Gewaltbereite Menschen müssen in die Lage versetzt werden, ihrem gewalttätigen Handeln eine Alternative entgegenzusetzen. Das können diese Menschen oftmals nicht allein; sie brauchen Unterstützung. Deshalb wollen wir, dass die Staatsregierung Voraussetzungen dafür schafft, dass gewaltbereite und gewalttätige Männer in flächendeckenden Beratungsangeboten Maßnahmen zur Konfliktberatung und zur Einstellungsänderung erfahren können. Dazu gibt es in Bayern, aber nicht nur in Bayern, sehr wenige Angebote. Deshalb hoffen wir auf Ihre Zustimmung, um hier in Bayern den Kampf gegen die Gewalt in der Familie aufnehmen zu können. Wir hoffen auf die Unterstützung für unseren Antrag.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Über die Medien wird der Eindruck erweckt, Gewalttätigkeiten von Männern gegenüber ihren Frauen und Kindern würden ständig zunehmen. Deshalb klingt der Antrag, über den wir heute zu entscheiden haben, auf den ersten Blick plausibel. Gewaltbereite und gewalttätige Männer sollen überall in Bayern mit Hilfe von Beratung und Therapieangeboten lernen, mit ihren Konflikten friedlich umzugehen. So einfach ist die Wirklichkeit leider nicht.
Lassen Sie mich zunächst anhand von vier Punkten einiges zu den Rahmenbedingungen sagen, damit die Komplexität dieses Themas deutlich wird. Gewalt in der Familie ist kein neues Phänomen. Nach allem, was wir wissen, hat die Gewalt in der Familie quantitativ nicht zugenommen, sie war früher nur stärker tabuisiert. Das heißt, es wurde nicht darüber gesprochen. Das ist heute zum Glück vorbei. Heute lernen die Opfer zunehmend, sich zu wehren und zu schützen. Das ist in Ordnung so.
Damit gelangt das Thema stärker in die Öffentlichkeit, und damit entsteht aber auch der irrige Eindruck, die Gewalttätigkeiten würden zunehmen.
Gewalt in der Familie geht beileibe nicht nur von Männern aus – Sie werden vielleicht lächeln. Eine Befragung im Jahr 1989 hat ergeben, dass jede vierte Frau und sogar jeder dritte Mann mit einem Partner zusammenlebt, der ihn schon einmal misshandelt hat. Hier möchte ich die psychische Gewalt in Familien und in Partnerschaften ansprechen. Gewalt von Frauen gegen Männer kommt in der Öffentlichkeit nicht vor, vielleicht weil den betroffenen Männern der Mut fehlt, den die Frauen inzwischen haben, nämlich in die Öffentlichkeit zu gehen und Hilfsangebote einzufordern. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Zielgruppe für Aktivitäten unzweckmäßigerweise einschränken, weil wir uns zu stark von der öffentlichen Meinung leiten lassen.
Gewalt in der Familie pflanzt sich oft von Generation zu Generation fort. Wer als Kind in einer Umgebung aufwächst, in der die Erwachsenen unfähig sind, ihre Konflikte friedlich auszutragen, ist oft als Erwachsener auch selbst dazu nicht in der Lage, weil er es einfach nicht gelernt hat. Es stellt sich die Frage, ob es sinnvoller ist, das Potenzial an Gewaltbereitschaft nicht schon im Kindesalter gezielt anzugehen, als erst dann tätig zu werden, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Vielleicht ist dann das Aufwand-/Nutzenverhältnis besser und sind die Erfolgsaussichten größer. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch an die laufenden Initiativen der CSU-Landtagsfraktion und der Arbeitsgruppe Frauen „Rote Karte gegen Sex und Gewalt“. Dieses Antragspaket haben wir im letzten Jahr eingereicht und mussten feststellen, dass Initiativen oft daran scheitern, dass die Pressefreiheit und die Medienfreiheit vor dem Jugendschutz stehen.
Ich finde, es ist schlimm, dass es erst zu der Katastrophe von Erfurt kommen musste, um hier endlich Fortschritte zu erzielen. Es ist erwiesen, dass das Sozialverhalten labiler Jugendlicher von Horrorvideos und Computerspielen beeinflusst wird. Ich fürchte, solche Jugendlichen werden als Ehepartner und Eltern in Zukunft eine neue brutale Form der Gewaltbereitschaft in ihre Familien hineintragen; dem müssen wir vorbeugen.
In Fällen innerfamiliärer Gewalt sind Täter und Opfer oft kaum voneinander zu unterscheiden. Unterschiedliche Formen von Gewalt und Gegengewalt ergänzen sich zu einer komplexen Struktur. Beratung und Therapie eines einzelnen Familienmitglieds, zum Beispiel des Mannes, kann wenig ausrichten. Das gesamte Beziehungsgeflecht und alle Familienmitglieder müssen einbezogen werden, damit die Maßnahmen erfolgreich wirken können. Hier geht es also um die Veränderung des gesamten sozialen Normengefüges. Es hat wenig Sinn, an einer einzelnen Speiche zu zerren; das ganze Rad muss gedreht werden.
Sie merken, das Thema ist komplizierter, als es auf den ersten Schritt erscheint: Schnelle Lösungen mögen zwar
populär sein, aber ihre Wirkung ist zweifelhaft. Ich sehe, meine Redezeit ist zu Ende. Deshalb werde ich meine Rede kürzen.
Ich habe schon erwähnt, das Thema Gewalt in der Familie braucht einen ganzheitlichen Ansatz, der die gesamte soziale Struktur berücksichtigt. Die Komplexität der Problematik erfordert eine Vernetzung aller opfer- und täterzentrierten Maßnahmen.
Der vorliegende Antrag fordert den Aufbau eines flächendeckenden Beratungsangebotes für gewaltbereite und gewalttätige Männer auf der Grundlage des Passauer Modells, obwohl noch grundlegende Fragen offen sind. Wir wissen nicht, ob und welchen nachhaltigen Erfolg das Passauer Modell erbracht hat und welche Resultate die vergleichbaren Projekte in anderen Bundesländern aufweisen.
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtige Professionalität zeichnet sich durch wirkliche Kürzung aus!)
Gut, meine Rede war so lange, und ich habe entscheidend gekürzt. Ich glaube, das Thema ist sehr wichtig. Ich glaube, wenn wir heute nicht abstimmen, dann macht es auch nichts. Ich finde, das Thema ist so wichtig, dass wir es ausdiskutieren sollten.
(Güller (SPD): Der Inhalt ist entscheidend nicht die Länge! – Zuruf der Frau Abgeordneten WernerMuggendorfer (SPD) – Weitere Zurufe von Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Kollegin, unser Problem ist ganz einfach, dass wir in drei Minuten Schluss machen müssen und die GRÜNEN auch noch eine Wortmeldung haben. Ich bin davon ausgegangen, drei mal fünf Minuten reichen aus. Sie reden jetzt schon seit sieben Minuten.
Ich glaube, die Argumente, es gäbe keine quantitative Zunahme, deswegen braucht man wahrscheinlich auch keine Beratungsangebote und dass man das im Kindesalter angehen soll, befürworten wir. Manche Kinder sind aber schon Männer geworden, und diese Männer prügeln. Ich denke, wir sollten dem abhelfen. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Das haben wir anhand umfangreicher Untersuchungen gesehen. Gestern hatten wir sachliche Debatten geführt und Argumente abgewogen. Manchmal habe ich das Gefühl, Sonntag ist alle Tage. Heute wäre die Gelegenheit, den Worten Taten folgen zu lassen.
Mir erscheint es so, als ob die Tat mit einer Ablehnung honoriert wird. Wir ächten Gewalt an Kindern und Frauen, und wir ächten sie auch an Männern – da stimme ich Ihnen zu.
Das Gewaltpotenzial tritt leider in Familien und im häuslichen Bereich auf. Diese Männer sind vielleicht sogar einsichtig; bei manchen muss vielleicht erst nachgeholfen werden, dass sie Beratungsangebote finden. Deswegen stimmen wir dem Antrag zu.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Vielen Dank, Frau Kol- legin Schopper, Sie geben uns für die Abstimmung noch eine Minute. Die Aussprache ist geschlossen, wir kom- men zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstim- men bitte ich anzuzeigen. – Das sind die Fraktion der CSU und Frau Kollegin Grabmair. Damit ist der Antrag abgelehnt. Ich darf noch das Ergebnis der namentlichen Abstim- mung zum Dringlichkeitsantrag 14/9445 der SPD-Frak- tion betreffend das „Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen“ bekannt geben: Mit Ja haben 54 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 86. Bei 1 Stimmenthaltung ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt. (Abstimmungsliste siehe Anlage 7)
Außerhalb der Tagesordnung gebe ich noch bekannt, dass eine Reihe von Anträgen für erledigt erklärt wurde. Ich verweise dazu auf die Ihnen vorliegende Aufstellung.
Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis. Ich darf die Sitzung schließen und wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.