Protocol of the Session on June 26, 2002

Ihr Antrag dient lediglich der Stimmungsmache im Wahlkampf und ist kein Beitrag zu einer sachlichen Debatte. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bevor ich die nächste Wortmeldung aufrufe, gebe ich bekannt, dass es 1:0 für Brasilien steht. – Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich auf die besondere Unangreifbarkeit der Präsidentin zu achten habe, ist es mir verwehrt, diese türkeifeindliche Äußerung näher zu beleuchten.

Die Staatsregierung wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Zuwanderungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht anfechten.

(Beifall bei der CSU)

Der Ministerrat hat diese Woche den Beschluss gefasst. Die Ausarbeitung der Klage im Einzelnen – es muss entschieden werden, ob es eine Organklage oder ein Normenkontrollverfahren wird – wird voraussichtlich zwei Professoren übertragen werden.

(Dr. Hahnzog (SPD): Welchen denn?)

Die erstkarätige Vorbereitung wird vom saarländischen Ministerpräsidenten Müller auf den Weg gebracht. Es werden aber auch etliche der übrigen unionsgeführten Länder den Gang nach Karlsruhe mitmachen.

Wir sind davon überzeugt, dass in verfassungswidriger Weise festgestellt worden ist, dass die Mehrheit des Bundesrates zugestimmt habe. Ich finde es aber sehr interessant, dass der Präsident des Bundesrats, Herr Wowereit, zwar auf Anfrage von Herrn Biedenkopf in der Runde der Ost-Ministerpräsidenten erklärt hatte, dass die Stimme Brandenburgs für ungültig erklärt werden müsse, wenn eine unterschiedliche Stimmabgabe erfolge. Das war noch am Mittwoch vor der denkwürdigen Abstimmung im Bundesrat die Meinung des Bundesratspräsidenten Wowereit. Anscheinend hat er sich erst nach Gesprächen beim Bundeskanzler einer anderen Rechtsmeinung – ich sage ganz bewusst – gebeugt. Ob er dabei auch das Recht gebeugt hat? – Das jedenfalls war die Auffassung der Bundesratsverwaltung.

(Welnhofer (CSU): Er hat sich vor der Rechtsbeugung verbeugt!)

Der Bundesratsdirektor Herr Oschatz

(Dr. Hahnzog (SPD): Der CDU-Mitglied ist!)

hat dem Bundesratspräsidenten ausdrücklich den Vermerk für die Bundesratssitzung am Freitag gegeben, wonach bei einem solchen Verhalten – wie es dann eingetreten ist – die Stimmabgabe Brandenburgs für ungültig zu werten sei. Herr Wowereit hat sich über die Haltung seiner Verwaltung und seine eigene Haltung, die er noch zwei Tage vorher vertreten hat, hinweggesetzt. Wir meinen, dass deswegen beim Bundesverfassungsgericht – –

(Dr. Hahnzog (SPD): Waren Sie bei der Sitzung der Ost-Ministerpräsidenten dabei? Ist das der Expansionsdrang Bayerns?)

Herr Dr. Hahnzog, Sie hätten sich ein bisschen sorgfältiger informieren müssen. Ich erwarte, dass Sie sich halbwegs anständig informieren und nicht nur oberflächlich dumm daherreden. Ich bitte um Nachsicht.

(Beifall bei der CSU)

Bei Phönix wurde übertragen, dass der damalige sächsische Ministerpräsident Biedenkopf in öffentlicher Sitzung des Bundesrats dies dem Bundesratspräsidenten vorgehalten und ihn gebeten hat, öffentlich darzulegen, warum er seine Meinung geändert habe. Jemand, der in dieser Debatte das Wort ergreifen und ernst genommen werden will, sollte sich informieren, damit er sich mit Zwischenrufen nicht als total inkompetent darstellt.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Wir werden das Bundesverfassungsgericht anrufen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bestimmen Sie, wer reden darf und wer nicht?)

Wir haben nicht vor, sofort eine einstweilige Anordnung zu beantragen, weil große Teile des Zuwanderungsgesetzes erst zum 1. Januar des nächsten Jahres in Kraft treten. Soweit ich mich recht entsinne, ist die Hochstufung des Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auf B 8 kein besonderes Thema. Damit wird zwar ein früherer Parteikollege gut versorgt. Dies ist aber nicht von derartig großer Bedeutung, um deswegen eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen. Ich gönne Herrn Präsidenten Dr. Schmid, der in der SPD stets schlecht behandelt worden ist, dass er von Bundesinnenminister Schily dafür abgefunden wird, weil er sich angemessen verhalten hat.

(Hofmann (CSU): Das ist eine soziale Neigung!)

Ich füge hinzu, dass ich bei den vielen Gesprächen ausdrücklich erklärt habe, dass wir uns dagegen nicht öffentlich wenden werden.

Die einstweilige Anordnung ist also derzeit nicht beabsichtigt. Sollte sich das Verfahren länger hinziehen, wird das Bundesverfassungsgericht um einen Hinweis gebeten, wann mit der Entscheidung zu rechnen ist, damit wir das Inkrafttreten im Januar nächsten Jahres über eine einstweilige Anordnung unterbinden könnten.

Zum Inhalt: Ich bedanke mich bei der CSU-Fraktion, dass sie die echten Kritikpunkte bezüglich des Zuwanderungsgesetzes dargestellt hat. Das Gesetz – Abgeordneter Dr. Hahnzog hat das deutlich gemacht – erweitert die Zuwanderung. Ich finde die zwiespältige Argumentation bemerkenswert. Die Zeitungsanzeigen, die die Bundesregierung diese Woche geschaltet hat, haben über 200000 e gekostet. Statt dieses Geld für Wahlpropaganda zu verwenden, die noch dazu in die Irre führt, hätte es zur Information der Bevölkerung eingesetzt werden sollen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wir werden Sie zu gegebener Zeit erinnern, was die Bayerische Staatskanzlei macht!)

Abgeordneter Dr. Hahnzog hat deutlich gesagt, dass er die Darlegungen des Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir im Deutschen Bundestag als die Summe des Gesetzes ansehe.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Es handle sich um ein Gesetz, das Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland machen werde. Cem Özdemir hatte noch hinzugefügt, dass es nötig sei, Deutschland zu einem Einwanderungsland in Richtung multikulturelle Gesellschaft zu machen. Das halten wir nicht für richtig. Wir wollen ein weltoffenes

(Dr. Hahnzog (SPD): Das steht nicht drin, Sie haben das nicht gelesen!)

und tolerantes Land sein, und wir sind das auch. Wir werden uns nicht abschotten. Hier handelt es sich allerdings um eine Gespensterdiskussion; denn es geht überhaupt nicht um die Zuwanderung von Höchstqualifizierten. Dazu hätte man die Green Card nicht gebraucht, die allerdings auch nicht präzise genug gefasst ist. Deshalb ist es möglich, dass – anders als bei der Blauen Karte – bei Lucent Technologies die Green-Cardler arbeitslos und in Sozialleistungen sind. Dies tritt ein, weil es bei der Green Card keinen konkreten Bezug zum Arbeitsplatz gibt, während wir das bei der bayerischen Lösung haben.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Zusammenhang ist absurd!)

Verehrte Frau Kollegin Stahl, wollen Sie denn ernsthaft bestreiten – –

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die machen aus anderen Gründen dicht, nicht wegen der Green Card!)

Entschuldigen Sie, wir diskutieren über Zuwanderung und müssen uns über die ernsthaften Fragen unterhalten.

(Beifall bei der CSU)

Dass Ihnen das unangenehm ist, habe ich bemerkt. Wir müssen uns aber trotzdem unterhalten. Lucent Technologies war in Nordbayern der größte Abnehmer von Green Cards, ist aber gleichzeitig in eine Krise gekommen, so dass bei der sozialen Auswahl der Kündigung demjenigen als Erstem gekündigt werden muss, der als Letzter gekommen ist. Aus diesem Grunde sind Inhaber von Green Cards arbeitslos geworden. Darauf hat der damalige Präsident des Landesarbeitsamts Nürnberg, Herr Wanka, eindringlich hingewiesen. Wir hatten schon vorher darauf hingewiesen und gemeint, wir sollten bei der Regelung bleiben, die wir für vernünftig hielten. Wir wollten für Höchstqualifizierte eine Bindung an den Arbeitsplatz und dafür sorgen, dass sie anschließend keine Zuwanderung für die Sozialsysteme darstellen.

(Beifall bei der CSU)

Würde man die ideologischen Scheuklappen ablegen, könnte es darüber einen breiten Konsens in unserem Lande geben. Die Zuwanderung von Höchstqualifizierten – vom Fußball bis zur Kultur, von Wirtschaft bis zur Wissenschaft – ist selbstverständlich und von uns in keiner Weise beeinträchtigt worden.

Ich füge hinzu: Bei der Internationalisierung der Hochschulen haben wir das dafür notwendige Ausländerrecht massiv unterstützt.

Auch hier will ich anklagen, dass Rot-Grün nur große Sprüche macht. Beispielsweise in der Frage, ob junge Menschen, die aus dem Ausland kommen, eine Nebenbeschäftigung ausüben können, tut Rot-Grün nicht das, was alle wollen. Was würde es ausmachen, nicht nur eine Begrenzung von 90 Tagen, sondern beispielsweise auch schon jetzt von 180 halben Tagen vorzusehen? Das ist von Rot-Grün aber aus ideologischen Gründen abgelehnt worden. Herr Riester hat mir vor kurzem erst wieder geschrieben, dass das nicht infrage kommt. Ich hingegen halte es für unvertretbar, dass man jungen Leuten, die aus Ländern wie Indien oder Rumänien kommen, nicht ermöglicht, dass sie statt 90 Tagen ganztags auch 180 Tage halbtags arbeiten können. Natürlich dürfen die jungen Leute nicht zur Berufstätigkeit hierher kommen, aber bei Studenten ist das auch nicht der Fall. Das sind Dinge, die Sie schikanös regeln. Sie reden groß daher, aber in Wirklichkeit ist nicht viel dahinter.

(Beifall bei der CSU)

Nun zum nächsten Punkt, einer Frage, die Frau Köhler immer wieder anspricht und bewusst falsch darstellt. Ich sage Ihnen, Frau Köhler, noch einmal: Sie reden bewusst wahrheitswidrig. Sie reden so daher, als ob ich zwischen nützlichen und unnützlichen Menschen unterscheiden würde. Wer das behauptet, ist ein gemeiner Verleumder.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie das weiterhin sagen, werde ich Sie in der Öffentlichkeit weiter bloßstellen. Es ist etwas anderes, wenn man sagt, es kommen Menschen, die uns nützen oder die wir brauchen, oder es kommen Menschen, die uns ausnützen. Im Übrigen spricht der Bundeskanzler davon, dass wir unser Ausländerrecht stärker nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen ausrichten müssten. Jetzt frage ich Sie, was ist inhaltlich anders, wenn man davon spricht, die Überlegungen stärker am volkwirtschaftlich Nutzen auszurichten, oder wenn wir sagen, dass diejenigen, die unserem Sozialsystem etwas bringen, großzügiger behandelt werden sollen als jene, die uns etwas kosten. Die entscheidende Frage ist doch: Ist die Hilfe humanitär geboten? Humanitär Gebotenes wird selbstverständlich eingehalten. Das sage ich überall, in dieser Frage haben wir von niemandem Belehrungen nötig, schon gar nicht von Rot-Grün. Bayern war das Land, das, als es um die humanitäre Aufnahme von Menschen aus Bosnien, dem Kosovo und dem Libanon ging, mehr getan hat, als die rot-grünen Länder, die große Sprüche machen, aber nicht handeln.

(Beifall bei der CSU)

Frau Köhler weiß das, aber es geht ihr ja nicht darum, ernsthaft darüber zu diskutieren. Ich will das hier sagen, damit diejenigen, die das nachlesen, wissen: Bayern hat 65000 Bosnier aufgenommen. Das sind mehr, als das rot-grün-regierte Nordrhein-Westfalen aufgenommen hat. Wir haben auch mehr Kosovo-Albaner aufgenommen und mehr Menschen aus dem Libanon, nachdem die Israelis den Südlibanon aufgegeben haben.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): 18000!)

Wo wirkliche Not ist, wird geholfen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der bayerischen Bevölkerung dafür, dass sie großartig mitzieht und nicht irgendwelche Kleinlichkeiten herausstellt. Wo Not ist, wird geholfen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Hahnzog (SPD): Aber wer macht Rückführungshilfen? Das macht doch die Stadt München und nicht der Freistaat!)