Protocol of the Session on June 25, 2002

Herr Kollege, weil Sie gerade von Schwerpunkten in der Steuerfestsetzung sprechen: Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass gerade die Einkommensteuererklärungen der Arbeitnehmer, was Belege und Nachweise anbelangt, besonders genau geprüft werden, während bei den Selbstständigen das Allermeiste abgeschrieben wird?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CSU)

Mein lieber Herr Kollege Schieder, ich glaube, das ist hier nicht der Kernpunkt der Diskussion. Hier geht es um die Stellensituation.

(Frau Biedefeld (SPD): Steuergerechtigkeit!)

Da müssen Sie schon zur Kenntnis nehmen, dass die Betriebsprüfungen sehr effizient in einem regelmäßigen Rhythmus vorgenommen werden, der nicht in einem Übermaß, sondern in einem vernünftigen Prüfungsmaß endet.

Meine Damen und Herren, ich kann insgesamt feststellen, dass trotz der Schwierigkeiten, die sicherlich in der Umsetzung der Verwaltungsreform bestanden haben, die Personaleinsparungen, die Stellenkürzungen in der Steuerverwaltung nur 5% betragen haben und nicht 10% wie üblicherweise in anderen Verwaltungsbereichen. Ich habe die Zahl von 866 Stellen, die uns gegenwärtig vorgeschlagen werden, schon genannt.

Ich möchte noch einiges zur Personalsituation sagen. Es wird von der SPD und von den GRÜNEN ja auch beklagt, dass die Beförderungssituation insgesamt schlecht sei und zu einer Demotivation bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt habe. Ich vermag diese Beobachtung nicht zu bestätigen. Eine Beförderungssituation ist nie gut genug. Das ist gar keine Frage. Nur, nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass seit 1990 8000 Beförderungen ausgesprochen werden konnten und dass allein im Doppelhaushalt 2001/2002 weitere 1000 zusätzliche Beförderungen, darunter auch Beförderungen, die von herausragender Qualität sind, vorgenommen wurden. Selbstverständlich – das betone ich auch – dürfen wir uns nicht zufrieden zurücklehnen, sondern wir sind gefordert, in den nächsten Haushaltsjahren hier weitere Verbesserungen vorzunehmen.

Im Gegenzug haben wir natürlich versucht, diesen Stellenabbau, der notwendigerweise erfolgen musste, zu kompensieren. Die Umsetzung läuft sehr gut. In den Finanzämtern ist die Organisation von Servicestellen außerordentlich gut in Bewegung gebracht worden. Die Servicestellen erfreuen sich bei den Bürgern sehr großer Beliebtheit. Die Zufriedenheits- und Akzeptanzquote liegt bei rund 95%. Dies wiederum wird Kräfte freisetzen, die in der unmittelbaren Aktenbearbeitung und in der Sachbearbeitung Kräfte freisetzen und weitere Verbesserungen eintreten lassen. Allein 150 Millionen e wurden in eine neue EDV investiert. Nicht unerwähnt bleiben soll auch, dass die Konzentration der Grunderwerbsteuerstellen Synergieeffekte gebracht hat.

Selbstverständlich werden wir weiterhin an Verbesserungen im Finanz- und Steuerbereich arbeiten. Ich habe die Beförderungssituation bewusst realistisch dargestellt, weil eine andere Betrachtungsweise niemandem dienlich ist. Hier brauchen wir keinen Wahlkampf zu machen, sondern hier müssen wir gemeinsam versuchen, weiterhin Verbesserungen zu erreichen. Ich glaube, dass gerade die regional unterschiedliche Situation, insbesondere im Bereich der OFD Nürnberg Anlass gibt, im nächsten Doppelhaushalt mit aller Kraft etwas zu bewegen. Ich spreche hier insbesondere von einer Mehrung der Spitzenämter A 9 und A 10. Auch im Bereich A 8, das heißt Hauptsekretär, muss durch Verbesserungen ein gewisser Druck herausgenommen werden.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Naaß (SPD))

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun noch ein paar Worte zu dem von Ihnen immer so stark in den Vordergrund gerückten Bearbeitungsrückstau. Selbstverständlich, wenn man sich die Statistik, den Ländervergleich vergegenwärtigt, dann mag es durchaus sein – –

(Zuruf der Frau Abgeordneten Naaß (SPD))

Jetzt lassen Sie mich doch erst einmal weiterreden; ich habe Sie auch nicht unterbrochen. Sie müssen sich einmal mit den Tatsachen auseinander setzen und nicht nur mit Ihren Emotionen!

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Tatsache ist, dass das Problem der Rückstandsbearbeitung nicht nur erkannt ist, sondern nunmehr sehr, sehr konsequent in Angriff genommen wird und in absehbarer Zeit auch vollständig gelöst werden wird.

(Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dies muss lokal gelöst werden, das geht nicht per Dekret des Finanzministeriums machen, sondern es muss lokal beurteilt werden, wo hier Verbesserungen eintreten müssen, Veränderungen vorgenommen werden müssen und wo etwas organisiert werden muss. Das kann nur über die Amtsvorsteher selbst laufen. Ich kann nur von meinem Finanzamt zu Hause sagen – ich stehe mit ihm in enger Verbindung; ich bin nicht mit allem einverstanden, was da geschieht, das sage ich hier einmal ausdrücklich –: Insgesamt ist diese Linie gut und wird in absehbarer Zeit auch erfolgreich sein.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Naaß (SPD))

Mit Sicherheit werden Sie dann keinen Anlass mehr für irgendwelche wahlkampfbezogenen kritischen Anmerkungen haben.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kellner. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Peterke, wenn hier gefordert wird, den Stellen- und Personalabbau bei der Finanzverwaltung zu stoppen, dann hat das nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern mit Beendigung einer unerträglichen Situation, die sich über die Jahre vorbereitet hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das Ganze entwickelt sich ja schon seit 1990; mindestens seit dieser Zeit verfolge ich diesen Prozess.

Es stimmt: Die Finanzverwaltung wurde beim Stellenabbau nach Artikel 6 a ff. etwas schonender behandelt, aber nicht ausgenommen. Mindestens genauso schlimm ist die Wiederbesetzungssperre.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Wiederbesetzungssperre von sechs Monaten hatte ja schon gereicht, aber sie jetzt auch noch auf neun Monate zu erhöhen, nur damit Geld für irgendwelche Sonderprogramme zur Verfügung steht, das geht einfach nicht!

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn wir brauchen eine Steuerverwaltung, die geordnet arbeiten kann. Gerechtigkeit und Transparenz müssen die Grundlage jeglicher Finanz- und Steuerpolitik sein.

(Zuruf von der CSU: Hört, hört!)

Das bekommt man nicht im Schnelldurchgang. Es ist bekannt: Die Steuergesetzgebung ist inflationär. Viele Versuche, das zu stoppen oder abzumildern, sind in der Vergangenheit gescheitert, und ich bin skeptisch, ob es in Zukunft gelingen wird, entscheidende Fortschritte bei der Steuervereinfachung zu machen.

(Zuruf von der CSU: Die neue Bundesregierung wird es packen!)

Zum Beispiel ist ja jetzt die Trinkgeldsteuer abgeschafft worden, die noch Ihr Finanzminister Waigel eingeführt hat.

(Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser: Eingeführt hat? – Geste des Staatsministers)

Ja, natürlich! Er hat eingeführt, dies zu verfolgen. Ich habe das ganz genau nachgelesen, Herr Staatsminister Faltlhauser: Die Bareis-Kommission – –

Entschuldigung, Frau Kollegin! Aber Herr Finanzminister, solche Handzeichen gibt man nicht ins Plenum. Das sollten Sie auch wissen!

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Zwischenrufe von der Regierungsbank gibt es auch nicht!

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Erst gibt es die Beschwerde, dass er nicht da ist, jetzt ist er da, ist es auch nicht recht!)

Herr Kollege von Rotenhan, wenn Sie mit meiner Amtsführung nicht einverstanden sind, dann bitte beantragen Sie eine Sondersitzung des Ältestenrates. Ich lasse nicht zu, dass mit einer solchen Handbewegung gegenüber Kollegen gehandelt wird. Ich habe das Hausrecht hier!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Präsident! Es sieht so aus, als hätte ich hier einen sehr wunden Punkt getroffen, weil nämlich der jetzige bayerische Finanzminister, Herr Prof. Faltlhauser, damals auch Mitglied der Bundesregierung war, und er weiß sehr genau, dass Sie damals, als das Geld knapp wurde in den schlechten Steuerjahren, angefangen haben, bei den Trinkgeldern Steuern einzutreiben, was Sie laut Gesetz tun konnten.

(Widerspruch bei der CSU)

Dann haben Sie, Ihre damalige Regierung, die so genannte Bareis-Kommission einberufen, die Ihnen Wege zur Steuervereinfachung aufzeigen sollte. Im Bericht der Bareis-Kommission – und das weiß ich ganz genau – stand, dass man doch die Trinkgeldbesteuerung abschaffen sollte, da diese sehr arbeitsaufwendig sei und der Erlös in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand stehe.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Sie haben sich damals geweigert. Die jetzige Regierung – ich nenne Ihnen das nur als Beispiel – hat die Trinkgeldbesteuerung, die ich aus verschiedenen Gründen für unsinnig halte, abgeschafft. – Dies zur Steuervereinfachung.

Wenn der Oberste Rechnungshof Beanstandungen macht, zum Beispiel beim Einzug der Erbschaft- und Schenkungsteuer die großen Rückstände moniert – und hier geht es wirklich um sehr viel Geld, damals waren es 500 bis 800 Millionen DM –, kommen Sie auf Trick 17: Dann wird sozusagen eine Kreislaufwirtschaft innerhalb der Finanzverwaltung betrieben, indem eben diese Abteilungen kurzfristig aufgestockt werden, um die Arbeitsberge abzuarbeiten. Die Leute fehlen dann woanders.

Herr Peterke, Sie haben angesprochen, dass die Zahl der Steuerfahnder und Betriebsprüfer erhöht wurde. Das stimmt. Aber diese Steuerfahnder und Betriebsprüfer fallen ja nicht vom Himmel. Das heißt, das sind Finanzbeamtinnen und -beamte, die aus der Finanzverwaltung gewonnen werden müssen; es sind sehr gute Beamtinnen und Beamte, die dem Innendienst entzogen werden.

Der Prüfer arbeitet draußen. Die Ergebnisse, die er hereinbringt, müssen im Innendienst verarbeitet werden.

Ich sage Ihnen nur: So kommen Sie nicht weiter, wenn Sie hier in einer Art Kreislaufwirtschaft immer die Beamten von einer Abteilung in die andere schieben nach dem Motto: Wo gerade das Loch am größten ist, wo die öffentliche Aufregung gerade am größten ist, da geben wir schnell Personal hin, sollen die anderen wieder in eine Leidensperiode eintreten!