Protocol of the Session on September 25, 2007

Mit Sorge erfüllen uns die jüngsten Festnahmen von Deutschen im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Erste Meldungen deuten darauf hin, dass sich diese Männer in Ausbildungscamps der Al Kaida aufhielten und zwei davon in Deutschland als mögliche Gefährder bereits identifi ziert und bekannt waren. Bislang liegen uns zwar noch keine detaillierten Informationen zu den Aufenthaltsorten und Zielen dieser Personen vor. Die Festnahmen zeigen uns aber, dass wir gewappnet sein müssen und unser Kampf gegen Terroranschläge bereits weit im Vorfeld der bekannten Terrororganisationen beginnen muss.

Lassen Sie mich, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, im Folgenden einiges zu den Maßnahmen sagen, mit denen wir auf die Terrorgefahr reagieren. Selbstverständlich haben wir in Bayern die Polizeipräsenz an gefährdeten Objekten und Plätzen wie Flughäfen und Bahnhöfen deutlich erhöht. Dazu gehört auch in besonderer Weise der Schutz amerikanischer, britischer, jüdischer und israelischer Einrichtungen. Gleichzeitig setzen wir besonders auf eine vertrauensbildende Zusammenarbeit zwischen unseren Sicherheitsbehörden und muslimischen Organisationen. Natürlich haben wir bereits unmittelbar nach dem 11. September 2001 erste lokale, regionale und überregionale Konzeptionen zur Steigerung der Sicherheit entwickelt, Konzepte, die wir in den vergangenen Jahren verbessert und den aktuellen Entwicklungen angepasst haben, Konzepte, die unsere Position im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus stärken.

Jenen Fundamentalisten, die wir als Gefährder für unsere demokratische pluralistische Gesellschaft erkennen, zeigen wir, dass für sie bei uns kein Platz ist. Dank der neuen Regelungen im Zuwanderungsgesetz können wir seit Januar 2005 auf zusätzliche sicherheitsrechtliche Instrumentarien wie etwa die erleichterte Abschiebung zurückgreifen. Um die neuen Möglichkeiten umfassend zu nutzen, haben wir die Arbeitsgruppe „BIRGiT“ – das steht für Beschleunigte Identifi zierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus – mit Spezialisten der Ausländerbehörden, des Verfassungsschutzes, der Polizei und anderen Behörden eingesetzt. Sie führt alle wichtigen Informationen über diese Gefährder zusammen. Es ist entscheidend, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Informationen fl ießen, dass die wichtigen Informationen dort gebündelt werden, wo die entsprechenden Maßnahmen in die Wege geleitet werden.

Unter dieser Koordination sind inzwischen 69 Ausweisungsbescheide gegen Gefährder und Hassprediger ergangen. Wohlgemerkt, 69 dieser Höchstgefährder mussten unser Land verlassen. In 43 Fällen wurde auch die Wiedereinreise untersagt. Ferner haben wir ein Konzept zur Aufklärung krimineller islamistischer Strukturen – „AkiS“ genannt – entwickelt. Das erklärte Ziel der speziell geschulten Einheiten ist es, Verbindungen und Strukturen krimineller Islamisten aufzudecken, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren und festgestellte Straftaten konsequent zu verfolgen.

Um den heutigen Bedrohungen effektiv begegnen zu können, haben die Sicherheitsbehörden die notwendigen Befugnisse bekommen. So wurde aufbauend auf den polizeilichen Erfahrungen der letzten Jahre das Polizeiaufgabengesetz – kurz PAG genannt – geändert, indem wir die Befugnisse zur präventiven Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung neu geregelt haben. Unsere Polizei kann damit ihrem präventiven Auftrag noch umfassender nachkommen. In dem von mir geleiteten Ausschuss für Innere Sicherheit haben wir diese Regelungen auf den Weg gebracht. Wir haben die gesetzlichen Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass unsere Polizei und unsere Sicherheitsbehörden wirkungsvoll agieren können. Alles das erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium. So konnten diese wichtigen Maßnahmen, die ich hier natürlich nur stichpunktartig aufzeigen kann, auf den Weg gebracht werden. Die Anwendung dieser Instrumentarien hat schon zu einer Reihe von Erfolgen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande geführt.

Verehrte Damen und Herren, das Internet hat sich zu einer modernen Tatvorbereitungswaffe für Terroristen und andere schwere Straftäter entwickelt. Dort fi ndet man Anleitungen zum Bombenbau, Propaganda für den heiligen Krieg, den Dschihad bis hin zur gezielten Aufforderung oder Verabredung zu terroristischen Anschlägen. Das Bundeskriminalamt muss deshalb rasch in die Lage versetzt werden, auf diese neuen Herausforderungen angemessen und wirkungsvoll zu reagieren. Auch die Landeskriminalämter müssen die erforderlichen Befugnisse bekommen.

Ein unverzichtbares Instrument ist der verdeckte Zugriff auf Computer von Terroristen. Mit der Beschlagnahme des Computers einschließlich der Festplatte ist es im Zeitalter der Hochtechnologie nicht mehr getan. Professionelle Täter – Terroristen gehen hochprofessionell zu Werke – verschlüsseln ihre Daten auf den Festplatten, sodass sie im Fall einer Beschlagnahme nichts mehr wert sind. Mit Hilfe von Online-Durchsuchungen können diese Daten vor der Verschlüsselung aber ausgelesen werden, sodass daraus die Maßnahmen abgeleitet werden können, die notwendig sind, um Straftaten zu verhindern und um zu verhindern, dass Maßnahmen in die Wege geleitet werden, die dem Schutz der Bevölkerung entgegenstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ausdrücklich festhalten, dass es bei Online-Durchsuchungen nur um gezielte Maßnahmen gegen einzelne professionelle schwer kriminelle Terroristen geht. 99 % aller Menschen in Deutschland werden von diesen Durchsuchungen nie betroffen sein. Niemand denkt bei Online-Durchsuchungen an eine Schleppnetzfahndung im Internet. Zudem wird eine verfassungskonforme Online-Durchsuchung nur auf richterliche Anordnung erfolgen. Die Privatsphäre des Einzelnen bleibt selbstverständlich gewahrt. Es ist deshalb völlig abwegig, wenn in der Bevölkerung Ängste vor einer fl ächendeckenden Ausforschung ihrer Computer geschürt werden.

Verehrte Damen und Herren, es gibt eine Lebensweisheit, die lautet: Der Preis der Freiheit ist die Wachsamkeit. Wir müssen wachsam sein. Wir müssen die Instrumente anwenden, die notwendig sind, um schwere terroristische Straftaten zu verhindern. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir dürfen jedoch nicht stehen bleiben, denn Stillstand wäre ein Rückschritt. Die potentiellen Straftäter und Terroristen entwickeln ihre Methoden und hochtechnologischen Mittel immer weiter. Darauf müssen wir reagieren. Da dürfen wir nicht stehen bleiben. Ich fordere alle demokratisch gesinnten Kräfte auf, denen die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger wichtig ist, gemeinsam mit uns den Weg der erfolgreichen bayerischen Sicherheitspolitik zu gehen, damit wir auch in meinem Fachausschuss die notwendigen Maßnahmen auf den Weg bringen und gewährleisten können, dass unsere Sicherheitskräfte, ausgestattet mit den richtigen Instrumentarien, den Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich bestehen können.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Schmitt-Bussinger.

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der CSU Fraktion, Sie haben heute diese Aktuelle Stunde beantragt, um über die wirksame Bekämpfung von Terrorgefahren zu sprechen.

(Engelbert Kupka (CSU): Das hätten wir schon gern!)

Ich frage mich hier schon, was der aktuelle Anlass für dieses Thema ist. Wollen Sie, was offensichtlich ist, die Auseinandersetzung innerhalb der Großen Koalition unbedingt auf bayerischer Ebene fortführen? – Davon kann ich nur abraten. Solche konstruierten Debatten schaden nur.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Sie schaden der Glaubwürdigkeit der Politik und höhlen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger darauf aus, dass die Verantwortlichen verlässliche Lösungen für anstehende Sicherheitsprobleme fi nden werden. Vielleicht möchte sich der eine oder andere Kollege auch nur einmal vor der Kabinettsumbildung profi lieren. Das ist aber nicht unser Thema.

Verehrte Damen und Herren, wie ist die aktuelle Sicherheitslage? Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Wochen nicht erkennbar verändert. Daran ändert auch die Festnahme von potentiellen Attentätern vor wenigen Wochen nichts. Wir wissen schon seit geraumer Zeit, dass Deutschland nicht mehr nur Ruhe- und Vorbereitungsraum ist, sondern dass es Teil eines abstrakten Gefahrenraums geworden ist, wie Sie, Herr Kollege Kreidl, es festgestellt haben. Schon Innenminister Otto Schily hat mit dem Gesetzespaket zur Terrorbekämpfung darauf klar und entschieden reagiert. Dass auch Deutschland Ziel von Anschlägen sein kann, wissen wir spätestens seit den versuchten Anschlägen in den Kölner Regionalzügen.

Ich habe deshalb den Eindruck, dass sich die Sicherheitslage seitdem nicht signifi kant geändert hat. Offenbar sehen Sie es anders, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Zumindest kam aus den Reihen der Union in den letzten Wochen eine Vielzahl von Vorschlägen zur inneren Sicherheit. Die meisten waren unausgegoren, nicht durchdacht oder verfassungsrechtlich bedenklich bzw. sogar verfassungswidrig. Ich darf noch einmal daran erinnern, was alles gefordert wurde und was Sie, verehrter Kollege Kreidl, auch heute wieder aufgegriffen haben. Gefordert wurde zum Beispiel die Online-Durchsuchung von Computern, obwohl massive verfassungsrechtliche Zweifel bestehen. Darüber hinaus wurde der Abschuss von Passagierfl ugzeugen ins Gespräch gebracht, obwohl wir eine klare Weisung des Bundesverfassungsgerichts haben, nach der ein Abschuss unbeteiligter Fluggäste verfassungswidrig ist. Leichtfertig wurde die Registrierung sämtlicher zum Islam übergetretenen Konvertiten gefordert. Was daraus werden sollte, sollten Sie sich auch einmal überlegen. Wollen Sie dann die Telefone aller Konvertiten überwachen? Dazu muss man deutlich sagen: Hier wird ein Generalverdacht konstruiert, der keinen Zugewinn an Sicherheit bringt.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Darüber hinaus wurde von Seiten der Union ein abstraktes Gefahrenszenario ohne konkreten Anlass an die Wand gemalt. Das gilt für den Einsatz der sogenannten

schmutzigen Bombe ebenso wie für die von Ihnen, Herr Innenminister Beckstein, genannten Angriffe von der See aus.

Natürlich sind diese Themen ernst zu nehmen. Das muss man hier deutlich sagen. Natürlich kann jedes dieser abstrakten Szenarien einmal Wirklichkeit werden, auch wenn wir es nicht hoffen wollen. Da verbietet es sich, von der sprichwörtlichen „neuen Sau“ zu sprechen, die „durchs Dorf getrieben“ werden soll. Dennoch muss man sich fragen, was die Presseäußerungen der letzten Tage und Woche für die innere Sicherheit in Deutschland und in Bayern gebracht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben nichts gebracht außer einer fahrlässigen Verunsicherung der Bevölkerung. Wir Sozialdemokraten sind bereit, mit Ihnen über notwendige und sinnvolle Änderungen zu reden. Denken Sie dabei an die Formulierung der Strafvorschriften gegen eine Ausbildung in Terrorcamps, an der Frau Zypries derzeit arbeitet.

Wie sich in einem aktuellen Fall gezeigt hat, stellt die Ausbildung zur Verübung von Terroranschlägen in ausländischen Trainingscamps eine Bedrohung für die Sicherheit in unserem Lande dar. Deshalb prüfen wir strafrechtliche Konsequenzen für jene, die sich in Terrorcamps ausbilden lassen, um terroristische Anschläge zu verüben. Wir haben mit unserem Ja dem Bundeskriminalamt – BKA – die präventiven Ermittlungsbefugnisse zugebilligt. Nun müssen die gesetzlichen Vorgaben geschaffen werden. Leider fasst Bundesinnenminister Schäuble das Ja zu den präventiven Befugnissen des BKA in einem Junktim bezüglich der T-Online-Untersuchungen zusammen. Diese Verzögerung – das sage ich deutlich – ist selbst gewählt und von uns nicht gewünscht.

Meine Damen und Herren, auch für Bayern kann man feststellen, dass die Debatte um die innere Sicherheit in eine gewaltige Schiefl age gekommen ist. Auf der einen Seite fordern Sie ständig für die Polizei und den Verfassungsschutz neue Befugnisse insbesondere für die Bereiche, die technisch und personell sehr aufwendig sind. Auf der anderen Seite stellt sich die Realität in den bayerischen Polizeidienststellen ganz anders dar. Zur Haushaltssanierung werden Personalstellen abgebaut. In der Folge werden sogar Konzepte für die zeitweilige Schließung von Polizeidienststellen vorgelegt. Die Beamten in den Dienststellen streiten sich um die wenigen Computerarbeitsplätze, wenn sie ihre Berichte schreiben müssen, und – für die Terrorabwehr besonders prekär – es liegen beschlagnahmte Computer monatelang ohne Auswertung herum, weil das Personal für die Auswertung nicht ausreicht. Stellen Sie sich vor: Mögliche Erkenntnisse sind nicht möglich, weil kein Personal da ist, das diese Erkenntnisse beibringen könnte. Gleiches gilt für Telefonmitschnitte. Auch hier gibt es monatelange Verzögerungen bei der Auswertung. Die Weiterleitung von DNA-Daten an das BKA erfolgt ebenfalls verspätet. Das, meine Damen und Herren, ist die konkrete Aufgabe für die Bayerische Staatsregierung und für den noch amtierenden und den künftigen Innenminister.

Wir Sozialdemokraten fordern seit Jahren mehr Geld, Personal und Sachmittel für die bayerische Polizei. Sie kürzen an allen Ecken und Enden und rufen ständig nach neuen Kompetenzen. Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen, dass wir für den Nachtragshaushalt in diesem Herbst wieder Anträge einbringen werden, die eine Erleichterung für unsere Polizei zum Inhalt haben werden und die Polizei endlich in die Lage versetzen sollen, ihre Aufgaben erfüllen zu können. Dies dient der inneren Sicherheit mehr als die hektischen Verlautbarungen diverser Minister in den letzten Wochen.

Verehrte Damen und Herren, wir sollten uns darauf einigen, dass Angstmacherei kein Mittel der Innenpolitik sein darf. Es ist hochgradig unanständig, aus parteipolitischen Gründen den Menschen Angst einzujagen, nur um sich strategische Vorteile zu verschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich plädiere deswegen für eine Sicherheitspolitik mit klarem Verstand und kühlem Kopf. An einer Angstdebatte werden wir Sozialdemokraten uns jedenfalls nicht beteiligen, und schon gar nicht werden wir eine Debatte zulassen, in der aus parteipolitischen Gründen versucht werden soll, uns den Schwarzen Peter nach dem Motto zuzuschieben: Wir machen viele unrefl ektierte Vorschläge und wenn etwas passieren sollte, zeigen wir mit dem Finger auf die SPD und sagen, die haben Schuld. Dieses Spiel sollten Sie sein lassen. Das ist unwürdig, und da werden wir nicht mitspielen.

(Beifall bei der SPD)

Verehrter Herr Staatsminister Dr. Beckstein, vermutlich ist es heute das letzte Mal, dass wir uns als Fachpolitiker für innere Sicherheit gegenüberstehen. Sie haben als Innenminister keine Kontroverse mit uns Sozialdemokraten gescheut und manche politische Finte angewandt, um Ihre Ziele zu erreichen. Wir haben uns politisch nichts geschenkt. Bei manchen Themen haben uns Welten getrennt. Ich brauche das nicht im Einzelnen aufzuzählen. Das werden wir heute noch hören. Der Umgang miteinander war aber kollegial und die gegenseitige Achtung beiderseits gewährleistet. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich bei Ihnen.

An Ihrem Nachfolger oder auch Ihrer Nachfolgerin wird es nun liegen, die bayerischen Hemmnisse für eine wirksame Terrorbekämpfung abzubauen, die unserer Auffassung nach in der personellen und sachlichen Ausstattung besteht. Damit wird derjenige oder diejenige, die Ihnen nachfolgt, genug zu tun haben. Wir wollen hoffen, dass auf die Verbesserung der bayerischen Rahmenbedingungen mehr Zeit verwendet wird als auf die unrefl ektierten Vorschläge der vergangenen Wochen.

In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Welchem Ziel dient die heutige Debatte im Bayerischen Landtag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU? – Wir haben den Eindruck, sie dient vornehmlich dazu, zu versuchen, die Machtgewichte in Berlin zulasten der SPD zu verschieben, und dazu ist Ihnen jedes Mittel recht, auch die Instrumentalisierung der Innenpolitik und die Verunsicherung der Bevölkerung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten Schäuble gestoppt, als er über die Sommermonate hinweg ein Schreckensszenario nach dem anderen entwickelte. Sie haben ihn leider auch dann nicht gestoppt, als er sagte, es wäre möglich, dass Terroristen eine Nuklearbombe bauen, um danach der Bevölkerung die Empfehlung zu geben: Genießen Sie bis dahin das Leben. Dieser so gezeigte Fatalismus, mit dem Sie das Vertrauen in die Politik unterminieren lassen, mit dem Sie den Eindruck erwecken, der demokratische Rechtsstaat sei mit seiner Verfassung in einer solchen Bedrohungslage nicht handlungsfähig, ist unverantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In einem Land, in dem Sicherheitspolitik – und dies nicht erst seit ein paar Wochen, sondern schon lange – für vornehmlich parteipolitische Zwecke missbraucht wird, ist es um die Sicherheitspolitik schlecht bestellt.

Sicherheitspolitik erfordert eine rationale Debatte ohne Hysterie, ohne Aktionismus, ohne Übertreibungen, ohne Panikmache und ohne ständig neue Schreckensszenarien. Ich zitiere den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei – GdP –, Konrad Freiberg. Er sagt: „Ein Staat, wie Schäuble ihn an die Wand malt, will niemand in Deutschland, auch nicht die Polizei. Die Terrorgefahr darf nicht parteipolitisch instrumentalisiert werden.“

Kurzfristig, Herr Minister Dr. Beckstein, gab es die Hoffnung, Sie scherten aus der Riege der Panikmacher aus. Sie haben zumindest, als Schäuble die Forderung zur gezielten Tötung von Terroristen in den öffentlichen Raum stellte, gesagt, dass Sie mit diesem Vorschlag nicht einverstanden wären und die terroristische Gewalt nicht außerhalb des Grundgesetzes bekämpft werden dürfe. Mittlerweile haben Sie sich jedoch wieder in die Liste derer eingereiht, die Woche für Woche neue verfassungswidrige Forderungen in den Raum stellen. Beispielsweise haben Sie eine Begründung gesucht für Grundgesetzänderungen im Bereich der Bundeswehreinsätze im Inland, wobei Ihnen als bayerischer Innenminister die Sicherheit der Seehäfen in den Sinn kam, die man vor Bootsterroristen schützen müsse.

Die Liste der Vorschläge, die in den letzten Monaten gemacht worden sind, um eine angebliche Sicherheit im Inneren herzustellen, wird immer länger und bleibt dennoch

ohne Sinn und ohne Konsequenz. Ich zähle kurz auf: Sie fordern Handy-Verbote. Sie fordern Konvertitendateien. Sie forderten – zumindest der von Ihnen mitgetragene CDU-Verteidigungsminister – den Abschuss von Flugzeugen. Sie haben nichts dazu gesagt, als Herr Schäuble forderte, dass Verdächtige vorbeugend inhaftiert werden sollten. Sie sagten auch nichts, als Herr Schäuble den schwammigen Begriff der „Verschwörung“ als Grundlage für Strafen einführen wollte. Sie fordern außerdem auch heute wieder die Online-Untersuchung von Computern.

Erst wurde gesagt, die Online-Untersuchung von Computern sollte – in Anführungszeichen – nur bei „terrorverdächtigen Menschen“ durchgeführt werden. Gestern bereits forderte der CDU-Vorsitzende des Landes Rheinland-Pfalz, dass die Online-Untersuchung von Computern bitte schön auch bei Fußballrowdys durchgeführt werden sollte. Die Zahl der Forderungen wird Tag für Tag größer. Herr Kollege Dr. Kreidl, diese Forderungen sind zum Beispiel bei der Online-Untersuchung mit falschen Hoffnungen verknüpft. Ein geschulter Terrorist öffnet keine E-Mails mit angehängten Bundestrojanern. Ein geschulter Terrorist kann seinen Computer gegen Angriffe von außen abschotten, wie das ein gutes Unternehmen tut. Das Bundeswirtschaftsministerium tut dies zwar nicht, aber ein geschulter Terrorist und ein geschultes Unternehmen können dies tun.

Die Liste der von Ihnen geäußerten Forderungen reicht weiter über die Sammlung von Flugdaten und die Speicherung von Fingerabdrücken in Personalausweisen bis zur Speicherung von biometrischen Merkmalen in Personalausweisen. Dies würde zu einer Vollerfassung von biometrischen Daten der Bevölkerung führen. Sie fordern weiterhin die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung, des Kennzeichenscannings usw.

Ich möchte Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass unser Staat nicht schutzlos ist. Er hat eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeführt. Aufgrund dieser Maßnahmen konnten Terroranschläge in Deutschland erfolgreich vereitelt und verhindert werden.

Die Frage lautet: Was brauchen wir, um wirklich Sicherheit herzustellen? Frau Kollegin Schmitt-Bussinger ist darauf schon kurz eingegangen. Ich zitiere noch einmal den GdP-Chef Freiberg: „Eine Reihe von Gefährdern kennt die Polizei, aber leider ist die Polizei aus Personalmangel nicht in der Lage, diese Personen ausreichend zu überwachen.“ Weiterhin werden bundesweit und in Bayern Polizeistellen abgebaut. Sowohl die Reform der Bundespolizei als auch die Polizeireform in Bayern haben nicht dazu geführt, dass die Zahl der Polizisten, die unmittelbare Sicherheitsaufgaben leisten können, vergrößert wird. Stattdessen wird die Verwaltung aufgebläht. Die Zahl der Stabsstellen wird beispielsweise in Bayern durch die Teilung von Präsidien in Schwaben, in Oberbayern und in der Oberpfalz gemehrt.

(Beifall der Abgeordneten Helga Schmitt-Bus- singer (SPD))

Diese Polizeireform bringt nicht mehr Beamte an den Einsatzort und an den Bürger, sondern bläht den Verwaltungsapparat auf.