Protocol of the Session on October 23, 2007

beendet worden. Außerdem wurde mit den Finanzbehörden eine abschließende Regelung getroffen, nach der das Unternehmen nahezu 180 Millionen Euro an Steuern nachzahlen muss. Bei der Aufklärung der diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalte hat die Siemens AG umfassend mitgewirkt. Außerdem: Eine Verurteilung ist nicht wegen Korruption erfolgt, sondern wegen Untreue, weil das Vermögen der Gesellschafter geschädigt wurde.

Das Unternehmen hat angekündigt, dass die umfassenden Untersuchungen der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei weitergehen sollen und weitergehen werden. Es sollen alle Behörden bei der Aufklärung in den übrigen Bereichen des Unternehmens voll unterstützt werden. Außerdem hat das Unternehmen bereits Maßnahmen eingeleitet, die künftig ähnliche Vergehen verhindern sollen. Siemens trägt augenscheinlich mit allen Kräften dazu bei, dass eine Selbstreinigung des Unternehmens durchgeführt und die Zuverlässigkeit wieder hergestellt wird.

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, fordern, dass Siemens von allen Aufträgen ausgeschlossen werden soll. Meinen Sie damit das gesamte Unternehmen oder Teile davon?

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Die Siemens AG!)

Meinen Sie die Siemens AG oder den Siemens-Konzern? Soll die Sparte „Com“ ausgeschlossen werden, die es in dieser Form gar nicht mehr gibt? Sollen alle Tochtergesellschaften ausgeschlossen werden, auch die, die sich korrekt verhalten haben? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, das geht uns viel zu weit, das ist uns viel zu pauschal. Bei einer sorgfältigen Prüfung der Sachverhalte, wie das bei so einem schwerwiegenden Schritt notwendig ist, muss differenziert werden, welche Unternehmensteile betroffen sind und was die einzelnen Unternehmensteile dazu beigetragen haben. Das fordert alleine schon der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Außerdem sollten wirklich alle Maßnahmen der Selbstreinigung, die das Unternehmen eingeleitet hat, ebenfalls berücksichtigt werden.

Es ist ganz klar, dass in der Vergangenheit in einzelnen Teilen der Siemens AG oder des Siemens-Konzerns schwerwiegende Verstöße vorgekommen sind. Das lässt sich nicht abstreiten, und das ist öffentlich geworden. Aber eine so pauschale Verurteilung des gesamten Siemens-Konzerns, wie Sie das fordern, können wir nicht mittragen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, bitte bleiben Sie am Rednerpult für eine Zwischenintervention. Herr Kollege Dr. Runge, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine kurze Bemerkung zu meinem geschätzten „Herrn Neffen“ Lerchenfeld. Herr Lerchenfeld, es müsste Ihnen doch aufgefallen bzw. zugetragen worden sein, dass der Antrag „Gesetzentwurf Korrupti

onsregister“ auf Bundesebene exakt die Formulierung ist, zu der sich zunächst der Bundesrat zusammenfinden wollte. Der Text wurde gegenüber dem ursprünglichen Bundestagsantrag bereinigt wegen der Fehler, die der Bundesrat zu Recht moniert hatte, und zwar im Hinblick auf die fehlende Präzisierung.

Es scheint Ihnen noch etwas entgangen zu sein. Sie sagten, Sie warten erst auf eine Verurteilung; denn anders sei das gar nicht möglich. Vielleicht haben Sie die Unterlagen des Bundesratsbeschlusses vom 12. Juli 2002 nicht gesehen. Damals haben im Übrigen sämtliche Ministerpräsidenten der B-Länder mitgestimmt. Sie alle haben gesagt, die Aufnahme in ein solches Register und das Sperren von öffentlichen Aufträgen darf eben gerade nicht an Bußgeldverfahren oder an strafrechtliche Verfahren gebunden sein. Ich darf noch einmal sagen, alle Ministerpräsidenten, auch unser damaliger Ministerpräsident, waren dabei. Sie sagten: „Eine Beschränkung auf rechtskräftige Verurteilungen würde wegen der durchschnittlichen Verfahrensdauer die Effizienz der Regelung und ihre Präventionswirkung infrage stellen.“

Sie liegen hier also ganz falsch. Ich möchte auch noch etwas an dieser Stelle zurückweisen. Ich konnte mich nur wundern, als Sie gesagt haben: „Wir halten uns an rechtsstaatliche Grundsätze im Gegensatz zu Ihnen.“ Angesichts dessen, was ich in den Zeitungen lesen durfte, kam ich zu einem anderen Schluss. Wir hingegen halten uns sehr wohl an rechtsstaatliche Grundsätze.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Graf von und zu Lerchenfeld, wollen Sie darauf antworten?

Ich kann dazu nur sagen, dass Bayern in diesem Märchen die gute Fee gespielt hat, weil Bayern im Vermittlungsausschuss den Gesetzesantrag abgelehnt hat.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Insofern war das eine vernünftige und richtige Entscheidung des Freistaats. Wir werden deshalb hier nicht anders abstimmen.

Jetzt darf ich Herrn Kollegen Leichtle das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf Bundesebene wird zurzeit wieder über ein Gesetz zum Bundesregister diskutiert. Stand der Diskussion ist, dass Unternehmen gemeint sind, die rechtskräftig verurteilt wurden, denen also rechtskräftig Verfehlungen nachgewiesen werden konnten und bei denen man sich auf überprüfbare Tatsachen stützen kann. Herr Kollege Graf von und zu Lerchenfeld hat hier Ausführungen gemacht, die wir auch im Wirtschaftsaus

schuss diskutiert haben und die mit den Ausführungen der SPD-Fraktion im Wirtschaftsausschuss weitgehend identisch sind. Ich brauche sie deshalb nicht mehr zu wiederholen.

Tatsache ist, dass es nach unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen Aufgabe der Gerichte ist, Schuld festzustellen. Das ist weder Aufgabe einer Partei noch eines Parlaments oder von wem auch immer. Das ist ausschließlich Aufgabe der Gerichte. Was man daraus für Schlussfolgerungen zieht, steht auf einem anderen Blatt.

(Beifall eines Abgeordneten der CSU)

Wir sind der Meinung, dass die Diskussion auf Bundesebene abgewartet werden muss. Wir meinen auch, dass bei diesem Thema berücksichtigt werden muss, dass sowohl ein Bundesregister als auch ein Landesregister zu kurz greifen würde, denn der Großteil aller öffentlichen Aufträge wird heute europaweit ausgeschrieben.

(Hans Spitzner (CSU): So ist es!)

Da frage ich mich schon, welche Folgen ein solches Register hätte, wenn sich Firmen auch aus anderen europäischen Ländern bewerben. Sagt man da dann: Hier wissen wir es nicht so genau, deshalb bekommen die den Auftrag? Infolgedessen kann das nicht die Lösung des Problems sein.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Hoderlein (SPD) und Hans Spitzner (CSU))

Deshalb muss man etwas weiter greifen, als das hier der Fall ist.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Hoderlein (SPD) und Hans Spitzner (CSU))

Es gibt auch bei der Europäischen Kommission Ansätze, sich diesem Problem zu widmen. Ich glaube, auch das sollte man abwarten. Es ist in der Tat wettbewerbsverzerrend, wenn auf Bundes- oder Landesebene der Ausschluss von Unternehmen bei Auftragsvergaben erfolgt, weil diese auf einer Ausschlussliste stehen, während ausländische Unternehmen, die sich gleiche oder sogar größere Verstöße geleistet haben, den öffentlichen Auftrag bekommen, weil deren Verfehlung nicht bekannt ist. So kann es nicht sein.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Soweit zu den Ausschlussregistern auf Landesebene.

Ich muss sagen, für die heutige Beratung wäre es durchaus förderlich gewesen, wenn die Staatsregierung ihre Hausaufgaben gemacht hätte. Der Ausschussvorsitzende des Wirtschaftsausschusses hat im Zuge der Beratung dieser Anträge nämlich Folgendes der Staatsregierung mit auf den Weg gegeben. Ich zitiere aus dem Protokoll:

Die Staatsregierung solle dem Ausschuss noch vor der Sommerpause in Form einer kurzen Synopse Informationen betreffend der Korruptionsbekämpfung in den großen Industrienationen der Europäischen Union zukommen lassen.

Das hat die Staatsregierung aber leider nicht getan, sodass uns dieses Material heute nicht vorliegt.

Zum dritten Antrag ist zu sagen, dass rechtsstaatliche Grundsätze, die ich vorhin genannt habe, auch hier gelten müssten. Außerdem ist es – Herr Kollege von Lerchenfeld hat das ausgeführt – schon zu Verurteilungen und zu Geldstrafen gekommen.

Ich hoffe, dass die Geldstrafe in Höhe von 201 Millionen Euro, die in die Justizkasse in Bayern fließt, dazu dienen möge, zum Beispiel endlich die Defizite beim Justizvollzugsdienst auszugleichen.

(Beifall bei der SPD)

Hier wurden in den letzten Jahren unverantwortliche Kürzungen durchgeführt. Die Justizvollzugsbeamten schieben einen Berg von Überstunden vor sich her; die Dienstpläne sind mittlerweile völlig unzumutbar. Jede zweite Woche gibt es Wochenenddienst; das ist an Familienunfreundlichkeit nicht zu überbieten. Der Betrag von 201 Millionen Euro könnte einen guten Beitrag zu Verbesserungen leisten, wenn man das Geld denn dafür verwenden würde.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend komme ich zur Firma Siemens. Ich meine, man muss immer sehen, wen man trifft. Es ist sicher in Ordnung – und diese Verurteilungen wird es sicher geben –, wenn diejenigen, die sich der Korruption schuldig gemacht haben, verurteilt werden. Nur frage ich mich: Was hat der kleine Arbeitnehmer damit zu tun, der letztlich um seinen Arbeitsplatz bangen muss, wenn Aufträge nach China gehen statt nach Bayern? Ich frage mich schon: Kann es unser vorrangiges Ziel sein, dass wir in Firmen in China Arbeitsplätze schaffen und in Bayern die Firma Siemens von öffentlichen Aufträgen ausschließen mit der Folge, dass Arbeitsplätze gefährdet werden? – Das kann doch wohl nicht der richtige Weg sein.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD) und Hans Spitzner (CSU))

Herr Kollege Leichtle, darf ich Sie bitten, am Rednerpult stehen zu bleiben für eine erneute Zwischenintervention des Herrn Kollegen Dr. Runge? – Bitte schön.

(Zuruf von der CSU: Der nervt!)

Herr Kollege Leichtle, ich könnte und müsste Sie jetzt mit dem Gleichen konfrontieren wie den Kollegen von und zu Lerchenfeld. Im Übrigen war die Abstimmung im Vermittlungsausschuss

d’accord. Da ist nichts gescheitert. Das war hinterher der Bundesrat.

Herr Kollege Leichtle, auch die SPD-Fraktion hat einen Antrag eingereicht, in dem es heißt, Ausschluss und Aufnahme ins Register erfolgen unabhängig von der Durchführung von Bußgeld- und Strafverfahren. Aber, Herr Leichtle, etwas anderes. Sie scheinen etwas durcheinanderzubringen. Ein bayerisches Korruptionsregister wendet sich an die bayerischen Behörden als öffentliche Auftraggeber. Selbstverständlich dürfen dort auch nichtbayerische Unternehmen aufgelistet sein, so wie dies auch der Fall ist bei den wenigen, die jetzt aufgelistet sind.

Im Übrigen konstatieren wir, die Mehrheit des Hauses verfährt nach dem Motto „Die Kleinen hängt man, und die Großen lässt man laufen“, und das können wir nicht begrüßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, möchten Sie darauf antworten? – Bitte schön.

Frau Präsidentin, ich möchte nur einen Satz dazu sagen. In ein Register kann man nur das aufnehmen, was man weiß, und ob Sie wirklich alles wissen, was sich in China oder sonst wo abspielt, möchte ich mit einem großen Fragezeichen versehen.

Als nächstem Redner darf ich Herrn Dr. Beyer das Wort erteilten. Bitte schön, Herr Kollege.