Im Konkreten: Es gibt, das wurde hier schon gesagt, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach OnlineDurchsuchungen zum derzeitigen Zeitpunkt ohne rechtliche Grundlage, klar illegal sind. Ich rechne es dem Justizministerium sehr hoch an, dass es eingeräumt hat, eine Online-Durchsuchung durchgeführt zu haben. Ich gehe davon aus, dass jetzt erst einmal abgewartet wird, was sich weiter tut, und keine weiteren Online-Durchsuchungen durchgeführt werden. Das Innenministerium, da hätte ich jetzt ganz gern eine Stellungnahme, was der neue Innenminister zu diesem Antrag sagt – –
Ich weiß nicht, warum Sie da hindeuten, denn die CSUAbgeordneten wissen doch nichts. Wahrscheinlich weiß das aber auch der Innenminister nicht. Ich hätte gerne gewusst, wieso sich das Innenministerium auf den Standpunkt stellt, die Abhörungen, die Durchsuchungen, die sie durchführen, seien alle von Telekommunikationsüberwachungsgesetzen gedeckt. Über diese Art der Einschätzung werden wir hier noch reden müssen.
Neben dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs haben wir ein laufendes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Das ging auch durch die Medien. Hier geht es um einen Gesetzentwurf von CDU und FDP, die auf der einen Seite Grundrechte beschneiden, wenn sie in Ministerfunktion sind, auf der anderen Seite aber klagen sie vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses schizophrene Vorgehen muss man sich vor Augen führen. Es geht um einen Gesetzentwurf in Nordrhein-Westfalen, der vor dem Verfassungsgericht auf dem Prüfstand steht. Frühestens im Frühjahr des nächsten Jahres, da ist sich die Fachwelt einig, wird es eine Grundsatzentscheidung zu den Online-Durchsuchungen geben. Ich bin der Meinung, dass man deshalb, ohne etwas Genaues sagen zu können, hier keine Anträge stellen sollte, zumal diese
Was wollen Sie denn eigentlich, was soll auf den Weg gebracht werden? Sie unterschlagen, dass es bisher keine technischen Möglichkeiten gibt, die eine problemlose Durchsuchung ermöglichen. Herr Kollege König, Softwarehersteller warnen davor, Trojaner einzusetzen, weil man die innerhalb einer Woche knacken kann mit dem Problem, dass sie sich gegen den Anwender wenden und unter Umständen auch Auswirkungen auf Ungeschützte und Unbeteiligte haben. Das ist die technische Seite.
Sie verkennen und unterschlagen, dass die gewonnenen Daten manipulierbar sind. Vielleicht wird sich an der Technik etwas ändern, aber momentan ist es noch so.
Deshalb wird nicht nur von mir allein, sondern auch von namhaften Professoren angezweifelt, dass solche Daten gerichtsfest sein können. Das ist die Verantwortung, die Sie tragen müssen, wenn Sie zum jetzigen Zeitpunkt die Online-Durchsuchungen mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten durchführen. Es stellt sich die Frage, was vor Gericht oder wie es mit der Sicherstellung von Beweisen sein wird. Ich verweise auf eine Reihe von Aufsätzen, die von Professoren unterzeichnet sind und in denen ausgesagt ist, man solle lieber auf die klassischen Methoden wie Wohnraumdurchsuchung setzen.
Sie unterschlagen, dass Surfen im Internet bereits zulässig ist und die Formulierungen in bestehenden Gesetzen, die uns zu weit reichen, bereits sehr viele Möglichkeiten im präventiven und repressiven Bereich vorsehen, etwa EMail-Durchsuchungen und anderes.
Sie verlieren kein Wort über Richtervorbehalt und Datenschutz. Wer heimlich in den PC unbescholtener Bürgerinnen und Bürger einbricht, verletzt massiv deren Intimsphäre. Sie verletzten unser aller Intimsphäre, wenn Sie heimlich präventive Online-Durchsuchungen durchführen.
Der Schaden für die Bürgerrechte ist absehbar. Solange wir nicht erkennen können, worin der Nutzen der Maßnahmen liegen soll, bleiben wir ganz fest bei unserer „unbelehrbaren“ Haltung gegenüber staatlichem Hacking.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte gemäß § 176 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags den Antrag stellen, dass der zuständige Staatsminister des Innern an der Debatte teilnimmt und zu diesem Zwecke herbeigerufen wird.
Ich halte es für unerträglich, dass bei dieser Diskussion zu dem Dringlichkeitsantrag, der von der CSU eingebracht wurde, weder der Staatsminister noch der Staatssekretär anwesend ist. Ich halte es für einen sehr schlechten Beginn der neuen Regierung, in einer solchen Art und Weise mit dem Parlament umzugehen. Deshalb bitte ich die Kolleginnen und Kollegen der CSU, diesen Mangel zu beheben und diesem Antrag zuzustimmen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das kommt davon, wenn man nicht weiß, wer für die Dinge zuständig ist, Herr Kollege Volkmann. Dieser Dringlichkeitsantrag richtet sich an den Bund. Die Staatsregierung wird aufgefordert, auf Bundesebene zu intervenieren. Dabei geht es in allererster Linie um Online-Überwachung bei repressivem Vorgehen, also bei Strafverfahren.
Bevor man Schaufensteranträge stellt, könnte man sich über den Gang der Dinge und darüber, wie verfahren werden soll, informieren. Damit könnte man sich solche negativen Schauspiele ersparen.
Es wurde Geschäftsordnungsantrag auf Herbeirufung des Innenministers gestellt und die Gegenrede vorgetragen. Ich lasse über den Geschäftsordnungsantrag abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, dass Innenminister Herrmann herbeizitiert wird, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen.
Wir fahren in der Beratung fort. Zu Wort hat sich Frau Staatsministerin der Justiz Dr. Merk gemeldet. Bitte schön, Frau Staatsministerin.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Online-Durchsuchung muss sowohl präventiv als auch repressiv kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, Ihre Diskussion sieht mir eher nach Trockenübungen im luftleeren Raum aus. Das ist eine aus dem Zusammenhang gerissene Diskussion. Diese Diskussion kann man nur führen, wenn man sich darüber im Klaren ist, dass Deutschland in einem nicht unerheblichen Maße bedroht ist.
Ihr Vortrag war ein ideologischer Diskussionsbeitrag, der sich an Gesetzen orientiert, die ich in meinen Gesetzbüchern nicht finde. Wenn Sie mir aber sagen, wo das Telekommunikationsüberwachungsgesetz abgedruckt ist, lese ich es gerne nach.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sicherheitslage in Deutschland hat sich verändert. Ich muss nicht auf Madrid und London hinweisen. Ich kann die Kofferbomben-Attentate in Köln ansprechen, die Gott sei Dank verhindert werden konnten.
Die Verhinderung von Anschlägen der islamischen Dschihad-Union ist ein Thema, das uns deutlich macht, dass der Terrorismus die Grenzen nach Deutschland längst überschritten hat und wir uns dieser Situation stellen müssen. Deutschland ist nicht nur ein Rückzugsraum für den islamistischen Terrorismus, sondern die Vernetzung der Terrorzellen, die auch bei uns in diesem Land sind, ist offenkundig geworden. Wir wissen, dass diese Attentäter hochkonspirativ arbeiten, modernste Techniken nutzen und dass sie sich unter Nutzung modernster Technik systematisch abschotten wollen. Wir wissen auch, dass Terroristen ihre Vorgehensweise geändert haben, dass das eigene Leben dem Verbrechen geopfert, der eigene Tod in Kauf genommen wird und Attentäter beliebig austauschbar sind.
Folglich ist im Bereich der Terrorismusbekämpfung die Arbeit der Polizei ebenso wie die der Nachrichtendienste und der Staatsanwaltschaften zunehmend von neuen Technologien bestimmt. Gerade islamistische Extremisten – das wissen wir von unseren Fachleuten – haben sich das Internet, die Erhöhung des Speichervolumens und die Schnelligkeit der Informationsverarbeitung und -verbreitung zunutze gemacht. Deshalb ist es für die Sicherheitsbehörden zwingend erforderlich, mit ihrer Ermittlungsarbeit Schritt halten zu können. Wir müssen ihnen dringend die notwendigen Instrumente für ihre Arbeit zur Verfügung stellen, damit sie in hochkonspirative, kriminelle Netze eindringen können. Andernfalls besteht aufgrund des schnellen Fortschritts bei der
Zu Recht erwarten die Menschen, dass wir uns darauf einstellen. Wir können es uns nicht leisten, dass schwerwiegende Straftaten nicht mehr in ausreichendem Maße verfolgt werden, dass drohende Gefahren nicht mehr von unserem Rechtsstaat effektiv abgewehrt werden können. Wenn wir offen und ehrlich diskutieren wollen, müssen wir das vor dem Hintergrund tun, den ich soeben skizziert habe.
Die Aufgabe von Sicherheitspolitikern ist es, alles, was technisch – Herr Kollege Ritter, Sie haben wunderbar aufgesplittet, mit welchen Möglichkeiten man Trojaner aufbringen kann –, aber auch alles – das ist elementar –, was rechtsstaatlich möglich ist, zu tun, um den Menschen so viel Sicherheit zu bieten, wie es nur geht. Das trifft für die Gefahrenabwehr ebenso zu wie für die Strafverfolgung. Meine Damen und Herren, das ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit von Sicherheitspolitikern.
Sehr geehrte Damen und Herren, zum unverzichtbaren Instrumentarium von Staatsanwaltschaft, Polizei und Nachrichtendiensten zählt vor allem die verdeckte Durchsuchung von Speichermedien. Erstaunlich ist, dass man jedes Mal, wenn ein Anschlag gelungen oder abgewehrt worden ist, von uns mit lauter Stimme verlangt, dass wir die Sicherheitsarchitektur nachverdichten und den Ermittlern entsprechende Handlungsmöglichkeiten geben. Je weiter wir uns davon zeitlich entfernen, desto mehr wird wieder dafür plädiert, jedwede Freiheit zu gewähren.
Ich kann nur sagen: Es ist unverzichtbar, verdeckt online durchsuchen zu dürfen. Die herkömmliche Beschlagnahme von Computern und Festplatten, die im Übrigen ebenfalls Verwertungsproblematiken mit sich bringt, reicht zur Bekämpfung des Terrorismus nicht mehr aus, weil dann auch die Mittelsmänner und die konspirativen mitarbeitenden Verbrecher informiert werden und wir größte Schwierigkeiten bei den Ermittlungen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist kein Zweifel, dass neue Verbrechensmethoden neue Ermittlungsansätze brauchen. Es wäre instinkt- und verantwortungslos, zu meinen, dass unsere Ermittler in diesem Bereich nicht Schritt halten müssten. Internet, Laptop und Computernetzwerke dürfen kein rechtsfreier Raum sein.
Der Bundesgerichtshof, der Anfang des Jahres entschieden hat, dass wir eine Rechtsgrundlage brauchen, hat klar gesagt: Wir brauchen keine Gefahr zu sehen, dass es verfassungsrechtlich nicht möglich sei, eine entsprechende Online-Durchsuchung gesetzlich zu verankern, sondern es geht allein um die Rechtsgrundlage, die bisher fehlt. Das überrascht, wenn ich mir zum Beispiel die StPO ansehe, durchaus nicht. Denn dieses ehrwürdige Gesetz hat seine 130 Jahre auf dem Buckel. Da kann man nicht erwarten, dass entsprechende Grundlagen darin enthalten sind.
Es ist also Aufgabe des Gesetzgebers, eine Rechtsgrundlage im präventiven Bereich ebenso wie für die Strafver
folgung zu schaffen, wenn dafür ein Bedarf besteht. Dass der Bedarf besteht, haben nahezu alle befragten Praktiker sowohl bei den Staatsanwaltschaften als auch bei der Polizei bejaht. Es ist auch so, dass wir viele Fälle im Ausland haben, von denen wir wissen, dass per Computer Fahndungserfolge tatsächlich erzielt worden sind.
Sie haben weitere Möglichkeiten angesprochen. Sie wissen von meinem früheren Minister-Kollegen Günther Beckstein sehr genau, dass uns zum Beispiel die Wohnraumüberwachung in ganz wichtigen Fällen wertvolle Dienste geleistet hat. Ich erinnere nur an den Anschlag auf die Baustelle des Jüdischen Zentrums.
Ich sage ganz bewusst: Hier liegt eine Aufgabe des Gesetzgebers. Bei allem Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich um nichts anderes als um eine zeitliche Verzögerung, wenn wir auf eine Entscheidung im Frühjahr warten müssen. Ein solches Zuwarten ist nicht notwendig.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über ein nordrhein-westfälisches Gesetz. Ein Gesetz zum Verfassungsschutz, das zum Beispiel den Richtervorbehalt nicht mit beinhaltet. Ein solches Gesetz braucht mit Sicherheit ganz wichtige verfassungsrechtliche Hürden; da gebe ich Ihnen völlig recht. Wir müssen uns ganz klar an der grundgesetzlichen Ordnung orientieren.
Deswegen meine ich, dass uns ein solches Gesetz, von dem man schlichtweg sagen muss, dass die Zweifel, die dazu angesprochen worden sind, berechtigt sind, nicht weiterbringen wird. Wir können nicht erwarten, dass uns das Bundesverfassungsgericht quasi einen Kommentar schreibt, wie wir später unsere Gesetze zu formulieren hätten.