Meine sehr verehrten Damen und Herren, entscheidend ist: Wir müssen klar sagen, dass die Ereignisse ein Denkzettel für die Schlamperei, ein Denkzettel für die Labore und für die Produzenten ist. Gott sei Dank hat der Verbraucher außer den „roten Alarmlampen“ nichts mitbekommen. Er ist dadurch nicht gefährdet worden.
Das ist ein etwas flapsiges Zitat, das nicht von mir stammt, sehr geehrte Herren, die Sie da lachen, sondern vom Verbraucherminister Sinner. Ich denke, der Satz trifft voll auf sein Fehlverhalten und das Fehlverhalten seines Ministeriums zu.
Erinnern wir uns: Bis Ende vorletzten Jahres war Bayern angeblich BSE-frei. Jetzt stehen wir mit den meisten BSE-Fällen an der Spitze von ganz Deutschland.
Der Ministerpräsident musste auf die Schnelle ein Verbraucherministerium einrichten, ein Ministerium, das sehr viel Geld gekostet hat. Anlässlich der jetzigen Situation muss man fragen, was es getan hat.
Es ist seinem ureigensten Auftrag nicht gerecht geworden. Es hat BSE-Labore eingerichtet, aber die Kontrolle der BSE-Labore hat nicht funktioniert. Herr Sinner, Sie haben heute gesagt, Sie könnten kein lückenloses Kontrollsystem aufbauen. Wie wollen Sie den Verbraucherschutz gewährleisten, wenn Sie kein Kontrollsystem aufbauen können oder wollen?
Am 21.11.2001 kam die Erfolgsmeldung von Herrn Sinner – ich zitiere: „Das Verbrauchervertrauen ist wieder da.“ Einen Monat später muss festgestellt werden: „Das Verbrauchervertrauen ist wieder abhanden gekommen.“ Herr Sinner, nach Ihrem Bericht im Landwirtschaftsausschuss letzte Woche und ihren heutigen Ausführungen können wir das wieder feststellen. 50 Millionen DM haben die BSE-Tests die bayerischen Steuerzahler gekostet. Das ist ein Heidengeld, und im Endeffekt ist für die Bürgerinnen und Bürger keine Sicherheit gewährleistet gewesen.
Ich stelle die Fragen, die vergangene Woche gestellt worden sind, auch heute wieder: Warum wussten die Behörden angeblich von nichts? Warum haben die Behörden nicht reagiert? – Herr Minister, Hauptaufgabe Ihres Hauses ist es, diese Kontrolle wahrzunehmen, auf Hinweise Rücksicht zu nehmen und auf sie einzugehen. Es darf nicht sein, dass Hinweise vier Wochen lang vorliegen und die Verbraucher und Verbraucherinnen nicht informiert werden. Verstehen Sie das unter Verbraucherschutz? Schützt man die Menschen, indem man sie nicht informiert?
Vier Wochen lang ließ man die Menschen im Tal der Ahnungslosen, und jetzt handelt man nicht so, wie man eigentlich handeln sollte. Die Behörden haben angeblich keinen Hinweis auf Verbrauchergefährdung gesehen, obwohl nachweislich Schriftstücke vorliegen, die auf das Labor in Westheim hinweisen. Ich denke, dass man das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger so nicht gewinnen kann.
Ich frage weiter: Wurden, nachdem am 17.12.2001 das Labor in Westheim geschlossen wurde, die anderen 25 Labore sofort kontrolliert, oder hat man auch damit bis Januar 2002 gewartet, bis sich endlich herausgestellt hat, dass noch zwei weitere Labore betroffen waren?
Warum hat die Regierung von Niederbayern nicht reagiert, als im Sommer vergangenen Jahres festgestellt wurde, dass das Labor in Passau ein halbes Jahr lang nur mit einem Laborleiter besetzt war, obwohl eigentlich drei Laborleiter vorgesehen waren? Im Juli 2001 war dies bekannt. Im Oktober 2001 hat man nachgefragt. Trotzdem ist nichts passiert. Ich meine, dass das ein Hinweis darauf gewesen ist, dass in dem Labor nicht ordnungsgemäß gearbeitet wird. Seit Sommer des letzten
Jahres weiß man, dass in dem Labor nicht ordnungsgemäß gearbeitet wird, weil nicht ausreichendes Personal zur Verfügung gestellt wird. Ihr Haus hat nicht kontrolliert und nicht gehandelt. Herr Minister, ich meine, dass das Vertrauen weg ist.
(Loscher-Frühwald (CSU): Haben Sie denn nichts gewusst? – Willi Müller (CSU): Ich denke, das war Ihr Stimmkreis!)
Ich rede von dem Passauer Labor, zu dem die Regierung von Niederbayern festgestellt hat, dass es seit über einem halben Jahr nicht ordnungsgemäß personell besetzt gewesen sei. Da das Ministerium das so hingenommen hat, ist zu fragen, wo die Kontrolle bleibt.
Das neu geschaffene Verbraucherministerium, das private BSE-Labore beauftragt hat, die BSE-Tests durchzuführen, muss in einem solch sensiblen Bereich wenigstens sicherstellen, dass die privaten Labore, die ein Heidengeld mit den Tests verdienen, entsprechend kontrolliert werden. Die Aufarbeitung im Nachhinein und die Wiederherstellung des kaputten Verbrauchervertrauens kommt den Staat viel teurer.
Herr Minister, Sie wollten das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen gewinnen. Sie haben nicht nur das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen verspielt, sie haben auch unser Vertrauen verspielt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! An die Opposition: Sie haben nur billige und durchsichtige Rundumschläge gemacht und Verdächtigungen geäußert, aber keine Alternative aufgezeigt, wie Sie im konkreten Fall die Probleme irgendwie anders schultern hätten können.
Frau Kollegin Naaß, wir alle wissen, dass es im Falle des Zweiglabors Westheim bezüglich der Genehmigung keine Beschönigung gibt. Darüber sind wir uns einig. Möglicherweise ist die wünschenswerte „Sicherung“ nicht vorhanden gewesen. Auch darüber kann diskutiert und gegrübelt werden. Das ist aber kaum anders als bei einem Schwarzbau, bei einem Schwarzfahrer oder bei Schwarzarbeit. Auch dort muss die Situation im Nachhinein zur Kenntnis genommen werden.
Nicht anders war es bei Milan. Wer sonst hätte das Labor genehmigen lassen müssen als Milan selbst? Der große Formfehler war von Milan verursacht, wobei es
sich zwischenzeitlich – Staatsminister Sinner hat das heute dargestellt – eindeutig hat nachweisen lassen, dass im Westheimer Zweiglabor einerseits durch Ausstattung und andererseits vom Personal qualifizierte Prüfarbeit geleistet worden ist. Man muss das von dem Formfehler unterscheiden. Daran gibt es nichts zu rütteln. Das ist ein Kardinalfehler.
Wegen des Zweiglabors Westheim brauchen Sie, verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, überhaupt keinen falschen Schuldigen zu suchen. Die Zielrichtung der Opposition ist klar. Welche Alternative hätte Herr Staatsminister Sinner gehabt? Als er von der Sache erfahren hat und die notwendigen Informationen zunächst nicht geliefert wurden, hat er eine Vollbremsung machen müssen. Sie hätten nichts anderes gemacht.
Wenn er das nicht gemacht hätte, dann hätten Sie ihm vorgeworfen, dass er zu langsam gehandelt hat. Das ist doch der Hintergrund. Hätte man zusehen oder vertuschen sollen, anstatt sofort alle Register zu ziehen und die Sache zu stoppen? – Ich glaube, es war der richtige Weg, die Tests in Westheim umgehend zu stoppen, damit die Verbraucherinteressen nicht beeinträchtigt werden und kein größerer Schaden entsteht.
Die Schließung der beiden Labors war sicher ein schwerer Schlag. Das Labor Milan hat in der Zwischenzeit – leider mit Verspätung – auf verschiedene Fragen ausführlich geantwortet. Ich meine, dass bis zu einem bestimmten Grad Licht in die Angelegenheit gebracht worden ist. Auch der VGH hat in einer bestimmten Richtung entschieden und mehr oder minder offen gelassen, ob die BSE-Tests aus Westheim wertlos sind, und ausgeführt, dass das getestete Fleisch deswegen nicht unbedingt verkehrsunfähig sein muss. So steht es zumindest in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshofs.
Die Zweifel an den Tests im Labor Westheim haben sich meines Erachtens in den letzten Tagen aufklären lassen. Es wurde nachgewiesen, dass die Arbeit von qualifizierten Leuten geleistet wurde und auch nicht Vorsatz der Nichtanmeldung nachgewiesen werden konnte. Es handelte sich um Schlamperei im Zusammenhang mit der Hektik um die BSE-Fälle, und man hat das einfach übersehen. Solche Fehler müssten meines Erachtens in irgendeiner Form geheilt werden können, vor allem weil in der Folge vom Labor Milan in den letzten Tagen alles daran gesetzt wurde, die Dinge wieder ins Lot zu bringen, und weil von den 270 Fällen bereits über 200 Fälle geklärt werden konnten.
Das können wir mit großer Zufriedenheit registrieren. Auch der Bund denkt in ähnlicher Weise und hat signalisiert, gemeinsam mit den Ländern den Weg der Nachqualifizierung zu gehen. Die Erkenntnis daraus ist, dass das Zusammenspiel der Beteiligten – Labor, Schlachthöfe und amtliche Veterinäre – nicht im wünschenswerten Maße koordiniert war. Man muss aus der Erfahrung klüger werden. Kein Mensch ist darüber erfreut. Für die Zukunft gilt, dem Verbraucherschutz und der Verbrau
chersicherheit und -gesundheit weiterhin die höchste Priorität durch eben zusätzliche Kontrollmechanismen einzuräumen. Man kann über staatliche Prüflabore sprechen, ich aber halte nicht allzu viel davon. Ich meine, es muss auch weiterhin Möglichkeiten geben, dem privaten Laborgewerbe bei einem zuverlässigen Qualitätsmanagement und eingebauten Sicherungen diese Aufgaben zu übertragen. Es muss dem Labor Milan in Passau die Chance gegeben werden weiterzuarbeiten, wenn alle Missverstände ausgeräumt sind und möglicherweise eine neue Geschäftsführung bestellt ist.
Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Herr Kobler, Rundumschläge können Sie viel besser als wir machen.
Sie bedauern, dass Sicherungen gefehlt haben. In einem solch sensiblen Bereich ist es ein Zynismus, das mit einem Schwarzbau zu vergleichen; denn hier geht es um Verbrauchersicherheit und um die Existenz unserer Landwirte.