Protocol of the Session on October 25, 2001

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Baumann.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es handelt sich hier um ein schwieriges Thema, vor allem in den Tagen nach dem 11. September. Um gleich auf Sie einzugehen, Herr Dr. Wilhelm: Das Fatale ist, dass die Terroristen Studierende waren, denn Studierende haben in der Bundesrepublik Deutschland schon von jeher den Geruch der subversiven Tätigkeit gehabt. Studierende Gruppen sind auch in den Sechziger- und Siebzigerjahren zu Zeiten der SPDRegierung schnell als „Rote Zellen“ abgestempelt worden. Mit diesem Wort wird in München gerade auf fatale Art und Weise Kommunalpolitik gemacht. Was hätte sich an der Situation geändert, wenn die Terroristen Kfz-Mechaniker gewesen wären, angestellt bei einer der großen deutschen Automobilfirmen? Würde man deshalb kein deutsches Auto mehr kaufen, oder würde man deswegen sein Auto nicht mehr in eine einschlägige Werkstatt zur Reparatur bringen? Bei den Studierenden wird jetzt allerdings – Herr Kollege Dr. Dürr hat den Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. Oktober angesprochen – die Rasterfahndung durchgeführt. Nach den Erfahrungen der Siebzigerjahre halte ich von der Rasterfahndung nichts.

(Zuruf von der CSU)

Ich bin aber gern bereit, dazuzulernen, um gleich auf den Zwischenruf einzugehen. Ich glaube nicht, dass es unser Ziel sein kann, bestimmte Gruppen, die automatisch stigmatisiert werden, in die Sache hineinzuziehen.

Ich will einmal versuchen zu rekapitulieren, was sich in der Bundesrepublik in den letzten fünf Jahren getan hat, um Deutschland für ausländische Studierende interessanter zu machen. Über alle Parteien hinweg war man sich einig, dass wir mehr ausländische Studierende brauchen, dass mehr deutsche Studentinnen und Studenten ins Ausland gehen sollten und dass der Austausch florieren muß. Wir in Bayern haben das für besonders wichtig gehalten, weil in Bayern die Abiturienten- und Studierendenquote niedriger ist als im Bundesdurchschnitt.

Am 18.12.1996 wurde in einer gemeinsamen Erklärung der Regierungschefs von Bund und Ländern zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandortes Deutschland festgelegt, Erleichterungen beim Hochschulzugang für Ausländer zu finden und verstärkte internationale Ausrichtungen des Studienangebotes einzuführen. Das ist zum Teil mit Bachelor- und Masterabschlüssen geschehen. Außerdem ging es um

den Ausbau der Weiterbildungsangebote, die Verleihung international anerkannter Studienabschlüsse – ich sagte es gerade – und die Gewährleistung sozialer und fachlicher Betreuung ausländischer Studierender. Dieses umzusetzen, war gemeinsame Absicht vor fünf Jahren.

Im Januar dieses Jahres hat die Bundesregierung 170 Millionen DM aus UMTS-Erlösen zur Verfügung gestellt unter dem Motto „brain gain statt brain drain“, um ausländische Wissenschaftler in die Bundesrepublik zu holen und umgekehrt deutsche Wissenschaftler, die im Ausland promoviert und ihre Post-Doc-Phase absolviert haben, zurückzuholen. Aus vielen Diskussionen mit Nobelpreisträgern und mit Mitnobelpreisträgern deutscher Herkunft, die erst kürzlich in den USA ihre nobelpreiswürdigen Tätigkeiten wieder aufgenommen haben, wissen wir, dass es nicht an der fachlichen Ausrichtung in Deutschland liegt. Es liegt nicht daran, dass die Lehrstühle nicht gut ausgestattet wären, sondern daran, dass es bestimmte bürokratische Hemmnisse gibt. Im Bund versuchen wir – ich hoffe gemeinsam –, dem Problem mit einer Änderung des Hochschulrahmengesetzes zu begegnen.

Vieles hängt auch vom Klima ab. Dies haben wir in vielen Anhörungen erörtert. Ich führe hierzu auch die Anhörung des Ausschusses zur Forschungspolitik, Forschungsstandort Bayern im Jahr 2000, an, in der von den Experten einmütig ein ausländerfeindliches Klima in Bayern und in ganz Deutschland festgestellt worden ist. Ich will gar nicht behaupten, dass das in Bayern besonders schlimm wäre; die Haltung gegenüber Ausländern differiert in den einzelnen Bundesländern nicht so stark. Die Bemühungen aber, dem ausländerfeindlichen Klima entgegenzuarbeiten, sind in der Tat sehr unterschiedlich.

Kollege Dr. Wilhelm, Sie erwähnten schon die Anhörung im Hochschulausschuss am 4. April 2001 zur Frage, was getan werden kann, um Bayern für Studierende und junge Wissenschaftler aus dem Ausland attraktiver zu machen. Ich bin immer noch der Ansicht, dass wir einmütig über die Parteien hinweg festgestellt hatten: Wenn Bayern seinen Standard in Wissenschaft und Wirtschaft und damit den Wohlstand der bayerischen Bevölkerung halten möchte, muss der Anteil hochqualifizierender Studierender aus dem Ausland stärker wachsen als bisher. Viele Möglichkeiten wurden unter dem Gesichtspunkt der Entbürokratisierung des Ausländerrechtes debattiert. Die verschiedenen Fraktionen haben nach dem aufmerksamen Lesen des Protokolls der Anhörung dazu Anträge gestellt. Die SPD hat einen Antrag gestellt. Die GRÜNEN waren noch schneller als wir mit ihren Anträgen. Die CSU hatte Anträge angekündigt. Seitdem lagert alles im Verfassungsausschuss; dort geht es nicht weiter. Das ist nicht unser Verschulden. Ich vermute, dass die CSU-Fraktion noch nicht so weit ist, dass sie sich mit ihrer Mehrheit hinter bestimmte Vorstöße des Arbeitskreises Hochschule der CSU-Fraktion wirklich stellen könnte.

Wissenschaftsminister Zehetmair forderte direkt nach der Anhörung am 9. April per Presseerklärung die Einführung einer White card, weil die Green card der Bundesregierung und auch die Blue card der Bayerischen Staatsregierung nicht weit genug gehen würden; für aus

ländische Wissenschaftler müsste eine White card eingeführt werden. Ich zitiere aus der Presseerklärung vom 09.04.01:

Studenten und Wissenschaftler, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen möchten, stünden einer Vielzahl verschiedener und schwer überschaubarer Regelungen des Aufenthalts- und Visarechts sowie restriktiven Vorschriften bei einer Arbeitsaufnahme gegenüber.

Das ist Originalton Zehetmair. – Im Mai haben die EUBildungsminister einen europäischen Bildungsraum mit erleichterten Zuzugsmöglichkeiten für Studierende und Forscher vereinbart. Das ist der politische Wille, dessen Umsetzung aber auf der Strecke bleibt. Seit den Attentaten am 11. September sind wir mental wieder so weit zu fordern: kontrollieren vor studieren; Rasterfahndung an den Universitäten. Die Universitäten versuchen, den Schaden zu begrenzen. Ich muss gestehen, dass ich keine Patentlösung dafür habe, wie man Schläfern in der Bundesrepublik auf die Spur kommen könnte; ich bin da ratlos.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich sehe jedenfalls keinen Sinn darin, Studierende jetzt nach ihren Herkunftsländern zu sortieren. Wir müssen gemeinsam – Kollege Dr. Dürr hat das vor einem Jahr oder zwei Jahren so genannt – ein Welcome-Klima schaffen. Wir müssen uns darum bemühen, an den bayerischen Hochschulen einen Welcome-Service einzuführen. Dieser Gedanke findet sich in den Anträgen der Oppositionsfraktionen wieder: Wir wollen die Ausländerämter an den Hochschulen zu Servicestellen ausbauen. Wir wollen – darauf wird Kollege Volkmann noch näher eingehen – die Studienkollegs verbessern. Es ist nicht mit mehr Personal für die Studienkollegs getan, sondern man muss die Tätigkeit der Studienkollegs zusammenführen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Tatsache, dass ein Studienkolleg beim Wissenschaftsministerium und das andere beim Bildungsministerium angesiedelt ist, dient nicht der Beschleunigung der Arbeit. Wir als Politiker, die sich für die Wissenschaft begeistern und sich dafür engagieren, dass sich Ausländer hier wohlfühlen können, müssen ein Interesse daran haben, dass die Studienkollegs in einer Hand zusammengeführt werden.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt etwas, das mir in den letzten Wochen zunehmend Sorge gemacht hat. Zum Welcome-Service für ausländische Studierende gehört auch ein virtuelles Angebot an den Hochschulen. Wir haben über die virtuelle Hochschule an dieser Stelle schon oft diskutiert und waren hinsichtlich der Konzepte nicht einer Meinung. Ich befürchte, dass unsere Bedenken wegen des Konzeptes der CSU richtig waren: Die virtuelle Hochschule steht ohne Rektor da und pfeift finanziell aus dem letzten Loch. Wir hatten damals vom Ministerium Finanzierungskonzepte erwartet. Wenn schon das Internet-Portal

nicht funktioniert, schafft man damit keinen Zugang für ausländische Studierende.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Kreuzer, bitte.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Dr. Wilhelm hat eindrucksvoll klar gemacht, dass es uns allen darum geht, den Wissenschaftsaustausch zu fördern und ausländische Studenten in unser Land zu holen. Wir fordern auch, dass Studenten aus Bayern ihre Ausbildung im Ausland absolvieren, da dies dem Freistaat nützt, den Menschen nützt und zur Völkerverständigung beiträgt. Herr Kollege Dr. Dürr, wer aber einen Gegensatz zwischen diesem Ziel und der Sicherheit der Menschen herstellt, ist ein wandelndes Sicherheitsrisiko in diesem Land.

(Beifall bei der CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD)

Wir müssen ganz klar erkennen, dass wir nach dem 11. September die Verantwortung dafür haben, Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger und für alle Bürgerinnen und Bürger in der Welt zu gewährleisten. Das eine schließt das andere nicht aus. Wir müssen alles tun, damit sich Attentate wie in New York und Washington zukünftig nicht wiederholen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir tun dies im Interesse unserer Bevölkerung und auch im Interesse aller ausländischer Studierenden und für die Bevölkerung in deren Heimatländern. Dass Sie sagen, dass in diesem Fall Maßnahmen nicht angebracht sind, zeigt, dass Ihre Partei die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Sie sind der Entwicklung nach dem 11. September weder außenpolitisch noch innenpolitisch gewachsen. Meine Damen und Herren, Sie versagen auf der ganzen Linie.

(Beifall bei der CSU)

Aufgrund der Erfahrungen, die wir in Hamburg gemacht haben, müssen wir zukünftig Studierenden daraufhin überprüfen, ob sie bei uns ihre Ausbildung absolvieren wollen oder andere Ziele verfolgen, etwa das Ziel, terroristische Attentate zu begehen. Jeder in diesem Land versteht das, nur nicht die Kollegen Dr. Dürr und Frau Baumann.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eine Rasterfahndung ohne Täterprofil, wie Sie vorher sagten, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Rasterfahndung benötigt ein Täterprofil und führt dazu, dass alle, die nicht verdächtig sind, von vornherein ausgeschlossen werden und diejenigen, die in das Raster passen, überprüft werden. Damit wird niemand beschuldigt, son

dern wir müssen Gefahren ausschließen. Wer sich dem widersetzt, wird seiner Verantwortung den Menschen gegenüber nicht gerecht, der nimmt billigend in Kauf, dass wir Täter, die Ähnliches planen, wie am 11. September in New York geschehen ist, nicht identifizieren können und ihrer nicht habhaft werden, und der geht das Risiko ein, dass sich derartige Dinge wiederholen. Das will ich Ihnen ganz klar sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Dieser Verantwortung entkommen Sie nicht. Sie sind jetzt gefordert – Gott sei Dank nicht in Bayern, aber doch in Berlin –, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir mehr Sicherheit für die Menschen in Deutschland und für die Menschen auf der ganzen Welt bekommen, und zwar nicht zu Lasten der Studenten; das will ich ganz klar betonen.

Aber wer diese Zeichen nicht erkennt, der spricht wie ein Blinder von der Farbe, der wird seiner Verantwortung nicht gerecht und dem kann man auch keine politische Verantwortung in diesem Land übertragen.

(Beifall bei der CSU)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Dr. Hahnzog das Wort.

(Hofmann (CSU): Befasst der sich jetzt mit Schily?)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines wundert mich sehr: Unser Ausschuss ist dafür bekannt, dass er die Angelegenheiten sehr schnell und intensiv behandelt. Wir setzen immer wieder die Anträge über die Studierenden an den Hochschulen auf die Tagesordnung, und dann kommt immer wieder ein Sendbote aus den Reihen der CSU und teilt mit, dass die CSU überlege, ob sie zum Thema der Anträge der SPD und der GRÜNEN eigene Anträge stellen könne, aber noch nicht soweit sei. Das war schon vor dem 11. September der Fall, und deswegen geht die Sache nicht voran. Sie, Herr Wilhelm, schmücken sich nach außen mit großen Vorhaben, aber es kommt nichts.

(Dr. Wilhelm (CSU): Seien Sie ganz beruhigt, es wird etwas Gutes kommen! – Dr. Dürr (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Ist Beckstein jetzt Hochschulpolitiker?)

Es gibt den dicken Bericht der bayerischen interministeriellen Arbeitsgruppe „Zuwanderungssteuerung und Zuwanderungsbegrenzung“. Dieser unter Federführung des Innenministeriums erstellte Bericht stammt vom Dezember 2000. Dort ist auf Seite 128 zu lesen:

Die Steigerung der Attraktivität Deutschlands und Bayerns für qualifizierte ausländische Wissenschaftler und Studierende ist zur Sicherung unseres Wissenschaftsstandorts unerlässlich.

Wer sonst die Entscheidungsfreude und den Willen der Staatsregierung, immer an der Spitze der Bundesrepublik zu marschieren, kennt, der fragt sich, ob es an der

Staatsregierung liegt, dass diese „unerlässliche Steigerung“ der Attraktivität nicht kommt oder ob die Fraktion der CSU eine Bremse darstellt. Das ist die generelle Situation.

Herr Kreuzer, über das Thema Ihrer Ausführungen kann man in einem anderen Zusammenhang diskutieren. Besonnenheit ist aber auch nach dem 11. September erforderlich, sonst machen wir unsere eigene Gesellschaft kaputt. Das wäre der größte Sieg für diese Terroristen, und den sollten wir ihnen nicht gönnen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine Menge Dinge, die mit dem 11. September nichts zu tun haben. Warum dürfen ausländische Studierende in der Regel nur 90 Tage im Jahr arbeiten? Dabei wird auch ein täglicher Zweistundenjob angerechnet. Das hat wirklich nichts mit dem 11. September zu tun. Warum gibt es Schwierigkeiten beim Nachzug von Ehegatten? Auch Studenten sind heute sehr oft verheiratet. Diese entscheiden sich oft dafür, nur dann in ein fremdes Land zu gehen, wenn sie gemeinsam dorthin gehen können. Nach unseren ausländerrechtlichen Vorschriften reicht es nicht aus, wenn ein ausländischer Studierender ein Stipendium erhält, welches auch die Lebenshaltungskosten des Ehegatten abdeckt, um den Ehegatten nachkommen zu lassen.

Ich erinnere weiter an das Theater, welches gemacht wird, wenn ein Studierender sein Studium in der normalen Zeit abgeschlossen hat und ein Zusatz- oder Ergänzungsstudium absolvieren will. Bei all diesen Fällen gibt es unendlich viele Schwierigkeiten, die Sie kennen. Das alles hat nichts mit dem 11. September zu tun. Deshalb nehmen Sie von der CSU von Ihrer Ankündigungspolitik Abstand. Schaffen Sie die notwendigen Grundlagen, damit Bayern wirklich attraktiv wird, und erfinden Sie nicht dauernd neue Ausreden!

(Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Spaenle.