Protocol of the Session on October 25, 2001

Es genügt nicht, Herr Minister, zu sagen, das Sicherheitsbedürfnis dürfe nicht dazu führen, dass man allen Ausländern mit Misstrauen begegnet. Die Staatsregierung muss das nicht nur sagen, sondern sie muss auch entsprechend handeln. Ich schaue auf die rechte Seite der Regierungsbank, aber da sitzt keiner.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sitzt er, auf der linken Seite! – Dr. Bernhard (CSU): Orientierungslosigkeit!)

Ich bin froh, wenn ich nicht weiß, wo er sitzt.

Das gilt nicht nur für die allgemeinpolitische Lage, sondern auch für die absolut unzureichenden Studienbedingungen. Das liegt auch daran, dass der Beckstein überall ist, aber nirgendwo richtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der SPD)

Gerda Leisch, die Leiterin des überfüllten Studienkollegs der bayerischen Universitäten, bezeichnet den Umgang mit ausländischen Studierenden als zynisch: „Man will die Besten aus der ganzen Welt haben, aber man tut nichts dafür.“ Es ist skandalös, dass Sie Hunderte von jungen Menschen, die alle formalen Voraussetzungen für ein Studium in Bayern erfüllen, wieder nach Hause schicken, weil es keinen Platz für sie gibt.

Das kommt nicht überraschend. Das Kultusministerium hat im Februar erklärt, dass angesichts der Steigerung der Zahl der Studierenden zusätzliche Stellen dringend erforderlich seien. – Ist Frau Hohlmeier gegangen? – Da sitzt sie.

(Zuruf von Abgeordneten der CSU)

Die ist genauso wie der Beckstein: überall, aber nirgendwo richtig, überall etwas anfangen, aber nichts fertig machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier ist ein Bedarf erkannt, aber in den Haushaltsberatungen wird nichts umgesetzt.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist das Verwirrspiel der CSU!)

An den Hochschulen sieht es nicht besser aus. In allen Bereichen, mit denen ausländische Studienanfänger zu tun haben, fehlen Mittel, Räume und Personal. Es gibt keinen Platz in den Wohnheimen, und auf dem freien Markt haben ausländische Studierende keine Chance. Wer einen schwarzen Bart oder ein Kopftuch trägt, kann die Wohnungssuche ohnehin vergessen. In Augsburg zum Beispiel musste das Studentenwerk deshalb Notquartiere schaffen. Die Stadt hat deshalb die Wohnheime des Krankenhauszweckverbandes geöffnet. Trotzdem gibt es immer noch Studierende ohne Unterkunft.

Statt hier Abhilfe zu schaffen, streicht die Staatsregierung den Studentenwerken Mittel, die sie dringend in zusätzliche Wohnungen investieren müssten.

Verärgert abreisende Bewerber sind nicht gerade ideale Botschafter für den Standort Bayern. So werden alle Anwerbebemühungen zur Negativwerbung. Wesentlich wird diese Gefahr durch ein innenpolitisches Klima erhöht, das viele Ausländerinnen und Ausländer an der Weltoffenheit Bayerns zweifeln lässt. Auch hier muss die Staatsregierung endlich zugunsten des Standortes Bayern handeln, selbst wenn es ihr noch so schwer fällt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CSU leidet momentan an enormen geistigen und sprachlichen Verrenkungen. Sie kann nicht von ihrer ideologischen und überholten Abschottungspolitik lassen; aber die Wirtschaft zwingt sie, eine weltoffene Politik zu machen. Gleichzeitig gegen Ausländer Wahlkampf zu machen und Bayern als Wirtschaftsstandort zu sichern, das ist ein unmögliches Kunststück. Da greift sogar ein sonst so besonnener Minister, wie Sie, Herr Zehetmair, voll daneben. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Sie mit dem Satz zitiert: „Der Argwohn gegen ausländische Studenten darf nicht verallgemeinert werden.“ Diesen Satz müssen Sie mir noch genauer erklären. Soll das heißen, dass der Argwohn in Ordnung ist, wenn er nicht verallgemeinert wird? Gegen wen darf er nicht verallgemeinert werden? Sie werden mir sicher noch sagen, was Sie damit meinen.

Herr Minister, Sie sind als Erster in der Pflicht, weiter für die Internationalisierung der Hochschulen und für ein weltoffenes Bayern einzutreten. Wir sind uns mit Ihnen einig in dem Ziel, die Zahl der ausländischen Studierenden in Bayern zu verdoppeln; Sie müssen die Weichen dafür stellen. Die Hochschulpolitiker der CSU sind in der letzten Zeit leider ziemlich kleinlaut geworden. Endlich waren Sie auch so weit, nachdem sie jahrelang unsere Anträge abgeschmettert haben, initiativ zu werden für die Internationalisierung der Hochschulen. Seit geraumer Zeit hört man nichts mehr von Ihnen, Totenstille.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Söder (CSU))

Sie haben sich zwar schon für Ihre Anträge in der Presse feiern lassen; den parlamentarischen Weg gehen Sie aber nicht. Da braucht sich niemand zu beschweren, dass das Interesse am Hohen Haus ausgehöhlt wird, wenn das schon in der Presse gefeiert wird. Warum soll dann noch jemand hier reinkommen?

Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, zumindest die Hochschulpolitiker, sollten sich die Bemühungen, die Hindernisse abzubauen, nicht vom Sicherheitswahn des Innenministers kaputt machen lassen.

(Lachen bei der CSU)

Es ist doch völlig widersinnig und wirtschaftlich schädlich, wegen der Verbrechen Einzelner jetzt Zehntausende als Verbrecher zu verdächtigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ziel einer absoluten Sicherheit können wir nicht einmal erreichen, wenn wir überhaupt keine fremden Studierenden mehr hereinlassen. Wir bestehen auf Verhältnismäßigkeit. Deshalb lehnen wir eine Rasterfahndung ab, die nicht von einem präzisen Täterprofil ausgeht, sondern alle Studenten „mit vermutlich islamischer Religionszugehörigkeit und vermutlich legalem Aufenthaltsstatus“ in Deutschland aufs Korn nimmt. Das heißt: Je unbescholtener ein Student ist, desto mehr läuft er Gefahr, als Schläfer verdächtigt zu werden.

Der Datenschutzbeauftragte der TU München Bernd Radig hofft, dass bald wieder Vernunft einkehrt: „Denn,

wer geht schon gerne in ein Land, in dem die Polizei Lebensumstände akribisch überwacht?“

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Klaus Landfried fordert, dass es für die Überprüfung von Studierenden konkrete Verdachtsmomente geben müsse. Keinesfalls dürften die Ermittlungen in allgemeine Bespitzelungen ausarten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Professor Gotthard Jasper von der Erlanger Universität befürchtet, dass die Rasterfahndung zu einer Stigmatisierung der Muslime führen könnte.

Selbst TU-Präsident Herrmann sagt: Die innere Sicherheit ist wichtig, aber die Rasterfahndung kann kein Dauerzustand sein. Das beste Rezept gegen Extremismus sei, ausländische Studenten in Gruppen zu integrieren, anstatt sie dem anonymen Alltag der Massenuniversität zu überlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unserer Überzeugung nach das beste Rezept für mehr Sicherheit, nämlich Integration und Öffnung statt Angstmache und Abgrenzung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, wir fordern Sie auf, mit uns diejenigen in die Schranken zu verweisen, die uns falsche Sicherheiten vorgaukeln wollen und mit ihren vorschnellen Rezepten mehr kaputt machen, als sie nutzen. Treten Sie mit uns für ein weltoffenes Bayern ein!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Wilhelm. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Dürr, heute haben Sie mit enttäuscht.

(Beifall bei der CSU – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immerhin war das möglich!)

Es war möglich, denn Sie enttäuschen mich ansonsten selten, Herr Kollege. Ich sage Ihnen Folgendes: Wir waren in einer großen Anhörung am 4. April im Parlament – nicht vor der Presse –, an der hochkarätige Experten teilgenommen haben, im Ergebnis entsprechend den übereinstimmenden Aussagen der Experten der Ansicht, dass die Attraktivität des Hochschulstandortes Bayern in vielen konkreten Punkten durchaus gesteigert werden kann, völlig in Übereinstimmung mit dem Hochschulstandort Deutschland. In Bayern ist die Situation genauso wie in Deutschland, weil wesentliche Regelungen vom Bund zu erlassen sind, insbesondere die des Arbeitserlaubnisrechts und des Aufenthaltsrechts.

Jetzt sagen Sie – das war die Ankündigung Ihres Antrags –, es gebe ein Klima der Verdächtigungen, das

die Staatsregierung eifrig schüre. Sie sagen, die Staatsregierung stelle alle Ausländer unter Generalverdacht. Sie sprechen von Bespitzelung. Bei intellektueller Redlichkeit, die nach meiner subjektiven Beobachtung oft bei Ihnen anzutreffen ist, hätten Sie darauf kommen können, dass das so nicht richtig ist. Heute im Plenum sprechen Sie tatsächlich vom angeblichen Sicherheitswahn des Innenministers Dr. Beckstein. Sie fordern, die Staatsregierung solle wenigstens einmal sagen, dass ausländische Wissenschaftler und Studierende in Bayern willkommen seien.

Sie haben eine gewisse Orientierungslosigkeit gezeigt, was den Sitzplatz von Staatsminister Zehetmair anbelangt. Anscheinend haben Sie auch einen gewissen Gedächtnismangel aufzuweisen; denn Staatsminister Zehetmair hat nicht nur einmal, sondern häufig – auch in einer Initiative nach unserer Anhörung – genau das erklärt, was Sie vermisst haben. Ich kann Ihnen sagen: Unsere Anträge – die SPD hat zwei Anträge gestellt, Sie haben einen Antrag gestellt, und wir haben fünf Anträge in Vorbereitung – sind in allen Arbeitskreisen der Fraktion mit kleinen Änderungen gebilligt worden. Dann ist der 11. September gekommen. Der entsetzliche Massenmord ist mitverursacht worden von Leuten, die sich als Studierende in Deutschland eingeschrieben haben.

Im Bund sind sich fast alle einig, dass man überlegen muß, was getan werden kann, um solche Extremisten und Terroristen zu erfassen, auch wenn sie an Universitäten und Fachhochschulen studieren. Das versteht sich von selbst, sodass ich mich wundere, dass Sie den Konsens derer, die vernünftig denken, verlassen und dass Sie das, was eigentlich erfreulich war an diesem unendlich unerfreulichen Vorfall, nämlich dass die westlichen Gesellschaften mit all ihren politischen Kräften zusammenstehen, aufgeben.

Ich lese vor, was das Kabinett mit Beschluß vom 16.10.2001 will: Bei Angehörigen bestimmter Staaten müssen die Visaanträge mit den Datenbeständen der Sicherheitsbehörden abgeglichen werden. Was kann man dagegen sagen? – Mir fällt nichts ein. Für Personen, bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine extremistische Betätigung vorliegen, muß ein zwingendes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestehen. Der Aufenthalt von Ausländern, die Sicherheitsgefahren darstellen, muß beendet werden. Der Abschiebeschutz für ausländische Extremisten muß eingeschränkt werden. Was man an diesen Maßnahmen kritisieren kann und wie man zu der völlig verstiegenen Formulierung „Sicherheitswahn“ kommen kann, das müßten Sie mir schon sehr lang erklären, und ich würde es vermutlich immer noch nicht verstehen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das liegt dann aber nicht an uns!)

Geschenkt.

Die Maßnahmen, die notwendig sind, um ein wissenschaftsfreundliches Profil des Arbeitserlaubnisrechts und des Aufenthaltsrechts zu schaffen, werden auch vom Innenminister und der Staatsregierung gebilligt. Dass nach dem 11. September einiges zusätzlich zu

überlegen ist, versteht sich wohl von selbst. Wir werden mit dem Innenminister und den Innenpolitikern der Fraktion abgestimmte Anträge, mit denen auch Sie vernünftigerweise ganz gut leben werden können, vorlegen und hoffentlich den Konsens der Fraktionen in dieser wichtigen Frage wiederherstellen, wenn Sie davon Abstand nehmen, ein Übersoll an Oppositionspolitik zu erfüllen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Baumann.