Protocol of the Session on December 12, 2001

Damals hat das Kultusministerium auch noch gesagt – und das ist für mich eigentlich jämmerlich –: „Ein Ausbau dieses Systems berufsbegleitender Hilfen wäre jedoch mit erheblichen Kosten verbunden.“ Deswegen hat man nichts getan, und das ist sehr bedauerlich.

Wer dieses Problem ernsthaft angehen will – und unsere Anträge weisen in die richtige Richtung –, der muss sich mit den Ursachen auseinander setzen. Leider habe ich aus vielen Gesprächen mit betroffenen Lehrkräften, Kolleginnen und Kollegen, die zum Teil mit mir im Schuldienst begonnen haben, immer mehr erfahren müssen, dass die Kraft bei vielen nachlässt, dass viele einfach nicht mehr können, und darunter sind auch viele, von denen ich das nie und nimmer erwartet hätte. Viele fühlen sich im Stich gelassen, bei vielen summiert sich das mit der Zahl der Berufsjahre. Deswegen hilft es nichts, Anfänger genauer zu untersuchen. Immer mehr schaffen es ganz einfach nicht mehr, viele steigen innerlich aus und melden sich ab, und oft genug sind das die besten, die engagiertesten Lehrkräfte, die resignieren und ihre

Kräfte einfach nicht mehr genügend für die Schule einsetzen können.

Deswegen auch haben wir im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes deutlich gemacht, dass die Maßnahmen nur zum Teil zielführend sind. Die Lösung kann letztlich nicht darin bestehen, die „Reparaturdienste“ auszubauen, beispielsweise, indem man den Schulpsychologen, die für die Schülerinnen und Schüler da sind, auch noch den Auftrag erteilt, Lehrkräfte mit zu betreuen.

Die Lösung muss grundsätzlich in einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften, einer Verbesserung der Gesamtbedingungen von Schule bestehen. Dass aber in einer solchen Situation eine Gruppe von CSU-Abgeordneten einen Antrag einbringt mit dem Titel „Stärkung der Unterrichtsversorgung an den bayerischen Schulen“, in dem gefordert wird, dass die Bereitschaft zur Abhaltung von mehr Unterricht geweckt werden soll, also zu Überstunden, und weiterhin, dass Teilzeitangebote abgebaut werden sollen, ist für mich aberwitzig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Antrag zeigt sehr deutlich, dass die Antragsteller entweder keine Ahnung von der Schulwirklichkeit haben oder dass es ihnen egal ist, was mit den Lehrkräften passiert.

(Beifall bei der SPD – Hoderlein (SPD): Beides! – Zuruf von der CSU: Soll man das den Lehrern überlassen?)

Und da will man schnell den Jungen, die noch gesund, die noch voll einsatzbereit sind, Überstunden aufhalsen, um sie möglichst auch noch rasch vorzeitig zu verschleißen.

(Widerspruch bei der CSU)

Wer auf Teilzeit geht, weiß, warum er auf Teilzeit geht. Dem das wieder zu verwehren, halte ich für unmöglich. Was man hier vor hat, ist wirklich ein jämmerliches Unterfangen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist jämmerlich. Das ist entgegen dem, was ein Dienstherr an Fürsorge für seine Lehrerinnen und Lehrer eigentlich tun müsste.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen, die wachsende Zahl von kranken und dienstunfähigen Lehrerinnen und Lehrer einerseits und eine immer größer werdende Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Lern- und Verhaltensproblemen andererseits zeigen mehr als deutlich, dass unsere Schule als Ganzes krank zu werden droht, wenn sie nicht schon krank ist.

Deshalb muss unsere Schule anders werden. Sie muss besser werden. Wir brauchen endlich – und jetzt komme

ich auf unser Thema von gestern zurück – genügend Ganztagsschulen, wir brauchen eine andere Lehrerbildung für ein gewandeltes Verständnis von Schule und Unterricht, für ein gewandeltes Verständnis von der Lehrerrolle in einer weltoffenen Informationsgesellschaft. Wir brauchen ein hohes Maß an Selbstständigkeit in Bezug auf Lernen und Leben in Schulen, auf die Organisation, auf die Abläufe und die Rhythmisierung des schulischen Geschehens. Lehrpläne müssen selbstständiger gestaltet werden können. Wir brauchen kleinere Klassen. Und dann wird es auch wieder weniger Lehrkräfte geben, die nicht mehr in der Lage sind durchzuhalten, dann werden endlich wieder die Lehrerinnen und Lehrern ihre Kräfte voll für ihre Schülerinnen und Schüler einsetzen können – in einer neuen, in einer besseren Schule. Wir fordern Sie auf, da mitzuziehen.

(Beifall bei der SPD – Hoderlein (SPD): Sehr gut!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dr. Waschler.(Zuruf von der CSU: Wasch ihnen den Kopf! – Allgemeine Unruhe)

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich darf vorausschicken, dass ich schon einigermaßen erstaunt bin, wenn Kollege Odenbach in seinen Ausführungen immer darauf verweist, dass die Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion keine Ahnung hätten, was im Lande vorgeht. Ich werde versuchen, hier darzulegen – und nicht nur auf die Ausschussberatungen verweisen –,

(Zurufe von der CSU)

dass hier sehr wohl Sachverstand vorhanden ist, und zwar auch bei den Kolleginnen und Kollegen der CSUFraktion, die nicht gerade zufällig aus dem Schuldienst kommen. Ich kann das so sagen, weil ich glaube, dass ich in diesem Bereich weiß, wovon ich spreche.

Unbestritten ist allerdings, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Thematik „Gesundheit und Dienstfähigkeit der Lehrerinnen und Lehrer“ ein wichtiges Problemfeld betrifft. Allerdings hat Kollege Odenbach keine neuen Argumente vorgebracht. Es ist also so wie in den Ausschussberatungen: dass wir die Anträge sehr differenziert betrachten müssen. Das heißt, wir haben zwei Anträgen mit kleinen Änderungen zugestimmt und zwei weitere abgelehnt.

Was den Bericht des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes angeht, bestand Zustimmung auch dahin gehend, dass entsprechende Programme und Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation, zur Erhaltung von Gesundheit und Dienstfähigkeit eingeleitet werden müssen. Dass hier vieles bereits auf dem Weg ist, hat Kollege Odenbach bestenfalls am Rande gestreift.

Bevor ich ins Detail gehe, darf ich darauf hinweisen, dass es immer einfach ist, von Seiten der Opposition zu sagen, da müsste noch mehr getan werden. Wenn bei sinkenden Steuereinnahmen Forderungen erhoben werden nach Senkung von Klassenhöchststärken, nach zusätzlichen Anrechnungsstunden oder Streichung des

verpflichtenden Arbeitszeitkontos und dann noch nach einer Verringerung der UPZ, der Unterrichtspflichtzeit, an Grund-, Haupt- und Sonderschulen – das alles kann eigentlich nur jemand machen, der sich den Haushalt nicht angeschaut hat, bei der Verabschiedung des Nachtragshaushalts nicht da war oder überhaupt kein Interesse hat, den Ausführungen hier zu folgen.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich möchte das auch belegen; denn ich pflege durchaus die Dinge, die ich behaupte, mit Fakten zu untermauern.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Ich habe das gestern in anderem Zusammenhang bereits getan und empfehle, wenn hier Äußerungen in Richtung Bildungspolitik gemacht werden, zu sehen, dass wir im Haushalt für das Jahr 2002 7,8 Milliarden Euro für Bildung vorgesehen haben und mit insgesamt 9000 zusätzlichen Lehrerstellen seit 1989 eine Spitzenposition in Deutschland einnehmen.

Auch bei den so genannten Kleinigkeiten, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat der Haushalt einiges zu bieten. Im Nachtragshaushalt sind bei den Dingen, die uns immer wieder ein Anliegen waren – ich nehme jetzt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die Systembetreuer, das Verwaltungspersonal und die Förderschulen heraus –, Verbesserungen erreicht wurden.

Doch lassen Sie mich zum Kern der Antragsthematik kommen. Es ist eine unbestrittene Tatsache – und das sage ich, ohne jetzt einen Vergleich treffen und das auf das Parlament übertragen zu wollen –, dass bei Ruhestandsversetzungen wegen Dienstunfähigkeit die Lehrerinnen und Lehrer vier Prozent vor den Damen und Herren aus vergleichbaren Verwaltungsstellen liegen. Das ist – ähnlich wie bei der gesamten Burn-out-Thematik, die bereits seit mehr als 20 Jahren ein Thema der wissenschaftlichen Diskussion ist – auf ein vielschichtiges Bündel von Faktoren und Erscheinungen zurückzuführen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so einfach, wie es sich die Opposition macht, geht es eben nicht. Ich kann nicht hergehen – damit bin ich beim ersten Punkt – und sagen, die Zahl der Schüler in einer Klasse sei das entscheidende Kriterium für die Arbeitsbelastung des Lehrers. Das ist nämlich nirgendwo in diesem Zusammenhang nachgewiesen. Vielmehr ist nachgewiesen – und das gilt für alle einschlägigen Studien –, dass nicht die Klassengröße, sondern die Zusammensetzung der Klasse maßgeblich ist.

Schüler mit mehr Verhaltensauffälligkeiten als gewöhnlich, mit geringen Deutschkenntnissen, mit unterschiedlicher Herkunft – das sagt uns die Soziologie – stellen die Problemfälle dar. Ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Faktor allein nicht gilt, ist, Kollege Knauer, dass die Klassenhöchststärken an den Volksschulen schrittweise gesenkt worden sind. Im Schuljahr 2000/2001 haben wir aktuell mit 23,74 Schülern pro Klasse den niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre. Dies kann also nicht der

Grund für ansteigende Pensionierungen im Lehrerbereich sein.

Die vom Kollegen Odenbach erwähnte Studie mit dem Titel „Sozialmedizinische Evaluation der Begutachtung und der vorzeitigen Dienstunfähigkeit von Beamtinnen und Beamten im Freistaat Bayern“ zeigt natürlich auch verschiedene Ursachen auf, die ich ganz kurz zusammenfassen darf.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Dr. Waschler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Odenbach?

Herr Kollege Odenbach soll sich meine Ausführungen bitte bis zum Schluss anhören und kann dann gern entsprechend Stellung nehmen. Ich hätte gerne den Zusammenhang hergestellt; denn ich glaube, dass dies für das Gesamtverständnis wichtig ist. Ich bitte auch die Opposition darum, sich etwas zu konzentrieren; denn sonst kommen wieder so seltsame Anmerkungen wie gerade vorhin.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mangelnde Disziplin, geringere Lernbereitschaft, veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen,

(Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

fehlende Professionalität, Frau Kollegin, die wir mit der Reform der Lehrerbildung auch angehen werden, Professionalität, die man in Konflikt- und Stresssituationen braucht, die Perspektivlosigkeit und der Selbstwertverlust der Lehrer – ich werde darauf eingehen, wo die Verantwortung dafür liegt, dass momentan kein Beförderungsamt existiert – und Stressfaktoren, die dann auftreten, wenn berufliche und familiäre Belastungen mit dienstlichen Belastungen zusammentreffen – all das sind Faktoren, die hier zu nennen sind.

Festzustellen bleibt: Es besteht Handlungsbedarf, und dieser Handlungsbedarf ist an verschiedenen Faktoren zu sehen. Herr Kollege Odenbach, der Punkt ist, dass hinsichtlich der Reduzierung der Unterrichtspflichtzeit selbst nirgendwo nachgewiesen wird, dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Quote psychischer oder psychosomatischer Erkrankungen oder mit anderen Ereignissen besteht, die zur Dienstunfähigkeit von Lehrerinnen und Lehrern führen. Das ist nirgendwo nachgewiesen.

Aus diesen Gründen – deswegen haben wir dem Antrag im federführenden Ausschuss zugestimmt – ist ein Maßnahmenbündel notwendig. Ich gehe auf Maßnahmen, die bereits existieren und die jedem Lehrer offen stehen, in aller Kürze ein. Die Ermäßigung der Unterrichtspflichtzeit aus Altersgründen und für Schwerbehinderte beginnt bereits mit dem 55. Lebensjahr bzw. mit einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50%. Übrigens: Mit 62 Jahren hat der Lehrer drei Wochenstunden weniger zu unterrichten, bei Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 90% ebenfalls um 4 Wochenstunden weniger. Schließlich wird in jedem Fall, in dem ärzt

lich festgestellt eine Rekonvaleszenz notwendig ist, eine entsprechende Ermäßigung gewährt.

Ich komme nun zu einem Punkt, der hinsichtlich der Wichtigkeit bedeutend höher einzustufen ist als die Ausführungen, die wir gerade gehört haben. Bei der Lehrerfortbildung wird Enormes geleistet. Es gibt nicht nur die Dillinger Lehrerfortbildung, sondern auch die an den Schulen durchgeführte Lehrerfortbildung. Es ist nicht davon auszugehen, dass wir 100000 Lehrer haben, die alle dringend das Bedürfnis haben, in gewissen Bereichen fortgebildet zu werden. Ich greife zwei Themen heraus: „Konfliktbewältigung im pädagogischen Alltag“ oder „Stressbewältigung in der Schule“ sind Angebote, die man annehmen kann, wenn man dies will. Wenn man keinen Bedarf hat, braucht man nicht nach Dillingen zu gehen oder solche Angebote in der Lehrerfortbildung wahrzunehmen.

Ansonsten ist noch die Altersteilzeit aufzuführen. Sie wird stark in Anspruch genommen und ermöglicht all denen einen gleitenden Übergang in den Ruhestand, die dieses Angebot annehmen wollen. Damit wird ein weiterer Beitrag geleistet, sich gleitend in Richtung des Ruhestandes zu bewegen. Bei der Teilzeit ist ebenfalls das Freistellungsjahr, das so genannte Sabbat-Jahr zu erwähnen. Damit wird Lehrern, die dies freiwillig möchten, ermöglicht, bei Mehrleistung über einige Jahre ein Freistellungsjahr zu nehmen, zum Beispiel zur persönlichen Selbstverwirklichung. Das, Herr Kollege Odenbach, sehe ich sehr positiv. Deswegen ist der von Ihnen erwähnte Antrag der CSU-Fraktion nicht sinnlos, sondern sehr sinnvoll. Wenn jemand über das normale Maß oder bei Teilzeit mit entsprechend erhöhtem Maß freiwillig Dienst leisten möchte und dann freigestellt wird, dann ist das für mich ein Stück mehr Freiheit für den Lehrer. Da von Unsinn zu sprechen, ist, glaube ich, nicht sehr zielführend.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, in dieser Studie ist sehr wohl auch aufgeführt, dass es sinnvoll ist, Hilfen an die Hand zu geben. Wenn bei der Prävention von Dienstunfähigkeit auf die Stressfaktoren abgestellt wird, dann ist es auch wichtig, dass bezüglich dieser Stressfaktoren auch während des Schuldienstes geholfen wird. Wenn behauptet wird, es sei nicht sinnvoll, die Schulpsychologen einzubeziehen, dann frage ich mich, warum. Die Schulpsychologen haben klar definierte Aufgaben; sie haben eine entsprechende Ausbildung; sie besitzen klar definierte Fähigkeiten. Im einschlägigen Artikel 78 Absatz 1 Satz 2 des Bayerischen EUG steht: „Zur Unterstützung der Schulen bei der Schulberatung werden Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen und Schulpsychologinnen bestellt.“ Jetzt wird eingeführt – ich zitiere: Bei entsprechender Qualifikation und Berufserfahrung kann er...

der Schulpsychologe –

Aufgaben praxisbegleitender psychologischer Beratung von Lehrkräften und Schulen (zum Beispiel Supervision, kollegiale Fallbesprechungen, pädago- gische Gesprächskreise, unmittelbare Beratung von Lehrkräften) übernehmen.

Dann kommt der Zusatz:

Er ist dabei allerdings auf das Vorfeld ärztlicher Tätigkeit beschränkt.