Protocol of the Session on October 18, 2007

vaten Lebensgestaltung. Das haben Sie durchaus gesagt, es steht davon aber nichts in Ihrem Dringlichkeitsantrag. Diese Feststellung wurde kürzlich auch in der ersten Anhörung durch das Bundesverfassungsgericht deutlich. Allein diese zwei Tatsachen sollten für Befürworter der Online-Durchsuchung Anlass genug sein, sachlich und juristisch sauber zu argumentieren. Ich kenne durchaus Politiker, die das versuchen. Die CSU-Landtagsfraktion gehört aber, wenn man sich diesen Dringlichkeitsantrag so anschaut, offensichtlich nicht dazu.

Kolleginnen und Kollegen, wer in Grundrechte eingreift, muss explizit nachweisen, dass der Eingriff zur Abwehr und zur Verfolgung schwerer Straftaten absolut notwendig ist. Zudem muss er darlegen, dass diese Erkenntnisse nicht durch minderschwere Eingriffe in Grundrechte beizubringen sind. Wahrscheinlich ist Ihnen selbst klar, dass dieser Nachweis nicht einfach ist. Deshalb drücken Sie sich um diese Beweisführung auch herum.

(Alexander König (CSU): Sie müssen sich entscheiden, ob Sie dafür oder dagegen sind!)

Herr Kollege König, Sie schreiben in der Begründung zu Ihrem Antrag, ich zitiere:

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die sogenannte Online-Durchsuchung zu Zwecken der Strafverfolgung derzeit nach geltendem Recht unzulässig ist, weil es – noch – keine rechtliche Grundlage dafür in der Strafprozessordnung gibt. Aufgabe des Gesetzgebers ist es infolgedessen, die Rechtsgrundlagen so schnell wie möglich zu schaffen.

Ich sage Ihnen: Aufgabe des Gesetzgebers ist es, unter Abwägung von Fragen der Grundrechte und Fragen der inneren Sicherheit zu entscheiden, ob eine Maßnahme auch tatsächlich notwendig ist. Gibt es hier berechtigte Zweifel, ist von dieser Maßnahme Abstand zu nehmen.

Der private Computer beherbergt eine Unmenge von sensiblen persönlichen Daten. Wer früher seine Liebesbriefe in der gestärkten Bettwäsche versteckt hat, speichert sie heute auf dem Computer. Die umfangreiche Korrespondenz mit der Krankenkasse, der Bank und der Versicherung, alles wird im Computer gespeichert. Das Tagebuch befindet sich auf dem Computer. Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen. Der Computer ist Teil des Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung, Teil der Wohnung, die das Grundgesetz als besonders schützenswert bezeichnet.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Grundgesetz stellt hohe Hürden für den polizeilichen Zugriff auf die Wohnung auf. Kolleginnen und Kollegen, die verdeckte und heimliche Online-Durchsuchung ist letztlich mit einer heimlichen Wohnungsdurchsuchung gleichzusetzen. Ist das die Forderung, die die CSU aus dem Hut zaubern wird, wenn ihre Begehrlichkeiten in diesem Punkt gedeckt sind?

Bereits heute haben wir verschiedene Möglichkeiten des Zugriffs auf elektronische Daten. Wir haben die Möglichkeit, Computer oder Festplatten zu beschlagnahmen. Wir haben die Möglichkeit, Datenverkehr, E-Mails oder auch Internet-Telefonate abzuhören.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Peterke?

Wir haben außerdem die Mitwirkungspflicht der InternetProvider und der Telekommunikationsanbieter, die sich verpflichtet haben, den Zugang zu Daten zu ermöglichen. In der ganzen Diskussion wurde noch kein einziger Fall genannt, von niemandem, bei dem im Vergleich zur Online-Durchsuchung die minderschweren Eingriffe nicht ausreichen würden, um für die Prävention und Repression an die erforderlichen Daten zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, das Grundgesetz und Urteile des Bundesverfassungsgerichts legen uns als Demokraten die Verpflichtung auf, beim Zugriff auf persönliche Daten und Informationen juristisch und inhaltlich sorgfältig zu argumentieren und abzuwägen. Stattdessen wird nur gebetsmühlenartig wiederholt, dass man die OnlineDurchsuchung brauche, mit der Begründung, dass man sie eben haben wolle.

Warum vermeiden Sie es eigentlich, einen Beleg für diese Behauptung zu erbringen?

(Beifall bei der SPD)

Ich sage: Weil es großen Teilen der CSU nicht darum geht, bei der Polizei anscheinend vorhandene Probleme zu lösen, sondern weil es darum geht, politisch Stimmung zu machen. Das Thema wird für die Profilbildung der Union missbraucht. Die Grundrechte, Kolleginnen und Kollegen, sind aber keine Spielwiese für Parteistrategen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Herr Kollege König, die Grundrechte sind der Kern unseres gemeinschaftlichen Selbstverständnisses und verdienen eine ernsthafte Diskussion und nicht solche Anträge!

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Sie reden immer von der Online-Durchsuchung und stellen dabei nicht klar, dass es äußerst unterschiedliche Arten des Zugriffs gibt, die auch unterschiedlich schwer wiegen. Meinen Sie die Erstellung einer Eins-zu-einsKopie einer Festplatte, die anschließend ausgewertet wird – das kann man auch online machen –, oder meinen Sie den regelmäßigen Zugriff auf fremde Rechner, um diese nach bestimmten Inhalten zu durchsuchen? Meinen Sie die kontinuierliche Überwachung der Ein- und Ausgabe auf einem Rechner, beispielsweise durch die Tastatureingabe? Oder meinen Sie eine manuelle Überwachung

durch Beamte? Meinen Sie gar eine automatische Überwachung durch das Einbringen von Spionagesoftware? – Letzteres kann im Übrigen zu einer Explosion der Fallzahlen bei der Telekommunikationsüberwachung führen. Doch davon steht kein Wort im Antrag oder in der Begründung. Wie also wollen Sie den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung schützen?

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Auch davon steht kein Wort im Antrag oder in seiner Begründung. Es gibt nur blumige Worte in Ihren Ausführungen, der Antrag selbst ist verhältnismäßig mager gehalten. Es wird kein Straftatenkatalog aufgezeigt, es werden keine Abwägungen dargelegt, es werden keine Wege aufgezeigt, wie persönliche Daten geschützt werden. All diese Fragen werden Sie aber beantworten müssen, wenn Sie mit dieser Argumentation vor dem Bundesverfassungsgericht stehen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Mit der Argumentation in Ihrem Antrag kommen Sie dort noch nicht einmal beim Pförtner vorbei.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Ansonsten, Herr Kollege, strotzen Antrag und Begründung nur so von schlampigen Formulierungen: Die Änderung der Strafprozessordnung wird im Zusammenhang mit präventiven Maßnahmen genannt, die Beschlagnahme von Festplatten taucht als präventives Mittel auf. Alles in allem ist das nur ein Beleg dafür, dass es Ihnen nicht ernst damit ist, ein – wie ich sage – angebliches Problem in der Polizeiarbeit zu lösen.

Es gibt noch einen Beweis, der wohl am schwersten wiegt: Bei den für die Auswertung von Datenträgern zuständigen Stellen bei der bayerischen Polizei stapeln sich Computer und Festplatten über Monate hinweg und können nicht ausgewertet werden, weil es an Personal und an einer vernünftigen Ausstattung mangelt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Weil sie keine Leute haben! – Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Doch Sie tun so, als ob ohne Online-Durchsuchung die Sicherheit unseres Landes nicht mehr gewährleistet werden kann. Machen Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben. Sorgen Sie für eine ordentliche Ausstattung der bayerischen Polizei mit Personal und Material, bevor Sie solche Anträge stellen.

(Alexander König (CSU): Dazu könnten Sie einen Beitrag leisten!)

Wir werden diesen Antrag ablehnen. Ich empfehle Ihnen, den Antrag zurückzuziehen und sich jemanden zu suchen, der sich damit auskennt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Ale- xander König (CSU): Ihr Beitrag war unqualifiziert!)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Dieser Antrag ist peinlich!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Antrag ist peinlich, weil er zum wiederholten Male die Bedeutungslosigkeit der CSU auf Bundesebene dokumentiert. Ich frage mich schon, warum Herr Schmid in neuer Funktion und Rolle ausgerechnet diesen Antrag als Erster unterschrieben hat.

Der Antrag ist dünn, weil er auf die konkreten rechtlichen und technischen Probleme der Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchungen in keiner Weise eingeht. Der Antrag ist verantwortungslos, weil er nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu weniger Sicherheit führen wird,

(Beifall bei den GRÜNEN)

wenn ich daran denke, wie zum Beispiel die gerichtliche Verwertbarkeit, die Gerichtsfestigkeit von Informationen, die durch Online-Durchsuchung gewonnen worden sind, aussieht. Stellen Sie sich einmal vor, wenn man dann jemanden freilassen muss.

Wir fangen in der Sicherheitsdebatte nicht bei null an, trotzdem versuchen Sie bei jeder Maßnahme aufs Neue, den Eindruck zu erwecken, hiervon hinge das Wohl der ganzen Welt ab.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist populistisch!)

Wir haben das Instrument der „Bundeswehr im Inneren“. Nur mit dieser „Bundeswehr im Inneren“ werden wir mehr Sicherheit haben, so ist Ihre Devise. Wir haben die Ausweitung von DNA-Speicherungen. Wir haben die Handy-Ortung, und wir haben die Rasterfahndung. Das ist auch so ein sinnloses Instrument. Wir haben die Kontenabfragen, die Ihnen besonders wehtun, und eine Reihe weiterer Maßnahmen seit dem Jahr 2001. Die Liste ist wirklich lang. Trotzdem haben wir seit sechs Jahren nicht mehr Sicherheit. Doch Sie wollen uns weismachen, wir werden endlich mehr Sicherheit haben, wenn wir Online-Durchsuchungen durchführen. Erstaunlicherweise ist es so, dass einzelne Instrumente, die Sie immer wieder vorführen, nicht für mehr Sicherheit sorgen. Sollte die Online-Durchsuchung in Zukunft eingeführt werden, so wird auch diese letzten Endes nicht genügen. Damit prophezeie ich nichts Neues.

Meine sehr geehrten Herren und Damen, Sie werden mehr tun müssen, als Grundrechte zu beschneiden. Damit verweise ich auch gleich auf unseren letzten Antrag auf Drucksache 15/8673 zu diesem Thema. Wir haben im Ausschuss und im Plenum darüber diskutiert, wie man Freiheit und Sicherheit schützen kann, und zwar mit rechtsstaatlichen Mitteln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich verweise auch auf die Ministerbefragung von heute Morgen. Kümmern Sie sich erst einmal um die Ausstattung und um die Arbeitsbedingungen der Polizei vor Ort.

(Beifall bei den GRÜNEN und eines Abgeord- neten der SPD)

Kümmern Sie sich um die realen Auswirkungen auf die Sicherheitsleistungen vor Ort, bevor Sie Instrumente einführen, von denen wir nicht wissen, ob sie uns wirklich nutzen, von denen wir aber sehr wohl wissen, wie sehr sie in Bürgerrechte eindringen.

Im Konkreten: Es gibt, das wurde hier schon gesagt, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach OnlineDurchsuchungen zum derzeitigen Zeitpunkt ohne rechtliche Grundlage, klar illegal sind. Ich rechne es dem Justizministerium sehr hoch an, dass es eingeräumt hat, eine Online-Durchsuchung durchgeführt zu haben. Ich gehe davon aus, dass jetzt erst einmal abgewartet wird, was sich weiter tut, und keine weiteren Online-Durchsuchungen durchgeführt werden. Das Innenministerium, da hätte ich jetzt ganz gern eine Stellungnahme, was der neue Innenminister zu diesem Antrag sagt – –