Frau Präsidentin, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst danke ich dem Kollegen Willi Leichtle dafür, dass er darauf hingewiesen hat, dass eine Hausaufgabe aus dem Wirtschaftsministerium aussteht. Ich bin sicher, Herr Kollege Pschierer, wenn er denn in die Regierung gewechselt wäre, hätte das veranlasst, aber so bitte ich die Frau Staatsministerin, die Information nachzureichen.
Keine Vorwürfe, Herr Spitzner, Sie haben doch den Platz frei gemacht. Daran ist es nicht gescheitert.
Nun zu dem letzten Antrag. Herr Dr. Runge, ich habe es damals sehr bedauert, dass Sie keine Gelegenheit hatten, im Ausschuss zu sein. Wenn Sie dabei sind, gibt es im Plenum und im Ausschuss oft viel gespielte Aufregung, aber damals gab es echte Empörung. Darum wäre es schön gewesen, wenn Sie da gewesen wären. – Das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung. Wir haben das Ganze dann mit Herrn Dr. Magerl ausmachen müssen.
Ja, natürlich. Warum regen Sie sich denn auf? – Er hat es sehr gut gemacht, allerdings hat er in den entscheidenden Punkten auch nicht widersprechen können.
Jetzt hören wir uns gegenseitig zu, und jetzt rede ich. Herr Kollege Dr. Runge wird nachher die gleiche Zwischenintervention noch einmal stellen. So machen wir das.
Erstens. Herr Kollege Dr. Runge, zu dem, was Sie hier wollen, nämlich dass festgehalten wird, wenn bei Siemens, wie augenscheinlich der Fall, im Bereich der Unternehmensorgane Fehlverhalten vorhanden ist, dann muss das Folgen haben und bestraft werden. Wir sagen: Ja. Genau dafür – Sie wollten eine juristische Erläuterung, jetzt dürfen Sie mir nicht böse sein, dass ich Ihnen diese gebe – gibt es § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, der eine Ahndung von Verstößen von Organen unter anderem von Kapitalgesellschaften vorsieht. Auf dieser Grundlage gab es die Geldbuße in Höhe von 201 Millionen Euro. Das ist genau die Ahndung, die Sie hier verlangen. Herr Dr. Runge, die entscheidende Feststellung ist: Die deutsche Rechtsordnung hat genau dafür ein Instrument.
Zweitens. Sie versuchen das anders. Sie kennen § 30 nicht oder wollten ihn nicht anwenden. – Das ist nicht meine Entscheidung. Sie sagen, dann schließe ich dieses Unternehmen, die Siemens AG, deren Tochterunternehmen und auch Nokia Siemens Networks – also einen Dritten, Nokia, der nicht wusste, dass Siemens Vorwürfe treffen – von Aufträgen aus. Dabei stützen Sie sich auf § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB. Das ist genau der Punkt, wo das Ganze Hobbyjuristerei wird. § 97 Absatz 4 GWB sagt, dass im Einzelfall bei einem Ausschreibungsverfahren ein Zuschlag unter anderem deshalb versagt werden kann, weil an der Zuverlässigkeit eines Bieters oder mehrerer Bieter Zweifel bestehen. Das ist etwas ganz Unspektakuläres, Herr Dr. Runge. Das ist der Zuverlässigkeits- oder genauer gesagt Unzuverlässigkeitsbegriff des Gewerberechts gemäß § 35 der Gewerbeordnung und aller Nebengesetze. In jeder Vorlesung wird das gelehrt. Unzuverlässig ist, wer nach seinem bisherigen Verhalten nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Betrieb ordnungsgemäß führt.
Nun können Sie sagen, weil da offensichtlich Dinge schiefgelaufen sind und gegen das Gesetz verstoßen worden ist, was wir im Ausschuss und an anderer Stelle kritisiert haben, liegt dieser Fall vor. Dazu muss ich Ihnen sagen: So einfach geht es nicht. Wenn Sie bei einem Weltkonzern in einer Sparte ein Fehlverhalten feststellen und daraus schließen, dass in diesem Konzern für alle Zeiten alle, die dort beschäftigt sind, unzuverlässig sind, dann ist das eine derart fahrlässige Gesetzesanwendung, dass es in der Tat die Vorwürfe der groben Rechtsstaatswidrigkeit nach sich zieht. Herr Kollege Dr. Runge, das können wir Ihnen nicht ersparen.
In dieser Frage müssen Sie eine Prognoseentscheidung treffen. Auch das lernen Sie in der gewerberechtlichen Vorlesung. In diese Entscheidung müssen Sie zum Beispiel die Tatsache einbeziehen, dass ein Unternehmen glaubwürdig versichert, es mache Schluss auch mit gewissen Chargen, da rollen – sinnbildlich – Köpfe, da gibt es eine neue Geschäftsführung, einen neuen Vorstand und einen neuen Aufsichtsrat. Das muss alles berücksichtigt werden. Da können Sie nicht pauschal sagen, einmal unzuverlässig, immer unzuverlässig.
Drittens. Ich habe eben gesagt, es geht um die Entscheidung in einem Ausschreibungsverfahren. § 97 Absatz 4 GWB ist die gesetzliche Grundlage für eine Einzelfallentscheidung. Herr Kollege Dr. Runge, Sie machen daraus auf Dauer ein Berufs- und Tätigkeitsverbot. Das ist in der Tat grob rechtsstaatswidrig, nicht mehr und nicht weniger.
Viertens. Herr Kollege Leichtle hat das Thema schon angesprochen, aber ich sage es noch einmal: Mit dem, was Sie hier vorhaben, treffen Sie Zehntausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Das mag Ihnen persönlich egal sein, was ich noch nicht einmal glaube, aber Sie müssen immer die Konsequenzen Ihres Tuns – auch Ihrer Antragstellung – bedenken. Sie treffen Zehntausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wenn Ihnen das egal wäre, muss ich das nicht kommentieren. Der SPD ist es nicht egal, und allein deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Herr Dr. Beyer, darf ich Sie noch ein wenig hier am Rednerpult behalten? – Vielen Dank. Herr Kollege Dr. Runge, bitte.
Für die Menschen! Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Ich lasse mich dafür von Ihnen nicht diskreditieren.
Wenn Sie sagen, es geht um einen Bereich bei einem Weltkonzern, dann ist das schlicht und ergreifend falsch. Es sind acht von zehn Bereichen gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Es waren acht von zehn Bereichen der damaligen Siemens AG. Mittlerweile ist etwas umstrukturiert worden, und ein
Es gibt daneben noch einige unappetitliche Dinge, die jetzt nach und nach herauskommen. Zurzeit bemüht sich die Firma mühevoll, eine Immobiliengesellschaft abzuwickeln, die dafür gesorgt hat, dass die unterbezahlten Vorstände billig an Immobilien im Großraum München gekommen sind.
Hier geht es also um ein anderes Kaliber als um das, mit welchem Sie meinen, Ordnungswidrigkeiten begegnen zu können.
Sie kaprizieren sich jetzt allein auf den § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Herr Kollege Dr. Beyer. Diese Bestimmung ist nicht als einzige genannt. Es sind die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – VOB –, die Verdingungsordnung für Leistungen – VOL – und vieles mehr genannt. Herr Kollege Dr. Beyer, Sie sollten sich auf die Debatten im Bundestag und im Bundesrat kaprizieren. Wir sind hier nicht im luftleeren Raum. Dort wurden Ausschlussgründe benannt, die weitaus harmloser sind als das, was im Hause Siemens vorgefallen ist.
Ich sage noch einmal: Sie schützen die Großen, die Kleinen hängen Sie. Das ist Ihr Motto. Im Grunde spielen Sie sich als Schirmherr der Großkriminalität auf.
Herr Kollege Dr. Runge, wir sind hier im Parlament. Ich denke, dass man hier die Worte auch etwas wohl gewogener wählen kann.
Herr Kollege Dr. Runge, ich nehme erstens zur Kenntnis, dass Sie offensichtlich über die bisher bekannten Ermittlungen hinaus andere Erkenntnisse zu diesem Verfahren haben. Dann bitte ich Sie, diese der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen.
Das Zweite. Was Sie hier gerade gesagt haben, habe ich nicht zu kommentieren. Ich sage nur: Gott sei Dank haben wir ein System, in dem Redefreiheit im Parlament
Schließlich ein Weiteres. Es tut mir schon leid. Sie haben hier einen Antrag, in dem, wenn überhaupt, eine Gesetzesbestimmung für ihr emotionalisiertes Begehren genannt ist, der § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Ich zitiere die Drucksache 15/8195. Ich rede nicht von Ihren Registeranträgen. Sie wissen, dass wir dazu eine differenzierte Haltung haben, wir werden uns dazu enthalten.
Sie finden mit § 97 Absatz 4 des GWB eine Bestimmung. Ich habe Ihnen gerade gezeigt, was es damit auf sich hat. Mager, liebe geschätzte Christine Stahl, ist die Begründung dieses Antrags, aber zu beanstanden ist es nicht, wenn ich diesen Antrag zurückweise. Noch einmal, damit es jeder im Saal, auch die geschätzten Besucherinnen und Besucher hören: Mit diesem Antrag wird nicht weniger gefordert, als alle Sparten und Tochterunternehmen der Siemens AG für zunächst drei Jahre – das ist potenziell auf noch längere Zeit gerichtet – von jeglichem öffentlichen Auftrag auszuschließen. Das kostet Zehntausenden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Job.
Das müssen Sie sich sagen lassen. Wenn wir das schützen, dann schützen wir den Arbeitsplatz und das Auskommen dieser Familien und nicht die Kriminalität.
(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Korruption ist Kriminalität! – Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))
Sie haben versucht, einen kritikwürdigen und auch sanktionswürdigen Fall von Wirtschaftskriminalität für einen billigen populistischen Antrag auszunutzen, nicht mehr und nicht weniger, Kollege Dr. Runge. Jetzt hatten Sie Ihren Auftritt, lassen wir es gut sein.