Heute versuchen wir in der Zweiten Lesung unseres Entwurfs zur Änderung des Bestattungsgesetzes erneut, Befürchtungen zu zerstreuen, dass mit der Öffnung der Vorschriften hin zu mehr Entscheidungsfreiheit Zustände wie in Sodom und Gomorrha über uns hereinbrechen könnten. Wir sind mit den von uns vorgeschlagenen Änderungen im Bestattungsrecht dem Vorbild der Schweiz und der Niederlande gefolgt sowie dem Vorbild einer Reihe anderer europäischer Länder. Wenn immer wieder dieselben Vorurteile bemüht werden, muss man bedenken, dass es in anderen Ländern bereits funktionierende derartige Regelungen gibt.
So darf zum Beispiel die Urne mit nach Hause genommen werden. Sie darf nach unserer Vorstellung dann mit nach Hause genommen werden – und nur dann –, wenn die Verstorbenen das ausdrücklich und nachweislich gewünscht haben. Auch dann soll diese Erlaubnis nur erteilt werden, wenn der Wunsch nachweisbar ist, zum Beispiel im Testament niedergelegt wird, und auch nur dann, wenn die Angehörigen einen Antrag stellen. Die Behauptung, man würde dann den Angehörigen die Urne aufzwingen, ist völliger Unsinn. Erst dann, wenn die Angehörigen einen Antrag stellen und wenn geprüft worden ist, ob das dem Wunsch des Verstorbenen entspricht, und wenn dem keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen – das ist die dritte Sicherung –, kann die Urne mit nach Hause genommen werden. Das wird bei circa einem Prozent der Menschen der Fall sein.
Wir als Politiker haben nicht die Aufgabe, Gesinnung zu überprüfen oder gar vorzuschreiben, wie Trauer auszusehen hat.
Im Ausschuss wurde angemerkt, man könne nicht einfach davon ausgehen, dass die Verantwortung, die übertragen wird, immer auch im Sinne des Verstorbenen wahrgenommen wird. Wir sind aber der Auffassung, dass diese Verantwortung bei den Betroffenen verbleiben muss.
Bei uns im Büro gab es Anfragen, ob eine Chance bestünde, dass unserem Gesetzentwurf zugestimmt wird. Ich fi nde es immer wieder schön, dass man uns so viel Macht zutraut. Ich musste dann natürlich verneinen, aber gut, vielleicht ergibt sich hier noch etwas. Ich möchte aufzählen, wer alles angerufen hat. Das waren Angehörige, zum Beispiel Kinder, die ins Ausland gehen und ihre verstorbenen Angehörigen nicht einfach vor Ort lassen
wollten, sondern die Urne in die USA mitnehmen wollten, wo das überhaupt kein Problem ist. Es riefen auch Partner Verstorbener an, die umziehen wollten und sich dann nicht hätten ums Grab kümmern können. Es riefen auch Leute an, die eine Erleichterung wollten, weil sie selbst behindert sind. Es gab eine Menge von Anfragen, die uns gezeigt haben, dass wir sehr wohl auf dem richtigen Weg sind, wenn wir hier für eine Erleichterung sorgen wollen.
Das zweite Anliegen des Gesetzentwurfs, das eng mit dem Antrag zur Erleichterung islamischer Bestattungen zusammenhängt, ist einer wachsenden Zahl von Menschen in unserer Gesellschaft geschuldet, die nicht christlichen Glaubens sind. Das mag uns gefallen oder nicht, aber wir als GRÜNE wollen uns hier nicht in den Kulturkampf begeben, weil Kulturkampf bei Bestattungen keinen Platz hat.
Einige große Städte tragen dem veränderten Bedürfnis, nach eigenen Riten bestatten zu dürfen, zum Teil schon Rechnung, etwa wenn es um die Ausrichtung des Grabes geht. Damit sind die Zugeständnisse aber auch schon vorbei. Wir haben uns nach den Aussagen in zwei Fachgesprächen dafür entschieden, weitere Bestimmungen einzufordern. Das ist einmal die Forderung nach bestimmten Riten bei der Leichenwaschung und zum anderen die Forderung nach Zulassung einer sarglosen Bestattung innerhalb von 24 Stunden. Auch hier haben mich die Bedenken der CSU etwas erstaunt. Uns liegt noch der Briefwechsel aus der letzten Legislaturperiode mit Frau Präsidentin Stamm vor, in dem die islamischen Gemeinden sehr wohl kritisiert haben, dass die Vorschriften hier zu eng gefasst sind.
Selbstverständlich können auch jetzt schon Leichenwaschungen in den Moscheen stattfi nden. Aber dann muss noch umständlich zu den Friedhöfen transportiert werden.
Nun zum Argument der Kosten für die Kommunen. Auch hierzu muss man sagen – insoweit verweise ich auf den Wortlaut des Gesetzestextes –: Die Kritik trifft nicht zu. Es heißt, Räume für die Leichenwaschung seien „zu unterhalten, soweit dafür ein öffentliches Bedürfnis besteht“. Das heißt, die Kommunen treffen eine Ermessensentscheidung.
Selbst wenn man nicht dafür ist, dass die Urne mit nach Hause genommen werdendarf, hätte man vonseiten der SPD wenigstens diesem Punkt unseres Gesetzentwurfs zustimmen können; denn hier wird nichts gefordert, was nicht auch abgesichert ist.
Wenigstens in einem Punkt wurde Konsens gefunden. Wir wollen uns anhand eines Berichts mit den Sozialbe
stattungen auseinandersetzen und überprüfen, wie die Praxis bei den Kommunen ist. Denn – ich glaube, insoweit besteht Einverständnis – arm zu sein, darf nicht ausschlaggebend dafür sein, wie und wo ein Mensch seine letzte Ruhestätte fi ndet.
Wir sind gern bereit, Punkte, bei denen Sie mit uns mitgehen würden, vom Gesamtpaket abzukoppeln und erneut zu beraten. Alles, was im Bestattungsrecht Gängelung abbaut und für mehr Selbstbestimmung spricht, fi ndet unsere Zustimmung.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stahl, gehen Sie davon aus, dass ich mich mit dieser ernst zu nehmenden Thematik sehr genau beschäftigt habe. Wir haben die Diskussion auch schon in den Ausschüssen geführt. Ihre Argumentation zu Sodom und Gomorrha und zu dem, was wir vermeintlich alles einbeziehen, teile ich natürlich nicht.
Wir beraten diesen Gesetzentwurf also heute in Zweiter Lesung. Hierbei geht es um die Änderung des Bestattungsgesetzes. In einem Antrag geht es sodann um die Änderung der Bestattungsverordnung zur Erleichterung islamischer Bestattungen. Gestehen Sie mir auch insoweit zu, dass ich gute Kontakte zu Moslems habe, die mir gesagt haben, dass es von ihrer Seite eigentlich keine Beschwerden gibt. Außerdem wird noch der Antrag „Würdige Form der Sozialbestattungen“ beraten.
Der Gesetzentwurf sowie die beiden Anträge wurden von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebracht. Mit ihnen wird gefordert, dass das Bestattungsgesetz so geändert wird, dass die Beerdigung nach islamischem Ritus und die Aushändigung der Urne mit Totenasche möglich sind. Das bedeutet, dass die Gemeinden verpfl ichtet werden, Räume für die Leichenwaschungen bereitzustellen und zu unterhalten, soweit hierfür ein öffentliches Bedürfnis besteht. Die Aushändigung der Urne mit Totenasche an die Angehörigen würde nur noch bei entgegenstehendem Willen des Verstorbenen oder entgegenstehenden Rechtsvorschriften unterbleiben können.
Die Staatsregierung, so wird formuliert, wird aufgefordert, die Bestattungsordnung dahingehend zu ändern, dass Bestattungen vor Ablauf von 48 Stunden nach Todeseintritt zulässig sind, wenn diese aus religiösen Gründen beantragt werden, und dass aus religiösen Gründen eine Bestattung auf Antrag ohne Sarg zulässig ist. Ferner wird die Staatsregierung gebeten, darüber zu berichten, ob bei Sozialbestattungen eine Einäscherung nur bei entsprechendem Willen der Verstorbenen durchgeführt werden kann.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf sowie die beiden Anträge wurden, wie ich schon
erwähnte, bereits in den Ausschüssen behandelt. Im federführenden Sozialausschuss, im Kommunalausschuss sowie im Verfassungsausschuss wurde der Gesetzentwurf abgelehnt. Der Antrag auf Änderung der Bestattungsordnung wurde im federführenden Sozialausschuss, im Kommunalausschuss und im Verfassungsausschuss abgelehnt.
Ich begründe dies noch einmal. Zunächst zu den Räumen für Leichenwaschungen: Gegen eine generelle Verpfl ichtung der Gemeinden zur Vorhaltung von Räumen für die Leichenwaschungen spricht, dass es bisher auch hierzu keine Forderung seitens der islamischen Glaubensgemeinschaft gibt. Die islamischen Glaubensregeln erfordern nicht zwingend eine rituelle Waschung auf dem Friedhof, und in der Praxis – so auch meine Information – führen die muslimischen Bestattungsunternehmen die Waschungen in ihren eigenen Räumlichkeiten durch.
Die Religionsfreiheit erfordert nicht die Bereitstellung von Räumen für Leichenwaschungen, da die bestehenden Bestattungsregeln eine muslimische Bestattung nicht verhindern und die Religionsfreiheit nur verlangt, dass der Staat die freie Religionsausübung nicht verhindert, nicht aber, dass er sie aktiv ermöglicht. Die Mehrkosten für die Gemeinden stünden in keinem Verhältnis zu den Bedürfnissen einer muslimischen Minderheit, die außerhalb des Friedhofs geeignetere Möglichkeiten für die Waschungen vorfi ndet.
Gestatten Sie hier mir, auch auf die Stellungnahme des Bayerischen Städtetages einzugehen. Der Bayerische Städtetag hat Ihren Gesetzentwurf ebenfalls abgelehnt, und zwar mit folgender Begründung: Ein Handlungsbedarf für die Einführung einer Verpfl ichtung zur Schaffung von Räumen zu Leichenwaschungen bestehe aus seiner Sicht nicht. – Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass in den Städten schon heute die Möglichkeit zur rituellen Waschung besteht. – Sollten Räume eingerichtet werden, müsse man das Konnexitätsprinzip beachten. Dies würde für kleinere Gemeinden und Städte Investitionskosten nach sich ziehen.
Die im Gesetzentwurf des Weiteren vorgesehene Regelung betreffend die Ausnahme vom Friedhofzwang für Urnen wird vom Städtetag ebenfalls abgelehnt. Die Totenruhe könnte in diesem Fall behördlicherseits nicht mehr gewährleistet sein. So sagt es uns das Gesetz. Zudem sei zu befürchten, dass Friedhofsverwaltungen in familiäre Streitigkeiten über den Aufbewahrungsort einbezogen werden könnten. – Soweit die Stellungnahme des Bayerischen Städtetages.
Ich komme noch einmal auf die Möglichkeit für Angehörige zurück, Aschenreste Verstorbener in der Urne mit nach Hause zu nehmen. Es besteht eine Bestattungspfl icht auf einer öffentlich zugänglichen Grabstätte, die dem Bedürfnis der Angehörigen und Freunde nachkommt, an einem festen Ort des Toten zu gedenken. Ein Großteil dieser Gedenkenden wird bei der Entscheidung über die Aufbewahrung in einer konkreten Wohnung übergangen.
Außerdem meine ich: Die Aufbewahrung der Urne in einer Wohnung verträgt sich nicht mit der Totenruhe, und die Urnenaufbewahrung zu Hause entspricht auch nicht dem Empfi nden der Mehrheit der Bevölkerung. Zudem sollen das Bestattungsgesetz und die Verordnung in den nächsten Jahren novelliert werden. Bis dahin sollte man von einer punktuellen Änderung absehen.
Bezüglich islamischer Bestattungen wird auch die Möglichkeit gefordert, diese vor Ablauf der 48-Stundenfrist vorzunehmen. Die Regelung, Beerdigungen frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes zuzulassen, soll die Beerdigung Scheintoter ausschließen. Allerdings sind Ausnahmen von dieser Frist bei berechtigtem Interesse schon nach gültiger Rechtslage möglich. Ein Fall, in dem eine Kommune einem diesbezüglichen Antrag nicht entsprochen hätte, ist nicht bekannt. Deshalb sehen wir auch hier keinen Änderungsbedarf.
Nun zu den Bestattungen ohne Sarg. Es ist uns bekannt, dass im islamischen Ritus ein Leinentuch zu verwenden ist. Aber bei uns muss zusätzlich ein Sarg zur Anwendung gebracht werden. Auch diesbezüglich sind uns keine Beschwerden bekannt. Im Rahmen einer künftigen umfassenden Novellierung des Bestattungsrechts kann über den Sargzwang aus Gründen der Deregulierung diskutiert werden.
Ein weiterer Punkt war der Bericht der Staatsregierung über die Reform der Sozialbestattungen. Nach gründlichen Recherchen liegen ebenfalls keine Beschwerden bezüglich gegen den vorab erklärten Willen der Verstorbenen vorgenommener Einäscherungen vor. Daher besteht kein Anlass für einen Bericht.
Dies war mein Beitrag zu den Anträgen und zum Gesetzentwurf. Wir werden natürlich dem Gesetzentwurf sowie den beiden Anträgen nicht zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Würde des Menschen über den Tod hinaus zu bewahren, ist zentraler Bestandteil jeglicher Trauerkultur. Trauerkultur ist wichtiger Bestandteil jeder Kultur. Seine eigenen Verstorbenen nach den eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen und Traditionen bestatten zu können, ist letztendlich Anliegen jedes Menschen.
Es ist ein diffi ziles Thema, über das wir heute verhandeln, und ich denke, dass sich sowohl eine Befürwortung wie auch eine Ablehnung der Anträge bzw. des Gesetzentwurfs letztendlich nicht auf technokratische Argumentationen stützen können. Ich habe mich in der Beschäftigung mit dem Thema irgendwann auch einmal gefragt: Wie ist das denn eigentlich mit dir selber, wo würdest du dich bestatten lassen? – Für mich war selbstverständ
lich: Natürlich will ich in meiner Heimat bestattet werden. Deutschland und Bayern sind für viele Menschen, die als Migrantinnen und Migranten zu uns gekommen sind, mittlerweile zur Heimat geworden und werden von Tag zu Tag mehr zur Heimat. Dies anzuerkennen und diesen Menschen auch die Möglichkeit zu geben, sich hier – ich habe es zu Anfang schon gesagt – nach ihren weltanschaulichen und religiösen Traditionen bestatten zu lassen, ist meines Erachtens eine Grundvoraussetzung.
Wir begrüßen daher den Antrag der GRÜNEN zur Erleichterung von islamischen Bestattungen in Bayern und werden ihm auch zustimmen. Ebenso begrüßen wir den Antrag zur Schaffung würdigerer Formen der Sozialbestattung. Allerdings haben wir bei dem Gesetzentwurf dann durchaus einige Probleme gerade in Bezug auf die Würde des Menschen.
Die Aushändigung der Urne an die Hinterbliebenen mag durchaus – Sie haben es in Ihrer Rede gesagt – nur dann möglich sein, wenn der Verstorbene selbst das will. Aber es ist natürlich auf Dauer nicht sicherzustellen, dass das, was anschließend damit passiert, immer noch im Sinne des Verstorbenen ist. Ich denke schon, dass es gesellschaftliche Aufgabe ist, hier die Würde des Menschen auch über den Tod hinaus sicherzustellen und zu verteidigen. Das mag in so einem Fall in der ersten Generation völlig problemlos sein, das mag in der zweiten Generation völlig problemlos sein, wenn dann die Urne irgendwo in der Wohnung steht; aber in der dritten oder vierten kann es dann durchaus zu Problemen kommen.
Danke, Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Matschl, kann es nicht auch so sein, dass bei denen, mit denen Sie gesprochen haben, deswegen keine Probleme bestehen, weil die ihre Angehörigen alle in die Heimatländer überführen lassen? Über 90 % nehmen diesen Weg, weil sie – ich kann Ihnen den Schriftwechsel zeigen – hier Probleme haben, nach ihrem Ritus zu bestatten. Deswegen halten wir diese Änderungen sehr wohl immer noch für nötig.
Die Totenruhe darf nicht gestört werden; das ist schon richtig. Nochmals frage ich mich aber, ob wir wirklich das Recht haben, anderen vorzuschreiben, wie sie ihr Nachleben gestalten wollen. Also auch wenn der Kollege Ritter sagt, wir müssen darauf achten, dass auch nach dem Tod des Verstorbenen mit seiner Asche pfl eglich umgegangen wird, behaupte ich: Die, die sich für diese Beisetzungsart entscheiden, kennen das Problem. Alle, mit denen ich da gesprochen habe, kennen die Umstände, die zu bedenken sind. Sie werden sich eben gerade
deswegen damit auseinandersetzen und sehr sorgfältig abwägen, ob sie das wollen oder nicht. Ich muss einen Verstorbenen nicht mehr vor sich selbst schützen.