Nur mit Transparenz kann aus dem Projekt Europa ein Volksprojekt werden, und es wird kein Kopfprojekt nur für politische Eliten bleiben, was es im Moment noch ist. In diesem Sinne stimmen wir diesem Reformvertrag zu und hoffen, dass er eines Tages in eine tatsächliche Europäische Verfassung münden möge.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung von Lissabon hat Europa wertvoller gemacht. Gerade wir in Bayern wissen, dass wir durch die europäische Entwicklung und vor allem die Erweiterung der EU nach Osten in den Mittelpunkt Europas gerückt sind. Das kann man insbesondere auch an der wirtschaftlichen Entwicklung Bayerns sehen. Allein in den letzten zehn Jahren ist der Wert der Exporte der bayerischen Wirtschaft in die Länder der alten EU um rund 6,5 Milliarden Euro oder 11 % gestiegen. Das bedeutet, dass Europa die Arbeitsplätze in Bayern ganz erheblich sicherer gemacht hat. Bei allen negativen Urteilen über die Europäische Union muss man immer wieder deutlich sagen, dass Europa einen großen Vorteil für die Entwicklung Bayerns und für unsere Menschen gebracht hat.
In den Ländern im Osten Europas, die neu zur EU gekommen sind, spüren wir auch, wie stark die wirtschaftliche Verflechtung von Tag zu Tag zunimmt. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass wir jetzt daran denken müssen, wie wir Europa stärker konsolidieren. Gerade angesichts des Beitritts der Länder, die am 1. Mai 2004 hinzugekommen sind, und der Länder, die 2007 beigetreten sind – Rumänien und Bulgarien –, sowie auch angesichts des anstehenden Beitritts von Kroatien muss uns daran gelegen sein, alles zu unternehmen, damit sich dieses Europa einigermaßen konsolidieren und seine Zukunftsprobleme bewältigen kann. Deswegen müssen die Beitrittskriterien in Zukunft noch stärker als in der Vergangenheit beurteilt und auch erfüllt werden.
Im Klartext heißt das, dass wir nicht nur prüfen dürfen, ob ein Land gerade noch die Kriterien für einen Beitritt zur EU erfüllt, sondern dass wir auch die Aufnahmefähigkeit prüfen müssen. Das ist ganz entscheidend. Herr Kollege Dr. Runge hat zuvor davon gesprochen, dass die Bürger mitmachen sollen und dass wir ein Referendum und anderes mehr einführen sollten. Lieber Herr Dr. Runge, ich weiß nicht, ob Europa so weit gekommen
wäre, wie es sich jetzt darstellt, wenn wir Referenden eingeführt hätten. Die Diskussion über den Beitritt der Türkei könnten Sie dann ohnehin sehr schnell vergessen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einen zweiten Gesichtspunkt ansprechen. Europa ist die eine Seite. Die andere Seite ist ein riesiger Wettbewerb in der globalisierten Welt insbesondere mit den ASEANStaaten. Hier muss man die Frage nach der engen wirtschaftlichen Verflechtung stellen. Der Anteil der Importe in der EU aus den ASEAN-Staaten hat eine Größenordnung von 28,44 %. Der Anteil der Exporte in diese Länder beträgt etwas mehr als 15 %. Das sind unwahrscheinlich gute Entwicklungen. Deswegen bin ich dafür dankbar, dass die Bundeskanzlerin als erste deutsche Politikerin den Mut hatte, diese Länder zu besuchen und dort klipp und klar zu sagen, was Menschenrechte sind, was Arbeitsrecht ist und was Kinderarbeit bedeutet. Dafür sollten wir vom Bayerischen Landtag aus mit aller Deutlichkeit ein ganz klares Dankeschön an unsere Bundeskanzlerin sagen.
Gewisse Entwicklungen in der Gesellschaft verstehe ich immer am besten dann, wenn sie unter dem Gesichtspunkt Wandel durch Handel vonstatten gehen. Gegenüber China und Indien, die zu wirtschaftlichen Weltmächten geworden sind, können wir nur dann etwas bewegen, wenn wir diese Entwicklung mit den wirtschaftlichen Verflechtungen mit diesen Ländern in Verbindung setzen. Gerade die Entwicklung und die Sicherheit Europas hängen von diesen wirtschaftlichen Weltmächten ab. Das können wir nicht ignorieren. Deswegen ist gerade der Beschluss von Lissabon so wichtig, weil wir damit in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in Europa mit einer Zunge reden und damit die Stärke Europas gegenüber diesen Weltmächten unter Beweis stellen können.
Die Gestaltungskraft Europas in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts können wir nur bewahren, wenn sich Europa noch mehr darauf besinnt, sein eigenes Profil zu stärken und deutlich zu markieren, um die Positionen Europas gegenüber der globalisierten Welt darlegen zu können. Gerade wegen der Möglichkeit, in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Zunge reden zu können, hat man mit den Beschlüssen von Lissabon einen großen Schritt nach vorne gemacht. Diese Entscheidung haben wir über viele Jahre vermisst.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (Drs. 15/9147) – Erste Lesung –
Der Gesetzentwurf wird von der Staatsregierung begründet. Ich darf dazu Herrn Staatssekretär Sibler das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns mit dem Thema Büchergeld in diesem Hause schon mehrfach beschäftigt. Sie wissen, dass das Büchergeld im nächsten Jahr abgeschafft werden soll. Mit diesem Gesetzentwurf werden wir eine Übergangsregelung auf den Weg bringen. Diese Übergangsregelung, die in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden geschaffen wurde, stellt es den Kommunen frei, in diesem Jahr noch ein Büchergeld zu erheben. Das ist der Kernpunkt des Gesetzentwurfs.
Wir haben die Verbände angehört. In der Anhörung wurden einige Punkte angesprochen und problematisiert. Darüber wollen wir bei den anstehenden Ausschussberatungen sprechen. Problematisiert wurde vor allem die Befristung der Regelung für das laufende Schuljahr. Natürlich wurde auch gefordert, das Büchergeld sofort abzuschaffen. Gefragt wurde auch nach der Ungleichbehandlung der betroffenen Eltern aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Kommunen. Gefragt wurde auch nach dem Ermessen. Zudem hat sich der Bayerische Landkreistag gemeldet und eine sofortige Abschaffung des Büchergeldes gewünscht. Ich darf um die Beratung in den Ausschüssen bitten und auch darum, das Gesetz dann im Landtag zu verabschieden.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf als Erstem dem Kollegen Pfaffmann das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, Herr Staatssekretär! In der Tat haben wir uns schon mehrfach mit dem Thema Büchergeld in diesem Haus beschäftigt. Ich finde diesen Gesetzentwurf unter dem Strich völlig unnötig. Sie haben mit dem Angriff auf die Lernmittelfreiheit die Familien von Anfang an belastet.
Die ganze Debatte um das Büchergeld ist ein einziges Trauerspiel. Das geht seit zwei Jahren so und hat mit einem geordneten politischen Verfahren, einem geordneten Verwaltungshandeln überhaupt nichts mehr zu tun.
Sie haben von Anfang an versucht, die Lernmittelfreiheit faktisch abzuschaffen. Sie haben die finanzielle Belastung auf die Familien übertragen. Jetzt sagen Sie, wie Sie es bei der letzten Diskussion zu diesem Thema auch schon getan haben: Jetzt, nachdem wir die Familien über zwei Jahre mit dem Büchergeld belastet haben, müssen wir sie wieder entlasten. – Ein solches Verfahren ist schon sehr merkwürdig.
Der Gesetzentwurf, den Sie jetzt in die Beratung geben, geht davon aus, dass der Schwarze Peter auf der finan
ziellen Seite auf die Gemeinden übertragen wird. Zuerst haben Sie die Familien belastet; dann haben Sie gemerkt, dass das nicht geht. Das nehmen Sie jetzt zurück. Jetzt wollen Sie die Gemeinden eine Zeit lang belasten. Im nächsten Jahr, im Jahr 2008, machen Sie ein Wahlgeschenk und schaffen das Büchergeld ganz ab.
Sie haben die Möglichkeit, dieses Trauerspiel sofort zu beenden. Denn es gibt einen weiteren Gesetzentwurf in der parlamentarischen Beratung, nämlich den der SPDFraktion. Dieser möchte zunächst den Zustand wiederherstellen, der existierte, bevor Sie die Lernmittelfreiheit faktisch abgeschafft haben. Das wäre ein vernünftiger Weg. Es ist sicher nicht vernünftig, jetzt den Schwarzen Peter auf die Kommunen zu übertragen. Wieder einmal „spatzt“ sich die Staatsregierung hier ab und überträgt die Verantwortung auf die Kommunen. Die Kommunen ihrerseits können gar nicht anders, als auf das Büchergeld zu verzichten. Der Druck der Familien, der Eltern ist so groß, dass keine oder kaum eine Gemeinde in Bayern von sich aus beschließen wird, das Büchergeld weiterhin zu erheben. Damit wäre der Schwarze Peter in den Gemeinderäten. Sie glauben doch nicht, dass das irgendeine Stadt oder irgendeine Gemeinde tun wird. Das wissen Sie ganz genau, aber es ist Ihnen offensichtlich völlig egal. Sie belasten weiterhin die anderen, um sich selbst von einer finanziellen Last zu befreien.
In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen eine Petition nahebringen. Sie alle kennen noch den Kollegen Christian Knauer. Er war mit Ihnen, Herr Kultusminister, zusammen vor einiger Zeit Mitglied des Bildungsausschusses. Herr Knauer ist jetzt Landrat in Aichach-Friedberg. Er schreibt, dass die Erhebung des Büchergeldes aufgrund der aktuellen Umstände, des Drucks der Erziehungsberechtigten, der Eltern faktisch nicht mehr möglich ist. Es obliege daher dem Freistaat Bayern, die Einnahmeausfälle der Kommunen im laufenden Schuljahr vollständig zu kompensieren. – Recht hat er, der Herr Landrat.
Herr Knauer spricht hier für viele Gemeinden, denen es genauso geht. Nachdem Sie selber, nicht Sie persönlich, aber Ihre Regierung und Ihre Landtagsfraktion, dieses Chaos angerichtet haben, wäre es an Ihnen, jetzt zu sagen: Wir ziehen einen Schlussstrich unter diese ganze Büchergelddiskussion; wir übernehmen die Ausfälle, die den Kommunen jetzt entstehen. Wir schaffen das Büchergeld 2008 ab. Damit wäre die Sache erledigt. Aber dazu haben Sie offensichtlich nicht den Mut.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die allgemeinen Debatten müssen wir, glaube ich, nicht wiederholen.
Nein, die haben wir so oft geführt. Ich habe einen ganzen Ordner davon zu Hause stehen. Das müssen wir nicht wiederholen. Ich möchte nur einen wichtigen Punkt klarstellen: Wir haben mit der Einführung des Büchergeldes nicht etwa die Lernmittelfreiheit abgeschafft, sondern eine Elternbeteiligung eingeführt.
Das ist ein wichtiger Unterschied. Die Gründe dafür brauche ich nicht zu wiederholen; sie sind hinreichend bekannt. Der Freistaat Bayern hat sich durch seine solide Haushaltspolitik – auch hier verweise ich auf die vorausgegangenen Debatten – einen finanziellen Spielraum geschaffen, der unter anderem dafür genutzt wird, dass das Büchergeld für nächstes Jahr abgeschafft wird. Das ist ein Erfolg des Freistaats Bayern. Bayern ist nicht das einzige Bundesland, das eine Elternbeteiligung hat; die anderen Bundesländer schaffen diese Elternbeteiligung aber nicht ab. Der Freistaat Bayern tut dies, und darauf können wir stolz sein.
(Lachen bei der Opposition – Margarete Bause (GRÜNE): Auf einen Fehler, den Sie abschaffen, können Sie stolz sein – das finde ich aber doch super!)
Aber selbstverständlich. Ich verweise hier zum wiederholten Male auf das Land Rheinland-Pfalz, das auch eine Elternbeteiligung hat, sie aber nicht abschafft.
Zum Verfahren. Im Gesetz ist von Anfang an eine Revisionsklausel angelegt worden. Dementsprechend wird jetzt auch vorgegangen: Erst wird der Bücher- und Finanzbedarf festgestellt. Dann gibt es Verhandlungen mit den Kommunen über die Kostenbeteiligung. Jetzt geht es nur noch um das eine Jahr. Ich verstehe den Wunsch, das Büchergeld schon für dieses Jahr abzuschaffen. Aber das war von uns so nicht geplant.
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände haben auf die unterschiedliche Situation vor Ort hingewiesen: Die einen haben noch Geld übrig, andere nicht. Daher war es ihr Wunsch, dass die Erhebung des Büchergeldes heuer keine Pflicht mehr ist, sondern dass es ins Ermessen der Kommunen gestellt wird, ob die Kommune Büchergeld erhebt oder nicht. Damit kann vor Ort flexibel reagiert werden. Diesem Wunsch kommen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nach. Wichtig ist: Der Frei
staat Bayern entzieht sich nicht der Notwendigkeit, einen Beitrag zu leisten; die vier Euro pro Schüler werden auch in diesem Jahr gezahlt.
Bitte schön. Den Rest können wir wie gewohnt im Ausschuss ausführlich debattieren. Wir von der CSU begrüßen den vorliegenden Gesetzentwurf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Eisenreich, Sie verzeihen mir, dass ich Ihre Anmerkungen unter der Kategorie „Witz“ abtue.