Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, Hohes Haus! Frau Kollegin, zunächst erhalten die Landwirte Beihilfen im Zusammenhang mit dem Auftreten von BSE. Es handelt sich dabei um Hilfen für BSE-geschädigte Betriebe, die der Landtag beschlossen hat, wofür ich sehr dankbar bin. Wir leisten diese Erstattungen für Kosten von BSE-Untersuchungen in der Absicht, den Landwirten zu helfen, weil sie von dieser Krise am meisten betroffen sind. Sie können sehr deutlich sehen, dass die Preise für den Verbraucher auch bei Rindfleisch durchaus gestiegen sind, während die Erzeugerpreise noch deutlich unter dem Stand vor dem Auftreten von BSE liegen.
Wir haben die BSE-Testkostenerstattung in verschiedenen Phasen vorgenommen. In der ersten Phase, also nach dem ersten Fall, hatten wir dafür noch keine Haushaltsmittel. Erst nach Gründung des Hauses wurde der Haushalt am 9. Mai 2001 im Bayerischen Landtag verabschiedet. In dieser Phase wurde zunächst rückwirkend jedem, der geschlachtet hatte, der Betrag für den BSETest ersetzt.
Wir haben dann in einer zweiten Phase ab dem 19. März 2001 die Testkostenerstattung direkt an die Labore gezahlt. Das war verwaltungstechnisch einfacher.
Als wir erkannt haben, dass diese Kostenerstattung eben nicht an die Hauptbetroffenen, an die Landwirte, weitergegeben wurde, haben wir das Verfahren in einer dritten Phase wieder umgestellt. Seit dem 1. Oktober 2001 zahlen wir wieder direkt an die Landwirte einen Pauschalbetrag von 25 Euro.
Zusätzlich – das macht das Ganze etwas kompliziert – zahlt die Europäische Union 15 Euro bei Schlachtrindern über 30 Monate, weil EU-weit der Test erst ab 30 Monaten vorgeschrieben ist. Wir dagegen zahlen für den in
Deutschland gesetzlich vorgeschriebenen Test ab 24 Monaten. Mit dem Zuschuss von 15 Euro je Test werden die Testkits beschafft. Diese Zahlungen der EU – so kompliziert ist das leider – fließen nur, wenn öffentliche Mittel eingesetzt wurden, das heißt, wenn wir diese Kosten vorfinanziert haben.
Das läuft im Augenblick noch und wir haben die Absicht, diese Kostenerstattung bis zum Ende des Jahres durchzuziehen. Das bedarf immer einer erneuten Notifizierung bei der Europäischen Union. Wir bedauern es natürlich außerordentlich, dass im Gegensatz zur Europäischen Union und zum Freistaat Bayern der Bund trotz großer Ankündigungen bisher noch keinen Cent zu den Kosten der BSE-Tests beigetragen hat.
Herr Staatsminister, mir sagen verschiedene Metzgereibetriebe, dass die Kosten des BSE-Tests eben nicht die Landwirte, sondern die Metzgereien, die Schlachtereien und die Labore zu tragen haben. Für mich ist jetzt die Frage: Welche Kosten entstehen dem Landwirt bei den BSE-Tests, die es rechtfertigen, dass der Staat ihm dafür Zuschüsse gibt? Es geht schließlich um eine Kostenerstattung. Ich will konkret wissen: Welche Kosten hat der Landwirt im Zusammenhang mit dem BSE-Test? Das hat nichts mit den Preisen für Rindfleisch usw. zu tun.
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Das hat sehr wohl etwas damit zu tun, weil der Landwirt die Kosten nicht weitergeben kann. Wenn Sie die Preise vergleichen – ich kann Ihnen die amtlichen Preisfeststellungen zum Beispiel für Kühe der Handelsklasse R 3 geben –, dann sehen Sie, dass die Landwirte am meisten von dieser BSE-Krise belastet sind, weil sie sozusagen am Anfang der Kette stehen. Wenn Sie als Verbraucherin in einen Laden gehen, sehen Sie, dass die Kosten an den Verbraucher weitergegeben werden können. Hier klafft eben eine Lücke.
Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass natürlich derjenige, der schlachtet und die amtliche Fleischuntersuchung finanzieren muss, die BSE-Testkosten zahlt. Aber unser Anliegen ist es schlicht und einfach, dem Hauptbetroffenen, nämlich dem Landwirt, zu helfen. Dabei ist die Situation der Bullenmäster in Bayern ein entscheidendes Problem. Wir wollen letztlich durch die Zahlung der Testkosten an den Bauern diesen Kostenfaktor neutralisieren. Das ist die erklärte Absicht. Im Zusammenhang mit den verschiedenen Methoden der Zahlung, die wir hatten, haben wir eben gesehen, dass die Direktzahlung an die Labore überhaupt keine Auswirkungen auf das hatte, was den Landwirten gezahlt wurde. Das heißt, es wurde immer wieder argumentiert: Wir haben die hohen Kosten; deswegen können wir nicht Preise zahlen. – Das war letztlich der Grund dafür, dass wir ab 1. Oktober noch einmal umgestellt haben, obwohl damit ein ganz erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden war.
Ich stelle mich den Diskussionen mit den Metzgern. Ich kenne diese Argumentation. Aber ich meine, die Steuermittel sollten dort eingesetzt werden, wo sie am notwendigsten und am wirksamsten sind. Das ist eindeutig beim Landwirt der Fall, wobei zu sagen ist, dass die Testkits, also die EU-Förderung, direkt ans Labor gehen, weil diese Förderung für den Ankauf von Testkits zweckgebunden ist.
Herr Staatsminister, haben Sie Erkenntnisse darüber, ob die Kostenerstattung, die die Labore bekommen, ausreicht, um die den Laboren entstehenden Kosten zu decken? Es gibt nämlich auch Informationen, dass die Labore auf den Kosten sitzen bleiben.
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Die Kostenerstattung ist kostendeckend. 25 Euro sind ein Betrag, der sich an den aktuellen Kosten orientiert. Wir wissen das, weil wir die Abrechnung über die Labore hatten.
Entgegen manchen Annahmen im Bayerischen Landtag hat es auch keine Schleuderpreise oder Dumpingpreise gegeben. Natürlich hat es eine Preisentwicklung nach unten gegeben, nachdem sich die Testverfahren etabliert hatten. Ich denke, dass die Kosten, die jetzt erstattet werden, durchaus angemessen sind.
Ende des Jahres werden wir diese Kostenerstattung auslaufen lassen. Es ist auf EU-Ebene aus Wettbewerbsgründen nicht möglich, solche Kostenerstattungen weiterzuführen. Es ist über zwei Jahre gelaufen, um eine Anpassung zu erreichen. Letzten Endes muss das aber irgendwann einmal über den Verbraucherpreis abgewickelt werden. Wir können keine Dauersubvention machen. Das sind Beträge, in D-Mark ausgedrückt – Sie brauchen bloß in den Haushaltsplan zu schauen –, die in den Bereich von 40 bis 50 Millionen pro Jahr gehen. Wenn der Markt es wieder erlaubt, diese Fleischhygienekosten, diese Untersuchungskosten zu finanzieren, dann muss das laufen. Ein zweijähriger Anpassungszeitraum reicht meines Erachtens aus.
Herr Staatsminister, gibt es eine ähnliche Kostenerstattung für die Landwirte auch in anderen Bundesländern oder ist das nur in Bayern so?
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Es gibt in anderen Bundesländern auch Kosten
erstattungen. Natürlich haben wir in Bayern deutlich mehr gemacht als in anderen Bundesländern. Das hat uns das Geschäft auch erschwert, weil andere Bundesländer – ich denke beispielsweise an Mecklenburg-Vorpommern – unsere BSE-Hilfen als Wettbewerbsverzerrung betrachten und sie in Brüssel unter Wettbewerbsgesichtspunkten auch immer wieder infrage stellen. Das wird durch Kommissar Monti beurteilt. Bisher ist es immer gelungen, die Notifizierung zu erreichen und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass wir das noch bis zum Ende dieses Jahres durchsetzen können.
Es wäre für uns sehr hilfreich gewesen – das sage ich an die Adresse der Kollegen von der SPD und den GRÜNEN –, wenn sich die Bundesregierung über verbale Aussagen hinaus auch beteiligt hätte. Dann hätten wir einen Gleichklang im Bundesgebiet und hätten dieses Argument der Wettbewerbsverzerrung nicht. So hat Bayern deutlich mehr geleistet als der Bund und andere Bundesländer.
Herr Staatsminister, angesichts der aktuellen Berichte über die zunehmenden bakteriellen Infektionen in der stationären Versorgung frage ich Sie, zu welchen Ergebnissen die diesbezüglichen Kontakte Ihrer Staatssekretärin zu Ärztekammer und KV mittlerweile geführt haben, welche Fortbildungen neu angeboten werden und wie dadurch die erschreckende Anzahl von Neuinfektionen reduziert werden kann.
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, Hohes Haus! Frau Kollegin Hirschmann, die Reduzierung von Krankenhausinfektionen setzt seit jeher eine möglichst genaue Beachtung der bekannten einschlägigen Hygienerichtlinien des Robert-Koch-Instituts voraus. Dabei sind auch Initiativen der ärztlichen Selbstverwaltung zur Weiterbildung von Ärzten in diesem Bereich von wesentlicher Bedeutung. Darin sind wir uns sicher einig.
Frau Kollegin Görlitz hat deshalb die Bayerische Landesärztekammer wiederholt, zuletzt mit Schreiben vom 16. April 2002, darauf hingewiesen, dass ein Qualifikationsnachweis „Krankenhaushygiene“ geschaffen werden soll. Des Weiteren hat sie darum gebeten, eine die Krankenhaushygiene einschließende Facharztweiterbildung anzubieten, also den Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin bzw. Facharzt für Mikrobiologie mit entsprechender Zusatzqualifikation in der Krankenhaushygiene, und diese Weiterbildungsrichtung ganz besonders zu fördern. Voraussetzung für eine Umsetzung ist die Änderung der Weiterbildungsordnung für Ärzte. Dies setzt natürlich entsprechende Entscheidungsprozesse in den Gremien der Ärztekammer voraus, die nicht kurzfristig ablaufen. Wir sind hier ständig in Gesprächen und legen größten Wert darauf, dass die Bayerische Landesärzte
Zusätzlich kann ich Ihnen sagen, dass wir gerade das Thema Hygiene im Krankenhaus und im Bereich des ambulanten Operierens sehr ernst nehmen. Wir haben verschiedene Expertengespräche durchgeführt. Die Landesuntersuchungsämter haben im letzten Jahr Erhebungen über Hygieneprobleme durchgeführt. Ein Katalog hygienerelevanter Bereiche wurde erstellt. Es wurde eine Arbeitsgemeinschaft zur Koordinierung der behördlichen Überwachung durch Gesundheitsämter, Gewerbeaufsichtsämter und Unfallversicherungsträger eingerichtet. Die Gewerbeaufsicht macht jetzt eine Aktion im Bereich der Endoskopie. Da geht es auch um den Arbeitsschutz. Im Dezember 2001 ist ein neuer Leitfaden für die Überwachung der Krankenhäuser durch das Landesuntersuchungsamt erstellt worden. Der öffentliche Gesundheitsdienst arbeitet mit der Kassenärztlichen Vereinigung im Hinblick auf die Kontrolle der Einrichtungen des ambulanten Operierens zusammen. Wir werden beim neuen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine eigene Organisationseinheit zur Hygiene in Krankenhäusern und in Einrichtungen des ambulanten Operierens einrichten.
Dann bedanke ich mich bei Herrn Staatsminister Sinner und bitte Frau Staatsministerin Stewens vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, die nächsten Fragen zu beantworten. Erster Fragesteller ist Herr Kollege Kobler.
Frau Staatsministerin, besteht seitens der Staatsregierung die Möglichkeit, auf den Bund einzuwirken, die Förderung der Mutter/Vater-Kind-Kuren in den Pflichtleistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen?
Herr Kollege Kobler, der Erhalt von Mutter/Kind-Kuren stellt ein sozial- und familienpolitisches Anliegen ersten Ranges dar. Diese Maßnahmen dienen der Gesunderhaltung der Familie und helfen natürlich, die hohen Anforderungen und Belastungen durch die Kindererziehung, insbesondere die Doppelbelastung durch Familie und Erwerbstätigkeit, teilweise wieder auszugleichen.
Derzeit sind die Mutter-Kind-Kuren nach dem SGB V als so genannte Satzungsleistungen ausgestaltet. Jede einzelne Krankenkasse kann also in ihrer Satzung festlegen, ob sie die Leistungen, abgesehen vom gesetzlichen Eigenanteil, voll übernimmt oder ob sie lediglich einen Zuschuss leistet. Leistet eine Krankenkasse nur einen
Zuschuss, besteht je nach dessen Höhe die Gefahr, dass sich die betroffenen Familien dann eine medizinisch indizierte Kur nicht mehr leisten können. Das halte ich familienpolitisch nicht für vertretbar.
Vor nicht ganz einem Monat haben wir uns im Landtag aus Anlass einer Satzungsänderung der AOK Bayern schon mit diesem Thema befasst. Damals habe ich betont, dass ich mich für den Erhalt von Mutter-Kind-Kuren mit dem gebotenen Nachdruck einsetzen werde. Offenbar ist eine grundlegende Verbesserung nur durch eine Gesetzesänderung möglich. Denn – auch das muss man einräumen – es ist für einzelne Krankenkassen durchaus eine Schieflast entstanden, weil immer mehr Kassen dazu übergehen, nur Zuschüsse zu zahlen. Nur als Beispiel zur Illustration: Die AOK Bayern ist heute mit nahezu 80% Hauptkostenträger von Mutter-Kind-Kuren.
Ich habe mich daher bereits am 23. April an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gewandt und sie gebeten, unverzüglich auf eine entsprechende Änderung des SGB V hinzuwirken.
Mittlerweile gibt es offenbar auf Bundesebene entsprechende Bestrebungen. Sobald uns ein Gesetzentwurf vorliegt, werden wir dessen Inhalt exakt überprüfen und gegebenenfalls entsprechende Änderungsvorschläge einbringen, damit der Kern unseres Anliegens von der Bundesregierung nicht verwässert wird und durch eine unklare Gesetzesregelung dann neue Probleme bei Mutter-Kind-Kuren auftauchen.
Inzwischen hat übrigens das Landessozialgericht Niedersachsen mit Urteil vom 27.02.2002 eine gesetzliche Krankenkasse verpflichtet, die Kosten einer stationären Mutter-Kind-Kur in vollem Umfang zu übernehmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; beim Bundessozialgericht ist Revision eingelegt worden. Gleichwohl werden wir auch die darin aufgezeigten Überlegungen in unsere Prüfung einbeziehen.
Die AOK Bayern hat im Hinblick auf die neuere Entwicklung zugesichert, die Umsetzung ihrer – übrigens noch im Genehmigungsverfahren befindlichen – Satzungsänderung bis mindestens 1. Juli 2002 aufzuschieben.
Frau Staatsministerin, wie werten Sie das Vorgehen der AOK Bayern, die Anfang April diese Änderungsbescheide mit den rapiden Erhöhungen der Eigenbeteiligung bis zu 750% herausgegeben hat? Sind diese Bescheide rechtswidrig ergangen, und was wird in der Folge gemacht werden? Sind sie in der Zwischenzeit aufgehoben, oder wie wird die AOK Bayern mit den ergangenen Bescheiden umgehen?
Herr Kollege Kobler, das war damals eine ausgesprochen schwierige Situation; denn die Bescheide der AOK