Wir werden uns nicht nur auf Herrn Traublinger berufen, sondern auch auf Ihren CSU-Bundestagsabgeordneten Gerd Müller. Ich lese zuvor die schwäbischen Zeitungen nicht so genau, aber unser Fraktionskollege Müller hat mich darauf hingewiesen, dass der CSU-Bundestagsabgeordnete Müller dort groß Schlagzeilen macht: Wir brauchen Zuwanderung für die Gastronomie im Allgäu.
Sie versuchen die berühmte Doppelstrategie: Herr Stoiber frisst Kreide, und seine Unterteufel machen die ganz, ganz harte Politik. Das ist doch die Situation.
Wie wir uns Integration vorstellen, ist in unserem Antrag detailliert aufgeführt und nichts Neues. Wir haben seit vielen, vielen Jahren die Grundgedanken des Zuwanderungsgesetzes in Anträgen und Vorschlägen dargetan. Manche in Ihrer Fraktion hatten dafür Verständnis. – Dr. Merkl ist jetzt leider auch nicht da. Diejenigen unter Ihnen, die noch ein bisschen Kontakt zur Caritas und zu den Kirchen haben, können doch nicht Ihren Kurs verfolgen. Sie sollten damit nicht weiterfahren. Wir können nicht anders, als Ihren Dringlichkeitsantrag ablehnen.
(Beifall bei der SPD – Hofmann (CSU): Sie haben ihn nicht einmal gelesen, sonst kann man nicht so heucheln!)
Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Welnhofer, ein eingebürgerter Ausländer ist ein deutscher Staatsangehöriger und kein ethnischer Ausländer.
Überprüfen Sie einmal Ihren Sprachgebrauch in dieser Hinsicht. Oder heißt es bei Ihnen: einmal Ausländer, immer Ausländer? Bei Ihrem Antrag kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Kanzlerkandidatur
des Herrn Ministerpräsidenten der Mehrheitsfraktion so in den Kopf gestiegen ist, dass sie regelrecht Allmachtsphantasien entwickelt.
„Keine verfassungswidrige Zuwanderungsgesetzgebung in Deutschland“ lautet der Titel Ihres Antrags. Herr Welnhofer hat seine Ausführungen vorhin auch unter diesem Tenor bestritten. Noch sind wir aber nicht so weit, dass die CSU bestimmt, was verfassungsgemäß und was nicht verfassungsgemäß ist. Noch bestimmt das das Bundesverfassungsgericht.
Herr Kollege Welnhofer, Sie waren auch schon mehrmals als Vertreter des Landtags vor dem Bundesverfassungsgericht. Dabei haben Sie nicht immer so gut ausgesehen. Es gab einige Niederlagen.
(Welnhofer (CSU): Seit einiger Zeit leider nicht mehr! Seit einiger Zeit gibt es immer 5 : 3-Entscheidungen!)
Des Weiteren heißt es in dem Antrag, es muss verhindert werden, dass die Zuwanderung gegen den Willen der Mehrheit geregelt wird. Sie haben vorhin einige Umfragen dazu erwähnt.
Herr Kollege Welnhofer, nachdem Sie eine Verfassungsänderung abgelehnt haben, welche Plebiszite auf Bundesebene ermöglicht hätte, müssen Sie es schon akzeptieren, dass Gesetze durch Bundestags- und Bundesratsmehrheiten beschlossen werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Welnho- fer (CSU): Die Mehrheit sollte dann aber auch eine echte Mehrheit sein!)
Ihr möglicher Koalitionspartner hat bereits öffentlich erklärt, dass er dieses Gesetz bei einer Regierungsbeteiligung nicht zurücknehmen will. Also nehmen Sie lieber den Mund nicht so voll; denn die Mehrheit für eine Änderung dieses Gesetzes haben Sie noch lange nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Welnho- fer (CSU): Da machen wir einen Koalitionsvertrag, und an den halten wir uns dann auch!)
Vor einem Jahr hat der Vorsitzende der CDU-Zuwanderungskommission, Herr Müller aus dem Saarland, gesagt, dass man angesichts der demografischen Entwick
lung davon reden könnte, dass das Boot halb leer sei. Vielleicht erinnert sich Herr Müller nach der Wahl wieder an das, was er damals gesagt hat. Die Migrationspolitik der CSU ist doppelzüngig und durch und durch verlogen.
Angeblich haben wir in Bayern keinen Zuwanderungsbedarf. Warum aber sind die meisten Green-Cards nach Bayern gegangen? Warum heißt es dann in einer Pressemitteilung von Frau Stewens, dass das bayerische Pflegekonzept nicht ohne ausländische Pflegekräfte auskomme? Warum verlangt dann die Staatsregierung in Berlin die Ausweitung der Green-Card-Regelung auf ausländische Pflegekräfte? – Vor kurzem habe ich gelesen, dass die Gastronomie und das Handwerk in Bayern eine sogenannte East-Card fordern, also eine GreenCard für osteuropäische Arbeitskräfte. In Ihrem Antrag behauptet die CSU, dass wir keinen Bedarf an niedrig oder gering qualifizierten Arbeitskräften haben. Warum aber gibt es solche Forderungen der bayerischen Wirtschaft? Und diese Forderungen gibt es schon sehr lange, seit ich hier in diesem Haus bin; das sind über zehn Jahre.
Warum holt sich Bayern die meisten ausländischen Professoren an die Universitäten, und warum will Bayern ausländische Studierende verstärkt anwerben, obwohl wir keinen Zuwanderungsbedarf haben?
Ihre Migrationspolitik ist auf dem Stand der 60er und der 70er Jahre. Damals holte man sich ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen als konjunkturelle Lückenbüßer. Man ließ die Menschen für sich arbeiten, oft in Bereichen, für die sich die Deutschen zu schade waren. Dann kümmerte man sich aber nicht um Integration oder um Fortbildung, und sobald diese Menschen dem System nicht mehr nützten, sollten sie nach Hause gehen. Diesem Denken entstammt wohl auch der Satz, den unser Herr Innenminister in der Debatte immer wieder gebraucht, nämlich der Satz von den nützlichen Ausländern und von denen, die uns ausnützen würden. Mir läuft es jedes Mal kalt den Rücken hinunter, wenn ich diese Worte höre. Ihnen, die einen so großen Wert auf das Christliche in unserer Gesellschaft legen, muss ich sagen, dass es nicht dem christlichen Menschenbild entspricht, Menschen in Nützliche und Unnütze einzuteilen.
Des Weiteren beschwören Sie in Ihrem Antrag wieder die Gefahr von der Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Sie verbreiten die Botschaft, Ausländer würden nur zu uns kommen, um unsere Sozialsysteme auszunutzen. Diese Behauptung schürt den Sozialneid, und sie ist nachweislich falsch.
Bei der überwiegenden Zahl der Zuwanderungsfälle sind die Sicherung des Lebensunterhalts und ein ausreichendes Einkommen Voraussetzung. Das war in der Vergangenheit so, und das wird auch nach dem neuen Zuwanderungsgesetz so bleiben. Egal, ob Arbeitsmigranten, Familienangehörige von Ausländern oder ausländische Studierende: Alle müssen eine eigenständige Existenzsicherung durch Arbeit oder sonstiges Einkommen nachweisen können, bevor ihnen der Zuzug ermöglicht wird.
Von dieser Voraussetzung ausgeschlossen sind lediglich die Spätaussiedler und Flüchtlinge. Die Aussiedler erhalten umfangreiche Eingliederungshilfen, und Asylsuchende werden mit einem einjährigen Arbeitsverbot – in Bayern meistens noch länger – belegt, und während dieser Zeit erhalten sie über das Asylbewerberleistungsgesetz ungefähr 80% der Sozialhilfe. Von einer Zuwanderung in unsere Sozialsysteme kann daher keine Rede sein. Im Gegenteil, die Zuwanderer zahlen in unsere Sozialsysteme und stärken diese.
Weiter lese ich im CSU-Antrag, dass das Problem der Ausländer, die bereits in Deutschland leben, sich aber bisher nicht integriert haben, vollkommen unberücksichtigt bleibe. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wo bitte schön hat sich die CSU denn hervorgetan und wenigstens ein paar Vorschläge für die Integration der schon länger hier lebenden Migranten im Landtag eingebracht? Wir haben mit unserem Entwurf eines Landesintegrationsgesetzes Vorschläge auf den Tisch gelegt. Darüber wollten Sie aber nicht einmal diskutieren. Frau Stewens, die Sozialministerin, hat uns im Januar aufgefordert, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Wir lassen uns weder Denk- noch Diskussionsverbote auferlegen.
Wir haben in unserem heutigen Antrag noch einmal deutlich gemacht, welche zentralen Forderungen wir für die Integration haben. Integration ist eine Querschnittsaufgabe. Sie tangiert deshalb viele Bereiche. Die schlechten Pisa-Ergebnisse zwingen Sie und uns, darüber nachzudenken, wie man die Sprachförderung im Kindergarten und an den Schulen besser gestalten kann. Sie behaupten immer, ausländische Eltern hätten kein Interesse an der Sprachförderung für ihre Kinder. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass viele Sprachförderprogramme – auch im Kindergarten – nicht vom Staat initiiert werden, sondern aufgrund privater Initiative entstehen. In München gibt es an den Kindergärten eine Sprachförderung, die von der evangelischen Kirchen und von den ausländischen Eltern bezahlt wird. Ein ähnliches Projekt gibt es in Lindau. Die Elternsprachkurse „Mama lernt Deutsch“ sind Initiativen der Wohlfahrtsverbände, des Mainzer Sprachverbandes und der Kommunen. Der Freistaat zahlt keinen müden Euro dafür.
Ihre Argumentation ist unredlich und durchsichtig. Statt den Menschen reinen Wein einzuschenken und sie
darauf vorzubereiten, dass es Zuwanderung gibt, welche unsere Gesellschaft verändern wird, gaukeln Sie den Menschen vor, dass alles so bleiben könnte, wie es ist.
Sie verstärken die Ausländerfeindlichkeit und den Sozialneid, wenn Sie immer wieder von den nützlichen Ausländern sprechen und von denjenigen, die uns angeblich ausnützen.
Ihr Antrag dient lediglich der Stimmungsmache im Wahlkampf und ist kein Beitrag zu einer sachlichen Debatte. Deshalb werden wir ihn ablehnen.