(Zuruf von der SPD: Das ist in unserem Ände- rungsantrag enthalten! -Zuruf des Abgeordneten Joachim Unterländer (CSU))

Herr Unterländer, warum nicht? Weil Sie nicht bereit sind, dieses Programm in die Regelungen aufzunehmen? Das kann doch kein Grund sein.

Oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne Antrag. Das heißt, dass demjenigen, der aufgrund einer Erkrankung eine staatsbürgerliche Pflicht versäumt oder nicht erfüllt hat, daraus kein Nachteil erwachsen darf. Das ist oft bei psychisch kranken Menschen wichtig, die dazu nicht in der Lage sind, aber danach massive Nachteile haben. Oder es gilt auch, das Benachteiligungsverbot von den Trägern der öffentlichen Hand auf Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen auszudehnen, die sich teilweise unmittelbar oder mittelbar in öffentlicher Hand befinden. Ich könnte noch mehr Beispiele anführen, bei denen versucht wurde, auf den Gesetzgeber einzuwirken, ohne dass sich am Gesetzentwurf irgendetwas verändert hätte. Auch die Vergabe der öffentlichen Aufträge und Zuwendungen wurde zum Beispiel nicht an die Herstellung der Barrierefreiheit gekoppelt. Im sozialpolitischen Ausschuss war die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung zugegen. Sie war sehr verwundert darüber, dass ihre Änderungsvorschläge nicht einmal als Tischvorlage existierten.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Bis heute gibt es von diesem Ausschuss kein endgültiges Protokoll. Ich habe mir gestern ein vorläufiges Protokoll schicken lassen. Auch das ist sehr verwunderlich; denn der Ausschuss hat bereits am 29.05.2008 getagt.

Ich frage Sie: Was ist das für ein Gesetz, das nicht mit den Menschen diskutiert wird, die für seine Umsetzung sorgen sollen?

Wovor haben Sie Angst? Was ist das für ein Gesetz, das keine Konsequenzen für die Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben vorsieht?

Wenn es Ihnen ernst damit ist, dass behinderte Menschen bessere Lebensverhältnisse bekommen sollen, dass sie ein Recht bekommen sollen, auch wenn sie es nicht vehement einfordern können, dann ist die erste Voraussetzung, mit den Betroffenen und den Fürsprechern

Fraktion oder gerade bei den Bundestagskollegen sicher viele, die einem solchen Gesetz nicht von vornherein zustimmen können.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Der richtige Weg ist ein Gesetz der Eingliederung, das klar die Zuständigkeiten regelt. Wir werden versuchen, diese drei Schritte zu gehen. Da sind wir auf dem richtigen behindertenpolitischen Weg, ohne die Barrierefreiheit zu vernachlässigen. Der Redlichkeit halber sollten wir zwischen diesen beiden Forderungen unterscheiden. Wenn Sie meine Ausführungen gehört haben, werden Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass unser Konzept das Konzept ist, das in der Zukunft trägt. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf jetzt Frau Kollegin Ackermann das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen befindet sich heute in der Zweiten Lesung. Wir, die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, haben in der Ersten Lesung und im sozialpolitischen Ausschuss diesem Gesetzentwurf zugestimmt. Leider mussten wir aber feststellen, dass zu dem Gesetzentwurf zu keiner Zeit und in keinem einzigen Gremium eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den im Rahmen des Anhörungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen der Selbsthilfeverbände, der Vereinigung Kommunaler Interessenvertreter für Menschen mit Behinderung und der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung stattgefunden hat.

Wir wollen, dass die Novellierung erst nach einem offenen Dialog mit den zuvor genannten Gruppierungen vonstatten geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)