Vielen Dank, Herr Staatsminister, für die Beantwortung der beiden Fragen. Jetzt darf ich Herrn Staatsminister Dr. Wiesheu darum bitten, die an sein Haus gerichteten Fragen zu beantworten. Erster Fragesteller ist Herr Kollege Dr. Runge.
Herr Staatsminister Wiesheu, ich frage Sie: Wie beurteilen die Staatsregierung und insbesondere Sie das Abrücken von Ministerpräsident Edmund Stoiber von der bisherigen Forderung von Landtag und Staatsregierung nach einer eindeutigen Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn, was zuletzt durch einstimmigen Landtagsbeschluss vom Oktober letzten Jahres dokumentiert wurde?
Das verkehrspolitische Ziel der Staatsregierung und des Landtags ist die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur des Bundes. Dieses Ziel soll durch die Unabhängigkeit der Eisenbahnverkehrs- und der Eisenbahninfrastrukturunternehmen voneinander erreicht werden. Zur Herstellung dieser Unabhängigkeit sollten als erster Schritt die Vorschläge der vom Bundesverkehrsminister eingesetzten „Task force“ konsequent umgesetzt werden. Danach hat das Netz im Interesse einer wirtschaftlichen Transparenz
eine eigene Rechnungslegung vorzunehmen; die Satzung der DB AG hat die unternehmerische Unabhängigkeit des Netzes von der Holding vorzusehen und der Wettbewerb soll durch unabhängige Eisenbahn- und Kartellbehörden gesichert werden. Eine entsprechend umgesetzte Trennung zwischen Netz und Betrieb muss nicht zu einer vollständigen Trennung in Organisation und Rechtsform führen. In diesem Sinne hat sich auch der Ministerpräsident geäußert.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bewusst, dass Sie jetzt vollständig auch von den Intentionen Ihrer Fraktion abgerückt sind, welche unseren Dringlichkeitsantrag vom Oktober letzten Jahres noch einmal konkretisiert und ganz klar gesagt hat, sie wolle eine völlige organisatorische und rechtliche Trennung?
Im Antrag ist nicht von der völligen organisatorischen und rechtlichen Trennung die Rede, sondern von der Trennung von Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen. Das kann organisatorisch auch auf andere Weise sichergestellt werden. Diese Trennung muss nicht die völlige rechtliche Trennung bedeuten. Das steht auch nicht im Antrag. Lesen Sie den Antrag doch nach.
Zweitens entscheidet über dieses Thema nicht das Land, sondern der Bund. Dort befinden sich die Grünen meines Wissens in der Koalition. Ich stelle Ihnen also die Frage, inwieweit sich die Grünen im Bund mit Ihren Anliegen durchgesetzt haben.
Herr Minister, hängt Ihr Meinungsumschwung, den Sie als solchen nicht zugeben, vielleicht damit zusammen, dass Sie im Zusammenhang mit dem Transrapid oder der Rennstrecke durch den Thüringer Wald Wohlverhalten von der Bahn erwarten?
Hängt die Tatsache, dass die Grünen im Bundestag dieses Thema nicht weiter verfolgen, damit zusammen, dass Sie seitens der Bundesregierung oder des Bundeskanzlers bei den nächsten Koalitionsverhandlungen Wohlverhalten erwarten? Die wird es allerdings nicht mehr geben. Was soll also das ganze Theater? Für dieses Thema ist der Bund zuständig. Diese Frage soll auf Bundesebene entschieden werden.
Wir haben bei der Bahnreform seinerzeit die Trennung von Netz und Betrieb vorgeschlagen. Diese Trennung ist nicht erfolgt. Ich halte nichts davon, dass man bei der Bahn permanent Strukturdebatten führt. Man sollte die Probleme lösen, die jetzt anstehen und dafür sorgen, dass es mehr Wettbewerb gibt. Wenn es mehr Wettbewerb gibt, kann man dieses Thema neu aufgreifen. Wenn Sie so wollen, schlage ich vor: Wiedervorlage in fünf bis zehn Jahren.
Herr Staatsminister, ist zu erwarten, dass ähnlich wie bei dem eben genannten Fall die Staatsregierung aus wahlkampftaktischen Gründen auch von ihrer Forderung nach Konkretisierung der Gemeinwohlverpflichtung für den Schienenfernverkehr in Artikel 87 e Absatz 4 des Grundgesetzes abrückt?
Wir haben im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingereicht, der diese Gemeinwohlverpflichtung konkretisiert. Er ist vom Bundestag behandelt, aber von Rot-Grün abgelehnt worden. Ich wäre also sehr dankbar, wenn Rot-Grün im Bundestag die Gemeinwohlverpflichtung, welche im Grundgesetz steht, auch ernst nehmen würde. Sie sollten an Ihre eigenen Parteifreunde appellieren, das zu tun, was sie öffentlich verkünden. Sie sollten das, was Sie hier verlangen, in Berlin einfordern. Bei diesem Thema hat Rot-Grün versagt, und das ist das Problem.
Herr Staatsminister, ich frage die Staatsregierung: Welche Anstrengungen unternimmt die Staatsregierung zur dauerhaften Sicherstellung der umsteigefreien Direktverbindung mit Regionalexpresszügen zwischen Hof und Leipzig auch nach Fertigstellung des Citytunnels in Leipzig und zur Elektrifizierung dieser Strecke sowie der Strecken Hof – Marktredwitz – Nürnberg und Hof – Bayreuth – Schnabelwaid?
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft führt im Auftrag der Staatsregierung Verhandlungen mit der DB AG über die Fortführung der bestehenden Direktverbindungen Hof – Leipzig für den Fahrplan 2003, der ab Mitte Dezember 2002 gültig ist. Aktuell verkehren auf der Strecke Hof – Leipzig Montag bis Freitag zwei Zugpaare und am Wochenende vier Zugpaare. Die Bemühungen zur
Fortsetzung und möglichen Verbesserung der Angebote werden bei den künftigen Fahrplänen in Zusammenarbeit mit den sächsischen Aufgabenträgern fortgesetzt. Das gilt auch nach der Eröffnung des Leipziger Citytunnels, mit der jedoch nicht vor dem Jahr 2007 gerechnet werden kann.
Für die Schieneninfrastruktur, also auch für die Elektrifizierung von Schienenstrecken, sind die DB AG und der Bund verantwortlich. Die Bayerische Staatsregierung hat die Elektrifizierung der Strecke Hof – Marktredwitz – Nürnberg für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans angemeldet. Eine Elektrifizierung der Schienenstrecke Hof – Bayreuth – Schnabelwaid wird von der Staatsregierung derzeit nicht verfolgt, weil das aktuelle Angebot auf der vorhandenen Infrastruktur mit der heute eingesetzten Diesel-Neigetechnik gefahren werden kann.
Herr Präsident, ist schon absehbar, ob nach der Fertigstellung dieses Tunnels der Verkehr von Hof nach Leipzig mit dieselbetriebenen oder elektrisch betriebenen Lokomotiven aufgenommen wird?
Das ist heute noch nicht absehbar; der Bauzustand in der Zukunft ist heute noch nicht definitiv klar. Die Bahn macht im Voraus keine Aussagen über die konkrete Ausgestaltung im Fernverkehr. Das erleben wir jetzt auch mit der Strecke Stuttgart – Augsburg – München. Es geht um die Debatte, wie nach dem Betriebsbeginn des ICEVerkehrs auf der Strecke München – Nürnberg der Verkehr geregelt wird. Auch da hat sich die Bahn noch nicht festgelegt.
Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, nachdem im Februar die Ergebnisse der Fahrgastpotenzialanalyse vom Geografischen Institut der Universität Würzburg für den Regionalverkehr auf der Bahnstrecke Würzburg – Lauda veröffentlicht wurden, frage ich, wie die Staatsregierung auch unter der Kosten-/Nutzenrelation die Möglichkeiten zur Realisierung neuer Bahnhaltepunkte in Reichenberg, Lindflur und Moos einschätzt, und würde dies für Reichenberg eine Doppelbedienung durch Bahn und Bus oder letztlich den Wegfall der Würzburger Straßenbahnlinie 31 bedeuten?
Ich will vorab anmerken, dass das angesprochene Gutachten voraussichtlich erst Ende Mai 2002 abgeschlossen sein wird. Bisher liegen Zwischenergebnisse vor. Aufgrund der Zwischenergebnisse kann grundsätzlich
von einem nennenswerten Fahrgastpotenzial für die genannten neuen Bahnhaltepunkte ausgegangen werden. Eine Einschätzung der Realisierungsmöglichkeiten für die neuen Bahnhaltepunkte auch unter Kosten-/Nutzengesichtspunkten liegt derzeit noch nicht vor. Das interessiert dann insbesondere die Bahn.
Voraussetzung für die Realisierung neuer Bahnhaltepunkte ist aber regelmäßig eine Anpassung der Busbedienungskonzepte, um Parallelverkehr von Bus und Bahn zu vermeiden. Wir wollen eine Verflechtung zwischen Bahn und Bus – wenn man so will, eine Übergabe der Fahrgäste an den Schnittstellen. Deswegen wäre eine Anpassung die logische Folge. Das folgt auch aus Artikel 2 Absatz 3 des Bayerischen ÖPNV-Gesetzes.
Herr Staatsminister, können Sie die Zeitachse für dieses Projekt unter optimistischer Betrachtung beschreiben?
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich befürchte, ich bekomme auf meine nächste Frage eine ähnliche Antwort. Welches von den drei Finanzierungsmodellen favorisieren Sie?
Ich glaube, dass man auch hier abwarten sollte, welche konkreten Anforderungen sich stellen, wie es mit der Wirtschaftlichkeit aussieht und wie andere Zuwendungsgeber herangezogen werden können. Das macht auch die Bahn. Das ist immer eine Frage konkreter Verhandlungen. Heute geht es nicht darum, dass ich sage, ich favorisiere ein bestimmtes Modell, das am Ende nicht möglich ist. Es geht immer darum, wie sich die Finanzierung letztlich darstellen lässt. Das sind keine großen Projekte.
Herr Staatsminister, wann will die Staatsregierung welche Schritte unternehmen, um gemeinsam mit der Stadt Nürnberg die von der Deutschen Bahn AG in Sachen des Ausbesserungswerkes
Nürnberg zugesagte „ergebnisoffene“ Überprüfung auf der Basis des gemeinsamen Gutachtens zur künftigen Entwicklung des DB-Werkes umzusetzen, nachdem sich sowohl Bundeskanzler Schröder als auch Verkehrsminister Bodewig mit Terminangeboten bei der IHK-Verkehrskonferenz in Nürnberg am 22.02.2002 öffentlich und auch gegenüber der DB-AG dafür ausgesprochen haben und das zusätzliche Siemens Engagement zur Fertigung in Nürnberg das Problem der schweren Wartung, insbesondere beim ICE I und ICE II, nicht löst?
Die DB AG hat entsprechend der Vereinbarung mit dem Freistaat Bayern vom 4. und 5. September 2001 eine ergebnisoffene Überprüfung des Wirtschaftlichkeitsgutachtens der Management Engineers GmbH & Co. KG zugesagt. Diese ist noch nicht abgeschlossen. Ich muss Ihnen sagen: Wir haben schon mehrmals versucht, diese Termine mit der Bahn AG durchzubesprechen. Mittlerweile haben aber der Bundeskanzler und der Bundesverkehrsminister im Februar angekündigt, sich für eine Auseinandersetzung der DB AG mit dem Wirtschaftlichkeitsgutachten einzusetzen. Wir haben wiederholt auf die Erfüllung dieser Zusage gedrängt. Der Bundeskanzler hat angekündigt, dass unter Leitung des Chefs des Bundeskanzleramtes, Herrn Dr. Steinmeier, eine Gesprächsrunde mit Vertretern der DB AG und des Bundesverkehrsministeriums arrangiert werden soll.
Ich nehme zur Kenntnis, dass der Freistaat Bayern nicht daran beteiligt wird. Wir haben zwar das Gutachten mitfinanziert, aber ich habe dagegen keine grundsätzlichen Einwendungen geltend zu machen. Das Thema der Instandsetzungswerke ist ein Thema der Bahn AG und damit des Bundes als Eigentümer. Der Bund trägt die Verantwortung. Wenn der Bund sagt, das Land soll sich heraushalten, dann kann ich das nur zur Kenntnis nehmen. Wir haben dafür gesorgt, dass es eine Vereinbarung mit Siemens über die Übernahme von 400 Arbeitskräften gibt.
Nach dieser Ankündigung des Bundeskanzlers ist von Seiten des Bundes weiter nichts geschehen. Ich habe am 17. April 2002 das Engagement, das Bundeskanzler Schröder zugesagt hat, bei Staatsminister Dr. Steinmeier angemahnt. Die angekündigte Gesprächsrunde kam bisher nicht zu Stande; es wurde nicht einmal ein Termin angekündigt. Deshalb vermute ich, dass die Ankündigung des Bundeskanzlers lediglich eine Aktion im Hinblick auf den Kommunalkampf war.