Frau Schieder, Ihre Aussage, dass 10000 Stellen eingespart wurden, ist dezidiert falsch. Sie haben hier unredlich argumentiert. Sie reden dauernd von Unredlichkeit, jetzt darf ich auch einmal darauf eingehen.
Jede Planstelle ist wiederbesetzt worden. Planstellen sind ausgebaut worden. Im Gegensatz zu Ihren Ländern haben wir aber beim Anstieg der Schülerzahlen nicht auch noch Planstellen gestrichen, sondern wir haben Planstellen dazugegeben. Wir konnten nur nicht so viele Planstellen dazugeben, wie es der Schüleranstieg erfordert hätte. Bleiben Sie bitte auf dem Teppich der Wahrheit stehen.
Zum Thema Sprachlernklassenkonzept: Frau Schieder, hier sind Sie völlig falsch informiert. Lesen Sie bitte das Konzept durch. Ich stelle es Ihnen gerne zur Verfügung. Die Beamten des Kultusministeriums erklären es Ihnen auch gerne. Bei diesem Konzept handelt es sich um ein Integrationskonzept, welches von Grundschullehrern und Hauptschullehrern aus der Praxis heraus anhand der Situation an ihren Schulen erstellt und vom Kultusministerium nach dem Wunsch der Lehrer übernommen worden ist.
Zwölf bis fünfzehn ausländische oder nicht deutsch sprechende Kinder gehen in eine Gruppe, die sich Sprachlernklasse nennt. Sie bekommen vierzehn bis siebzehn Stunden intensive Deutschförderung und Grundlagenförderung in Mathematik und den Fächern, die sie brauchen. In den Fächern Kunst, Musik und Sport besuchen sie alle die Regelklassen, die ein wenig verkleinert werden, damit die ausländischen Kinder nicht abgeschottet sind, sondern Kontakt aufnehmen können. Wenn sie gut deutsch können, werden sie sofort in die Regelklasse integriert. Ich nenne das ein Integrationskonzept, aber die Kinder müssen deutsch lernen, damit sie überhaupt am Bildungswesen partizipieren können.
Sie sagen hier „Ach“. Bitte sagen Sie nicht „Ach“; denn die Pisa-Studie zeigt uns das genau auf. Ich bitte Sie einfach einmal darum, die Pisa-Studie durchzulesen und durchzustudieren.
Noch ein letzter Punkt. Hören Sie bitte endlich auf zu behaupten, dass wir den höchsten Anteil an Förderschülern haben. Ihre Behauptung wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger. Wir stellen Ihnen gerne das Datenmaterial zur Verfügung. Ihre Behauptung ist schlichtweg falsch. Die Förderschüler waren in die internationale Pisa-Studie einbezogen. Auch hier liegen Sie
falsch. Beim Ländervergleich wurden sie nicht mehr berücksichtigt. Eine Berücksichtigung der Förderschüler hätte bei uns aber nichts ausgemacht, weil ihr Anteil bei uns erstens nicht höher ist und zweitens bei den Diagnose- und Förderklassen die Konzepte der Förderschulen exzellent sind, sodass ich keinerlei Vergleich mit irgendeinem Land in Deutschland scheuen muss. Sie können es gerne ausprobieren und einen Vergleich anstellen. Es macht allerdings keinen großen Sinn; denn dann müssten Sie lernbehinderte und geistig behinderte Kinder in Mathematik prüfen, um sie einzustufen; das lehnen Sie ja sonst immer ab. Wir haben uns in der Kultusministerkonferenz zwischen SPD und CDU/CSU darauf verständigt, dass es keinen Sinn macht, diese Kinder mit einem solchen Test zu konfrontieren. Ich halte das auch nicht für fair.
Ich glaube, dass wir uns in Bayern wirklich sehen lassen können. Wir werden uns aber nicht selbstzufrieden zurücklehnen. Wir werden mit Zuversicht und Selbstbewusstsein, aber auch mit Problembewusstsein weiterarbeiten. Das hat uns immer ausgezeichnet, und ich danke meiner Fraktion sehr herzlich dafür, dass ich dabei so viel Unterstützung bekomme.
(Zurufe von der SPD: Weiter! Weiter! – Beifall bei der CSU- Kaul (CSU): Das war jetzt eine Lehrstunde für die SPD!)
Wenn sich das Hohe Haus dazu in der Lage sieht, würde ich jetzt gerne über die mitberatenen Dringlichkeitsanträge abstimmen lassen. Ich lasse zunächst abstimmen über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/10056, betreffende „Mehr Bildungschancen in Bayerns Kindertageseinrichtungen“. Wer dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen! – Das sind die CSU-Fraktion und Frau Kollegin Grabmair. Stimmenthaltungen? – Das ist Kollege Hartenstein. Der Dringlichkeitsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse jetzt abstimmen über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend „Die Chancen des föderativen Bildungssystems nutzen“ auf Drucksache 14/10057. Hierzu gibt es eine Erklärung zur Abstimmung vonseiten der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und anschließend auch vonseiten der SPD-Fraktion. Frau Kollegin Münzel, bitte.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Für die Grünen möchte ich folgende Erklärung abgeben. Sie haben getrennte Abstimmung beantragt. Dem Punkt 1 des Antrags können wir zustimmen. Den Punkt 2 lehnen wir ab. Die Begründung habe ich bereits bei meinen Ausführungen zur Regierungserklärung dargelegt. Punkt 3 lehnen wir ebenfalls ab. Dem Satz 1 – „Der Landtag lehnt alle
Bestrebungen des Bundes ab, schulische Kompetenzen an sich zu ziehen“ – könnten wir zustimmen. Ich möchte hierzu für unsere Fraktion erklären, dass auch wir am Föderalismus festhalten. Den zweiten Satz – „Eine derartige Bundeskompetenz würde insbesondere hinsichtlich der Formulierung von Standards die Gefahr in sich bergen, dass diese auf niedrigem bundesdeutschen Durchschnittsniveau festgelegt werden.“ – können wir nicht mittragen, weil er eine reine Unterstellung ist.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion wird sich bei der Abstimmung ähnlich verhalten. Wir werden der Ziffer 1 zustimmen. Ziffer 2 lehnen wir ab, weil hier ganz deutlich wird, dass Sie kein Miteinander der Bundesländer und kein gemeinsames Erarbeiten der Ziele wollen, sondern dass Sie schlicht und einfach vorprogrammiert haben wollen, was die anderen Länder zu übernehmen haben. Das hat mit Föderalismus sehr wenig zu tun.
Bei Ziffer 3, so denke ich, ist der erste Satz in Ordnung – ich habe das in meiner Rede sehr deutlich gesagt –, aber der zweite Satz unterstellt schlicht und einfach Dinge, die durch nichts bewiesen sind.
Wir stimmen über den Antrag der CSU auf Drucksache 14/10057 ab. Ich lasse wunschgemäß zunächst über die Ziffer 1 abstimmen. Wer der Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Kollegin Grabmair und Kollege Hartenstein. – Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. – Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist ebenfalls nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Wer Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion, die Kollegin Grabmair und Kollege Hartenstein – Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der SPD und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ziffer 2 ist dann ebenfalls angenommen.
Wer Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion und Frau Kollegin Grabmair sowie Kollege Hartenstein. – Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist diesem Antrag in dieser Form zugestimmt.
Ich lasse nunmehr über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/10055 abstimmen. Herr Kollege Herrmann hat um das Wort gebeten, um das Abstimmungsverhalten seiner Fraktion zu erklären.
Die CSU-Fraktion wird den Antrag ablehnen. Wir haben zwar für das Anliegen im Prinzip großes Verständnis und deshalb vorgeschlagen, den Antrag in die Haushaltsberatungen zu verweisen, weil die Angelegenheit insgesamt von erheblicher finanzieller Tragweite ist. Nachdem die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dieser Verweisung nicht einverstanden war, müssen wir den Antrag, so wie er gestellt ist, heute ablehnen.
Weitere Wortmeldungen zur Abstimmung liegen nicht vor. Dann eröffne ich die Abstimmung. Die Ja-Urnen befinden sich wie immer auf der Oppositionsseite, die Nein-Urnen auf der Seite der CSU-Fraktion und die Urne für die Stimmenthaltung auf dem Stenografentisch. Es kann mit der Stimmabgabe begonnen werden. Dafür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.
Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort. Damit jeder weiß, wie es weitergeht: Wir behandeln jetzt den Antrag 23 – die Fraktionen versprechen, es ginge schnell – betreffend „Wahrung föderativer Interessen im Rahmen des Verfassungskonvents“, dann machen wir eine halbe Stunde Mittagspause und werden gegen 14.45 Uhr mit den Dringlichkeitsanträgen fortfahren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es geht um den Dringlichkeitsantrag zur Wahrung föderativer Interessen im Rahmen des Verfassungskonvents. Seit 28. Februar dieses Jahres arbeitet der Konvent an der Zukunft und vor allem für die Zukunft Europas. Der Konvent umfasst 105 Persönlichkeiten, von denen 66 stimmberechtigt sind.
An der Spitze des Konvents steht der ehemalige Staatspräsident Frankreichs, Giscard d’Estaing, der, wie man hört, mit viel Elan, mit viel Wissen und Kraft diesen Konvent leitet, der bis Mitte 2003 zur Regierungskonferenz beschlussfähige Ergebnisse vorlegen will.
In der Erklärung von Laeken hat der Europäische Rat rund 60 Fragen formuliert, die in vier Themenbereiche zusammengefasst werden können: Erstens. Eine bessere Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten in der Europäischen Union. Zweitens. Vereinfachung der Verträge. Drittens. Mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz in der Europäischen Union und damit auch die Einbeziehung der Grundrechtecharta in die Verträge. Viertens. Den Weg zu einem Verfassungsvertrag für die europäischen Bürger ebnen und damit vor allem die Rolle der nationalen Parlamente stärken.
Was sind nun die bayerischen Anliegen, die auch die deutschen Anliegen für eine gute Zukunft Europas sein müssten? – Die Vielfalt selbstbewusster Regionen macht die Stärke unseres Europas aus. Die gewachsenen Strukturen und Einheiten dürfen Europa nicht zum Opfer fallen. Gerade in diesem Zusammenhang müssen wir gemeinsam für ein Europa der Regionen kämpfen. Zentralisten gibt es genügend auf der Welt und, wie wir alle feststellen, auch in Berlin.
Deshalb fordern wir eine bessere und klarere Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten.
Diesbezüglich hat Bayern jahrelang eine Vorreiterrolle gespielt. Wie wir heute alle wissen, hat sich Bayern auch durchgesetzt. Ursprünglich wurden unsere Vorschläge oftmals belächelt, heute aber finden die bayerische Europapolitik und diese bayerische Architektur weitestgehend Zustimmung und Beifall.
Kompetente Beobachter des Konvents sind unzufrieden mit der bisherigen Handhabung der Themen „Kompetenzabgrenzung“ und „Wahrung des Subsidiaritätsprinzips“. Wir brauchen eine klare Kompetenzabgrenzung. Ob dieses Ziel mit oder ohne Kompetenzkatalog erreicht werden kann oder erreicht werden soll, ist nicht das Entscheidende. Die äußere Form, so meine ich, ist absolut zweitrangig. Erstrangig ist, dass wir eindeutig klären, wer in Europa wofür zuständig ist. Die Bürger müssen wissen, wer zuständig ist, wenn sie sich ärgern, und sie müssen auch wissen, wer zuständig ist, wenn sie sich über politische Entscheidungen freuen können.
Ich hoffe, dass wir uns in diesem Hohen Hause dessen bewusst sind, dass es auch Einschränkungen der bisherigen Zuständigkeiten, die Brüssel im Laufe der vergangenen Jahrzehnte an sich gezogen hat, geben muss. Ich verhehle keineswegs, dass es natürlich auch die eine oder andere Aufgabe gibt, die derzeit national wahrgenommen wird, die aber letztlich besser in Brüssel erledigt werden kann. Ich denke dabei an eine stärkere gemeinsame Außenpolitik, an eine stärkere Überein
stimmung der europäischen Verteidigungspolitik oder auch der Sicherheitspolitik. Dabei fällt mir der bekannte Satz von Franz Josef Strauß ein, der einmal trefflich formuliert hat: „Wirtschaftlich ist Europa ein Riese, politisch ein Gartenzwerg und militärisch ein Armeemuseum.“
Mit größter Wahrscheinlichkeit wird im Jahr 2004, welches bald bevorsteht, die Entscheidung über die größte Erweiterung der Europäischen Union seit ihrem Bestehen getroffen. Gerade wir in Bayern und Deutschland sollten uns über die Rückkehr, die Integration und Wiedervereinigung in besonderem Maße freuen. Die mittelund osteuropäischen Länder kommen zu Europa zurück. Die Bevölkerung dieser Beitrittskandidaten hat in den vergangenen Jahren enorm viele Opfer gebracht, um europafähig zu werden. Die Europäische Union wird von derzeit 15 auf vielleicht bis zu 25 oder gar 27 Staaten anwachsen. Gerade dies ist der Grund für uns alle, an der Vielfalt Europas festzuhalten und die Einheit nach außen nicht nur zu demonstrieren, sondern auch zu wahren. Dies wird aber nur möglich sein, wenn wir die Vielfalt im Inneren Europas auch künftig bewahren können. Nur so wird Europa bei weiter zunehmender Globalisierung zukunftsfähig sein.