Protocol of the Session on March 19, 2002

Ich denke, ich muss eine Minute Verlängerung der Redezeit bekommen.

Die Leidtragenden der derzeitigen katastrophalen Arbeitsmarktpolitik sind hauptsächlich die Familien und die Frauen; denn die Frauen sind von der Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich stark betroffen. Auch Sie kennen die Statistik.

(Widerspruch der Frau Abgeordneten Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Was wir für eine effektivere Beschäftigungspolitik vorgeschlagen haben, das wurde von der SPD fast gänzlich abgelehnt.

Liebe Frau Kollegin Renate Schmidt, in der „Welt am Sonntag“ vom 24. Februar habe ich gelesen, dass die Realisierung der familienpolitischen Vorstellungen der SPD in Berlin erst in der kommenden Legislaturperiode angepackt werden soll.

(Frau Steiger (SPD): Sie müssen das Ganze lesen!)

Eichels Haushaltslöcher machen die Umsetzung unsicher. Renate Schmidt hat wortwörtlich gesagt: „Wir können alles nur schrittweise verwirklichen. Im Moment sind die Voraussetzungen dafür schlecht.“

(Frau Biedefeld (SPD): Ganz genau!)

Ich sage Ihnen, Frau Kollegin Schmidt, besser wird es für die Familien nur, wenn es im Herbst einen Regierungswechsel gibt.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, dafür ist es höchste Zeit. Die von der SPD vor der letzten Bundestagswahl gegebenen Versprechen für die Familien wurden nicht eingehalten.

(Frau Steiger (SPD): Markig, markig!)

Vorhin hat ein Kollege gemeint, in den neuen Bundesländern gibt es eine ganze Menge von Ausbildungsplätzen, ein Überangebot zum Teil. Deshalb gibt es aber auch nicht mehr Kinder.

Ich denke, man sollte auch über den Wertewandel in Deutschland reden. Nur ein Wertewandel führt zu mehr Kindern.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Radermacher.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst Frau Fickler daran erinnern – sie kann es nicht wissen, sie ist erst seit 1994 Mitglied des Landtages, was kein Vorwurf ist –, dass die CSU ein Kindertagesstättengesetz hier schon abgelehnt hat. Man sollte sich vorher informieren. Sie haben gesagt, wir kämen jetzt auch auf die Idee, ein Kindertagesstättengesetz zu fordern. Die CSU hat ein solches von uns vorgelegtes Gesetz in der Zeit vor 1994 nicht nur einmal abgelehnt.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Fischer hat uns amüsiert. Manchmal hat man den Eindruck gehabt, dass er das, was er abliest, eigentlich gar nicht versteht.

(Kobler (CSU): Das war eine sehr gute Rede!)

Zum Hinweis, dass erst alles besser wird, wenn Herr Stoiber in Berlin regiert, kann ich nur sagen: Herr Stoiber hat bis zu dem Zeitpunkt, ab dem er Enkelkinder hatte,

überhaupt nicht gewusst, dass es berufstätige Frauen und Mütter gibt. Das war erst ab diesem Zeitpunkt in seiner Wahrnehmung.

(Beifall bei der SPD)

Zurück zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die CSU hat dieses Thema weiß Gott nicht auf der politischen Tagesordnung gehabt. Wenn man wohlwollend wäre, dann könnte man es positiv sehen und sagen, seit kurzem steht es auf ihrer politischen Tagesordnung; sonst hätten alle unsere Anträge, die wir in den letzten zehn Jahren gestellt haben, längst eine Mehrheit finden müssen.

Herr Dinglreiter hat sich verraten. Spätestens dann, als die bayerischen Arbeitgeber massiv über die mangelnde Verfügbarkeit von Frauen für die Arbeitswelt geklagt haben, ist die CSU aufgewacht und hat dieses Thema auf ihre Tagesordnung gesetzt, allerdings mit sehr unterschiedlicher Gewichtung.

Sehr lobenswert waren die Ausführungen der Frau Ministerin, die anlässlich des Weltfrauentages sagt: Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für Mütter und Väter. Darin stimmen wir vollkommen überein.

(Abgeordneter Dr. Goppel (CSU) betritt den Plenarsaal)

Das trifft sich gut, Herr Goppel kommt gerade. Die Männer in der CSU-Fraktion sehen das noch anders. Herr Goppel hat auch gemeint, er müsste etwas zum Weltfrauentag sagen. Er hätte lieber schweigen sollen. Seine Aussage war nämlich verräterisch.

(Zuruf des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU))

Er hat ausgeführt – hören Sie zu: Jeder Frau und Mutter muss es möglich sein, zwischen Erwerbstätigkeit und Familienarbeit zu entscheiden. Von Vätern und von Vereinbarkeit von Beruf und Familie war nicht die Rede.

Ich nehme diese Äußerung zum Anlass und behaupte: Alle, wie Sie hier sitzen, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, sind noch weit davon entfernt, das nachzuvollziehen, was die Frau Ministerin längst verbal fordert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe, der linke Teil des Hauses hat den feinen Unterschied gemerkt.

Ich will aber noch ein Wort zur Wahlfreiheit sagen: Was ist das für eine Wahlfreiheit, wenn keine Betreuungsplätze zur Verfügung stehen? Was soll gewählt werden, wenn keine ausreichenden Einrichtungen mit Hortplätzen und Plätzen für die Ganztagsbetreuung zur Verfügung stehen?

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Zahl der Kinder!)

Hervorragender Zwischenruf. Die Frau Ministerin hat anlässlich des Weltfrauentages festgestellt, die Erfolge in der frauenpolitischen Entwicklung in Bayern könnten sich sehen lassen und führt an, dass unter den Flächenländern im westlichen Bundesgebiet Bayern mit 67% den höchsten Anteil erwerbstätiger Frauen habe.

Sie hat es eben auch gesagt. Vielleicht kann mir jemand helfen: Wo bitte ist da das Verdienst der Staatsregierung, dass 67% der Frauen in Bayern arbeiten, obwohl Betreuungsplätze fehlen? Diese Frauen nehmen unendlichen Stress auf sich, um ihre Arbeit zu bewältigen und Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Selbst diese Zahl wird dazu benutzt, um zu sagen, Bayern stehe an der Spitze der Bewegung.

(Frau Fickler (CSU): So schlecht kann es gar nicht sein, sonst hätten wir keine so hohe Berufstätigkeit bei den Frauen!)

Sie hat außerdem gelobt, dass der Frauenanteil in Führungspositionen im öffentlichen Dienst so zugenommen hat. Ich will nur ein Beispiel nennen. Karrierechancen für Frauen sind hier in Bayern noch sehr selten: Sieben Regierungspräsidenten plus Stellvertreter, darunter ist nur eine Frau.

Ich muss zum Schluss kommen. Ich hätte gerne noch Frau Hohlmeier gefragt, wann sie endlich auf das Angebot der bayerischen Wirtschaft eingeht und die sieben Ganztagsschulen, die von dort finanziert werden sollen, installiert.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es Ihnen ernst ist mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und zwar für Männer und Frauen, dann müssen Sie auch dafür sorgen, dass ein positives Klima in diesem Land für diese Vereinbarkeit herrscht. Sie müssen sich dann von der Aussage Ihres Landesgruppenchefs distanzieren, der Folgendes gesagt hat: „Die Frauen regieren die Welt noch immer über die Männer. Das wird auch noch eine Weile so bleiben.“ Ich denke, das ist verräterisch und zeigt sehr deutlich, was Sie von diesem Thema eigentlich halten.

(Beifall bei der SPD)

Letzte Wortmeldung: Herr Kollege Schneider.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das heutige Thema – Kollege Dinglreiter hat es sehr deutlich gesagt – muss in seiner Gesamtheit, in der ganzen Breite gesehen werden. In den ersten Wortmeldungen der SPD war das nur in einer Richtung gesehen worden.

(Frau Radermacher (SPD): Wieso eigentlich? Das stimmt doch gar nicht!)

Deshalb möchte ich noch ein paar Anmerkungen zur Ganztagsbetreuung machen, zu den Angeboten, wie wir

sie beschlossen haben. Kollege Unterländer hat darauf verwiesen, dass in den nächsten Jahren dafür 300 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, so dass wir für sieben Prozent der unter Dreijährigen Krippenplätze und für 15 Prozent der Schulkinder Ganztagsbetreuungsplätze zusätzlich schaffen können.

Frau Schmidt, Sie haben auf Rheinland-Pfalz verwiesen. Frau Ministerin Stewens hat ja bereits deutlich gemacht, dass die Inhalte dieses Konzepts mit der Ganztagsschule im klassischen Sinne nur wenig zu tun haben.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Renate Schmidt (SPD))