Protocol of the Session on November 7, 2007

(Zuruf von den GRÜNEN: Ach!)

Die Stimmung war beeindruckend, weil man gespürt hat, dass Europa erkannt hat, dass das Operieren für nationale Egoismen nicht reicht.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Hört, hört!)

Insbesondere nach der Blockade der letzten Jahre und den Referenden in Frankreich und Holland war es wichtig, etwas voranzubringen, auch wenn es keine Verfassung ist. Wir waren immer der Meinung, dass wir ein Regelwerk, eine Arbeitsgrundlage brauchen, um die Möglichkeit zu erhalten, Europa tatsächlich entscheidungsfähig zu machen.

Dieser Prozess ist jetzt beendet. Ich glaube, es ist ein Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft, dass man in so kurzer Zeit so viele schwierige Punkte regeln konnte. Deswegen können wir insgesamt sagen: Europa ist nicht mehr blockiert, Europa ist international entscheidungsfähig. Das ist in der Gesamtabwägung das Positive.

Bayern war von Anfang an bei diesem Reformprozess dabei. Unsere Haltung war immer, nicht nur zu sagen – wie es aus der einen oder anderen Wortmeldung gerade klang; speziell aus der einen –: Wir sind erst einmal gegen

alles. Wenn man in Europa etwas verändern will, muss man zwei Dinge beachten. Man braucht zum einen ein klares Konzept und zum anderen die Bereitschaft, bei solchen Verhandlungen dabei zu sein. Meine Vorgängerin, Emilia Müller, war sehr häufig bei solchen Verhandlungen; sie war auch im Ausschuss der Regionen, ebenso wie meine Kollegin Ursula Männle, an vorderster Front. Wir haben nicht alles, aber wir haben viel erreicht.

Erster wichtiger Punkt ist – Sie haben schon darauf hingewiesen –, dass das Demokratiedefizit in Europa abgebaut wird. Das Prinzip der doppelten Mehrheit – auch wenn es, typisch für Europa, spät und nicht in der Form gekommen ist, wie wir es uns gewünscht haben – gibt einem Land wie Deutschland mit einer hohen Bevölkerungszahl neue und stärkere Mitwirkungsmöglichkeiten. Übrigens: Dass der Präsident der Kommission künftig vom Europäischen Parlament gewählt wird, hat im Hinblick auf die Entscheidungen, die in Europa politisch zu treffen sind, etwas mit einer stärkeren Demokratieverankerung zu tun. Die Stärkung des Ausschusses der Regionen ist gerade für uns eines der zentralen Anliegen, weil wir immer dafür gekämpft haben, die Regionen mit ihren rechtlichen und kulturellen Eigenständigkeiten zu stärken. An der Möglichkeit, ein Klagerecht zu haben, zeigt sich auch zum ersten Mal die Organschaft, was beweist, dass der Ausschuss der Regionen eine tatsächlich aktive und juristisch legitimierte Rolle in Europa spielt.

Das Subsidiaritätsfrühwarnsystem, das Frau Professor Männle – ebenso wie andere – angesprochen hat, ist in der Tat eine Chance, aber auch eine Verantwortung. Das stellt uns alle – Staatsregierung, Landtag und Fraktionen – vor neue Herausforderungen. In der Kürze der Zeit von acht Wochen nicht nur eine fachliche, sondern auch politische Stellungnahme zu erarbeiten, ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam zu bewältigen haben. Eines ist klar: Das Frühwarnsystem bedeutet, dass wir auf Rechtsetzungsakte Einfluss nehmen können. Wenn wir aber die Chancen verpassen, wird es hinterher schwieriger werden, etwas zu verändern. Also ist für uns eine Herausforderung zu bestehen.

Wir haben Kompetenzabgrenzungen erreicht, jedoch nicht so viel, wie wir wollten. Im Hinblick auf die Daseinsvorsorge darf ich darauf hinweisen, dass wir von der CSU im nationalen Kontext immer als Erste darauf hingewiesen haben, keine Liberalisierung beim Wasser haben zu wollen. Dafür haben wir gemeinsam gekämpft. Auch wenn es um andere Fragen ging, haben wir uns immer eingebracht. Wichtig ist uns – dazu kann der Vertrag einen Beitrag leisten –: Wir wollen erreichen, dass sich Europa um die Themen kümmert, die Europa angehen, nämlich im internationalen Wettbewerb erfolgreich aufzutreten und Fragen von globaler Natur zu regeln, Außen- und Sicherheitspolitik, Klima- und Energiepolitik. Man darf nicht vergessen, dass gerade in diesem Jahr unter Führung der Bundeskanzlerin mit dem Thema Klimaschutz ein weltweit beachteter Vorstoß der Europäischen Union erfolgt ist. Das zeigt, dass das Vorgehen richtig war. Ähnliche Notwendigkeiten bestehen hinsichtlich des Schutzes des geistigen Eigentums. Auch auf diesem Feld will Bayern federführend tätig werden, weil es für unsere Wirtschaft im internationalen Kontext wichtig ist, im Interesse des

Schutzes des geistigen Eigentums gegen Produktpiraterie vorzugehen. Das ist von internationalem Interesse.

Kompetenzabgrenzungen sind erreicht, aber, Herr Runge und Herr Förster, eines müssen wir sehen: Wie sich die Kompetenzabgrenzungen in der Praxis auswirken, müssen wir genau beobachten. Die Frage ist, ob das, was jetzt geschrieben ist, Gesetz werden und der Vertrag ratifiziert werden kann. Die Bewertung in der Praxis wird eine hohe Anstrengung von uns erfordern. Ich denke, dabei müssen wir sehr aufpassen.

Manches war uns zu wenig, und ein Punkt hat uns gefehlt. Das war der Gottesbezug. Der Gottesbezug ist nicht allein eine religiöse Frage. Wenn wir den Prozess betrachten, dann wird es jetzt darauf ankommen, dass das Europa, das bei vielen in den Köpfen – vor allem in den klugen, in den professionellen Köpfen – steckt, jetzt auch in die Herzen übergeht. Die Voten von Frankreich und Holland müssen uns zu denken geben – Länder, die uns immer als europafreundlich erschienen sind. Dieser Umstand zeigt, dass wir hier eine Aufgabe zu bewältigen haben.

Das bedeutet: Wir müssen uns auf europäischer Ebene überlegen, was nach der Institutionenlehre kommt. Die letzten Jahre hat die Institutionenlehre geprägt – juristische Debatten, an welcher Stelle und wie Europa Rechtsabgrenzungen vorzunehmen hat. Wir haben die Aufgabe, darüber nachzudenken, welche ideellen Werte dieses Europa prägen und verbinden – übrigens weit über das hinaus gehend, Herr Förster, was Fahne und Hymne alleine ausmachen. Es geht um viel mehr. Ich glaube, die Frage, was europäisch ist, was das verbindende europäische Element ist, wird eine zentrale Rolle spielen. Ich glaube, dass die Menschenrechte, die sich aus dem christlichen Menschenbild, aus der christlichabendländischen-jüdisch-humanistischen Tradition entwickelt haben, ein zentrales Element und vielleicht sogar die ideengeschichtliche Leistung Europas in der Welt bilden. Deswegen ist ein Zusammenhang – es ist nicht das Hauptthema – zu sehen, wenn über die Akzeptanz und die Chance dieses Verfassungsvertrages gesprochen wird. Wir müssen auch darüber sprechen, wie sich Europa künftig darstellt. Das gilt, weil gerade in Frankreich und den Niederlanden die Erweiterungsfrage eine sehr wichtige Rolle gespielt hat.

Ich war gestern Abend mit einem Ihrer Kollegen, Herrn Leinen, bei einer Diskussion in Brüssel. Da ging es auch sehr um die Frage eines Fortschrittsberichts zur Türkei sowie zu anderen Staaten. Herr Leinen sagte: Das ist alles sehr, sehr schwierig, am liebsten wäre uns, die Türkei ziehe von sich aus zurück. – Ich bin mir nicht sicher, ob das eine ehrliche Position ist, wenn wir Europa gemeinsam gestalten wollen. Wir müssen uns die tatsächliche Lage ansehen. Die Fortschrittsberichte haben die Aufgabe, Fortschritte zu skizzieren und nicht Rückschritte zu dokumentieren. Das, was wir derzeit erleben, macht uns allen große Sorge; ich denke, das geht über die Parteigrenzen hinweg. Wenn man sich die Berichte ansieht, dann kann man feststellen, dass nach wie vor – das spürt jeder – der Einfluss der Militärs in der Türkei überragend groß ist. Wir spüren, dass die Unabhängigkeit der Justiz nicht gewährleistet ist, dass es nach wie

vor eine Reihe von Paragrafen gibt, die mit unserem Verständnis von Meinungsfreiheit wenig zu tun haben. So hat sich beispielsweise Orhan Pamuk, der Literaturnobelpreisträger, vor zwei Jahren einem Gerichtsverfahren ausgesetzt gesehen, weil er sich zu Armenien geäußert hat. Dass die Europäische Union, die immer fortschritts- und beitrittsorientiert war, vorschlägt, die Kapitel Justiz und Inneres nicht zu eröffnen, zeigt, wie selbst in der Europäischen Kommission die Lage beurteilt wird – von Religionsfragen gar nicht zu sprechen.

Jemand, den die derzeitige Situation im Nordirak nicht besorgt machen würde, ginge an der politischen Realität vorbei. Ich habe auch gehört, dass Claudia Roth unsere Position offiziell gestützt hat oder zumindest Verständnis für diese Position gezeigt hat. Ich glaube, auf diesem Feld geht es nicht um Parteipositionen, sondern es geht um Vernunft und eine grundsätzliche Haltung. Wir sagen – weil wir das glauben und fest davon überzeugt sind –: Ein Land, das überlegt, einen Angriffskrieg zu führen, kann nicht beitrittsreif für die Europäische Union sein.

Deswegen sagen wir insgesamt aus unserer Sicht: Wir glauben und sind fest davon überzeugt, dass dieser Verfassungsvertrag, so wie er jetzt beschlossen worden ist, in der Summe viele Chancen bietet. Er bietet die Chance, Europa zu stärken. Wir müssen aber die Chance nutzen und müssen uns gut aufstellen. Bayern ist gut aufgestellt und stellt sich insgesamt gut dar, nicht nur hier im Parlament, im Hohen Haus, sondern auch in Brüssel. Einer der früheren Minister hat unter einigen Geburtswehen, bedingt durch die politische Opposition, unsere Landesvertretung gegründet, die heute allseits – nicht nur baulich-architektonisch, sondern auch fachlich – anerkannt ist als das Frühwarnsystem für die Länder in Europa. Darin ist aus meiner Sicht die Chance zu sehen, die wir gemeinsam nutzen müssen. Falsch wäre es, klein kariert nicht über Parteigrenzen hinaus zu denken. Wir müssen uns überlegen, wie wir gemeinsam die Interessen unseres Landes, unserer Kommunen und unserer Menschen nutzen können, um unsere bayerische Identität – die Identität eines selbstbewussten, stolzen Landes, das auf eine große kulturelle, ökonomische und soziale Tradition zurückblicken kann – als Chance zu nutzen – kritischkonstruktiv, wachsam, aber engagiert. Franz Josef Strauß sagte einmal: Bayern ist unsere Heimat, Deutschland ist das Vaterland und Europa die Zukunft. Die Zukunft hat jetzt begonnen, und wir sollten dabei sein.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Jetzt darf ich Frau Kollegin Deml das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Ablehnung des Europäischen Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden wurde als Chance genutzt, über den europäischen Integrationsprozess neu nachzudenken. Der lang ersehnte Durchbruch ist unserer Bundeskanzlerin – das wurde bereits ausgeführt – und der Unterstützung durch Bayern zu verdanken.

Das letzte Wort haben jetzt die nationalen Parlamente und, zumindest dort, wo die Volksabstimmung vorgesehen ist, auch die Bevölkerung.

Herr Kollege Runge, so können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem Sie hier große Forderungen aufstellen. Wo waren Sie denn, als die rot-grüne Bundesregierung, als ein Außenminister Fischer dem Inhalt des Konvents zustimmte?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

Wo waren Sie denn, als die rot-grüne Bundesregierung dagegen war, dass eine Volksabstimmung stattfindet? Damals war es ein Verfassungsvertrag, heute ist es ein Reformvertrag.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

Wo war denn da Ihr Einfluss?

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Hier im Parlament! Sie selbst haben geklatscht!)

Sich heute hierher zu stellen, ist nicht sehr glaubwürdig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Tat sind mit dem Vertrag große Hoffnungen verbunden, dass die Europäische Union mit 27 Mitgliedern handlungsfähiger wird, dass bürokratische Auswüchse beschnitten werden, dass Entscheidungsabläufe transparenter werden und dass die Akzeptanz auch durch die Wirtschaft und durch die Kommunen verbessert wird, also kurz gesagt, dass das Vertrauen der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger wächst. Denn europäische Integration braucht die Unterstützung und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Zum Thema Daseinsvorsorge hat die CSU-Fraktion immer eine klare Position bezogen. Wir möchten, dass die Kommunen Rechtssicherheit haben. Die Zuständigkeit für die Definition der Daseinsvorsorge muss bei den Behörden vor Ort bleiben. Brüssel darf nicht in die originären Bereiche der Kommunen eingreifen. Unter anderem schlägt die Kommission derzeit vor, dass unabhängige Regulierungsbehörden festgeschrieben werden. Ich meine, weitere Regulierungsbehörden sind kritisch zu hinterfragen. Mehr Rechtssicherheit ist zu begrüßen. Dies darf aber nicht zu mehr Bürokratie führen.

Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, die Einigung für den EU-Grundlagenvertrag war ein ganz wichtiges Signal nach innen und nach außen. Europa ist sich einig und kann sich jetzt wichtigen Zukunftsfragen widmen, ob das die Sicherstellung unserer Energieversorgung ist, ob das die großen Herausforderungen des Klimaschutzes sind, und auch ein fairer Welthandel lässt sich nur mit gebündelter europäischer Kraft bewältigen.

Zu den neuen Aufgaben zählt auch eine verstärkte Zusammenarbeit insbesondere in den Bereichen der Justiz und des Innern. Europa muss mit einer Stimme sprechen, wenn es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, Massenvernichtungswaffen und organisierte Kriminalität verlangen eine gemeinsame europäische Antwort. Nur gemeinsam können sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf der Weltbühne Gehör verschaffen und die Interessen für mehr Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger durchsetzen. Nur durch eine enge Zusammenarbeit sind Terrorismus und Kriminalität erfolgreich zu bekämpfen.

Wir brauchen Europa auch, damit unsere Werte und Interessen in der Weltpolitik wirksam vertreten werden. Aber – auch das ist bereits angesprochen worden – Europa muss sich auf die Kernaufgaben besinnen. Durch Entscheidungen im Rat können Kompetenzen wieder an die Mitgliedstaaten zurückgegeben werden. Deshalb sind wir, wie es die Kollegin Professor Ursula Männle bereits ausgeführt hat, auch hier im Bayerischen Landtag dazu aufgefordert, Initiativen zu starten und in Deutschland und in Europa Verbündete zu suchen.

Ich bin der festen Überzeugung, eine handlungsfähige Europäische Union der 27 bietet gute Voraussetzungen, zum dynamischsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt aufzusteigen. Bayern wird die Chancen aktiv nutzen, die sich auch durch unsere Nachbarländer, die sich auch durch die EU-Osterweiterung ergeben. Ich finde, wir sollten jetzt die Chancen nutzen und natürlich auch unseren Teil dazu beitragen, dass sich die EU wieder auf die Kernaufgaben besinnt.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin Deml. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Hoderlein, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein paar wenige ergänzende Anmerkungen zu dem, was Herr Kollege Förster für unsere Fraktion ausgesagt hat, worauf ich mich ansonsten gerne beziehe.

Trotz vieler Kritik am Zustandekommen des Reformvertrags spricht sich die SPD im Allgemeinen, auch unsere Fraktion, für seine Ratifizierung aus. Verglichen mit den bestehenden Verträgen stellt er einen wichtigen Fortschritt dar. Natürlich ist dieser Vertrag nicht die Verfassung und damit nicht das Ursprungsziel, aber er ist mehr als das, was wir bisher an gültigen Verträgen hatten.

Die Debatten und Verhandlungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass in der Europäischen Union einige Regierungen – das mussten wir im Rahmen dieses Verfassungsprozesses zum Teil schmerzlich feststellen –, die dem Verfassungsvertrag letztlich zugrunde liegende Vision einer politischen Union, die auf dem Willen der Staaten und der Bürger beruht, nicht teilen. Es ist deutlich sichtbar geworden, dass nach der Erweiterung auf die jetzt 27 Mitgliedstaaten die Vertiefung der EU nicht so

schnell vorankommt, wie sich das die wirklichen Freunde Europas einmal gedacht haben. Diese Erkenntnis wird Konsequenzen für weitere Zusagen zur Erweiterung der EU haben, ja haben müssen, wie auch für die Konstellationen innerhalb der EU.

Bei einer Blockade im kommenden Ratifizierungsprozess – ich will das nicht hoffen, aber es ist auch nicht auszuschließen – ist das Europa der zwei Geschwindigkeiten mit einer Speerspitze von einigungswilligen Ländern kaum mehr zu verhindern. Ob man das will, ist eine ganz andere Frage. Die Frage ist, ob es verhinderbar ist.

Diese neuen Realitäten zu erkennen, kann in den kommenden Jahren durchaus hilfreich sein. Sowohl der Euro als auch der Schengen-Vertrag zur Abschaffung der Grenzkontrollen und viele andere Dinge sind letztlich von einer politischen und administrativen Elite, von einer Avantgarde vollzogen worden. Solche Avantgarden wird es auch in anderen Politikbereichen geben, sei es in der Innen- oder der Justizpolitik, in der Außen- oder Verteidigungspolitik oder auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Und damit wird das alles mehr und mehr ein Europa der zwei Geschwindigkeiten nach sich ziehen.

Die Vertiefung der Europäischen Union wurde durch den Widerstand gegen die Verfassung aufgehalten. Stoppen, richtig stoppen lässt sich die europäische Einigung auf Dauer allerdings nicht. Denn die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verlangen letztendlich nicht weniger, sondern im Gegenteil mehr Europa.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Linus Förster (SPD))

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, wird sich die SPD weiterhin für eine Europäische Verfassung einsetzen. Damit die Bürger die Europäische Union besser verstehen und sich an europäischer Politik beteiligen können, muss ein einheitlicher Text über die Grundlagen der EU ausgearbeitet werden. Durch eine Stärkung des Europäischen Parlaments muss die EU auch weiter nach innen demokratisiert werden. Das Europäische Parlament sollte in allen Politikfeldern endlich gleichberechtigter Partner des Rates in der Gesetzgebung sein und die Europäische Kommission einsetzen sowie absetzen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Rat sollte fast ausnahmslos mit Mehrheit entschieden werden aus Praktikabilitäts-, aber auch aus Demokratiegründen. Die Arbeit muss endlich für die Normalbürger im besten Sinne des Wortes und nicht nur für Fachleute nachvollziehbar und transparent gestaltet werden. Wie dies beim Verfassungsvertrag einst vorgesehen war, sollten die Grundrechte in der Verfassung mit abgedruckt werden. Vorschläge für einen neuen Anlauf im Verfassungsprozess kann das Europäische Parlament nach Inkrafttreten des Reformvertrags – wie wir doch hoffen wollen – und nach den Europawahlen im Jahre 2009 aufgrund seines neuen Initiativrechtes letztlich selber machen.

Wir hoffen und wollen, dass das Europäische Parlament von diesem Recht Gebrauch macht. Wir, der Bayerische Landtag, und die nationalen Politiker überhaupt sollten es bis dahin darin ermahnen, aber auch ermutigen, dies zu tun. Letztendlich braucht ein europäischer Vertrag die Zustimmung der Bevölkerung in allen 27 Mitgliedstaaten. Darin gebe ich dem Kollegen Runge recht. Ein Referendum ist das beste Mittel für Transparenz, das man sich in der EU vorstellen kann.

(Beifall bei der SPD)

Nur mit Transparenz kann aus dem Projekt Europa ein Volksprojekt werden, und es wird kein Kopfprojekt nur für politische Eliten bleiben, was es im Moment noch ist. In diesem Sinne stimmen wir diesem Reformvertrag zu und hoffen, dass er eines Tages in eine tatsächliche Europäische Verfassung münden möge.