Sie können dies auch an dem Einsatz ablesen, den wir in den letzten Jahren für die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an unseren Schulen gezeigt haben; denn auch die Kinder islamischen Glaubens haben ein Recht auf Religionsunterricht an unseren Schulen. Auch für diese Kinder ist der Religionsunterricht in ihrem Glauben sehr wertvoll.
Frau Kollegin Gote, ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich Sie wegen der Abstimmungsmodalitäten und der Zeitspanne von einer Viertelstunde kurz unterbrechen muss. Ich möchte bekannt geben, dass eine namentliche Abstimmung beantragt wird, wie Herr Kollege Egleder soeben gesagt hat.
Der Religionsunterricht ist wichtig, weil er den Kindern die Möglichkeit bietet, sich in ihrer gesamten Persönlichkeit zu entwickeln. Sowohl im Ethik- als auch im Religionsunterricht auch anderer Konfessionen kann Werteerziehung stattfinden. Der Religionsunterricht ist sehr wichtig, weil in diesen Gruppen soziales Lernen stattfindet. Aber soziales Lernen, die Bildung der Gesamtpersönlichkeit der Kinder und Jugendlichen und die Werteerziehung sind natürlich nicht nur im Religionsunterricht angesiedelt.
Wir sind der Meinung, dass diese Form der Bildung und Erziehung in die Schule insgesamt und in alle Fächer gehört, in der Schule vorgelebt und erlebt werden muss, im Mathematikunterricht genauso wie im Deutschunterricht. Deshalb ist die Engführung einer Werteerziehung
im Religionsunterricht, sei es mit Blick auf den 11. September oder aufgrund einer plötzlichen Rückbesinnung auf vermeintlich verloren gegangene Werte, fehl am Platz.
Was hier zur Debatte steht, berührt jedoch dies überhaupt nicht. Es geht in dem Antrag und in der zugrunde liegenden Verordnung des Kultusministeriums überhaupt nicht um den Stellenwert oder die Qualität des Religionsunterrichts.
Es geht hier um nichts anderes, als um eine schulorganisatorische Regelung, die unter der Berücksichtigung der vorhandenen Schülerzahlen in den verschiedenen Gebieten Bayerns durchaus Sinn macht und notwendig und richtig ist.
Es wurde kritisiert, dass der Religionsunterricht jahrgangsübergreifend stattfinden kann und soll, wenn in einem Jahrgang zu wenig Schüler vorhanden sind. Ich halte diese Regelung keineswegs für eine Einschränkung, sondern für richtig. Wie Sie wissen, setzen wir uns für eine Vielfalt unserer Schullandschaft ein, unter anderem auch für Montessorischulen. Ein ganz wichtiges Element der Montessoripädagogik ist, dass auch jahrgangsübergreifend unterrichtet wird. Ich kann überhaupt nicht sehen, dass das zu einer pädagogischen oder qualitativen Einschränkung des Unterrichts allgemein und insbesondere des Religionsunterrichts führen soll, wenn Kinder verschiedener Altersstufen gemeinsam lernen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.
Die Gruppenstärken sind, wie mein Vorredner ausgeführt hat, durchaus zumutbar. Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich habe mich heute über Ihren Mut gewundert, das Thema nochmals herauszuziehen, nachdem wir in der letzten Woche den Bericht des Rechnungshofs auf den Tisch bekommen haben, der eindeutig gezeigt hat, dass die Zusammenlegung von Gruppen dazu führt, dass in den Klassen die Gruppenstärke im Durchschnitt von 19 auf 21 Kinder steigt. Die Zahl von 32 Kindern wird in nur wenigen Einzelfällen erreicht.
Ich frage mich, wer darüber klagen kann, dass in einer Gruppe, die Religionsunterricht bekommt, statt 19 nun 21 Kinder unterrichtet werden. Dies ist absurd, dass können Sie niemandem erklären.
Außerdem wurde im Bericht des Rechnungshofs sehr deutlich gemacht, dass man, wenn nach der Verwaltungsvorschrift verfahren worden wäre, Lehrerstunden in einem Umfang hätte sparen können, der umgerechnet 39 Millionen DM entspricht. Dies ist ein immenser Betrag. Ich frage mich, wie Sie es vor diesem Hintergrund rechtfertigen wollen, diesen Antrag aufrecht zu erhalten.
Ich will diesen Betrag nicht einsparen. – Das will in diesem Fall auch das Kultusministerium nicht. Ich hoffe, es bleibt dabei. – Diese Lehrerstunden sollen an den Schulen verbleiben und sinnvoll für anderen Unterricht ver
wandt werden können, für Sportunterricht, für Kunstunterricht, für Förderunterricht, den wir gestern ausführlich diskutiert haben und den wir dringend brauchen. Die Schulen sollen also dadurch, dass im Religionsunterricht Lehrerstunden eingespart werden können – wo immer das der Fall sein mag –, Freiräume gewinnen.
Ich sage es noch einmal: Es handelt sich nicht um eine Sparmaßnahme, sondern um eine schulorganisatorische Maßnahme.
Es bleibt mir, das Fazit zu ziehen: Mir kommt es so vor, als entfache die SPD an dieser Stelle einen Sturm im Wasserglas. Der Rechnungshofbericht macht die Sachlage überdeutlich: Der Religionsunterricht nimmt durch diese Regelung weder qualitativ noch in der Quantität Schaden. Deshalb können wir diesem Antrag der SPD nicht zustimmen.
Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache. Wir können die namentliche Abstimmung allerdings noch nicht durchführen, weil seit der Antragstellung erst 5 Minuten vergangen sind.
Ich stelle deswegen die abschließende Behandlung dieses Antrages zurück und rufe jetzt zur gemeinsamen Beratung auf:
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Jede Fraktion hat 30 Minuten Redezeit. Wortmeldungen? – Herr Kollege Odenbach.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Blick auf die aktuelle Situation unserer Lehrkräfte in Bayern: Wenn alle Mitglieder dieses Hohen Hauses aus dem Lehrberuf kämen, dann wären nicht weniger als 60 von den 90 Mitgliedern des Landtages, die über 56 Jahre alt sind, aus gesundheitlichen Gründen vom Amtsarzt bereits in den Ruhestand versetzt worden. 60 Abgeordnete aus unseren Reihen dürften also keinen Dienst mehr leisten, weil sie aus gesundheitlichen Gründen hätten frühpensioniert werden müssen. Ich sage das, um die Relationen deutlich zu machen: Durchschnittsalter: 57, zwei Drittel frühpensioniert. Das ist eine erschreckende Zahl. Jeder kann sich das für uns ausmalen. – Die Vorstellung, dass hier nur Lehrer säßen, ist etwas anderes.
Wir haben die Anträge heute auf die Tagesordnung setzen lassen, weil wir diese Entwicklung diskutieren und weil wir bewusst gegensteuern wollen. Man kann es einfach nicht mehr hinnehmen, wenn jede zweite Lehrkraft, die in Bayern frühpensioniert werden muss, psychische Erkrankungen, depressive Störungen oder das Burnout-Syndrom aufweist. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Gesundheit und die Arbeitskraft unserer erfahrenen Lehrerinnen und Lehrer zu erhalten.
Ich bedanke mich ausdrücklich beim Kollegen Dr. Eykmann, dass wir uns im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes gemeinsam mit dieser Problematik befasst haben. Einen Bericht der Staatsregierung haben wir bereits gehört. Der Ausschuss wird weitere Berichte zu Verbesserungsversuchen der Staatsregierung entgegennehmen. Aber unserer Meinung nach muss viel umfassender angesetzt werden, als dies die Staatsregierung im Ausschuss dargestellt hat.
Wir fordern in den Anträgen, dass zur Erhaltung der Gesundheit und Dienstfähigkeit der staatlichen Lehrkräfte gezielt Präventions- und Rehabilitationsprogramme entwickelt werden, dass die Belastung der Lehrkräfte reduziert wird, und zwar einfach dadurch, dass mehr Lehrkräfte eingestellt werden, dass die Klassenhöchststärken abgesenkt werden, dass Anrechnungsstunden für besondere Belastungen geschaffen werden bzw. deren Zahl erhöht wird. – Einige ganz wenige gibt es zurzeit bereits. – Wir fordern, dass die verpflichtenden Arbeitszeitkonten gestrichen werden. Die Einführung dieser Arbeitszeitkonten ist sehr negativ zu beurteilen. Wir fordern, dass für die Grund-, Hauptund Förderschulen, die die stärksten Belastungen und auch die höchsten Krankheitszahlen aufweisen, ein Stufenplan zur schrittweisen Verringerung der Unterrichtspflichtzeit entwickelt wird. Ebenso fordern wir mobile Reserven für alle Schularten. In den Grund-, Haupt- und Förderschulen haben sich diese bestens bewährt. Wir fordern auch Schulsozialarbeit. Diese Forderung wurde hier schon oft erhoben.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier über Krankheitsbilder, die in hoher Zahl im Zusammenhang mit Dauerbelastungen im Lehrberuf, im Arbeitsfeld Schule entstanden sind und entstehen, und zwar durch negative Bedingungen. Diese Bedingungen haben sich nicht verbessert, sondern verschlechtert. Die genannten Krankheiten sind auch keine Berufsanfängerkrankheiten. Deswegen ist es aus meiner Sicht fast naiv, wenn als Vorbeugungsmaßnahme vom Kultusministerium angeführt wird, man werde junge Lehrerinnen und Lehrer vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit künftig noch genauer vom medizinischen Dienst untersuchen lassen. Herr Staatssekretär Freller, ich würde vorschlagen: Verwenden Sie diese Kraft lieber dafür, die ungünstigen pädagogischen und personellen Bedingungen im Arbeitsfeld Schule einmal genauer untersuchen zu lassen.
Es gibt eine Reihe von Studien aus der letzten Zeit, unter anderem auch die immer wieder zitierte Erlanger Studie. Diese hat sehr deutlich gemacht, dass die Situation erschreckend ist. Das, was Herr Dr. Weber und seine Kollegen dargestellt haben, kann man nicht einfach vom Tisch wischen. Das muss uns alle erschrecken. Er hat in seinen Untersuchungen festgestellt, dass 5540 Lehrerinnen und Lehrer vorzeitig aus dem Schuldienst ausscheiden müssten und dass sie vor allen Dingen aufgrund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen nicht mehr in der Lage sind, ihren Dienst auszuüben. Dies kann man nicht ignorieren. Erschöpfungs-, Burn-outSyndrom, Depressionen, auch körperliche Leiden wie Muskel-, Skelett- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden genannt, und das in einem Alter, in dem man in der Lage sein sollte, sehr gut und noch sehr lange Dienst in der Schule zu leisten. – Herr Dr. Weber ist übrigens bei seinen Untersuchungen sogar auf ein Durchschnittsalter von 54 gekommen. Das muss uns erschrecken.
Dies ist nicht die einzige uns vorliegende Untersuchung. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen. Ich will nicht weiter zitieren. Bestätigt wurde das hier Gesagte letztlich auch vom Vertreter des Kultusministeriums: 67% sind vorzeitig wegen Dienstunfähigkeit pensioniert. Nur noch ganze 12% der Lehrerinnen und Lehrer erreichen die Altersgrenze von 65 Jahren. Das Durchschnittsalter beträgt 57 Jahre. Deswegen vorhin meine Berechnung.
Bezeichnend ist – das muss man kritisch anmerken –, dass sich der oberste Dienstherr – das Kultusministerium, die Frau Kultusministerin – dieses Problems von selbst nur ganz bescheiden und halbherzig angenommen hat. Vor allen Dingen war es der Leidensdruck der Betroffenen selber, der Lehrerinnen und Lehrer, der Lehrerverbände, der das Ganze in die Öffentlichkeit gebracht hat. Am stärksten ist dieser Leidensdruck – das verwundert auch nicht – angesichts der höchsten Unterrichtsverpflichtungen und angesichts der heterogenen Schülerschaft in der Grund- und Hauptschule und vor allen Dingen auch bei den Schulleiterinnen und Schulleitern der Grund- und Hauptschulen, die nach wie vor als Lehrkräfte eingesetzt und über Gebühr belastet werden, im Gegensatz zu Schulleiterinnen und Schulleitern anderer Schularten.
Die Ergebnisse der Untersuchungen haben in der Öffentlichkeit für Schlagzeilen gesorgt. Für diejenigen, die sich auskennen, haben sie eigentlich nur das bestätigt, was wir schon immer wussten: Die Lehrkräfte sind in hohem Maße physisch und psychisch belastet. Die zentralen Ursachen hierfür liegen darin, dass die Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer hinsichtlich dessen, was Schule leisten soll, permanent gestiegen sind. Hinzu kamen gleichzeitige Verschlechterungen der Bedingungen: hohe Schülerzahlen, nachlassendes Erziehungsvermögen, hohe Unterrichtsverpflichtungen, 40-Stunden-Woche, Zwangsarbeitskonto und anderes.
Das ist also nichts Neues. Das muss man sehr deutlich sagen. Der Oberste Rechnungshof hat bereits Anfang der Neunzigerjahre für die Beamten allgemein mehrfach auf diese Entwicklung hingewiesen. Was die Schulen angeht, haben wir durch eine Reihe von Anfragen immer wieder hierauf aufmerksam gemacht. Zuletzt gab es hierzu im Jahre 1996 einen Bericht. Leider ist aus dem, was die Ministerien darin dargestellt haben, nicht viel entstanden.
Das Kultusministerium hat damals unter anderem erklärt: „Für den besonders hohen Anteil der vorzeitigen Ruhestandsversetzungen wegen Dienstunfähigkeit im Volksschulsektor liegen keine verwertbaren Eckdaten vor.“ Man hat nur Vermutungen angestellt. Leider hat man es bis heute nicht für nötig gehalten, das Ganze von sich aus einmal näher untersuchen zu lassen.
Eine der Abhilfen, die man damals erwähnt hat, waren umfangreiche Seminare mit Berufshilfen für Lehrkräfte, darunter auch spezielle Seminare zum Burn-out-Syndrom. Wenn ich davon ausgehe, dass wir in Bayern 100000 Lehrkräfte haben und im Rahmen der Dillinger Lehrerfortbildung fünf, sechs oder vielleicht zehn Seminare angeboten werden können, dann erreichen diese Angebote 150, bestenfalls 250 Lehrkräfte. Wenn man das in Relation zu der genannten hohen Zahl setzt, dann sieht man sehr schnell, wie bescheiden das Ganze ist.
Damals hat das Kultusministerium auch noch gesagt – und das ist für mich eigentlich jämmerlich –: „Ein Ausbau dieses Systems berufsbegleitender Hilfen wäre jedoch mit erheblichen Kosten verbunden.“ Deswegen hat man nichts getan, und das ist sehr bedauerlich.