Protocol of the Session on April 18, 2002

Frau Kollegin Hecht, die Ausländersozialberatung wird seit mehr als zwei Jahrzehnten gemeinsam vom Bund und vom Freistaat gefördert. Dabei hat der Bund traditionell einen höheren Finanzierungsanteil erbracht. Der inzwischen aufgestellten Forderung des Bundes nach gleichgewichtiger Finanzierung konnten sich die Länder nicht entziehen. Nach längeren Beratungen mußte einem Finanzierungseinvernehmen zugestimmt werden, das ab 2002 die schrittweise Annäherung der Finanzierungsanteile zum Ziel hat. Die Zustimmung der Länder erfolgte nur unter erheblichen haushaltrechtlichen Bedenken.

Das Staatsministerium hat in den letzten Jahren seine Zuwendungen an die Wohlfahrtsverbände als Träger der Ausländersozialberatung stetig eröht. Diese Erhöhungen konnten aber die unterschiedlichen Finanzierungsanteile zwischen Bund und Ländern nicht beseitigen.

Das Staatsministerium steht in laufendem Kontakt mit den Wohlfahrtsverbänden. Ziel ist es, neben einer fachlichen Weiterentwicklung der Aufgaben mit den Verbänden nach Lösungen zu suchen, die eine grundsätzliche Aufrechterhaltung der Ausländersozialberatungen ermöglichen. Trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Beratungsstellen geschlossen werden müssen. Schon in der Vergangenheit haben die Träger aufgrund eigener Entscheidungen einzelne Beratungsstellen geschlossen. In diesem Zusammenhang spielt die unterschiedliche Eigenmittelausstattung der Verbände eine nicht unerhebliche Rolle. Das Staatsministerium hat die Kommunen bereits im vergangenen Jahr auf die Notwendigkeit eigener Finanzierungsbeiträge zur Sicherung der Ausländersozialberatung in den jeweiligen Städten hingewiesen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Zusatzfrage: Frau Kollegin Hecht.

Frau Staatsministerium, wie vereinbart die Staatsregierung den Bruch ihrer Selbstverpflichtung im Bundesrat? Hat sie dort nicht einer Vereinbarung zugestimmt, wonach sich der Bund verpflichtet, höchstens im gleichen Umfang wie das jeweilige Land Mittel zur Verfügung zu stellen?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Staatsministerin, bitte.

Frau Kollegin Hecht, ich habe bereits darauf hingewiesen, dass auch die Kommunen bei der Ausländersozialberatung gefordert sind. Das gilt auch für die jeweiligen Träger. Dies alles ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich der Bund von der Höhe seines Finanzierungsanteils zurückgezogen hat. Wir haben intensiv miteinandere verhandelt, und diese Verhandlungen waren ausgesprochen schwierig. Jetzt müssen wir in Gesprächen und Verhandlungen mit den Trägern der freien Wohlfahrspflege zu einer Regelung kommen, wie die Ausländersozialberatung auch in Zukunft sichergestellt werden kann.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Köhler, bitte.

Frau Staatsministerin, wir werden dieses Thema heute Nachmittag noch diskutieren. Wie aber erklären Sie sich die Pressemitteilung der Arbeiterwohlfahrt vom 26.03. dieses Jahres, in der es heißt, das Land komme seiner anteiligen Finanzierung nicht nach, so dass die Arbeiterwohlfahrt beispielsweise in Schwaben gezwungen ist, drei Beratungsstellen bis Ende des Jahres zu schließen?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bitte, Frau Staatsministerin.

Das Land Bayern hat den Zuschuss aufgestockt. Wir konnten mit dieser Aufstockung die Kürzungen des Bun

des aber nicht in vollem Maße abfangen. Ich kenne die Pressemitteilung der Arbeiterwohlfahrt. Wie die Arbeiterwohlfahrt allerdings auf ein Jahresdefizit von 410000 Euro kommt, das ist das Geheimnis der Arbeiterwohlfahrt.

Nach unserer Berechnung beträgt der Ausfall der Bundesmittel für alle drei Wohlfahrtsverbände im Jahr 2002 rund 355000 DM, also 180000 Euro.

Auf die Arbeiterwohlfahrt dürften etwa 102000 Euro entfallen. Das kann den Abbau einiger Stellen bedeuten, um das Defizit ausgleichen zu können. Ich will nichts beschönigen. Der angedrohte Abbau der gesamten Ausländersozialberatung lässt sich mit der Kürzung der Bundesmittel nicht begründen. In diesem Zusammenhang scheint mir ein Interview des Geschäftsführers des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt, Herrn Apfelböck, vom 27.03.2002 in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ aufschlussreich zu sein. Gefragt, nach welchen Gesichtspunkten innerhalb der AWO gestrichen werde, hat er wörtlich geantwortet – ich zitiere:

Auch wenn das jetzt etwas zynisch klingt, aber wir mussten Prioritäten setzen. Dabei wurde etwa der Betrieb von Kindergärten oder die Insolvenzberatung höher eingestuft als die Arbeit mit Ausländern.

Ich darf Ihnen versichern, dass mein Haus auf Fachebene weiterhin um eine Lösung bemüht ist. Wir befinden uns zurzeit in intensiven Verhandlungen mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Hecht.

Frau Staatsministerin, ich frage Sie zusätzlich: Gilt angesichts der Unterfinanzierung dieses Bereichs für die Staatsregierung die Aussage vom Jahr 2000 nicht mehr, wonach das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen die Umsetzung der Eckpunkte der vom Bund und den Ländern verabschiedeten Grundsätze zur Integration der Ausländer unterstützen werde? Diese Aussage hat damals Ihr Ministerium getroffen. Gilt diese Aussage heute noch?

Die Aussagen gelten nach wie vor.

Zur Arbeiterwohlfahrt, Frau Köhler, ist noch zu sagen, dass die AWO in den letzten Jahren stets Teile des Zuschusses zurückzahlen musste, weil der Aufwand geringer als die gewährten Zuschüsse war. Dies zu wissen ist sicherlich interessant.

Frau Kollegin Hecht, wir stehen nach wie vor zu den Eckpunkten. Aber, die Finanzierungsanteile vom Bund und den Ländern waren nicht von Anfang an festgelegt. Der Bund hat als Konsequenz seiner damaligen Anwerbung Ende der Fünfziger- und Anfang der Sechzigerjahre die Förderung der muttersprachlichen Beratung begonnen. Die Länder haben sich Zug um Zug beteiligt. Daraus sind die unterschiedlichen Finanzierungsanteile entstanden.

Der Bund hat in der Vergangenheit von den Ländern immer stärker verlangt, sich im gleichen Umfang an der Finanzierung zu beteiligen. Dazu hat er ein Finanzierungseinvernehmen vorgelegt und den Ländern zu erkennen gegeben, er werde sich ganz von der Förderung zurückziehen, wenn die Anteile der Länder an der Förderung nicht höher würden. Darauf wollte ich hinweisen, weil man diese Geschichte kennen muss. Damit der Bund überhaupt in der Förderung bleibt, muss dem Verlangen nachgekommen werden. Der Bund und die Länder haben sich auf einen Anpassungszeitraum von fünf Jahren geeinigt. Der Bund kürzt ab 2002 – also ab diesem Jahr – die Mittel jährlich um 20% des Differenzbetrages zwischen Bundes- und Landesförderung.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die nächste Frage stellt Frau Schopper.

Frau Staatsministerin, ist die derzeitige Anzeigenkampagne der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern (KZVB) vereinbar mit dem Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts, und welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung als Rechtsaufsicht der KZVB, damit die Versicherten der Ersatzkassen nicht weiter verunsichert werden?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Staatsministerin.

Frau Kollegin Schopper, von der Anzeigenkampagne der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns hat mein Haus erst kürzlich Kenntnis erlangt und daraufhin geprüft, ob ein rechtsaufsichtliches Eingreifen angezeigt erscheint.

Um was geht es? – Während die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns sich mit den Regionalkassen in Bayern über die Erhöhung der Gesamtvergütung für zahnärztliche Leistungen verständigen konnte, gelang dies mit den Ersatzkassen nicht. Wenn die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns ihren insoweit berechtigten Ärger nun artikuliert, so habe ich dafür Verständnis, zumal die inhaltliche Aussage der Anzeige, die Verwaltungskosten der Ersatzkassen seien im Vergleich zu den Ausgaben für Zahngesundheit unverhältnismäßig gestiegen, nicht falsch ist.

Ungeachtet dessen hat mein Haus als zuständige Behörde ein rechtsaufsichtliches Verfahren eingeleitet, weil die Anzeigenaktion eine unzulässige Aufgabenüberschreitung der Kassenärztliche Vereinigung Bayerns als Körperschaft des öffentlichen Rechts darstellt und damit nicht im Einklang mit dem geltenden Recht steht. Zugleich wurde die Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns aufgefordert, diese oder ähnliche Anzeigen nicht mehr zu publizieren.

Frau Kollegin Schopper, es gab zwei unterschiedliche Anzeigen. Die eine war von einem Verein und die andere von der KZVB. Die Situation ist ausgesprochen schwierig. Die Vergütungsverhandlungen zwischen der KZVB,

dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. – VdAK – und dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen bezüglich der Vergütung von zahnärztlichen Leistungen für das Jahr 2001 sind gescheitert.

Im Oktober 2001 ist das Schiedsamtverfahren eingeleitet worden. Am 08.11.2001 gab es den Schiedsspruch, der für die Kassenzahnärzte ausgesprochen günstig war und für VdAK ungünstig. Das muss man klar sagen. Am 21.01.2002 hat die VdAK Klage gegen den Schiedsspruch Klage beim Sozialgericht München erhoben. Dieses Verfahren läuft. Es gab den Beanstandungsbescheid des Bundesversicherungsamtes, der Aufsichtsbehörde für VdAK und die bundesunmittelbaren Kassen, bezüglich des Schiedsspruches in Bayern. Am 01.03.2002 gab es die Klage des KZVB gegen den Beanstandungsbescheid des Bundesversicherungsamtes bei dem Sozialgericht München. Sie kennen die schwierige Situation. Mir tut es Leid, dass der „Krieg“ in Form von Anzeigen in der Presse ausgetragen wird, weil dies zur Verunsicherung der Patienten führt.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfrage? – Frau Schopper.

Ich weiß um die Schwierigkeit der Verhandlungen. Trotzdem muss ich noch konkret nachfragen: Frau Staatsministerin, glauben Sie, dass angesichts der Zahlen die Ersatzkassen verunsichert werden? Das Bundesministerium für Gesundheit hat für die Werbungskosten die Obergrenze von 6,72 DM vorgesehen, während die VdAK an die Zahnärzte pro Versicherten 317 DM ausgereicht hat. Halten Sie das für gerechtfertigt?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Staatsministerin.

Die Frage ist durchaus berechtigt. Ich möchte sie jetzt aber nicht beantworten. Sie wissen, dass wir die Beanstandung eingeleitet haben. Die Gerichte werden vor dem Hintergrund der Beitragsstabilität entscheiden.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich rufe die beiden Fragen an das Staatsministerium des Innern auf. Herr Thätter, bitte.

Herr Staatssekretär, hält die Staatsregierung die vom Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Franz Maget, in der Presse erhobene Forderung nach Neuwahlen für das Amt des Oberbürgermeisters in Dachau bzw. zum Dachauer Stadtrat zum gegenwärtigen Zeitpunkt für rechtlich überhaupt umsetzbar?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege Thätter! Nach Artikel 52 Absatz 2 Satz 1

des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes können Nachwahlen nur dann von der Rechtsaufsichtsbehörde angeordnet werden, wenn diese die entsprechende Wahl im Zuge der Wahlprüfung oder der Wahlanfechtung bestandskräftig für ungültig erklärt hat. Dies setzt voraus, dass Wahlvorschriften nachweislich verletzt worden sind und dass bei deren Einhaltung möglicherweise ein anderes Wahlergebnis zustande gekommen wäre. Eine Ungültigerklärung „auf Verdacht“ oder zur Beseitigung von Zweifelsfragen ist rechtlich unmöglich.

Ferner kommt eine Ungültigerklärung der Wahl – und damit Nachwahlen – nur in Betracht, wenn eine Berichtigung des Wahlergebnisses nicht möglich ist.

Ob es in Dachau tatsächlich zu derartigen Unregelmäßigkeiten gekommen ist, welche Wahlen diese betreffen und ob eine Berichtigung möglich ist, kann erst nach Feststellung des Sachverhalts im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens beantwortet werden.

Grundvoraussetzung für eine Wahlprüfung oder eine Wahlanfechtung ist im Übrigen, dass das Wahlergebnis festgestellt worden ist. Der Wahlausschuss der Stadt hat sich aber bisher geweigert, das Ergebnis der Stichwahl zum Oberbürgermeister und das Ergebnis der Stadtratswahl festzustellen. Das Landratsamt Dachau hat dieses Verhalten mit Bescheid vom 2. April 2002, der für sofort vollziehbar erklärt wurde, beanstandet und die Stadt aufgefordert, die Ergebnisse bis zum 25. April 2002 festzustellen, sowie für den Fall, dass die Stadt dieser Aufforderung nicht nachkommt, die Ersatzvornahme angedroht, da das Ergebnis vor Beginn der neuen Amtszeit bzw. Wahlzeit am 1. Mai 2002 festgestellt sein muss.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfragen? – Keine. Dann rufe ich Herrn Prof. Dr. Gantzer auf.

Herr Staatssekretär, warum ist die Rechtsaufsicht nach Bekanntwerden der Probleme bei den Wahlen zum Stadtrat, zum Kreistag und zum Oberbürgermeister – inklusive Stichwahl zum Oberbürgermeister – in Dachau nach Nichtfeststellung des Wahlergebnisses durch den Wahlausschuss nicht sofort tätig geworden und wann wird sie tätig werden und welche Maßnahmen wird sie in Anbetracht der offenbaren Unregelmäßigkeiten ergreifen?

(Leeb (CSU): Sie können hier nicht ablesen!)

Das ist nicht wahr. Die Frage darf ich ablesen.

(Leeb (CSU): Das war aber eine Zusatzfrage!)

Das ist keine Zusatzfrage, es ist eine eigenständige Frage, die ich gestellt habe. Sie sollten lieber nicht reden, wenn Sie nicht wissen, was ich hier mache.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Kollege, das Landratsamt Dachau als zuständige Rechts- und Fachaufsichtsbehörde ist sofort nach Bekanntwerden der Auffälligkeiten bei den Wahlen tätig

geworden. Es ist nicht nur ständig seiner Beratungspflicht nach Artikel 108 der Gemeindeordnung nachgekommen, sondern es hat der Stadt Dachau bei den ersten Anzeichen von Unregelmäßigkeiten bei der Aufklärung des Sachverhaltes auch geholfen.