Protocol of the Session on October 9, 2002

Herr Kollege Boutter, der die nächste Frage zu stellen hätte, ist nicht anwesend. Wird die Frage übernommen? – Das ist nicht der Fall.

Dann bedanke ich mich bei Ihnen und bitte Herrn Staatssekretär Schmid vom Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Frauen, die nächsten Fragen zu beantworten. – Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Schopper.

Herr Staatssekretär, ich frage die Staatsregierung: Wie werden die Ziele des neuen Bildungs- und Erziehungsplans konkret umgesetzt, und inwieweit hat die Umsetzung Auswirkungen auf die neue und geplante Kindergartenfinanzierung?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin Schopper! Die Reform der

Kinderbetreuung besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten, die zwar in einem engen Zusammenhang miteinander stehen und sich ergänzen, gedanklich aber zu unterscheiden sind:

Erstens, der Ausbau der Kinderbetreuung insbesondere für Kinder unter drei Jahren und für Schüler ab sechs Jahren. Dieser Ausbau erfolgt im Rahmen des mit 313 Millionen e ausgestatteten Gesamtkonzepts „Kinderbetreuung“ der Bayerischen Staatsregierung vom 6. November 2001, das hier im Hohen Hause immer wieder diskutiert worden ist.

Das zweite Element ist die Qualitätssicherung bzw. Qualitätsentwicklung. Im Mittelpunkt dieses Handlungsfeldes steht die Entwicklung eines Bildungs- und Erziehungsplans. Das Staatsinstitut für Frühpädagogik wurde beauftragt, in enger Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden der freigemeinnützigen Träger, mit den kommunalen Spitzenverbänden sowie mit Ausbildung, Forschung und Praxis diesen Plan zu erstellen. Die Ergebnisse fließen bereits in den neuen Lehrplan für die Erzieherausbildung ein, der derzeit im Kultusministerium reformiert wird. Die Planungen der Fortbildungsträger im Jahr 2003 für das Jahr 2004 werden dadurch entscheidend beeinflusst.

Ferner werden in enger Kooperation mit dem Kultusministerium Bildungs- und Erziehungsplan sowie Grundschullehrplan aufeinander abgestimmt, was zwangsläufig zwingend geboten ist. Der Bildungs- und Erziehungsplan soll im Kindergartenjahr 2003/2004 erstmals in der Praxis zum Einsatz kommen und dann verbindlich eingeführt werden. Der Bildungs- und Erziehungsplan liegt derzeit erst in den Grundzügen vor. In den nächsten Monaten werden in Kooperation mit den genannten Partnern die Inhalte ausgearbeitet. Wesentliche unverzichtbare Elemente wie die Entwicklung von Instrumentarien zur Selbst- und Fremdevaluation müssen noch erarbeitet werden.

Das dritte Element ist die Entwicklung eines neuen Finanzierungskonzepts. An den Modellstandorten im Landkreis Landsberg am Lech und in der Stadt Bayreuth wird ein neues kind- und nutzungszeitbezogenes Fördersystem erprobt und weiterentwickelt. Dieses Fördersystem versteht sich nicht als reines Fördermodell, sondern verknüpft erstmals Förderung und Qualität miteinander. Insbesondere werden durch mittelbare Steuerelemente qualitative Prozesse in den Einrichtungen unterstützt.

Frau Kollegin Schopper, die Reform der Kinderbetreuung insgesamt soll schließlich in ein Gesetzgebungsverfahren zum Erlass eines Kindertagesstättengesetzes münden, das – so sind die Planungen – ab 2005 die bisher gültigen Rechtsgrundlagen und Förderrichtlinien ersetzen soll; es geht also um ein Gesamtpaket. Die einzelnen Reformvorhaben werden dann aufeinander abgestimmt. Die Qualitätsstandards nach Maßgabe des Bildungs- und Erziehungsplans sind künftig Voraussetzung für eine staatliche Förderung. Darüber hinaus lassen sich unmittelbare Auswirkungen auf die geplante neue Kindergartenfinanzierung zum gegenwärtigen

Stand der Entwicklung des Bildungs- und Erziehungsplans nicht prognostizieren.

Eine Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Herr Staatssekretär, wie gedenkt die Staatsregierung die bereits in Betrieben und in Kindergärten arbeitenden Erzieherinnen mit diesem neuen Bildungs- und Erziehungsplan vertraut zu machen, und inwieweit sind Fortund Weiterbildungen gerade für die Kindergärtnerinnen geplant?

Herr Staatssekretär.

Wir haben dieses Problem auch anderswo. Wenn beispielsweise ein neuer Grundschullehrplan erstellt wird, müssen die neuen Elemente von denjenigen, die damit befasst sind, aufgenommen werden, sie müssen sich mit den Themen beschäftigen. Das gilt auch für die Kindergärten. Wir sind der Auffassung, dass hier die Fortbildung ein ganz wesentliches Element sein wird und sein muss. Das wird zu gegebener Zeit entschieden werden.

Im Übrigen braucht man Fort- und Weiterbildung immer, nicht nur für die Umsetzung von neuen Plänen oder Konzeptionen. Fort- und Weiterbildung ist in unserer schnelllebigen Zeit ein Grundsatz, der immer zu beachten ist.

Weitere Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Herr Staatssekretär, gerade in den Kindergärten sind die Fortbildungszahlen bei den Erzieherinnen nicht sehr hoch. Was gedenkt die Staatsregierung konkret zu tun, damit vor allem Erzieherinnen die Fortbildung wahrnehmen können, ohne dass die Gruppen dann aus allen Nähten platzen und die Qualität in den Kindergärten beeinträchtigt wird?

Herr Staatssekretär.

Es wird nicht die Entscheidung des Staates sein, an welchem Kindergarten wann welche Fortbildung durchgeführt wird. Hier haben natürlich die Träger die Verantwortung; wir haben die Rahmenbedingungen vorzubereiten, aber dann sind die Maßnahmen vor Ort durchzuführen. Als Kommunalpolitiker kann ich Ihnen sagen, dass die Kommune als Träger dafür verantwortlich sind, dass all das gewährleistet wird. Da haben die Träger selbstverständlich auch eine ganz besondere Verantwortung.

Letzte Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Eine konkrete Nachfrage zu den sprachlichen Grundlagen,

die im Kindergarten gelegt werden sollen. Sie kennen sicherlich die neuesten Erkenntnisse, dass die Muttersprache bis zum sechsten Lebensjahr verankert sein muss; ansonsten kann keinerlei Sprachentwicklung darauf aufbauen. Wie werden diese Erkenntnisse, die auch in dem Seminar anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums des Staatsinstituts für Frühpädagogik zum Ausdruck kamen, mit einer muttersprachlichen Entwicklung im Kindergarten konkret umgesetzt, zumal dort große Defizite vorhanden sind?

Herr Staatssekretär.

Wir haben im Hohen Hause wiederholt Diskussionen darüber geführt, wie notwendig die sprachliche Vorbereitung der Kinder ist. Wenn die Kinder die Sprache nicht beherrschen, haben sie von Anfang an Defizite. Deswegen ist das ein wichtiges Thema.

Wir haben versucht, hier schon jetzt eine Verbesserung zu erreichen. Wir müssen die Eltern einbeziehen, insbesondere die Frauen, die ja zu Hause auch ihre Probleme mit der Sprache haben,

(Frau Hirschmann (SPD):... und die Väter!)

siehe die Migrationsdiskussion. Das ist weniger ein Problem der Männer, Frau Kollegin Hirschmann, als in ganz besonderer Weise der Frauen; sonst würde ich Ihnen im Sinne der Gleichberechtigung Recht geben. Aber hier wissen wir ganz konkret, wo die Probleme liegen: Wir müssen die Frauen in besonderer Weise einbinden. Die ersten Aktionen, die auch sehr erfolgreich sind, haben wir bereits durchgeführt, nämlich dass die Frauen im Kindergarten gleichermaßen „mitgenommen werden“, mit herangeführt werden. Es geht vor allem um die Zeit zwischen der Einschulung und dem Beginn der Schule, also um die letzte Phase im Kindergarten, in der wir versuchen müssen, die sprachliche Förderung insbesondere bei den Migranten zu forcieren. Wir brauchen hier weitere Maßnahmen und Aktionen, weil wir wissen, dass das ein großes Problem ist, an dessen Lösung wir arbeiten müssen.

Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Hirschmann.

Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund der Vorstellung des bayerischen Weges in der Brustkrebsfrüherkennung durch die beiden Minister Sinner und Stewens frage ich, wie sichergestellt werden wird, dass bei diesem auf Versorgungsnetzen aufbauenden Modellvorhaben die von der Europäischen Union vorgegebene Begutachtung von 5000 Mammografien pro Gutachter und Jahr erreicht wird.

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Kollegin Hirschmann, die Kassenärztliche Vereinigung hat am 17. September dieses Jahres in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit unserem Hause und

mit dem Hause des Kollegen Sinner sowie der AOK ein Programm zur bayernweiten Einführung eines qualitätsgesicherten Mammografie-Screenings vorgestellt. Sie kennen die Berichterstattung darüber, sodass ich dazu Weiteres nicht sagen muss. Damit können wir in Bayern das Mammografie-Screening flächendeckend einführen.

Das Programm wird durch eine Verzahnung qualitätsgesicherter ambulanter und stationärer Mammografeure unter Nutzung bestehender Versorgungsstrukturen umgesetzt. Nach Auskunft der KVB wird dort davon ausgegangen, dass sich von den derzeit rund 500 mammografierenden Ärzten in Bayern nach der Rezertifizierung circa 250 bis 300 Mammografeure für das Screening qualifizieren werden.

In der vom Screening betroffenen Altersgruppe – so die KVB – der 50- bis 69-Jährigen befänden sich derzeit etwa 1,4 Millionen Frauen. Bei einer angestrebten Beteiligungsquote von circa 70% würden in einem Zeitraum von zwei Jahren etwa eine Million Frauen am Screening teilnehmen. Da jeder Screeningfall zweitbefundet werde und darüber hinaus kritische Fälle einer Drittbefundung unterzogen sowie in regelmäßigen Abständen Assessments in den Mammografienetzen durchgeführt würden, könne aus Sicht der KVB die nach europäischen Vorgaben geforderte und von Ihnen genannte Zahl von 5000 Mammografien pro Gutachter und Jahr erreicht werden.

Es gibt keinen Anlass, an diesen Zahlen zu zweifeln. Die vorgesehene Verzahnung der Arbeit von ambulanten und stationären Mammografeuren ist zu begrüßen. Zwar muss unzweifelhaft ein Mammografeur ausreichende Erfahrung haben. Dies bedeutet jedoch, wie die genannten Zahlen zeigen, keineswegs zwingend eine ausschließliche Festlegung eines Screenings auf nur wenige Zentren. Ein Screening – soll es die notwendige Akzeptanz in einem Flächenstaat wie Bayern finden – sollte auch wohnortnah durchgeführt werden können, wodurch eine umfassende persönliche Betreuung ermöglicht wird. Gleichzeitig ist durch die in Bayern vorgesehene Verzahnung der Arbeit von ambulant und stationär tätigen Mammografeuren der nahtlose Übergang zwischen Diagnose und Therapie sichergestellt. Ich meine, dass wir mit dieser Gesamtkonzeption in Deutschland führend sind.

Keine Zusatzfragen? – Dann stellt Frau Kollegin Steiger ihre Frage.

Herr Staatssekretär, wie viele integrative Gruppen in Kindergärten und wie viele Integrationsklassen sind im Schuljahr 2002/2003 in Bayern eingerichtet worden und wo?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Kollegin Steiger, zunächst zu den integrativen Kindergartengruppen: Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen erhebt die Daten der integrativen Kindergartengruppen zum 1. Januar eines jeden Jahres. Daher kann ich die Zahl für

das Schuljahr 2002/2003 leider noch nicht nennen, da dies eine extra Erhebung erforderlich gemacht hätte. Ich nenne Ihnen aber gerne die Zahl der im Jahr 2001 neu eingerichteten integrativen Gruppen. Zum 1. Januar 2001 – Frau Kollegin Steiger, ich gebe Ihnen nachher die Zahlen, sodass Sie diese ganz konkret haben und nicht mitschreiben müssen – bestanden 377 Gruppen, zum 1. Januar 2002 421 Gruppen. Somit hat sich die Zahl der integrativen Gruppen im Jahr 2001 um 44 erhöht. Um es noch konkreter zu sagen: Im Jahr 2001 wurden in Bayern 56 neue Gruppen eingerichtet; dagegen stehen 12 Gruppen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr als integrative Gruppen geführt werden. Dort gibt es immer Veränderungen. So weit zu den Kindergartengruppen.

Die Liste der konkreten Standorte – ich glaube, ich sollte das jetzt nicht getrennt nach Regierungsbezirken wie Oberbayern, Niederbayern etc. vorlesen –, würde ich Ihnen nachher gerne zur Verfügung stellen, sodass Sie das im Detail haben.

Jetzt zu den Integrationsklassen, die Sie auch angesprochen haben: Nach Auskunft des Kultusministeriums, das dafür zuständig und federführend ist – ich möchte die Antwort aber gleich mitgeben –, entwickeln sich an zahlreichen Grund- und Hauptschulen in der Zusammenarbeit mit Förderschulen so genannte Kooperationsklassen.

Kooperationsklassen stellen eine Form enger Kooperation zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen dar. Dabei öffnen sich Grund- und Hauptschulklassen für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, der allerdings qualitativ und quantitativ nicht so umfangreich sein darf, dass ausschließlich die Beschulung in einer Förderschule angezeigt wäre. Dies ist etwa der Fall bei Schülern, die von der Förderschule an die allgemeine Schule zurückgeführt werden und bei denen noch ein gewisser sonderpädagogischer Förderbedarf vorhanden ist. Diese Schüler besuchen die Volksschule als Kleingruppe im Rahmen einer Zuweisung durch das zuständige staatliche Schulamt in einem Gastschulverhältnis in einer Klasse, die für pädagogische Aufgaben eingerichtet worden ist. Damit ist sowohl ein gezielter Einsatz der mobilen sonderpädagogischen Dienste in degressiver Form als auch eine enge Zusammenarbeit mit einer Förderschule möglich. Dies ist ein Modell einer guten Kooperation.

Als weitere Form einer möglichen Kooperation gibt es noch die Außenklasse. Bei Außenklassen handelt es sich um eine Klasse der Förderschule in der Grundschule oder umgekehrt. Außenklassen werden im Rahmen des Schulversuchs „Förderung der Zusammenarbeit der Schulen für Behinderte und der allgemeinen Schulen in Unterricht und Schulleben“ – so heißt dieses Modellprojekt – für Schüler mit dem Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ gebildet. Die Grundlage stellt Artikel 30 Absatz 1 des BayEUG dar – Sie kennen ihn. In den Außenklassen erfolgt in direkter räumlicher Nähe eine tägliche intensive Zusammenarbeit in Schulleben und Unterricht praktisch mit einer Partnerklasse der Grundschule. Das ist der Ansatz dieses Modells.

Die Anzahl der Kooperations- und Außenklassen – so hat uns das Kultusministerium mitgeteilt – wird zur Zeit erhoben, Frau Kollegin Steiger. Uns wurde schriftlich zugesagt, dass genaue Angaben ab November gemacht werden können. Wir können im Protokoll festhalten, dass wir das Kultusministerium von hier aus bitten, Ihnen diese Zahlen zur Verfügung zu stellen, wenn sie im November erhoben sind.

Zusatzfrage: Frau Steiger.

Vielen Dank für das zugesagte Zahlenmaterial. Ich habe trotzdem noch eine Nachfrage. Nachdem die Kooperationsklassen und auch die integrativen Gruppen in den Kindergärten sehr häufig oder fast ausschließlich auf Initiative der Eltern zustande kommen, ist meine Frage: Wie unterstützt und fördert die Staatsregierung diese Initiativen, damit sie auch zum Tragen kommen. Dorthin ist es nämlich sehr häufig ein sehr, sehr langer Weg.

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Kollegin Steiger, es ist ja nicht der Staat, der entscheidet, wo welche Gruppen errichtet werden. Sie haben auch die Kindergärten angesprochen. Ohne dem Kultusministerium viel hineinreden zu wollen, noch ein Satz zu den Kindergärten: Die Verantwortung liegt natürlich ausschließlich beim Träger. Sie haben nachgefragt, was der Staat tun kann. Ich darf das neue Fördermodell noch einmal ansprechen, das wir momentan in Landsberg und in Bayreuth durchführen. Wir haben dort eine ganz besondere Begleitung auch in finanzieller Hinsicht vorgesehen, weil es selbstverständlich ist, dass Integrationsgruppen nicht so wie normale Gruppen geführt werden können. Deswegen ist eine besondere Begleitung des Staates in finanzieller Hinsicht notwendig. Diese haben wir auch vorgesehen. In den Modellen wird sie derzeit praktiziert.