Protocol of the Session on October 8, 2002

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes (Drucksache 14/10189)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von der Staatsregierung begründet. Das Wort dazu hat Frau Staatssekretärin Görlitz.

Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern werden die BSE-Pflichttests in Bayern bislang durch private Labore durchgeführt, welche von den Landkreisen und Gemeinden ausgewählt werden. Diese sind für die amtlichen Fleischuntersuchungen zuständig.

Der Fall Milan hat gezeigt, dass wir diesen sensiblen Bereich des Verbraucherschutzes nicht den freien Kräften des Marktes überlassen dürfen.

Am 16.04.2002 hat der Ministerrat die Weichen für die Verstaatlichung der BSE-Pflichttests gestellt. Die staatlichen Laborkapazitäten reichen aber nicht aus, um pro Jahr 700000 Tests durchführen zu können. Eine Erweiterung der Kapazität ist angesichts der Haushaltslage nicht möglich. Wir werden folgenden Weg gehen: Künftig wird der Staat die Labore auswählen. Der Staat schließt einen Vertrag mit den Laboren und legt darin einheitliche, strenge Qualitätsstandards fest. Vorgegeben wird auch, welches Labor für welchen Schlachthof zuständig sein wird, um Verflechtungen zwischen den Einrichtungen zu verhindern.

Das erfordert eine Änderung des Ausführungsgesetzes zum Fleischhygienegesetz. Darin wird das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz ermächtigt, die Zuständigkeit und Durchführung von Laboruntersuchungen durch Verordnung zu regeln. Diese Verordnung wird das Prozedere in Bezug auf die BSE-Pflichttests vorgeben. An der Zuständigkeit der Landkreise und Städte für die Fleischbeschau selbst wird sich dabei aber nichts ändern. Da die Laboruntersuchungen im Rahmen der Fleischhygiene einem ständigen Wandel unterworfen sind, haben wir den Weg über die Verordnung gewählt. Es ist nämlich nicht sachgerecht, bei jedem neu auftretenden Analysebedarf und jeder neuen Untersuchungsmethode ein aufwendiges und langwieriges Gesetzgebungsverfahren einzuleiten.

Durch das neue Vorgehen binden wir die Labore eng an den Staat. Über die gesetzlichen Kontrollbefugnisse hinaus können wir so die Labore überwachen und es „schwarzen Schafen“ sehr schwer machen, die Behörden hinters Licht zu führen. Die Durchführung der BSETests ist bereits durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ausgeschrieben; die Umsetzung des neuen Verfahrens kann aber erst nach Änderung des Gesetzes erfolgen.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Gibt es Wortmeldungen? – Frau Kollegin Lück, bitte.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich Herrn Sinner beglückwünschen.

(Unruhe)

Nachdem er jetzt da ist, sage ich: Herzlichen Glückwunsch, Herr Sinner, der Ankündigung, nach den Zulassungs- und Prüfungspannen bei den BSE-Laboren in einem Befreiungsschlag die Prüfung selbst in die Hand zu nehmen, folgt bereits jetzt der Gesetzentwurf.

Selbstverständlich sind wir nicht grundsätzlich dagegen, und wir werden alles unterstützen, was die derzeitige unbefriedigende Situation beendet. Tatsächlich ist aber die Gesetzesvorlage ein einziges Zeugnis von Hilflosigkeit und absolutem Tohuwabohu der Zuständigkeiten und damit eine Folge der unsinnigen Bildung von Ministerien.

(Frau Radermacher (SPD): So ist es!)

Wenn Sie hier alles verstaatlichen würden, weil Sie Ihre Kontrollen vernachlässigen, dann bliebe beileibe nicht mehr viel an Privatem übrig. Ob dies aber tatsächlich hilft, darf angesichts der Vorkommnisse beim Untersuchungsamt Süd bezweifelt werden. Ich glaube, Sie erinnern sich, wie damals mit den BSE-Proben verfahren worden ist. Es sind einige vergammelt und verbummelt worden.

Von Frau Staatssekretärin Görlitz habe ich jetzt gehört, dass Sie nicht selbst untersuchen wollen, sondern Labore mit der Untersuchung beauftragen. Das halten wir für einen guten Weg; allerdings war es schon vorher Ihre Aufgabe, Labore zu überprüfen und nur dann zuzulassen, wenn sie die Aufgaben zufriedenstellend erfüllen. Anders als Sie in Berlin sind wir hier eine konstruktive Opposition und bieten Ihnen daher unsere Mitwirkung und unsere kritische Begleitung an. Über die Details werden wir sicher intensiv im Ausschuss sprechen. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir zu dem kommen, was Sie immer versprechen, nämlich zu einem tatsächlich optimierten Verbraucherschutz.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Kobler.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lück, Sie haben sich widersprochen: Einerseits wollen Sie die Regelung mittragen, andererseits sprechen Sie von Hilflosigkeit. Ich kann Ihnen nur sagen, unser Motto ist: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wir wollen aus der Vergangenheit Konsequenzen ziehen. Das ist eine klare Sache.

Wir vonseiten der CSU-Fraktion nehmen BSE ernst und gehen nicht einfach zur Tagesordnung über. Das Hohe Haus hat sich in den letzten 14 oder 15 Monaten wiederholt sehr ausführlich mit der Problematik befasst, wie die Qualität diverser Grundnahrungsmittel gesichert und gesteigert werden kann. Wie Frau Staatssekretärin Görlitz dargestellt hat, beabsichtigt die Staatsregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, durch eine Verlagerung der Verantwortung bei der Ausführung des Fleischhygienegesetzes die Kontrolle effizienter zu gestalten und damit den Verbraucherschutz zu verbessern. Ich glaube, diesbezüglich müsste zwischen den Fraktionen ein breiter Konsens vorhanden sein, zumindest habe ich den Diskussionen einschließlich der Diskussion im Fachausschuss entnommen, dass Konsens darüber besteht, den Verbraucherschutz zu verbessern. Bestimmte Schwachstellen – schwarze Schafe, wir nennen das Kind beim Namen – wollen wir mit dem Gesetz beseitigen.

Nahrungsmittel sind die Grundlage für unser Leben, unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Uns als Gesundheitspolitiker geht es um den Schutz der Gesundheit aller Menschen und um das Vertrauen der Verbraucher. Wir wissen, wenn Kontrollen funktionieren sollen, muss es bestimmte Spielregeln geben. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass immer wieder Schlupflöcher gefunden werden, um sich Kontrollen zu entziehen.

Wenn Sie die Entwicklung auf Bundesebene ansehen, müssen Sie zugestehen, dass alle bis auf zwei Bundesländer ähnliche Regelungen, wie wir sie in Bayern mit dem Gesetzentwurf vorhaben, haben oder schaffen wollen. Kontrollen, mit denen Qualität und Einwandfreiheit der Lebensmittel auf hohem Niveau gesichert werden, bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die fortentwickelt werden muss. Die Staatsregierung beabsichtigt mit der vorliegenden Regelung, teilweise eine andere Entscheidungszuständigkeit bei der Durchführung der BSEPflichttests herbeizuführen. Was heißt das? – Der wesentliche Inhalt des Gesetzentwurfes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes ist, dass für die Aufgaben der Fleischuntersuchung im Rahmen des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes, die bislang der amtliche Tierarzt vornahm, künftig das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung Regelungen zur Zuständigkeit und Durchführung von Laboruntersuchungen im Rahmen des Vollzugs fleischhygienischer Vorschriften treffen kann. Bisher fehlte eine solche Ermächtigungsgrundlage. Künftig kann nunmehr durch Verordnung bestimmt werden, dass BSE-Pflichttests zum Beispiel beim Bayerischen

Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit durchgeführt werden, welches sich dazu externer – also außenstehender – zugelassener Laboreinrichtungen bedienen kann.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem Inhalt der Regelung hat sich bereits eine Reihe von Verbänden befasst. Nach meiner Kenntnis wird die Regelung zum Beispiel von den kommunalen Spitzenverbänden begrüßt, bzw. wurde zum Ausdruck gebracht, dass keine Gründe gegen die geplante Regelung sprechen. Sogar der Bayerische Bauernverband hat dem Gesetzentwurf zugestimmt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Situationen wie bei Milan nicht wiederholen dürfen.

Die CSU-Fraktion findet es wichtig und sinnvoll, die gesetzlichen Zuständigkeiten neu zu regeln. Wir bitten darum, diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen zu beraten und eine positive Beschlussempfehlung abzugeben.

(Beifall bei der CSU)

Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Kollegen Dr. Dürr. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass die Redezeit bei der Ersten Lesung fünf Minuten pro Fraktion beträgt.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lück hat schon gesagt, dass es ziemlich lange gedauert hat, bis eine Regelung über die BSE-Tests getroffen wurde. Jetzt wird eine Lücke geschlossen, die vor zehn Monaten mit dem Skandal der Firma Milan und dem eines anderen Testlabors sichtbar wurde. Zu erinnern ist auch an den BSESkandal selbst, der dem Labor-Skandal vorausging. Seit zwei Jahren sind BSE-Tests erforderlich. Die Staatsregierung, die immer so stolz darauf ist, schnell zu handeln, hat jetzt erst gehandelt. Das ist wahrlich ein beeindruckendes Tempo. Es passt jedoch zu der Haltung gegenüber dem Verbraucherschutz und der neuen Landwirtschaft. In dieser Beziehung wird die CSU auf keinen grünen Zweig kommen. Ihre Politik ist von Anfang an verfehlt.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf von der CSU)

Ihr habt auf der ganzen Linie versagt. Ihr habt bei der BSE-Krise versagt, ihr habt bei den BSE-Tests versagt, und ihr habt nie gehandelt. Erst nach zwei Jahren geschieht etwas. Jetzt seid ihr darauf stolz.

Wir werden aber trotzdem dem Gesetzentwurf zustimmen, weil die Forderungen, die wir im April erhoben und die Sie in diesem Hohen Hause, leider zum Teil auch mit den Stimmen der SPD, abgelehnt haben, jetzt alle umgesetzt werden. So ist nicht verkehrsfähiges Fleisch aus dem Verkehr gezogen worden, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben jetzt mehr Sicherheit, die Testlabors haben mehr Planungssicherheit, und die Labore stehen nicht mehr unter dem Preisdruck. Dies sind alles unsere Forderungen, die jetzt in Erfüllung

gegangen sind. Deshalb stehen wir diesem Gesetzentwurf sehr wohlwollend gegenüber.

Es wurde gesagt: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Wir haben schon ziemlich bald nach der BSE-Krise gesagt: „Kontrolle ist gut, Umsteuern ist besser.“ Vorsorge und Vorbeugen sind besser. Herr Staatsminister Sinner hat versprochen, den vorausschauenden Verbraucherschutz zu stärken und nicht immer nur zu reagieren, sondern zu agieren. Er hat davon gesprochen, dass der Staat nicht immer nur die Funktion einer Feuerwehr erfüllen dürfe. Angesichts dieser Worte frage ich mich, warum all die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Verbraucherinitiative aus dem Boden gestampft wurden, jetzt wieder beendet werden. Die einzigen Maßnahmen der Verbraucherinitiative, die in Richtung Vorbeugen und Vorsorge in der Landwirtschaft gehen, werden eingestampft. Das finde ich schon sehr erstaunlich. Übrig bleiben nur Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden, aber all das, was in die Zukunft gewiesen hat, wird eingestellt, weil der Fokus der Medien scheinbar nicht mehr auf diesen Themen liegt. Das wird sich eines Tages rächen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch lustiger verhält es sich mit dem Verbraucherschutzministerium, welches gegründet wurde, um mehr Verbrauchersicherheit zu schaffen. Das Verbraucherschutzministerium muss im Rahmen der Globalminderung 750000 e jährlich einsparen. Es scheint sich hier um eine Art Kreislaufwirtschaft zu handeln. Früher hatte ich den Eindruck, es seien Wandermillionen, die von einer Krise zur nächsten geworfen werden. Jetzt gibt es einen richtigen Kreislauf. Ich habe im „Wochenblatt“ einmal das Bild einer Kuh gesehen, die an ihrem eigenen Euter gesäugt hat. So ähnlich verhält es sich auch mit der Politik der CSU. Wahrscheinlich ist das das berühmte „fresh money“, von dem Sie, Herr Minister Sinner, früher immer gesprochen haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern. Was Sie bieten, ist ziemlich „überständiges money“, das immer wieder auftaucht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiteres Beispiel im Haushalt betrifft die Schlachttechnik. Sie rühmen sich, dass Sie eine neue Schlachttechnik eingeführt haben. Ich bin erstaunt, dass im Haushalt nur Gelder für Studien, Gutachten und Forschungsaufträge eingestellt sind. So weit können die neuen Schlachttechniken also nicht gediehen sein. Es ist erstaunlich, dass all die Maßnahmen, die in die Zukunft weisen und zur Verbrauchersicherheit beitragen, in den Haushalten des Landwirtschaftsministeriums und des Verbraucherschutzministeriums gestrichen werden. Dies verwundert umso mehr, weil die BSE-Krise entstanden ist, weil die Tiere nicht artgerecht gehalten wurden. Was wird nun im Haushalt des Landwirtschaftsministeriums gestrichen? – All die Maßnahmen werden gestrichen, die vernünftige Folgerungen aus dem BSE-Skandal waren. Ich nenne die Regionalvermarktung, Futterpflanzen, artgerechte Tierhaltung usw.

Der Ministerpräsident hat neulich vor Rot-Grün in Berlin gewarnt und gesagt, dass der Süden Deutschlands

besonders betroffen sei, wenn in der Landwirtschaft gespart werde, eine Regierung sei aber für alle da. Der Ministerpräsident sollte zunächst einmal in seiner eigenen Regierung für die Landwirtschaft sorgen. Dann wäre den bayerischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und den bayerischen Bäuerinnen und Bauern weit mehr geholfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Ich sehe keinen Widerspruch. Damit so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 c

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Stärkung elektronischer Verwaltungstätigkeit (Drucksache 14/9960)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von der Staatsregierung begründet. Herr Staatsminister Huber, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir jetzt wieder zur produktiven Arbeit zurückkehren können, nachdem die Aktuelle Stunde der SPD ein Rohrkrepierer war.