Protocol of the Session on January 30, 2008

Nun muss ich ein paar Worte zu den Sprachberatern verlieren, die es seit gestern gibt. Das Problem ist sicher richtig erkannt, das will ich gar nicht wegdiskutieren. Wir

müssen in dieser Frage wirklich wesentlich mehr tun. Aber dann müssen wir eben die Kindertagesstätten entsprechend ausstatten, damit dort eine vernünftige Sprachförderung angeboten werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Es nützt nichts, wenn ich von außen jemanden hereinhole und dafür Geld zur Verfügung stelle. Das freut mich zwar, aber vernünftiger wäre es doch, wenn ich dort, wo die Kinder sind, nämlich in der Kindertagesstätte, die Bedingungen so gestalte, dass dort ordentliche Sprachförderung stattfi ndet. Das wäre mir weitaus lieber, als ein neues Instrument zu schaffen, das man vor allen Dingen wieder abschaffen kann. Das wird vielleicht in einem Jahr wieder abgeschafft, und dann hat niemand etwas davon.

Ich bin der Meinung, die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen können diese Aufgabe sehr wohl wahrnehmen. Aber man muss sie entsprechend ausstatten und die Bedingungen entsprechend vorsehen. Vor allen Dingen wären dazu kleinere Gruppen notwendig, damit man wirklich ein entwicklungsförderndes Klima für die Kinder schaffen kann und vor allem die Chancen für die benachteiligten Kinder verbessert.

Wir verfolgen mehrere Ziele. Wir wollen mit diesem letzten kostenfreien Kindergartenjahr natürlich langfristig dahin kommen, dass wir alle Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen kostenfrei für die Eltern gestalten. Der Zugang zu Bildung muss kostenfrei für alle sein. Wir wollen alle Kinder erreichen. Wir wollen auf der anderen Seite aber auch die Qualität in den Einrichtungen verbessern. Das ist zwar nicht Inhalt dieses Antrags, aber es ist mir sehr wichtig, das in diesem Zusammenhang zu sagen.

Was das letzte kostenfreie Kindergartenjahr anbelangt, so haben wir sehr prominente Mitstreiter. An oberster Stelle möchte ich Bundespräsident Köhler nennen, der schon im Jahr 2006 bei einer seiner berühmten Reden gesagt hat, dass das ein wichtiger Ansatz ist. Es gibt Bundesländer, die das schon praktizieren, obwohl sie bei Weitem fi nanziell nicht so günstig aufgestellt sind wie Bayern, wie wir es auch heute wieder gehört haben, zum Beispiel das Saarland, Berlin, aber auch Rheinland-Pfalz. Diese Bundesländer leisten sich etwas für ihre Kinder. Da dürfte Bayern eigentlich nicht zurückstehen.

(Beifall bei der SPD)

Zu den prominenten Mitstreitern – das muss ich schon auch mal hier sagen – gehört zum Beispiel auch Familienministerin von der Leyen. Es gehört dazu die JU Bayern. Die haben das auf ihrer Landeskonferenz beschlossen. Es gehört dazu der ehemalige Generalsekretär und jetzige Minister Söder.

(Ludwig Wörner (SPD): Da schau her!)

Ja. Es gehört weiter dazu die CSU München, an allererster Stelle der OB-Kandidat Schmid, der das fordert.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Der Seppi!)

Wahrscheinlich muss man das in Wahlkampfzeiten so halten. Ich würde mir wünschen, dass da mit einer Zunge gesprochen würde. Aber auch in Niederbayern, zum Beispiel die CSU Deggendorf stellt Anträge in der Richtung. Es sind schon viele Kommunen selbst tätig geworden. Wenn wir über die Verantwortung sprechen, ist es ganz wichtig zu sagen, dass die Verantwortung für Bildung der Freistaat, das Land hat. Deshalb müssen wir als Landtag die entsprechenden Weichen stellen und Vorkehrungen treffen.

Wenn wir schon beim Geld sind, weil wir gerade über den Nachtragshaushaltsentwurf geredet haben – es heißt ja, das würde so viel Geld kosten –, muss ich sagen: Wenn sich der Freistaat schon 340 Millionen Euro vom Bund schenken lässt für eine Aufgabe, für die eigentlich der Bund nicht zuständig ist, nämlich für die Investition in Kinderkrippen, dann hat man auch Geld übrig für das, was wir uns wünschen, nämlich dass man die Kindertagesstätten unterstützt und das letzte Kindergartenjahr als Einstieg für alle Bildungseinrichtungen für die Eltern kostenfrei lässt. Für alle Kinder gute Chancen, das wünsche ich mir mit diesem Antrag. Ich bitte Sie, diesen zu unterstützen.

Dem, was die GRÜNEN in ihrem nachgezogenen Antrag fordern, können wir uns nicht anschließen, weil der Antrag ganz anders ansetzt. Ich kenne diesen Ansatz vom Staatsinstitut für Frühpädagogik – IFP –, wo das auch gefordert wird, nämlich das erste Krippenjahr kostenfrei zu gestalten.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das erste Kindergartenjahr!)

Entschuldigung, dann ist das beim IFP so. Bei euch ist es das erste Kindergartenjahr. Dem können wir uns nicht anschließen. Darum werden wir bei diesem Antrag mit Nein stimmen. Für die SPD-Landtagsfraktion sage ich, dass wir namentliche Abstimmung über unseren Antrag verlangen. Ich wünsche mir, dass viele von Ihnen vielleicht einmal darüber nachdenken, was sie zu Hause als Kommunalpolitiker, als Kommunalpolitikerin zu diesem Thema sagen und dass das vielleicht bei der Abstimmung ein bisschen durchdringt.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann. Sie müssen zwar nicht so schnell wie ein Transrapid sein, aber es wäre gut, wenn Sie schneller am Pult stehen würden.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Nicht so schnell, aber so teuer! – Heiterkeit -Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN – Joachim Wahnschaffe (SPD): Dann steigen die Preise!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gott sei Dank hat frühkindliche Bildung mittlerweile bundespolitische Bedeutung erlangt, sodass sich die Landespolitik dem auf Dauer nicht ver

schließen kann. Allerdings haben wir in Bayern – das ist ja bekannt – einen massiven Nachholbedarf an Kinderkrippen. Wir haben bayernweit einen Ausbaustand von 8 %. Das ist absolut lächerlich. Da kommen wir auch mit den 100 Millionen Euro an Investitionen, die jetzt annonciert sind, nicht allzu weit. Wir werden damit nicht aufholen können. Es bedarf also noch wesentlich größerer Anstrengungen auf dem Gebiet des Krippenausbaus.

Grundsätzlich hat frühkindliche Bildung nämlich eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung, die nicht zu unterschätzen ist. Sie leistet einen Beitrag zu einer frühkindlichen Integration, zur Sprachförderung und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und – um auf die Debatte, die in Hessen stattgefunden hat, noch mal einzugehen – sie leistet vor allen Dingen auch einen Beitrag zur Prävention. Wir müssen nicht erst auf das Strafrecht schauen, wir sollten zuerst auf die präventiven Maßnahmen schauen. Wenn Kinder früh gebildet und früh zur Integration erzogen werden, dann werden die Spätfolgen, die Sie mit massiven und drakonischen Strafen zu bekämpfen glauben, ausbleiben. Auch das ist ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn.

Deshalb ist frühkindliche Bildung mit das Wichtigste, was unsere Gesellschaft für ihre Kinder leisten muss, und dazu bedarf es noch massiver Anstrengungen.

Deshalb wollen wir mittelfristig Kostenfreiheit für alle Bildungseinrichtungen: für die frühkindlichen Bildungseinrichtungen, für die Kindergärten und für die Schulen – da ist es ja schon gewährleistet – erreichen. Warum sind Schulen kostenfrei, aber die Einrichtungen, die die Kinder auf die Schule vorbereiten, die einen maßgeblichen Beitrag zum Spracherwerb und zur sozialen Integration leisten, kosten etwas? Allein dadurch wird schon eine Zweiklassengesellschaft geschaffen, weil sich das viele Eltern in dem Maße nicht erlauben können.

(Beifall bei der SPD)

Diese Kostenfreiheit streben wir mittelfristig an, das heißt im Zeitraum von fünf, maximal zehn Jahren. Als Einstieg dazu wollen wir das erste Kindergartenjahr kostenfrei anbieten. Warum gerade das erste? Das erste Kindergartenjahr ist das entscheidende Jahr. Denn da wollen wir möglichst viele Kinder in den Kindergarten holen. Da sind die Kinder noch viel formbarer, da ist ihr Spracherwerb noch formbar, da ist die soziale Integration noch im Werden.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Es sind im Verhältnis die wenigsten Kinder, die das erste Kindergartenjahr wahrnehmen, am wenigsten Kinder von Migranten. Beim letzten Kindergartenjahr, wie es die SPD fordert, sind bereits 98 % der Kinder in den Einrichtungen. Es ist zwar schön und es ist angenehm, wenn es kostenfrei ist, und es ist auch gerecht, aber es ist nicht zielführend in der Hinsicht, dass wir möglichst viele Kinder frühzeitig bilden wollen. Damit das erreicht wird, fordern wir das kostenfreie erste Kindergartenjahr.

Des Weiteren wollen wir, dass die Mittagsbetreuung in den Einrichtungen für Kinder aus sozial benachteiligten Familien kostenfrei ist. Das ist ein Beitrag zu gesunder Ernährung und zur Erziehung zu sozialer Kompetenz. Es ist auch ein Beitrag zur Prävention, die uns sehr viel wert sein sollte.

Ich möchte nicht vergessen darauf hinzuweisen, dass alle diese Vorteile wie Kostenfreiheit der Bildungseinrichtungen oder kostenfreie Mittagsbetreuung dann nichts bringen, wenn wir nicht darauf hinarbeiten, dass unser Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz verbessert wird. Die Einrichtungen müssen in die Lage versetzt werden, den Bedürfnissen der Kinder und Eltern endlich gerecht zu werden. Solange wir mit reduziertem Personal, mit zu geringen Vorbereitungsstunden und mit Zwang zu Buchungen weiteroperieren, werden wir mit der frühkindlichen Bildung in Bayern immer hintendran sein. Das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz muss dringend verändert werden, um der Kostenfreiheit auch den Effekt zu verschaffen, den sie haben sollte.

Wir sind dafür, dass die Bildung von Anfang an kostenfrei ist. Wir sind dafür, dass soziale Randgruppen nicht benachteiligt und ausgegrenzt werden. Deswegen fordern wir, die Kostenfreiheit für die frühkindliche Bildung bayernweit einzuführen.

Zum SPD-Antrag möchte ich Folgendes sagen: Er geht auf jeden Fall in die richtige Richtung, auch wenn ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr aus unserer Sicht wenig zielführend ist. Wir sehen aber die Zielrichtung der Opposition generell und unterstützen sie auch, weil es wichtig ist, dass sich die Opposition gemeinsam gegen eine restriktive frühkindliche Bildung einsetzt, so wie sie die CSU betreibt. Deswegen werden wir trotz des inhaltlichen Unterschieds auch für den SPD-Antrag stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Imhof.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es liegen uns zwei Anträge vor. Ich werde Ihnen begründen, warum die CSU, meine Fraktion, beide Anträge ablehnen wird.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Jetzt haben Sie die ganze Spannung schon genommen!)

Es gibt zwei ganz wesentliche Gründe für die Ablehnung Ihrer Anträge. Ein Grund ist ein fachpolitischer, der andere Grund liegt in der Bewertung der Prioritäten. Frau Werner-Muggendorfer, Sie haben es zwar schon öfter gehört, aber ich muss es ihnen leider noch einmal darlegen. Vielleicht können Sie dann nachvollziehen, wo die Schwerpunkte unseres Vorgehens liegen.

Über den Stellenwert frühkindlicher Bildung sind wir uns einig. Warum wir frühkindliche Bildung brauchen und warum sie den höchsten Stellenwert hat, brauche ich

Ihnen nicht zu erläutern. Darin sind wir uns völlig einig. Es ist unbestritten, dass die CSU-Fraktion in den letzten Jahren ganz erhebliche Anstrengungen unternommen hat, die Kinderbetreuung nicht nur quantitativ auszubauen, sondern sie auch qualitativ zu verbessern. Die Zahlen sprechen dafür.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Unumstritten ist es nicht!)

Von Ihnen wird es bestritten, weil Sie die Zahlen und unsere Darlegungen nicht nachvollziehen können. Dennoch sind unsere Anstrengungen zahlenmäßig nachweisbar.

Sie unterstellen mit Ihren Anträgen, dass Kinder aus fi nanziellen Gründen vorschulische Einrichtungen nicht besuchen könnten, oder anders gesagt: Der Zugang zu vorschulischen Bildungseinrichtungen sei nicht gewährleistet. Das ist vollkommen falsch. Frau Werner-Muggendorfer, Sie haben zu Recht gesagt, dass es noch regionale Unterschiede gibt. Sie haben einige Regionen genannt. Insgesamt aber bewegen wir uns bei der Annahme der Angebote auf eine Quote von 100 % zu. Diese Quote ist jedes Jahr nachweislich gestiegen. Sie liegt jetzt im Durchschnitt zwischen 95 % und 100 %. Im nächsten oder im übernächsten Jahr werden wir diese Quote auch in den Regionen erreichen, in denen sie jetzt noch weit unter 100 % liegt.

Ein zweites Faktum spricht für das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Die durchschnittlichen Buchungszeiten betragen jetzt knapp sechs Stunden. Auch das ist ein Beleg dafür, dass die Akzeptanz gegeben ist. Bei den Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund – um die geht es uns ganz besonders, Sie haben es eben erwähnt – liegen die Buchungszeiten um etwa 45 Minuten höher. Sie nähern sich bereits der SiebenStunden-Grenze.

Sie kennen die Empfehlungen des Bayerischen Städtetages, die Empfehlungen des Bayerischen Landesjugendamtes und auch die Empfehlungen des Landkreistages im Hinblick auf die wirtschaftliche Jugendhilfe. Eltern, die sich für ihre Kinder den Kindergartenbesuch nicht leisten können, wird ohne bürokratische Prüfung eine Gebührenbefreiung bis zu sechs Stunden gewährt. Aufgrund einer Einzelfallprüfung kann eine Gebührenbefreiung auch über diese sechs Stunden hinaus gewährt werden. Inzwischen sind in Nürnberg etwa 40 % der Eltern durch die wirtschaftliche Jugendhilfe von den Gebühren befreit. Landesweit wird diese Quote etwa ein Drittel betragen. Das heißt, dass Sie keine erwähnenswerte Verbesserung der Besuchsquote erreichen, wenn Sie ein Kindergartenjahr, sei es das erste oder das letzte, gebührenfrei machen. Aus bildungspolitischer Sicht halte ich die Argumente, die Frau Ackermann genannt hat, näher liegend, denn das erste Kindergartenjahr ist das Jahr, in dem wir Kinder mit bildungspolitischen Defi ziten erreichen müssen. Auf die Prioritäten komme ich aber noch zu sprechen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wahnschaffe?

Ich würde gerne meinen Gedankengang abschließen, dann gestatte ich sehr gerne eine Zwischenfrage. In zwei oder drei Minuten bin ich so weit. Dann können Sie gerne nachfragen, Herr Kollege Wahnschaffe.

Sie sagen dann Bescheid, Herr Kollege.

Sie entlasten mit einem gebührenfreien Kindergartenjahr lediglich die Eltern, die bereit und in der Lage sind, die Beiträge zu bezahlen. Die fi nanziell Schwachen, von denen Sie vorher gesprochen haben, entlasten Sie nicht, weil sie bereits durch die wirtschaftliche Jugendhilfe entlastet sind.

Jetzt kommt für mich noch ein wesentlicher Gesichtspunkt hinzu, Kolleginnen und Kollegen. Was wollen wir mit der Vergabe unserer begrenzten Ressourcen erreichen? Wir wollen qualitative Verbesserungen. Der quantitative Ausbau der Angebote erfolgt konsequent, Stück für Stück. Verbesserungsbedarf haben wir bei der Qualität. Die Qualität – da haben Sie Recht – hängt vom Personalschlüssel ab, den wir klar verbessern müssen. Qualität hängt aber auch von der Fort- und Weiterbildung des Personals ab. Wenn Sie bei der auf etwa 100 Millionen begrenzten Summe abwägen zwischen Gebührenbefreiung für ein Kindergartenjahr und qualitativen Verbesserungen, hält sich beides in etwa in der Waage. Wir haben auch das Konnexitätsprinzip zu beachten. Die Gemeinden erheben Elternbeiträge. Sie werden sich sehr schnell fragen, wer 140 Millionen für die Gebührenbefreiung für ein Kindergartenjahr fi nanzieren soll, wenn sie gleichzeitig qualitative Verbesserungen erreichen wollen.

Ein Rechtsanspruch, Frau Kollegin Ackermann, ist anders als bei der Schulpfl icht verfassungsrechtlich bedenklich. Bei der Frage nach dem Mittagessen habe ich geglaubt, dass sie heute gar nicht kommt, denn wir haben fraktionsübergreifend bei der letzten Sitzung des Sozialausschusses einen Antrag gestellt, mit dem dieses Problem gelöst werden soll. Das zu diesem Thema.