Protocol of the Session on November 27, 2007

Drittens. Eine Rechtfertigung kann sich jedoch aus dem Gemeinwohlziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ergeben.

Viertens. Der Gesetzgeber ist daher gehalten, den Bereich der Sportwetten neu zu regeln.

Will der Gesetzgeber an einem staatlichen Wettmonopol festhalten, muss er dieses konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausrichten. Für die anstehende Novellierung hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31.12. dieses Jahres gesetzt und zwei Alternativen eröffnet, wie das Glücksspielwesen verfassungsgemäß neu geregelt werden kann: entweder ein gesetzlich normierter, kontrollierter Zugang von privaten Wettanbietern, also ein Zulässigkeitsverfahren in Anlehnung an das Gewerberecht, oder die Beibehaltung des

staatlichen Wettmonopols, dann aber mit dem bereits herausgestrichenen Präventionsziel.

Nun gibt es in diesem Fall eine sehr starke europarechtliche Komponente, die dazu führt, dass auch mancher in diesem Hause die Regelungen, die der Staatsvertrag enthält, für europarechtswidrig hält. Ich kann dem an dieser Stelle nur widersprechen. Die Mitgliedstaaten – der Europäische Gerichtshof hat das im Placanica-Urteil vom 06.03.2007 deutlich herausgestellt – haben freie Hand, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspielwesens festzulegen und das von ihnen angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Die Beschränkungen müssen verhältnismäßig sein, und sie müssen dem Anliegen gerecht werden, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen – so der Europäische Gerichtshof. Die schädlichen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft, die mit Glücksspiel, Wetten und Spielsucht einhergehen, rechtfertigen jedenfalls Beschränkungen von Grundfreiheiten des EG-Vertrags. Der Europäische Gerichtshof übernimmt im Übrigen – überraschend für viele – die Linie des Bundesverfassungsgerichts. In den Mitgliedstaaten sind unterschiedliche Regelungen möglich. Es ist eben nicht so, dass eine Lizenz in einem Mitgliedstaat dazu führen würde, dass über nationale Grenzen hinweg Glücksspiel angeboten werden darf. Es wird keine einheitliche europäische Regelung gefordert.

Selbst der zuständige Wettbewerbskommissar der EUKommission, Herr McCreevy, rudert, wenn man den Pressemitteilungen Glauben schenken darf, inzwischen zurück.

Er war sehr stark auf der Linie, die europaweit einheitliche Liberalisierung zu fordern.

Soweit die rechtlichen Grundlagen. Jetzt komme ich zur „verkehrten Welt“. Die GRÜNEN – –

(Christine Stahl (GRÜNE): Vorsicht!)

Frau Stahl, Sie haben vorhin über den Verbraucherschutz geredet. Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN will mit Ausnahme ihres Mitglieds im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit – wenn ich das richtig überblicke – den Staatsvertrag ablehnen, obwohl sie sonst an der Spitze der Verbraucherschützer steht.

(Christine Stahl (GRÜNE): Sie überblicken das nicht ganz!)

Ich selbst, der dem übertriebenen Verbraucherschutz sehr kritisch gegenübersteht, halte diese Regelung für sinnvoll, und für mich stellt das europäische Recht wie so oft ein Lehrstück aus „Absurdistan“ dar. Die EU – im „Spiegel“ war das diese Woche sehr schön beschrieben –, die die Bürger permanent mit allen möglichen, bis ins Absurde gehende Regelungen überzieht, die das Privatleben regeln, die für Haustürwiderrufsrechte sorgt, wonach jeder, dem irgendwann ein Staubsauger aufgeschwatzt worden ist, vom Vertrag zurücktreten kann, ist an dieser

Stelle, wo es um Suchtprävention geht, für einen liberalen Markt. Das Risiko, der Sucht anheimzufallen und sein ganzes Vermögen zu verzocken, scheint nicht dem Schutzgedanken der EU zu unterliegen. Die GRÜNEN tuten in das gleiche Horn, was mir ganz unverständlich ist. Wenn es um den Schutz von Freiheit und Eigentum geht im Sinne von selbstbestimmter Freiheit und Suchtprävention, haben wir eine staatliche hoheitliche Aufgabe zu bewältigen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Ja natürlich, aber nicht im Rahmen des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen!)

Sehr wohl im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages. Frau Kollegin Stahl, Sie haben im Verfassungsausschuss sehr deutlich der Liberalisierung das Wort geredet.

(Christine Stahl (GRÜNE): Und der Prävention; schauen Sie in das Protokoll! – Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU): Die haben wahrscheinlich den GRÜNEN besser gespendet! – Christine Stahl (GRÜNE): Kein guter Witz!)

Der Staat zieht sich immer mehr aus hoheitlichen Aufgaben zurück. Die Entwicklung muss man kritisch bemerken. Im Übrigen stand 2005 – noch unter der rotgrünen Bundesregierung – in der gleichen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ die Überlegung, die Flugsicherung zu privatisieren, obwohl das hoheitliche Aufgabe ist. Die EU wollte in der gleichen Ausgabe mit einem Richtlinienvorschlag den Bauarbeitern das Arbeiten mit nacktem Oberkörper verbieten. Die staatliche Gewalt zieht sich von den hoheitlichen Aufgaben zurück, während das Privatleben der Bürger immer mehr klein-klein geregelt wird. Für mich ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass die EU in dem Bereich staatlich nichts regeln, sondern liberalisieren will.

Wir brauchen die Rückbesinnung auf die eigentlichen staatlichen Aufgaben. Die Politik der CSU-Fraktion ist es von jeher gewesen, dass die Suchtprävention nicht nur zum Schutz des Einzelnen, sondern auch zum Schutz der Gesellschaft notwendig ist.

Die Wettverbände sind insbesondere für die Sportwetten der Meinung, man solle die Regelungen trennen, weil die Suchtgefahr beim Lotteriewesen niedriger einzuschätzen sei. Der Sinn einer solchen Regelung ist nicht erkennbar; denn die Suchtneigung zu Sportwetten wird nicht bezweifelt. Gerade deshalb ist eine staatliche Regelung angezeigt.

Das Bundesverfassungsgericht lässt zwei Möglichkeiten zu: entweder den konsequenten ordnungspolitischen Rahmen oder die Liberalisierung. Der vorliegende Staatsvertrag geht den zweiten Weg. Er gibt das Glücksspiel nicht frei als gewerbliches Lizenzierungs- oder Erlaubnisverfahren, sondern gestaltet es gemäß § 4 als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus. Nachdem das Bundesverfassungsgericht für einen rechtfertigenden Eingriff in die Berufsfreiheit eine strenge Ausrichtung an die Kriterien der Suchtbekämpfung fordert, ist es konsequent. Ent

sprechend bringt der Staatsvertrag eine Reihe von Neuerungen, die dem Präventivcharakter dienen: Werbung im Rundfunk, im Fernsehen, im Internet wird es künftig nicht mehr geben, auch keine Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspielen über das Internet. Planmäßiges Sammeln sogenannter Jackpots wird ebenso verboten sein wie der überhöhte Höchstgewinn. Beides hat in der Vergangenheit – momentan läuft wieder ein solcher Jackpot – zu regelrechten Lottospiel-Epidemien geführt.

(Christine Stahl (GRÜNE): Sie kennen sich gut aus!)

Nach dem Änderungsantrag der CSU-Fraktion wird im Ausführungsgesetz auf Regelungen verzichtet, die über den Staatsvertrag hinausgehen. Das hängt damit zusammen, dass das Ausführungsgesetz nach Ansicht der EU-Kommission notifizierungspflichtig ist. Das Notifizierungsverfahren wird für Änderungen, die Verschärfungen darstellen, durchgeführt. Darüber werden wir noch zu reden haben. Im Moment wird das Ausführungsgesetz den Bestimmungen des Staatsvertrages folgen.

Der Staatsvertrag setzt die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts um, und wir halten das für richtig. Er ist europarechtlich nicht zu beanstanden. Der Gedanke der Suchtprävention wird stark betont, statt in einem Lizenzierungsverfahren diesen Gedanken fallen zu lassen.

Ich bitte um Zustimmung zum Staatsvertrag und zum Ausführungsgesetz.

(Beifall bei der CSU – Christine Stahl (GRÜNE): Zugabe!)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Ritter. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss versuchen, das Versprechen, das Herr Dr. Weiß gegeben und nicht gehalten hat, einzulösen.

Herr Dr. Weiß, Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass im Staatsvertrag Vorgaben der Europäischen Union und des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Unserer Meinung nach wurde dabei der richtige Weg beschritten. Das staatliche Monopol ist gerechtfertigt, wenn es tatsächlich dem Zweck der Spielsuchtbekämpfung unterworfen wird.

Der Staatsvertrag sieht Regelungen zur Spielsuchtbekämpfung vor. Man kann darüber streiten, ob die Regelungen des Staatsvertrags ausreichen. Wir sind durchaus der Meinung, dass mehr passieren und man den Staatsvertrag weiterentwickeln muss. Würde man allerdings den Weg beschreiten, den die GRÜNEN vorschlagen, und die völlige Liberalisierung einführen, gäbe es wesentlich weniger Schutz vor Spielsucht, als das mit dem Staatsvertrag möglich ist.

Wir werden den Entwürfen zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass sie die richtige Grundlage zur Weiterentwicklung von Konzepten für die Spielsuchtbekämpfung sind. Wir müssen das intensiv diskutieren; denn in den Diskussionen zum Staatsvertrag und zum Ausführungsgesetz der Staatsregierung ist nicht über die unterschiedlichen Konzepte oder über ergänzende Konzepte diskutiert worden, sondern nur darüber, ob man den ordnungspolitischen Weg oder den Liberalisierungsweg gehen soll. Wir wollen den ordnungspolitischen Weg gehen, weil wir den für richtig halten.

(Christine Stahl (GRÜNE): Den verfassungsgemäßen Weg!)

Wir sind der Meinung, dass die Spielsuchtbekämpfung weiterentwickelt werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Runge.

(Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU): Ich bin gespannt, ob ihm die Rolle rückwärts gelingt!)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, geschätzter früherer Finanzminister! Hier stehen drei Initiativen zur Debatte und zur Abstimmung. Das ist einmal der Staatsvertrag, zum anderen das bayerische Ausführungsgesetz und zum Dritten ein kürzlich nachgereichter Änderungsantrag der CSU zum bayerischen Ausführungsgesetz.

Mit dem Änderungsantrag, meine Damen und Herren von der CSU, wollen Sie versuchen, den Rechtsfehler der Staatsregierung zu heilen; denn alleine mit der Debattierung des Ausführungsgesetzes haben wir uns in den Raum außerhalb des Rechts gestellt, was Sie immerhin richtig, aber zu spät erkannt haben.

Denn Landesgesetze sind zu notifizieren, wenn sie eigenständige Regelungsgehalte haben, wenn sie Spezifikationen enthalten, die wiederum neue Anforderungen enthalten. Dies war so der Fall, gerade auch beim Bayerischen Ausführungsgesetz, beim Gesetzentwurf der Staatsregierung. Europarechtskonformes Verhalten hätte eben keine weitere parlamentarische Behandlung während der Phase der Notifizierung bedeutet. Das sind bekanntlich drei Monate regulär und noch mal, wenn es die Kommission will oder wir als Freistaat es gewollt hätten, ein weiterer Monat. Sie haben jetzt gedacht: Hoppla, da sind wir jetzt ganz geschickt; dann ändern wir das Bayerische Ausführungsgesetz nach allen Beratungen, dann kommen wir nicht in die Notifizierung hinein.

Sie wissen das schließlich nicht erst seit November. Vom November datiert Ihr Antrag. Es gab vielmehr Gespräche Kommission – Länder mit Beteiligung des Freistaates, beispielsweise Mitte September 2007. Es gab noch einmal Ende September ergänzende Schreiben, die Ihnen und Ihrem Nachfolger, Herr Faltlhauser, sicher nicht entgangen sind.

Aber man hat lange Zeit gemeint, in Bayern brauche man sich nicht an Recht und Gesetz zu halten. Immerhin gibt es jetzt den Änderungsantrag, um dieses ein wenig zu heilen. An dieser Stelle sei aber noch einmal erwähnt, dass die ganze Debatte und der Entwurf des Staatsvertrages aus einer Rechtswidrigkeit, ja aus einer Verfassungswidrigkeit geboren sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist genau das Gleiche wie im nächsten Tagesordnungspunkt die Causa Kabelgroschen. Auch hier liegt eine ganz klare Verfassungswidrigkeit im Handeln des Freistaates Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege der CSU-Fraktion hat es schon richtig dargestellt: Das Monopol bei den Sportwetten war in seiner Ausprägung, wie sie in Bayern gegeben war, schlicht und ergreifend verfassungswidrig. Die Richter haben dann Ersatzrecht gesprochen und die zwei Wege aufgezeigt. Obwohl die Situation wie auch beim Kabelgroschen ganz klar verfassungswidrig war, stand eine große Koalition aus CSU, Staatsregierung und SPD munter dahinter. Jetzt scheren Sie sich in der gleichen Koalition, in der gleichen Konstellation wieder herzlich wenig um Recht und Gesetz, um Gerichtsentscheidungen und auch um Entscheidungen der Kartellbehörden. Die scheinen für sie Luft zu sein nach dem Motto: Wir sind hier in Bayern; daran brauchen wir uns nicht zu halten.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Kurt Faltl- hauser (CSU))

Herr Ex-Minister Faltlhauser, die Gerichtsentscheidung vom März 2006 hat sich auf die Situation in Bayern bezogen. Es ging um Bayern, genauso wie es auch beim Kabelgroschen um Bayern ging. Weil Sie den Dialog mit mir jetzt üben, ergänze ich das gleich noch: Es gibt also die zwei Wege – die Zulassung Privater, geregeltes und reguliertes Miteinander, oder das Monopol des Staates, aber dann wirklich ausgerichtet am Ziel der Bekämpfung der Sucht, Begrenzung und Kanalisierung der Spiel- und der Wettleidenschaft. Das heißt: Eine ganz massive Begrenzung bei der Bewerbung und auch eine massive Begrenzung und Eingrenzung des Vertriebs. Das heißt: Sie müssen die Zahl Ihrer Vertriebsstellen massiv eindampfen.

Was passiert tatsächlich, was passiert im Besonderen in Bayern, aber leider auch in den anderen Ländern? Der Freistaat und die anderen Länder wollen einen Zwitter, sowohl bei den Lotterien wie auch bei den Sportwetten. Sie sagen: Wir möchten das Monopol, aber Sie wollen trotzdem möglichst viele Bürgerinnen und Bürger dazu veranlassen, möglichst viel Geld zu verzocken.

(Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU): Das ist eine Unterstellung!)

Darum geht es Ihnen; das ist der Kern. Herr Faltlhauser schmunzelt, weil er weiß, dass ich recht habe. Das war schon immer so. Das sieht man an dem Angebot: Immer mehr Produkte, immer attraktivere Preise, immer mehr und aggressivere Werbung. Die Annahmestellen in Bayern sind beispielsweise gehätschelt und geködert worden durch die deutschlandweit höchsten Provisionen und Investitionszuschüsse, wie es sie in keiner anderen Branche gibt und gegeben hat, durch Wettbewerbe und vieles mehr. Schauen wir uns doch, Herr Faltlhauser, einmal allein die massive Ausweitung des Angebots an, die von Ihnen forciert wurde: Wir haben „6 aus 49“ mit Normalschein, „6 aus 49“ Anteilssystem, „Spiel 77“, „Super 6“, „Keno“, „Plus 5“, Glücksspirale, Toto-Auswahlwette, Toto-Ergebniswette, Oddset-Kombiwette, Oddset-Topwette, Bayernlos, Astrolos, „Extragehalt“ und dazu haben wir noch die Produkte der Süddeutschen Klassenlotterie mit Ergänzungsspielen und so weiter und so fort.

Ich lasse Ihre Zwischenfrage gleich zu, geschätzter Herr Ex-Minister, ich mache es nicht so, wie Ihre früheren Kollegen in der Staatsregierung. Aber zu den Annahmestellen möchte ich noch sagen: Da hatten wir die offizielle Maxime, die auch von Ihnen verkündet wurde: Weites Land, kurze Wege. Bayern hat ein besonders dichtes Netz an Annahmestellen. Sie persönlich darf ich dazu gleich zitieren –: Nur der Kunde, der sich wohlfühlt, kommt wieder. Darum: Nehmen Sie das Angebot der Lotterieverwaltung wahr, ihr Ladenlokal attraktiv und modern auszugestalten. Im Bundesvergleich vergüten und motivieren wir unseren Vertrieb am besten. – Das war mit Sicherheit Ihre Motivation, den Spielerschutz zu betreiben und möglichst wenige Leute zu veranlassen, möglichst wenig Geld zu verzocken.