Protocol of the Session on February 21, 2002

Vielen Dank, Herr Präsident. Darf ich dann den Herrn Kollegen Kobler noch aus dieser genannten Pressemitteilung zitieren.

Nein, bitte, Herr Franzke, wir sind doch in der Fragestunde.

Darf ich Sie dann fragen, ob es stimmt, dass er als der sozialpolitische Fachmann der CSUFraktion das Papier des Ministerpräsidenten nicht kannte, dass er aber auch nichts von seiner Erklärung zurücknehmen will?

Nein, dem kann ich nicht folgen.

Erstaunlich.

(Hofmann (CSU): Frag den Kobler selber, wenn er kommt!)

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Hartmann.

Nachdem Bayern bei den gemeldeten Stellen im Vergleich mit allen Flächenländern den stärksten Rückgang mit minus 21,6% im Januar dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahresmonat vermelden muss,

(Willi Müller (CSU): Milchmädchenrechnung!)

frage ich, welche konkreten Maßnahmen die Staatsregierung eingeleitet hat, um diesem Trend entgegenzuwirken, welche finanziellen Mittel aus dem Landeshaushalt hierzu eingesetzt werden und wie sich die Staatsregierung die Tatsache erklärt, dass Bayern im Vergleich zu allen anderen Bundesländern in diesem Winter den höchsten Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit, nämlich 11,9% im Januar 2002 im Vergleich zum Januar 2001, zu verzeichnen hat?

Frau Ministerin.

Herr Kollege Hartmann, ich drücke es am Anfang immer ganz einfach aus: Wenn es erst einen Arbeitslosen gibt und dann zwei Arbeitslose, ist das eine Steigerung um 100%.

(Willi Müller (CSU): So ist es!)

Deshalb operieren Sie doch immer mit Prozentzahlen.

Nach wie vor haben Bayern und Baden-Württemberg die niedrigsten Arbeitslosenzahlen im Bundesgebiet.

(Franzke (SPD): Aber die höchsten Zuwachsraten!)

Deswegen ist es für Sie natürlich ein gefundenes Fressen, hier mit Prozentzahlen zu operieren. Aber es ist immer so: Bei einer niedrigen Basis gibt es natürlich höhere prozentuale Steigerungen. Das ist ein ganz einfaches Rechenbeispiel.

Wie bekannt, handelt es sich bei der Zahl der gemeldeten offenen Stellen nur um einen Teil des tatsächlichen Kräftebedarfs, dies deshalb, weil nach Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nur etwa ein Drittel aller offenen Stellen den Arbeitsämtern auch gemeldet werden. Ich denke, das ist Ihnen auch bekannt. Die im Januar 2002 registrierte Zahl von 71945 gemeldeten offenen Stellen bewegt sich im Übrigen auf sehr hohem Niveau. Zwar waren die Vergleichszahlen vom Januar 2001 mit 91789 und vom Januar 2000 mit 77750 höher, in früheren Jahren war der Stand der offenen Stellen jedoch meistens weitaus niedriger.

Um abgesehen von den Jahren 2000 und 2001 eine ähnlich hohe Zahl wie 2002 zu finden, muss man in der Statistik schon in das Jahr 1992 zurückgehen. Damals waren 71358 offene Stellen gemeldet. Eine höhere Zahl findet man dann erst im Jahr 1973 mit 84762. Das heißt, das Niveau der offenen Stellen vom Januar 2002 ist ausgesprochen hoch und ein Indiz für die nach wie vor insgesamt gute Situation in Bayern.

Ungeachtet dessen ist der Rückgang gegenüber dem Vorjahr in der Tat signifikant. Dafür dürften folgende Gründe ausschlaggebend sein: Zum einen hatten wir, wie Sie sich sicher erinnern, vor einem Jahr noch eine besonders intensive Diskussion über den Fachkräftemangel. In einer solchen Situation melden die Unternehmen erfahrungsgemäß mehr offene Stellen als sonst. Somit dürfte also zum einen das Meldeverhalten zu dem hohen Stand offener Stellen im letzten Jahr beigetragen

haben. Zum anderen war der Kräftebedarf vor einem Jahr auch sehr stark von der damaligen Wirtschaftssituation und der guten Exportkonjunktur geprägt – im Gegensatz zur heutigen Lage einer Stagnation, welche die Bundesregierung mit ihrer wirtschafts- und beschäftigungsfeindlichen Gesamtpolitik zu vertreten hat, Stichwort Verriegelung des Arbeitsmarkts.

Was den Anstieg der Arbeitslosigkeit betrifft, so summieren sich auch hier mehrere Faktoren. Zum einen ist es der Basiseffekt, das heißt, bei besonders niedriger Ausgangslage wie in Bayern schlägt ein Anstieg als Folge einer bundesweiten Verschlechterung der konjunkturbedingten Lage prozentual stärker durch. Zum anderen ist der saisonale Effekt in diesem Jahr durch den früh und sehr heftig einsetzenden Wintereinbruch ausgeprägter als sonst. Dazu kommt die schwache Baukonjunktur als Folge der Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft im investiven Bereich.

Schließlich spürt die stark exportorientierte bayerische Wirtschaft die weltweite Konjunkturflaute besonders stark.

Trotzdem ist der bayerische Arbeitsmarkt immer noch vergleichsweise robust und weist trotz der bei uns stärkeren saisonalen Einflüsse die bundesweit zweitbeste Arbeitslosenquote nach Baden-Württemberg auf. Auch wenn man die Zahl der Arbeitslosen ins Verhältnis zu den gemeldeten offenen Stellen setzt, hat Bayern mit 6,0 : 1 einen weitaus besseren Wert als andere Flächenländer, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen mit 9,4 : 1 oder Niedersachsen mit 10,1 : 1.

Dennoch kann sich auch Bayern dem bundesweiten Trend, der sich in fast 4,3 Millionen Arbeitslosen ausdrückt, nicht entziehen, wobei ich auch hier sagen muss: Wir in Bayern leben nicht auf einer Insel der Seligen. In erster Linie ist die Bundesregierung gefordert, durch eine radikale Wende hin zu einer beschäftigungsorientierten Gesamtpolitik Beschäftigung und Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Der Freistaat leistet allein aus dem Sozialhaushalt bereits einen beträchtlichen Beitrag zur Verbesserung des Arbeitsmarktes. Ergänzend zu den Aktivitäten der Bundesanstalt für Arbeit, die im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik circa eine Milliarde Euro in diesem Jahr zur Verfügung hat, setzt das Arbeitsministerium Landesmittel in Höhe von rund 100 Millionen Euro ein. Mit diesen Geldern werden die Aktivitäten der Bundesanstalt zielgerichtet ergänzt, flankiert und aufgestockt. Die Maßnahmen konzentrieren sich auf von Arbeitslosigkeit besonders betroffene Regionen, wie zum Beispiel den Grenzbereich, also Oberfranken, auf bestimmte von Arbeitslosigkeit besonders betroffene Personengruppen, zum Beispiel die Langzeitarbeitslosen oder die Jugendlichen, und auf die Erprobung innovativer Maßnahmen.

Ich könnte Ihnen jetzt im Einzelnen noch sagen, wie sich die Beträge zusammensetzen, aber ich meine, das können Sie auch dem Schriftsatz entnehmen.

Zusatzfrage: Herr Kollege Hartmann.

Ich stelle fest, dass Sie mir auf meine Frage, welche Landesmittel letztlich zum Abwenden dieser Situation eingesetzt werden, nicht geantwortet haben und möchte mit einer Frage ergänzen: Wenn man berücksichtigt, dass Bayern auch beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr im Ländervergleich vom ersten auf den fünften Platz zurückgefallen ist und wenn man die hohe Zuwachsrate bei den Kurzarbeitermeldungen – das ist ein Frühindikator; ich muss die Prozentzahl von 402 nennen – vom Januar dieses Jahres mit der von 2001 vergleicht, halten Sie dann nicht konkretere Maßnahmen, auch mit Einsetzung von Landesmitteln, für geboten?

Frau Ministerin.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass 100 Millionen Euro eingesetzt worden sind, und zwar im Einzelnen: Europäischer Sozialfonds 42,9 Millionen Euro, Maßnahmen für Behinderte 28,0 Millionen Euro – ich muss das jetzt leider doch vorlesen, da es sonst hieße, ich hätte die Frage nicht beantwortet –, Zinserträge aus den Arbeitsmarktfondsmitteln, also gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern, 10,2 Millionen Euro, Arbeit und berufliche Bildung 13,8 Millionen Euro, berufsbezogene Jugendhilfe 13,1 Millionen Euro und Maßnahmen für Frauen 0,16 Millionen Euro. Insgesamt sind das 100,16 Millionen Euro.

Ich möchte noch einmal ganz klar sagen: Nordbayern ist im Rahmen der Regionalförderung Schwerpunkt bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Fast 54% des bayerischen Gemeinschaftsaufgabengebietes nach Einwohnern liegen in Oberfranken und in der Oberpfalz. In den letzten zehn Jahren flossen circa 3,3 Milliarden DM an Regionalfördermitteln nach Nordbayern zur Förderung gewerblicher Investitionen und für Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur. Das sind 57% der gesamtbayerischen Fördermittel. So hat auch das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen in Nordbayern von 1991 bis 1998 um rund 49,2 Millionen DM zugenommen. Die Wachstumsrate von 24,9% lag zwar unter dem bayerischen Wert von 28,3%, jedoch über dem westdeutschen Anstieg von 22,8%.

Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Spitzner.

Frau Ministerin, würden Sie die Güte haben, den Herrn Kollegen von der Opposition darüber aufzuklären, dass Bayern im Langfrist – –

(Zurufe von der SPD)

Würden Sie die Güte haben, ihn aufzuklären. Das ist eine Frage. Meine Damen und Herren, Sie haben im Grundschulunterricht nicht aufgepasst, was eine Frage ist. Also nochmals: Würden Sie die Güte haben – ich frage Sie –, dem Kollegen von der SPD zu erklären, dass Bayern im Langfristvergleich des Wachstums der letzten zehn Jahre mit Abstand an der Spitze steht, und ich

frage Sie weiterhin, ob Sie ihm erklären würden, dass Nordbayern immer noch eine bessere Arbeitsmarktsituation hat als alle anderen SPD-geführten Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland?

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, etwas mehr Zurückhaltung zu üben. Wenn eine Frage mit „Würden Sie die Güte haben“ beginnt, dann ist unüberhörbar, dass dies eine Frage ist. Herr Kollege Hartmann hat seinen Beitrag mit dem Satz begonnen „Ich stelle fest“. Das war keine Frage. Wenn ich schon nicht einschreite, dann sollten Sie nicht kritischer sein als ich.

Frau Ministerin.

Vom Grundsatz her bin ich als bayerische Sozialministerin ein gütiger Mensch und habe in diesem Fall die Güte, die Aussagen des Abgeordneten Spitzner insgesamt zu bestätigen. Die Arbeitslosenzahlen, die wir zum Beispiel in Oberfranken und in den Grenzregionen haben, sind niedriger als in allen anderen westdeutschen Flächenländern. Über die neuen Länder wollen wir gar nicht sprechen; sie sind als Vergleich auch irrelevant, das möchte ich ganz klar sagen. Ich glaube, dass Ihnen dies vom Grundsatz her auch bekannt ist. Deswegen thematisieren Sie die Steigerung der Arbeitslosenzahlen lediglich über die Prozentzahlen.

(Spitzner (CSU): Danke schön!)

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Hartmann.

Frau Staatsministerin, würden Sie mir als barmherzigen, geduldigen und gütigen Menschen bitte noch erklären, warum der Zuwachs der Arbeitslosigkeit im Januar 2002 im Vergleich zum Januar 2001 im Regierungsbezirk Oberbayern mit 13,9% am stärksten und in der Oberpfalz mit 8,7% am geringsten ausgefallen ist?

(Zuruf von der CSU: Das hat sie schon gesagt!)

Frau Ministerin.

Auch dieses habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Haben Sie mir genau zugehört? Ich habe zum einen auf die Baukonjunktur, auf den frühen Wintereinbruch und zum anderen auf die Exportabhängigkeit gerade in den Regionen München und Oberbayern hingewiesen. Ich sage dies noch einmal klar. Ich bin der festen Überzeugung, wenn Sie sich mit Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsfragen auseinandersetzen, in diesem Zusammenhang insbesondere mit den Arbeitslosenzahlen, dann dürfte Ihnen dies als Abgeordneter des Bayerischen Landtages nicht entgangen sein.

(Hofmann (CSU): Man sollte ihn nicht überfordern!)

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Hufe.

Frau Staatsministerin, wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung, dass Dankurkunden der Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen als Anerkennung für ehrenamtliches Engagement bei einer CSU-Veranstaltung des CSU-Bundestagsabgeordneten Hauser überreicht wurden, und sieht die Staatsregierung darin eine unzulässige Verquickung von Staat und Partei?

(Zuruf von der SPD: Da kennt die Staatsregierung nichts!)

Frau Ministerin.