Protocol of the Session on May 28, 2008

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 123. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch drei Glückwünsche aussprechen. Am 7. Mai feierte Herr Kollege Dr. Bernd Weiß einen runden Geburtstag. Einen halbrunden Geburtstag feierten am 9. Mai Herr Kollege Heinrich Traublinger und am 15. Mai Frau Kollegin Simone Tolle. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der CSU vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Artenvielfalt: Bayern ist dabei!“ beantragt. Sie kennen die Regelungen der Geschäftsordnung; ich brauche sie nicht zu wiederholen. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Hünnerkopf für die CSU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Derzeit fi ndet die Internationale Vertragsstaatenkonferenz zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland statt. Es geht darum, das große Artenspektrum an Pfl anzen und Tieren nach Möglichkeit sicherzustellen. In den Medien wird darüber berichtet, und ich denke, es ist auch angemessen, hier einmal über die bayerische Situation zu refl ektieren.

Unser Thema lautet: „Artenvielfalt: Bayern ist dabei!“ Ich möchte mich unter den vielen Vorbemerkungen, die man dazu machen könnte, auf zwei beschränken. Zum einen: Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass die artenreiche Situation, die wir vorfi nden, nicht eine natürliche ist, nicht von Natur aus so groß ist, sondern dass es durch die menschliche Tätigkeit zu dieser Vielfalt gekommen ist, was zum Teil – aus heutiger Sicht – mit erheblichen Eingriffen verbunden war.

Zum anderen: Warum das Artenspektrum erhalten? Nach unserem politischen Verständnis ist es selbstverständlich und wichtig, die Verantwortung für die Schöpfung auch so zu verstehen, dass jedes Lebewesen als Geschöpf Gottes eine Daseinsberechtigung hat. Der zweite Aspekt ist aus menschlicher Sicht eigennützig, nämlich: Welchen Nutzen kann eine bestimmte Art für den Menschen bringen? Besonders gilt es, Verantwortung für die Arten zu tragen, die nur in Bayern vorkommen, die also endemisch sind oder deren Verbreitungsschwerpunkte in

zigerjahre in meiner Heimat mit zwei oder drei Brutpaaren vertreten. Aufgrund von Verträgen mit den Landwirten, also durch Rücksichtnahme und Kooperation mit den Landwirten ist es möglich geworden, dass dort heute stabile Bestände festzustellen sind, die sogar noch weiter wachsen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Naturschutz lohnt sich!)

Naturschutz lohnt sich. Das ist aber nichts Neues. Wenn wir das nicht so sehen würden, hätten wir nicht schon damals an ein Umweltministerium und an ein Naturschutzgesetz gedacht, als andere Parteien sich noch formiert haben.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Es gibt keinen Anlass zu sagen, dass wir bereits genug tun, denn es wird nicht einfach, die Trendwende zu erreichen. Es wird mit Sicherheit eine Herausforderung bleiben, die vielfältigen Herausforderungen an die Landschaftsnutzung zu realisieren: Wenn wir die Lebensmittelversorgung sicherstellen wollen, wenn wir die Biomasse als Energieträger bereithalten wollen und auch noch der Erhaltung der Biodiversität gerecht werden wollen, ist vielleicht noch mehr Kooperation als in der Vergangenheit erforderlich.

Mein abschließendes Fazit: Bayern ist in jedem Fall dabei, wenn es um den Erhalt der Artenvielfalt geht. Wir werden weiter daran arbeiten, dass dabei genügend Geld für diese Maßnahmen zur Verfügung steht und auch die Umweltbildung verstärkt wird; denn nur wenn die Menschen die Zusammenhänge kennen und sich entsprechend verhalten und Verständnis dafür aufbringen, ist es möglich, dem hohen Anspruch zur Erhaltung einer artenreichen Landschaft mit den Pfl anzen und Tieren, wie wir sie heute kennen, gerecht zu werden.

Herr Kollege, wir sind deutlich über der Zeit.

Herr Präsident, ich bin fertig.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Biedefeld.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir ein Wort vorab. Ich habe lange überlegt, ob wir vonseiten der SPD-Fraktion unsere Redezeiten bei dieser von der CSU vorgeschlagenen Aktuellen Stunde voll ausschöpfen sollen. Ich habe überlegt, ob wir uns an solchen Show-Veranstaltungen und Marketingveranstaltungen beteiligen sollen. Papiere und Programme – Herr Dr. Hünnerkopf, Sie haben einige davon aufgezählt – haben wir genug; Bilanzierungen

Meine Damen und Herren, ich will nicht unerwähnt lassen, dass sich inzwischen auf dem sogenannten Öko-Kataster ein Anteil von 0,6 % der Landesfl äche angesammelt hat. Hier sind Flächen registriert, die im Zusammenhang mit Eingriffen in die Landschaft als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen festgelegt wurden. Jährlich kommen nach Auskunft des Umweltministeriums circa 4300 Hektar Flächen hinzu.

Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich der Anteil der Flächen, der als Schutzzone im Alpenplan ausgewiesen ist. Das sind circa 43 % des bayerischen Alpenraums.

Diese für die Bodendiversität relevanten Flächen müssen natürlich in der Landschaft so verteilt sein, dass möglichst große Kernzonen durch Vernetzungskorridore verbunden werden. Das sind im kleinen Bereich Hecken und Feldraine und im großen Bereich die von uns in Bayern ins Auge gefassten landesweiten Verbundsysteme. Von den 346 Projekten, die nach dem Bayern-Netz Natur ins Auge gefasst sind, wurden bereits 73 realisiert. Ich verweise auf eine besonders wichtige Struktur, die in meiner fränkischen Heimat bereits realisiert ist, nämlich auf die Sandachse Franken, welche den Lebensraum für Tier- und Pfl anzenarten sichern, die auf magere, trockene und nährstoffarme Lebensräume angewiesen sind.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ansprechen, dass morgen der Umweltausschuss das sogenannte Grüne Band besuchen wird, also diesen Grenzstreifen, der früher unser Vaterland getrennt hat. In meinen Augen wäre die Realisierung des Grünen Bandes ein Signal für die Ernsthaftigkeit unseres Willens, maßgebliche Lebensräume von Arten zu sichern.

(Widerspruch der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bayern setzt auch beim Artenschutz auf Freiwilligkeit und Kooperation mit den Grundbesitzern, den Landwirten und den Waldbesitzern.

Ich möchte in dem Zusammenhang auch noch feststellen, dass die bestehenden Flächen um weitere Lebensräume zu ergänzen sind. Auch ist es weiter wichtig, dass über das Vertragsnaturschutzprogramm und über das Kulturlandschaftsprogramm extensive Nutzungsformen erreicht werden. In den zurückliegenden Jahren, im Zeitraum von 2000 bis 2006, waren 1,7 % der landwirtschaftlichen Nutzfl ächen im Vertragsnaturschutz- und rund 50 % im Kulturlandschaftsprogramm. Das beweist, dass der bayerische Weg der Freiwilligkeit zielführend ist und unsere Landwirte und Landnutzer mitziehen.

Es gibt viele Erfolge zu verzeichnen; ich möchte dies jedoch nur an einem Beispiel deutlich machen: Die Wiesenweihe ist eine Vogelart, die nach der FFH-Richtlinie zu schützen ist. Die Wiesenweihe war Anfang der Neun

dass der Verlust biologischer Vielfalt vor Bayern nicht Halt macht. Die Zahlen und Arten sind darin konkret aufgeführt etc.

Worte alleine und Bilanz zu ziehen reichen nicht aus; mehr war es nicht, was der Ministerrat am 1. April auf den Tisch gelegt hat. Wir sind Schlusslicht. Den Absichtserklärungen der CSU-Staatsregierung müssen erst noch Taten folgen. Aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Jahren sind wir da aber sehr skeptisch.

Sie haben speziell das Grüne Band angesprochen, wo sich der Umweltausschuss morgen und übermorgen befi nden wird. Wir werden in Oberfranken sein. Ich sage Ihnen: Wir haben einen Antrag eingebracht, und zwar zum Doppelhaushalt und auch zum aktuellen Nachtragshaushalt, Mittel für das Grüne Band einzusetzen. Diesen Antrag haben Sie von der CSU wiederum abgelehnt. Ebenso haben Sie es abgelehnt, ein Bodenentsiegelungsprogramm auf den Weg zu bringen. Die CSU hat es abgelehnt. – Wenn Sie ernsthaft die biologische Vielfalt schützen und ausbauen wollen, dann dürfen Sie nicht nur reden, sondern Sie müssen auch Haushaltsmittel einstellen, um etwas zu erreichen.

Wir wollen, dass die Eingriffe unterlassen werden, die die Natur großfl ächig bedrohen. Ich frage auch hier: Wo ist denn Ihr klares Bekenntnis, wenn es zum Beispiel um Großprojekte geht? Als Beispiele nenne ich den Donauausbau mit Staustufen und die nicht mehr rückholbare Verseuchung Bayerns mit Agrogentechnik. Auch hier fehlen klare Bekenntnisse. Sie machen nichts anderes als eine Ankündigungspolitik.

Von daher hoffe ich, dass die Bürgerinnen und Bürger draußen erkennen, wer hier die Politik macht und sich für die Anliegen wirklich einsetzt, also handelt, statt nur zu reden. Für mich ist das, was ich sehe, auch eine Irreführung der Wählerinnen und Wähler. Aber Sie haben das wohl nötig. Ihnen sitzt die Angst im Genick. Sie müssen so etwas machen, zum Beispiel durch Marketing und Showveranstaltungen. Diesmal wird es Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Paulig.

Kolleginnen und Kollegen! „Artenvielfalt: Bayern ist dabei!“ Nur fragt man sich: Wie sind Sie dabei? Dass Sie ein bisschen dabei sind, freut uns ja. Aber Dabeisein ist tatsächlich noch nicht alles. Ich erinnere an Natura 2000. Da hatte die EU den rechtlichen Schutz eingefordert.

Wie viele Anläufe wurden in Bayern denn gemacht? Zuerst haben Sie weniger als zwei Prozent der Fläche der Naturschutzgebiete als Natura-2000-Gebiete aus

liegen uns genügend vor. Schöne Worte und Absichtserklärungen gibt es genug. All das haben wir von Ihnen seit vielen Jahren immer wieder aufs Neue gehört, auch heute wieder. Es mangelt bloß an den Taten.

(Zustimmung der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Eigentlich müsste ich Sie, Herr Dr. Hünnerkopf, bei meiner Kritik aussparen; denn ich glaube Ihnen wirklich, was Sie hier sagen, Herr Dr. Hünnerkopf. Das war damals genauso bei Kollegen Göppel. Das sind Feigenblätter für die CSU-Fraktion. Wenn ich mir anschaue, wie die Taten aussehen – nicht nur Ankündigungen und Papier –, welche Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, dann sind Sie nicht sehr glaubwürdig. Ihnen persönlich nehme ich das ab, weil ich weiß, dass Sie ehrenamtlich sehr engagiert sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Für uns ist all das wieder eine große Marketingstrategie, jetzt aufzuzeigen, dass Sie auch dabei sind. Zurzeit läuft die Vertragsstaatenkonferenz zum weltweiten Schutz der biologischen Vielfalt. „Bayern ist dabei!“ – Natürlich ist Bayern dabei; es wäre ein Armutszeugnis, wenn Bayern nicht dabei wäre. Es ist eigentlich selbstverständlich, dass Bayern dabei ist und sich die CSU dazu bereit erklärt. Worte allein reichen aber nicht aus, sondern es müssen Taten folgen. Es heißt zum Beispiel im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz:

Mit der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt kommt die Bundesregierung ihrer Verpfl ichtung aus der Konvention über die biologische Vielfalt nach, eine Bestandsaufnahme der Biodiversität in Deutschland vorzulegen und Ziele und Maßnahmen zum Erhalt zu fördern.

„Die Bundesregierung“. – Meines Wissens ist die CSU an der Bundesregierung beteiligt. Darum weiß ich nicht, warum Sie hier noch einmal besonders herausarbeiten müssen, dass Bayern dabei ist. Ich sage noch einmal: Alles andere wäre ein Armutszeugnis. Der Freistaat Bayern gehört immer noch zur Bundesrepublik Deutschland. Von daher handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit.

Es ist hier wieder eine gewaltige Seifenblase aufgeblasen worden. Wir haben das bereits bei der Sitzung des Ministerrats am 1. April gesagt, wo eine Biodiversitätsstrategie auf den Weg gebracht worden ist. Wiederum wurde angekündigt, eine große Seifenblase, die wiederum zerplatzt ist. Ihnen geht es nur darum, zu vertuschen, dass die Staatsregierung im Ländervergleich beim Schutz der Artenvielfalt Schlusslicht ist. Wenn Sie die Pressemitteilung aus dem Ministerrat vom 1. April lesen, wird deutlich, selbst das Ministerium, der Ministerrat, die Staatsregierung geben zu, wie viel Artenschwund wir haben,

Dann steht da:

Nach wie vor gehen wertvolle, teils unersetzliche Lebensräume verloren. … Alarmierend sind die verhältnismäßig jungen Bestandseinbrüche bei einer ganzen Reihe von Allerweltsarten.

Ich zitiere weiter:

So kann heute prognostiziert werden, dass in den kommenden 10 - 20 Jahren zahlreiche, insbesondere kleine Vorkommen von Rote Liste-Arten durch Nutzungsaufgabe oder -änderungen aussterben werden.

Dann heißt es, bezogen auf die Instrumentarien, die der Naturschutz bei Freiwilligkeit hat:

Es bedarf keiner besonderen Weitsicht, festzustellen, dass diese Mittel auch in der Zukunft nicht die nötige durchgreifende Wirkung entfalten können.

Das sagt die Fachbehörde Bayerns, die sich zu den Fragen geäußert hat.