Protocol of the Session on November 14, 2001

(Beifall bei der SPD)

Am 19. Oktober dieses Jahres haben die beiden päpstlichen Visitatoren ihren Bericht in Rom abgegeben. Heute haben wir den 14. November. Über den Inhalt des Berichts ist noch nichts bekannt geworden. Was steht eigentlich drin? Weiß die Staatsregierung hier etwas? Ich meine, die Staatsregierung sollte sich um diesen Bericht der beiden päpstlichen Visitatoren kümmern. Sie ist nämlich die Vertreterin des Freistaats Bayern und der Freistaat Bayern ist Vertragspartner des Vatikans im Konkordat von 1924. Frau Ministerin, sagen Sie etwas dazu. Was sagen denn die päpstlichen Visitatoren über die Zukunft des Deutschen Ordens? Darüber möchte die Öffentlichkeit auch etwas erfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Stoiber war ja schon mit einigen Bundestagsabgeordneten beim Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, hat dort gepoltert, wie man in der Presse nachlesen konnte. Herr Zimmermann, drei Minister, nämlich Herr Huber, Frau Stewens und Frau Hohlmeier, waren in Rom bei Herrn Sodano. Sie kamen zurück, ohne über Ergebnisse zu berichten. Diese Verhandlungsergebnisse wollen wir doch erfahren. Wenn es denn hülfe, sollte Herr Stoiber in Rom einmal eine Kabinettssitzung mit dem gesamten Kabinett machen, eine Pilgerreise in die Heilige Stadt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Aber sie erreichen ja nichts.

Jetzt, meine Damen und Herren, werden Sie fragen: Worin liegt die Lösung? Ich habe sie eigentlich schon angedeutet. Ich sage knallhart: Der Deutsche Orden in seiner jetzigen rechtlichen Struktur ist sanierungsunfähig. Die Strukturen müssen verändert werden. Der Deutsche Orden ist Körperschaft, gleichzeitig Eigentümer

und gleichzeitig operative Einheit – eine Konstruktion, die einmalig ist auf dem Markt. Er verfügt nicht über richtige Kontrollorgane, auch wenn es jetzt einen Aufsichtsrat gibt. Aber dieser hat, rein rechtlich gesehen, keine Durchsetzungsrechte.

Die einzige Lösung ist, die Körperschaftseigenschaft zurückzufordern und ein ordnungsgemäßes Sanierungsund Insolvenzverfahren durchzuführen. Ohne die Rücknahme der Körperschaftseigenschaft ist ein solches ordnungsgemäßes Insolvenzverfahren nicht möglich. Anschließend muss man entsprechende Auffanglösungen finden für die hervorragenden Einrichtungen, die vorhanden sind, die Suchthilfe und vor allem die Krankenhäuser. Das ist die einzige Lösung, Frau Stewens. Sie werden darum nicht herumkommen.

Und jetzt das Entscheidende: Sie sagen immer, es gehe aufgrund des Grundsatzurteils von Karlsruhe rechtlich nicht. In der Tat, das Bistum Rottenburg hat wegen der Insolvenzumlage für die Berufsgenossenschaft geklagt. Daraufhin erging ein Grundsatzurteil vom 13. Dezember 1983. Es lautet:

Kirchen und ihre Organisationen sind, soweit sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, von der Pflicht zur Zahlung der Umlage für das Konkursausfallgeld ausgenommen. Ihre Konkursunfähigkeit folgt unmittelbar aus dem Grundgesetz.

Das scheint also die Rechtsauffassung der Bayerischen Staatsregierung zu rechtfertigen. Aber wenn man sich die Mühe macht und die Urteilsbegründung liest, sieht man, dass dieses Urteil auf den bayerischen Fall gar nicht zutrifft. Ich zitiere aus der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes – das ist sehr wichtig –:

Die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit ist bei den hier in Rede stehenden Körperschaften des öffentlichen Rechts aufgrund ihres großen Mitgliederbestandes, ihrer Vermögenssubstanz und ihres Steuererhebungsrechts praktisch nicht gegeben.

Das trifft für den Deutschen Orden gar nicht zu. Der Deutsche Orden hat kein Steuererhebungsrecht. Weiter unten heißt es:

Dies zeigt sich auch darin, dass bisher noch keine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts in Zahlungsschwierigkeiten im Sinne der Konkursordnung geraten ist.

Das stimmt auch nicht mehr. Der Deutsche Orden ist in Zahlungsschwierigkeiten.

Nur über die laufenden Einkünfte aus den Steuereinnahmen können sie sich finanzieren. Aber sie haben außerdem als Rückhalt die Möglichkeit des Finanzausgleichs innerhalb der gesamten Kirchenorganisation.

Auch das stimmt nicht. Der Deutsche Orden ist ein Extempt-Orden, das heißt ein nur dem Papst unterstehender Orden. Und die Kirche tritt offensichtlich für die Schulden des Deutschen Ordens nicht ein. Auch diese

Begründung aus dem Verfassungsgerichtsurteil trifft also nicht zu.

Jetzt kommt ein ganz entscheidender Satz:

Ohne dass diese Voraussetzungen

gemeint sind die finanziellen und personellen Voraussetzungen –

gegeben sind, wird der verfassungsrechtlichen Unterscheidung nach Artikel 37 der Weimarer Reichsverfassung folgend, bei jeder Entscheidung besonders sorgfältig zu prüfen sein, die die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts zum Inhalt hat.

Sie haben als Bayerische Staatsregierung dem Auftrag des Verfassungsgerichts widersprochen und haben keine sorgfältige Prüfung durchgeführt, wie ich dargelegt habe.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und heute, nachdem Sie gegen das Urteil verstoßen haben, berufen Sie sich auf ein Urteil, das auf den Fall, über den wir hier sprechen, gar nicht zutrifft. Dazu sollten Sie einige Dinge sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich will es nicht weiter ausführen. Nur zwei Anmerkungen noch. Zur Frage der Gemeinnützigkeit setze ich mich mit dem Finanzminister auseinander. Ich bin der Auffassung: Die Gemeinnützigkeit ist längst verwirkt, weil sehr viel Geld in den gewerblichen Bereich hineingeflossen ist, das nicht zurückkam. Aber es ist schon bemerkenswert: Der Finanzminister beschwert sich bei mir über eine Presseerklärung der SPD-Landtagsfraktion, und diesen Beschwerdebrief an mich schickt er Erwin Huber zur Kenntnisnahme, so wie ein Schulbub: Ich habe den Herrn Abgeordneten Kaiser gerüffelt; jetzt melde ich Vollzug: Da ist der Abdruck dieses Schreibens. – Das ist bemerkenswert, das muss ich schon feststellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann schreibt Herr Faltlhauser auch noch im letzten Satz, er fordere mich nachdrücklich auf, künftig derartige Unterstellungen gegenüber der bayerischen Finanzverwaltung zu unterlassen; dabei halte sich das Ministerium auch den Rechtsweg offen. – Er droht uns also mit dem Rechtsweg.

(Gartzke (SPD): Aber schnell!)

Ich fordere die Staatsregierung, den Finanzminister, von diesem Rednerpult aus auf, den Rechtsweg zu beschreiten, damit die Machenschaften einmal an die Öffentlichkeit kommen!

(Beifall bei der SPD)

Klagen Sie doch bitte gegen die SPD-Fraktion!

(Gartzke (SPD): Nur so!)

Ein Letztes zur Staatsanwaltschaft. Es wurde immer wieder – von Frau Stewens, von Frau Hohlmeier – gesagt, die Staatsanwaltschaft sei zuständig. Die Staatsanwaltschaft macht aber nichts, es sei denn, Herr Froschauer trifft sich mit dem Anwalt des Deutschen Ordens, mit Herrn Gauweiler, zu einem Gespräch

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sind die zwei Richtigen beieinander!)

und es werden Absprachen getroffen, wie Staatsanwaltschaft und Anwalt vorgehen. Das ist schon ein bemerkenswerter Fall.

Welche Außenwirkung dies hat, zeigt Folgendes. Der frühere Geschäftsführer, der hauptverantwortlich ist für die Misere im Deutschen Orden, Herr Conrad, hat eine neue Stelle bei einem Ärzteverbund angetreten. 3800 Ärzte in Stuttgart, eine GmbH. Am 13. August fand in Stuttgart eine Pressekonferenz statt. Ich zitiere:

„Ich denke, ich habe beim Deutschen Orden einen guten Job gemacht“, sagte Conrad. Aus einer Einrichtung ohne Eigenkapital habe er durch Zukauf von finanziell und baulich notleidenden Einrichtungen eine expandierende GmbH mit rund 100 Niederlassungen gemacht. „Das Kerngeschäft war gesund“, sagte der ehemalige Geschäftsführer.

Schuld ist nur der Prior, sind die Ordensoberen und schuld sind die Banken, die kein weiteres Geld zur Verfügung gestellt haben.

Ich zitiere weiter:

Conrad selbst, so versicherte er, seinem neuen Arbeitgeber Medienverbund GmbH, ist überzeugt, dass für ihn die derzeitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München im Sande verlaufen werden. Conrad sei nicht vernommen worden.

Das war im August. Die Anzeigen stammen vom Dezember letzten Jahres. Nach neun Monaten hat es die Staatsanwaltschaft nicht fertig gebracht, einen der Hauptbeschuldigten überhaupt nur einzuvernehmen. So arbeitet die Staatsanwaltschaft unter Herrn Froschauer, den wir ja nur zur Genüge kennen.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, das ist ein Punkt, der hier auch zur Sprache kommen muss.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag fordern wir einen detaillierten Bericht. Es muss endlich Schluss sein mit Verschleiern, Vernebeln, mit Täuschen und Irreführen. „Es wird gemauert, was das Zeug hält“, schreibt Peter Fahrenholz in der „Süddeutschen Zeitung“. Frau Stewens, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Staatsregierung, es muss endlich Schluss sein mit diesem Mauern. Wir wollen entsprechende Informationen.

Ich sage abschließend: Wer wie Herr Stoiber in Bayern ein von ihm verursachtes begrenztes Problem nicht lösen kann, der ist schon gar nicht in der Lage, dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland, in diesen schwierigen Zeiten zu führen.

(Gartzke (SPD): Das weiß sowieso jeder!)

Deshalb sollten Sie unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CSU – Leeb (CSU): Da lachen ja die Hühner! – Weitere Zurufe von der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.