Protocol of the Session on October 25, 2001

Ich möchte nur darauf hinweisen, die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute – das DIW in Berlin, das wirklich nicht berühmt ist für Unionsfreundlichkeit, das Hamburgische Weltwirtschaftsarchiv, das Ifo-Institut in München,

(Maget (SPD): Was ist mit Kiel? Die lehnen das ab!)

das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, alles Experten, die etwas dazu zu sagen haben – sagen übereinstimmend, dass das Vorziehen der Steuerreform mit einer Entlastung um 13 Milliarden DM notwendig sei. Sie sagen etwas Zusätzliches, um dieses Argument auch gleich mit aufzugreifen: Durch das Vorziehen der Steuerreform wird der Stabilitätspakt nicht gefährdet. Das heißt, wir können diese Maßnahme auf der Basis der vereinbarten Stabilitätsbemühungen durchführen. Das würde uns helfen. Ich sage aber auch noch etwas Zusätzliches und Kritisches: Die Entlastung um 13 Milliarden DM schafft zwar keine völlig neue konjunkturelle Situation. Sie hilft aber, die Konjunktur zu stabilisieren.

Sie ist aber mit Sicherheit kein Wundermittel, Herr Kollege Strasser.

Was kann uns denn in dieser Situation insgesamt helfen? Wir befinden uns im europäischen Binnenmarkt. Wir befinden uns fünf Minuten vor der Einführung des Euro. Wenn wir schon die Steuerreformstufe des Jahres 2003 auf 2002 vorziehen, wäre es sinnvoll, wenn die übrigen europäischen Staaten in gleicher Weise handeln würden.

Aber insbesondere seit dem 11. September 2001 höre und sehe ich nichts von Europa, von Brüssel. Meine Damen und Herren, ich sehe nichts in außenpolitischer Hinsicht, ich höre nichts in sicherheitspolitischer Hinsicht, und ich sehe auch nichts in finanz- und wirtschaftspolitischer Hinsicht. Europa ist spätestens seit dem 11. September 2001 ausgeblendet – kein Wort, keine Initiative. Wir bräuchten in konjunkturpolitischer Hinsicht – wenn wir etwa auf der Angebotsseite etwas tun wollen, – die unmittelbare Abstimmung, nicht nur zwischen Frankreich und Deutschland, sondern mit mehreren Staaten. Ich habe am Montag mit dem französischen Finanzminister Fabius darüber geredet.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und über die Landesbank!)

Wir haben uns ausführlich über die Konjunktur unterhalten, liebe Frau Kollegin, und über eine andere wichtige strategische Entscheidung – das vermuten Sie richtig. Ich halte die Zusammenarbeit der Caisse des Depôts mit einer Überkreuz-Beteiligung als Ziel für außergewöhnlich interessant für die Bayerische Landesbank.

Wir haben uns darüber ausgetauscht, und auch er beklagt, dass absolut keine Koordinierung stattfindet. Gerade in der schwierigen Zeit ist Europa ausgeblendet. Meine Überzeugung war, Europa sei keine SchönwetterVeranstaltung, sondern wir bräuchten Europa insbesondere bei den großen Herausforderungen, die wir jetzt außen- und sicherheitspolitisch haben. Wir brauchen es aber auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Ich frage: Was macht eigentlich Eichel? Was macht eigentlich Schröder? – Versuchen die beiden eigentlich diese Koordination? – Nein, sie versuchen sie nicht. Sie verschlafen sie.

(Beifall bei der CSU – Gartzke (SPD): Aber sicher – es gibt einen einstimmigen Europaratsbeschluss!)

Meine Damen und Herren, das einzige, was man zur strukturellen Situation hört, ist ein Stakkato von Steuererhöhungen. Für die Herausforderung in der Sicherheitspolitik gibt es auf Bundesebene drei Milliarden DM. Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt hat rund 490 Milliarden DM. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, in diesem großen Haushalt drei Milliarden DM für ein Sicherheitspaket einzusparen.

(Gartzke (SPD): Wollen Sie bei der Landwirtschaft kürzen?)

Das ist wirklich eine schwache Leistung. Ich weiß, wovon ich rede. Ich kenne diesen Bundeshaushalt.

(Beifall bei der CSU)

Diese drei Milliarden DM werden geschwind und schlaumeierisch mit einer Versicherungssteuer und der Tabaksteuer aufgefüllt.

(Maget (SPD): Sie haben doch gar nichts eingespart, Sie haben nur Schulden gemacht!)

Die Tabaksteuererhöhung haben sie auch nicht richtig hinbekommen. Sie haben das nicht einmal handwerklich im Griff. Das ist unglaublich. Ich habe mich intensiv mit der Tabaksteuer befasst. Man weiß, dass es nicht so leicht geht, im Umstellungszeitraum zum Euro noch schnell ohne Abstimmung mit der Branche die Tabaksteuererhöhung einzuführen. Das ist eine unglaubliche Fehlleistung. Eichel macht sogar seine Fehler noch falsch!

(Lachen und Beifall bei der CSU – Gartzke (SPD): Das müssen uns die Bankrotteure sagen!)

Neben der Tabak- und der Versicherungssteuer – die Bürger haben das fast schon wieder vergessen – kommen automatisch noch einmal 6 Pfennige pro Liter auf die Mineralölsteuer und die Erhöhung der Stromsteuer. Das heißt, dass zum jetzigen Zeitraum, wo die Konjunktur so schlecht ist, gleichzeitig drei Verbrauchssteuern erhöht werden. Das ist Frost auf der Plantage der Konjunktur. Das ist selbstgemachte Fehlleistung der Bundesregierung.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas zu den Eckwerten des Nachtragshaushalts 2002 sagen. Im Hinblick auf die von mir gerade dargelegten deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen ist der Entwurf des Nachtragshaushalts 2002, den ich heute vorlege, ein klares Zeichen dafür, dass wir unseren Kurs der nachhaltigen Finanzpolitik auch in schwierigen Zeiten entschlossen fortsetzen können. Obwohl wir das nächste Jahr die veranschlagten Steuereinnahmen um 358 Millionen Euro gegenüber der Veranschlagung im Stammhaushalt senken müssen, wird die Neuverschuldung im Jahr 2002 auf 467 Millionen Euro – das heißt 914,5 Millionen DM – zurückgeführt. Wir gehen, obwohl das schwierig ist, diesmal in der Zurückführung der Nettoneuverschuldung erstmalig unter die Ein-MilliardenGrenze. 914,5 Millionen DM Nettoneuverschuldung stehen im Haushalt. Damit gehen wir den Weg zum Haushalt ohne Nettoneuverschuldung ab dem Jahr 2006 konsequent weiter.

Bayern ist nicht ohne Grund seit Jahren das Land mit der niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland. Am 31.12.2000 waren es in Bayern 2891 DM, also weniger als 3000 DM, im Länderdurchschnitt waren es fast 8000 DM, nämlich 7931 DM pro Kopf.

Die Investitionsquote, die Kollegem Ach und dem Haushaltsausschuss so wichtig ist, erhöht sich durch den

Nachtragshaushalt auf 15,6%. Bei Hinzurechnung der Privatisierungserlöse, Herr Kollege Strasser, sind wir bei 16,7%. Damit sind wir Welten von den anderen westlichen Flächenländern entfernt. Auch der Bund steuert konsequent auf die 10-Prozent-Marke hin. Das heißt, der Bund schädigt immer mehr die Zukunftsfähigkeit des Landes. Der Durchschnitt der Investitionsquote ist in den Flächenländern West leider auch schon bei 10,7%.

Wenn das so weiter geht, werden die jungen Landtagskollegen in Nordrhein-Westfalen oder in Niedersachsen in 15 Jahren von 100 DM nur noch 5 DM in Investitionen stecken können. Das ist eine Demontage der parlamentarischen Gestaltungsmöglichkeit.

(Beifall bei der CSU)

Nicht zuletzt deshalb ist die Investitionsquote in Bayern vom Haushaltsausschuss immer wieder besonders hervorgehoben worden.

Meine Damen und Herren, ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir 938 Millionen DM mit dem Verkauf, je E.ON-Aktie von 64,4 Euro, erlöst haben. Wir haben die Privatisierungserlöse folgendermaßen aufgeteilt: 215 Millionen DM für Kinder und Familie – das ist ein besonders hervorzuhebendes Programm –, 411 Millionen DM für Schulen und 254 Millionen DM für die Vorbereitung auf die EU-Osterweiterung und für die Infrastruktur in diesem Land.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Anregungen zum Kinderbetreuungskonzept machen. Die Verbesserung der Kinderbetreuung ist ein ganz wichtiger und entscheidender Schritt in unserer Gesellschaft, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder zu erleichtern. Die frühere Situation, dass eine Frau viele Jahre aus dem Beruf ausscheiden und dann wieder einsteigen konnte, ist heute im Rahmen des harten Wettbewerbs und des sich schnell verändernden Wissensstandes nicht mehr möglich. Die Frauen wollen früher in den Beruf; darauf müssen wir reagieren.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist schon lange so! – Maget (SPD): Das gibt es aber schon lange!)

Nein, das hat sich dramatisch verändert.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für Sie vielleicht!)

Wir reagieren angemessen darauf. Dabei bleibt die Staatsregierung allerdings ihrem Standpunkt treu: Kinder und Jugendliche sollen nicht noch mehr Zeit als jetzt schon in der Schule verbringen müssen.

(Frau Radermacher (SPD): Überlassen Sie die Entscheidung den Eltern!)

Vielmehr sollen die Eltern weiterhin die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden.

(Allgemeine Unruhe – Maget (SPD): Warum bevormunden Sie? Seien Sie nicht so eitel und arrogant!)

Wir schaffen 30000 Kinderbetreuungsplätze für die unter Dreijährigen und für die älteren Kinder.

Im Rahmen des E.ON-Konzeptes haben wir zusätzlich für die bayerischen Schulen massiv vorgesorgt. Ich wiederhole es, meine Damen und Herren: Mit dem Kraftakt, den wir Ihnen heute vorlegen, investiert der Freistaat Bayern alleine in den nächsten drei Jahren eine Milliarde DM in zusätzliche Lehrerstellen.

In den nächsten drei Jahren werden für zusätzliche Lehrerstellen eine Milliarde DM ausgegeben. Das leistet kein anderes Land in der Bundesrepublik Deutschland, was wir hier leisten.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Ich weise noch darauf hin, Herr Kollege Maget, dass alle frei werdenden Lehrerstellen in Bayern neu besetzt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Maget (SPD) – Frau Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist das Mindeste!)

Nach der Statistik zahlen wir in Bayern 8700 DM je Schüler und stehen damit noch vor Baden-Württemberg, das 8600 DM je Schüler ausgibt. Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz folgen nach dieser statistischen Erhebung mit jeweils 8100 DM je Schüler. Das ist statistisch belegt, entgegen aller Polemik von irgendwelchen Leuten. Ich wiederhole: Wir geben 8700 DM pro Schüler aus, Baden-Württemberg 8600 DM, und NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz stehen jeweils an der dritten Stelle mit 8100 DM. Also auch hier wieder: Bayern vorne.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben von den Privatisierungserlösen zusätzlich 100 Millionen Euro für ein Ertüchtigungsprogramm zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Oberfranken und Ostbayern eingesetzt.

Wenn die Tschechische Republik und die übrigen Staaten, die beitreten wollen, in die Europäische Union eintreten, dann ist es zu spät, ein Förderprogramm zu machen. Wir müssen jetzt ein Ertüchtigungsprogramm auflegen.

(Willi Müller (CSU): So ist es!)

Wenn die Tschechische Republik dabei ist – um dieses Beispiel zu nennen, gestern waren fast alle Mitglieder des Haushaltsausschusses in Eslarn –, dann gibt es dort Kostenvorteile, Vorteile bei den Lohnnebenkosten, weniger administrative Reglementierung. Wenn sie dabei sind, dann sind sie auch noch ein Zielgebiet I. Das heißt, sie bekommen massive europäische Förderung; auf der anderen Seite der Grenze, in Eslarn, gibt es nichts. Wir müssen die Betriebe zwischen Hof und Passau massiv fördern, um sie wettbewerbsfähig für diese Herausforderung zu machen.

(Willi Müller (CSU): Es ist ein Jammer, dass die Bundesregierung überhaupt nichts macht!)