Protocol of the Session on April 19, 2002

Die Messung von Umweltradioaktivität soll zwar fortgeführt werden, wird aber nicht mehr als Ziel festgeschrieben.

Es wird kein flächendeckendes Netz an Beratungsstellen mehr geben, obwohl in Bayern immer noch auf die Dinosaurier-Technik der Atomkraft gesetzt wird. Dabei hat die Atomindustrie eigentlich schon selbst davon Abschied genommen. Deren Vertreter haben gesagt, sie seien ganz damit zufrieden, wie der Atomausstiegs-Vertrag abgefasst worden sei. Das heißt für mich, dass wir in Bayern dringend neue energietechnologische Weichenstellungen bräuchten. Solche habe ich bei Ihnen vermisst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird keine Ausführungen mehr zur Abfallvermeidung und Schadstoffminimierung geben. Es wird auch nichts mehr über einen wirklich ernst gemeinten Bodenschutz zu finden sein. Dafür bekommen wir die Förderungen der Gen-Technologie. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie leisten der Bevölkerung einen Bärendienst: Nachdem man in den Siebzigerjahren überall durch die Städte Autobahnen gebaut hatte, konnte man feststellen, dass das stadtentwicklungspolitischer Humbug war, dass das gesundheitsschädigend ist. Auch Sie werden merken, dass Ihre Enkelkinder eine andere Umweltpolitik verdient hätten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Veranstaltung heute – ich sage das bewusst etwas despektierlich; denn der Ministerpräsident missbraucht

den Landtag als Staffage für seine persönlichen Wahlambitionen –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

soll Wahlkampfhilfe für die Wahl in Sachsen-Anhalt am Wochenende sein. Zumindest wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, wenn Sie das versuchen würden. Wenn Sie es nicht versuchen wollen, ist es Ihr Problem.

(Zuruf von der CSU: Sie eignen sich jedenfalls nicht als Staffage! Sie brauchen da keine Sorge haben!)

Ich einige mich mit Ihnen gerne auf eine andere Zielsetzung. Vielleicht soll der heutige Auftritt auch dazu dienen, die internen Kritiker wieder ein bisschen zu besänftigen, die ja, wie man es der Presse entnehmen kann, auch schon auf der Matte stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu diesem Zweck hat man der Öffentlichkeit vor kurzem einen Dreiersatz vorgestellt, nämlich die Adjektive „kantig, echt, erfolgreich“. Heute wurden sie ergänzt durch „innovativ, sozial, erfolgreich“. Das ist echt phantasievoll, ein Türöffner für Kabarettisten, ein so genannter „flotter Dreier“. Vielleicht gibt das ja im weiteren Wahlkampf noch ein bisschen mehr her.

Ich mache Ihnen die Freude und sehe mir diese Adjektive gerne ein bisschen näher an: Das Kantige in der Persönlichkeit des Kandidaten lässt sich mangels Äußerungen kaum wegdiskutieren, auch nicht gegenüber der Öffentlichkeit. Ehrlich sind eigentlich auch die verdrehten Finger, die man auf einem Wahlplakat sehen kann; denn er redet ja auch so. Man kann das sehr gut – ich habe das vorhin schon ausgeführt – auf Phönix oder BR-alpha verfolgen, wenn man sich auf diesen Kanälen Pressekonferenzen ansieht. Dieser Fingerspagat ist auch in der Politik wiederzufinden. Es ist der Spagat zwischen Kruzifix und Stammzellenforschung und der Spagat zwischen Tradition und Aufklärung, möglichst jede konkrete Richtung vermeidend.

Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger von Steuern befreien, sagen aber nicht, wie der Geldsegen finanziert werden soll: auch hier der verdrehte Finger. Auf diese Lücke hat der Deutsche Industrie- und Handelstag hingewiesen, als er davor warnte, zu glauben, die Steuersenkung würde sich von alleine finanzieren.

Nach den Ausführungen der Regierungserklärung stellen wir jedenfalls fest, dass das, was innovativ und sozial erscheinen soll, in Wirklichkeit nicht so ist. Sie schwelgen selbstbeweihräuchernd in der Vergangenheit und beweisen damit, dass Sie keine Lösungskonzepte für die Zukunft haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Kandidat stehen Sie für eine interventionistische Wirtschaftspolitik, die die Regionen in Bayern unterschiedlich fördert. Die Privatisierungserlöse sind verpulvert. Ein darüber hinausgehendes Arbeitsmarktkonzept fehlt. Das Geld floss weitgehend in Modebranchen, von

denen einige stark schwächeln, oder in Technologien, die in ihren Folgen unüberprüft oder ethisch fragwürdig sind. Für das Handwerk – die tragende Säule in der Wirtschaft – wird wenig getan. Da Sie immer wieder bekunden, Sie seien für den Mittelstand, müssen natürlich auch Programme folgen. Zum Ausgleich dafür fehlt es – muss ich spöttisch feststellen – wieder einmal an der nötigen Distanz zu einigen Großunternehmen. Ihre Gesellschaftspolitik ist auf jeden Fall kontra und weniger produktiv. Wir fordern Sie auf, Herr Ministerpräsident, einen Wahlkampf ohne Blendwerk, Nebelkerzen und Weihrauchschwaden zu führen. Der Heiligenschein ist weg; das kann jeder sehen. Bayern ist so gut, und es ist schön, in Bayern zu leben. Bayern ist unsere Heimat. Deswegen ist es nicht nötig, dass Sie hier immer wieder den Klassenprimus herauskehren.

(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank Frau Stahl. Das Wort hat Herr Glück.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten belegt: Der Ministerpräsident steht für eine Politik, in der Wort und Tat eine Einheit sind.

(Beifall bei der CSU)

Der Ministerpräsident hat eine Zwischenbilanz der Landespolitik vorgelegt, im Übrigen eine von mehreren Regierungserklärungen in den letzten drei Jahren. Aber die Opposition – das ist ein sehr interessanter Verlauf – kreist in der gesamten Debatte eigentlich nur um einen bundespolitischen Aspekt. Der Regierungschef stellt sich hier für Bayern – gerade in der Zeit, in der er als Kanzlerkandidat eine andere demokratisch wichtige Rolle in Deutschland hat – der landespolitischen Diskussion. Wir können nicht feststellen, dass auch nur in einem Sachgebiet der Landespolitik die Opposition eine echte inhaltliche Alternative vorgelegt hätte.

(Beifall bei der CSU)

Frau Stahl, was Sie jetzt an Mäkeleien vorgetragen haben, ist ungefähr auf dem Niveau des Herrn Bundeskanzlers, der über seine Haarfarbe prozessieren lässt.

(Beifall bei der CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, es ist ein sehr geistreicher Prozess, das muss ich sagen. Es ist ein Indiz dafür, wer im Bundestagswahlkampf nervös ist. Es sind nicht wir, sondern Sie sind nervös. Sie wissen nicht mehr recht, wo die Reise hingeht

(Beifall bei der CSU)

und versuchen deshalb, mit zum Teil sinnloser Polemik zu arbeiten.

(Hofmann (CSU): Wo ist Herr Maget?)

Darf ich dazu etwas sagen: Herr Maget war bei mir und hat mich um Verständnis für sein Fehlen gebeten, da ein enger Freund von ihm heute Nachmittag beerdigt wird. Ich habe gesagt, dass ich es selbstverständlich akzeptiere, wenn er jetzt nicht anwesend sein kann. Ich sage das, damit für alle Klarheit besteht.

Der Ministerpräsident hat an die Regierungserklärung zu Beginn der Legislaturperiode angeknüpft. Er hat zu Beginn seiner Rede darauf hingewiesen, dass wir eine ganze Reihe von Entwicklungen haben, mit denen niemand von uns gerechnet hat. Ich wiederhole sie: der Boom und der dann schmerzhafte Konsolidierungsprozess in der New Economy, der Höhenflug und der Absturz auf den Aktienmärkten sowie die BSE-Krise.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das waren ganz normale Entwicklungen!)

Mein lieber, schlauer Herr Dr. Dürr, ich habe nicht gehört, dass Sie zu Beginn der Legislaturperiode, etwa bei der Aussprache zur Regierungserklärung, darauf hingewiesen hätten. Sie hätten dann schon damals diese hellseherische Fähigkeit beweisen müssen. Wir müssen doch zugeben – das ist doch das Normale im Leben –, dass wir von Entwicklungen überrascht wurden, die, so glaube ich, keiner von uns vorhergesehen hat.

Der ganz wichtige Punkt ist nun, zu überprüfen, ob im Blick dieser neuen Entwicklungen und Veränderungen die Grundkonzeption der Politik weiter richtig ist oder ob sie korrigiert werden muss.

Wir können feststellen, dass alle wesentlichen Weichenstellungen in der Landespolitik seit 1993 und erst recht seit 1998 auch im Lichte der Veränderungen der Jahre 1998 bis 2002 Bestand haben und richtig sind, was natürlich nicht ausschließt, dass im Einzelfall auch korrigiert oder weiter entwickelt werden muss, was wir auch in den verschiedensten Bereichen getan haben.

Zu den veränderten oder verschlechterten Rahmenbedingungen für die Landespolitik, das heißt auch für die Entwicklung Bayerns, zählen nicht nur internationale Entwicklungen, die dargestellt worden sind, sondern auch ganz wesentlich die verschlechterten Bedingungen für die Entwicklung unseres Landes durch die Bundespolitik.

(Beifall bei der CSU)

Die Bundespolitik wirkt sich natürlich negativ in Bayern aus, vor allem auf das Wirtschaftswachstum und die Einnahmen des Staates und der Kommunen. Insgesamt hat diese Politik für Deutschland dazu geführt, dass wir beim Wirtschaftswachstum an letzter Stelle in Europa sind.

Es ist normal und notwendig für die Demokratie, dass die Parteien untereinander im Wettbewerb stehen und unterschiedliche Konzeptionen vertreten. Wir sollten uns aber darauf verständigen, dass wir nicht mit falschen Zahlen oder falschen Vergleichen arbeiten. Herr Maget hat zum Beispiel wochenlang behauptet, die Arbeitslosenzahl in Bayern liege derzeit um 30000 höher als

1996. Was macht er aber? – Er nimmt die durchschnittliche Arbeitslosenzahl von 1996 und vergleicht sie mit der Januarzahl dieses Jahres.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD) – Dr. Bernhard (CSU): Trickser! – Welnhofer (CSU): Höhere Mathematik!)

Dass die unterschiedlichen Zahlen konjunkturbedingt sind, sagt er nicht. Würde er aber die jeweiligen Januarzahlen miteinander vergleichen, dann würde er feststellen, dass die Arbeitslosenzahl in Bayern im Januar 2002 um 30000 geringer als im Januar 1996 ist. Da ihm aber diese Statistik nicht passt, wählt er einen unzulässigen Vergleich und verkauft die Leute für dumm.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Ebenso unredlich sind die Aussagen im Zusammenhang mit dem Beschäftigungspakt. Der Bundeskanzler hat erklärt, er lasse sich am Abbau der Arbeitslosigkeit messen.

(Dr. Wilhelm (CSU): Genau!)

Was den Beschäftigungspakt Bayern betrifft, so gibt es nicht eine separate Erklärung des Ministerpräsidenten, sondern im Beschäftigungspakt Bayern haben Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Staatsregierung als Ziel formuliert, die Arbeitslosigkeit zu halbieren.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): War wohl nichts!)

Natürlich haben sich die Rahmenbedingungen geändert, und das Ziel ist nicht erreicht worden. Wir müssen aber einräumen, dass die Gewerkschaften und die Arbeitgeber ein ehrgeiziges Ziel hatten, das wegen veränderter Rahmenbedingungen nicht erreicht werden konnte, die nicht zuletzt Sie von den GRÜNEN, Herr Kollege Dr. Dürr, zu verantworten haben. Es ist unredlich, wenn dem Ministerpräsidenten eine Aussage unterstellt wird, die er nicht gemacht hat, um das Versprechen von Schröder zu relativieren. Diese Art der Auseinandersetzung ist unehrlich.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))