Protocol of the Session on October 10, 2001

Darüber hinaus werden wir Bürgerinnen und Bürger von den Verwaltungen, von der Regierung, von allen möglichen Körperschaften geradezu zugeschüttet mit Informationen über alle möglichen Vorgänge. Ich glaube, selbst die Mehrheit von uns Parlamentariern dürfte nicht in der Lage sein, all das, was wir ständig an Informationen über Verwaltungshandeln bekommen, überhaupt aufzunehmen, durchzulesen oder gar zu verarbeiten. Ich denke, es gibt hier ein hohes Maß an Transparenz.

Weil wieder einmal auch die Presse angesprochen wurde: Wie Sie wissen und wie ich hier schon einmal ausgeführt habe, haben wir in § 4 des Bayerischen Pressegesetzes auch eine spezielle Norm für den Bereich der Presse, sodass auch die Presse einen besonderen Zugang zu den Informationen der Verwaltung hat.

Das dritte Argument, das Kollege Prof. Gantzer auch heute wieder bemüht hat, ist das Argument der Korruptionsbekämpfung. Weil ich Sie schätze, Herr Prof. Gantzer, sage ich nicht, dass diese Argumentation weltfremd ist. Aber ich sage schon, dass ich erhebliche Zweifel habe, ob es richtig ist anzunehmen, dass Korruptionsfälle, die leider immer wieder einmal auftauchen, dadurch vermieden werden könnten, dass alle Bürger ein Recht auf Einsicht oder auf Kopien von allen Akten in allen Verwaltungen haben. In der Regel wird es wohl so sein, dass diejenigen, die sich an derartigen Vorgängen beteiligen, hierüber keine Akten führen. Ich bitte also noch einmal darüber nachzudenken, ob diese Argumentation in sich schlüssig sein kann.

Sicher ist eines und darüber gibt es Berichte. Wir haben auch im Ausschuss für Rechts-, Verfassungs- und Parlamentsfragen einen Bericht gehört, aus dem hervorging, dass erste Erfahrungen zum Beispiel in Berlin deutlich gemacht haben, dass mit einem derartigen grenzenlosen Akteneinsichts- und Informationsrecht, wie Sie es

hier einführen wollen, durchaus erhebliche Verwaltungsprobleme verbunden sein können.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Stahl, solange es um die Verseuchung des Sandes auf dem Spielplatz geht, gehe ich davon aus, dass jede Kommune in Bayern, die darüber Erkenntnisse hat, derartige Erkenntnisse selbstverständlich offenbart. Das ist doch die Regel. Was Sie hier erzählen, sind doch Hirngespinste,

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt hören Sie aber auf!)

die vielleicht irgendwo anders vorkommen, aber nicht bei uns. So einfache Rechtsansprüche werden ohnehin erfüllt. Was darüber hinaus in Verwaltungen an schwierigen Vorgängen – –

(Zurufe der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Frau Stahl, lassen Sie mich doch einmal ausreden. Ich lasse Sie doch auch immer so schön ausreden. Seien Sie einmal so nett und lassen Sie mich auch einmal ausreden.

(Unruhe bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber in schwierigen, umfangreichen Verwaltungsvorgängen – denken Sie nur an umfangreiche Genehmigungsverfahren, in denen oft Tausende von Aktenblättern, meterweise Aktenordner anfallen – kann es nicht nur für den Bürger schwierig sein, sich durchzuwühlen, sondern auch für die Verwaltung, ihm entsprechende Hilfeleistungen dabei zu geben. Das wurde auch in dem Bericht, den Herr Spilarewicz vom Innenministerium im Ausschuss gegeben hat, deutlich. In Berlin wurden entsprechende Erfahrungen gemacht, die zeigen, dass es problematisch ist, dass die Verwaltung durch einzelne Auskunftsersuchen bis zu Wochen gebunden sein kann.

Jetzt kommt ein Argument, liebe Kolleginnen und Kollegen, das in der Vergangenheit schon angeführt wurde, dass Sie sich aber durchaus noch einmal anhören sollten, weil es leider durch die neueren Entwicklungen auf dieser Welt eine ganz neue Gewichtung bekommt.

Ich habe seinerzeit schon darauf hingewiesen, dass mit einem derartigen – ich sage es noch einmal, auch wenn Sie das nicht gern gehört haben – grenzenlosen Akteneinsichts- und Informationsrecht natürlich auch die Gefahr verbunden ist, dass nicht, wie Sie das ausgedrückt haben, der so genannte normale Bürger einmal wissen möchte, ob bekannt ist, welche Hunde in den Sandkasten gepinkelt haben, sondern dass die Wahrscheinlichkeit groß ist – das ist an anderen Orten auch schon vorgekommen –, dass sich Organisationen, die sich zum Teil Kirchen nennen oder sich unter dem Schutz des Namens einer Kirche bewegen, denen man aber verfassungsfeindliche Tendenzen nachsagt, die

Ersten sind, die von einem derartigen grenzenlosen Akteneinsichts- und Informationsrecht Gebrauch machen und alle Mittel ausnutzen, unsere Gesellschaft, unseren Rechtsstaat auszuhöhlen und ihn zu bekämpfen.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Das widerspricht allen Erfahrungen!)

Das widerspricht nicht allen Erfahrungen, Herr Prof. Gantzer, weil wir im Laufe des Verfahrens schon einmal von einem solchen Fall gehört haben, der aus einem anderen Ort berichtet wurde.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Haben Sie das gesehen?)

Wenn Sie es so wissen wollen, ich war nicht dabei, aber von Ihren Kolleginnen und Kollegen hat auch niemand bestritten, dass es diesen Fall gab.

Daher möchte ich auf die Gefahren hinweisen dürfen. Die Geschichte ist viel zu ernst, um sie ins Lächerliche zu ziehen. Frau Stahl, Sie verharmlosen eine wirklich schwierige Geschichte.

Interessant sind die Argumente, die Sie im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgebracht haben. Im Mai etwa sagten Sie im Verfassungsausschuss sinngemäß: Sie halten einen solchen Informationsfreiheitsanspruch – oder wie Sie dies nennen – schon deshalb für erforderlich, um die Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger durchschaubarer zu machen, weil Ihrer Meinung nach der Staat durch immer größere Kontrollen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger mehr und mehr eingreifen und diese Grundrechte einschränken würde. Das jüngste von Ihnen angeführte Beispiel war die aus Ihrer Sicht seinerzeit noch gravierender werdende Kontrolle in Form der Videoüberwachung. Weitere gravierende Beispiele Ihrerseits waren DNA-Analysen, die Speicherung von DNA-Daten usw. Sie habe diese Argumente heute wohl deshalb nicht mehr vorgetragen, weil sich die Welt seitdem leider im negativen Sinn verändert hat.

Ich möchte aber nochmals deutlich machen, warum Ihre Argumente heute so nett klingen und in Bezug auf Kindergärten und Spielplätze leicht überschaubar scheinen im Verhältnis zu dem, was Sie damals angeführt haben. Auch die Berichterstatterin der SPD interpretierte in der damaligen Sitzung unsere gegenüber den beiden Gesetzentwürfen ablehnende Haltung dahin gehend, dass einerseits zum Beispiel mit der Videoüberwachung ein allgegenwärtiger Staat geschaffen würde, dass aber andererseits die Rechte der Bürgerinnen und Bürger immer mehr eingeschränkt würden – Sie wollten sagen: durch uns. Ihrer Meinung nach, so Ihre Argumente für den Gesetzentwurf, sollten wir dem Gesetzentwurf zustimmen, um dazu beizutragen, dass das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber dem Staat abgebaut wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich muss Sie schon fragen, wo Sie leben, und zwar nicht erst nach den schrecklichen Ereignissen in den Vereinigten Staaten, nach welchen völlig klar sein sollte, dass das von Ihnen gewünschte Unterfangen keinesfalls zum richtigen Ziel führen kann.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie die Dinge nicht verstehen, sprechen Sie mit Ihren Freunden in Berlin, die mittlerweile ganz andere Auffassungen vertreten; denn anderswo ist man schneller in der Lage, sich den Dingen anzupassen. Sprechen Sie doch einmal mit Ihrem Regierungsfreund Schily und anderen Herrschaften. Sie werden Ihnen sagen, welche Gefahren in der heute von Ihnen bagatellisierten grenzenlosen Akteneinsicht und dem Informationsrecht liegen. Sie sind zum falschen Zeitpunkt auf dem falschen Weg. Deshalb können wir nur eines machen, nämlich beide Gesetzentwürfe ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Um das Wort hat Frau Stahl gebeten.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Ich dachte, ich tue Ihnen einen Gefallen, wenn ich mich kurz fasse und zu unserem Gesetzentwurf zehn Minuten rede. Bedanken Sie sich bei Ihrem Kollegen und seinen Ausführungen, wenn jetzt mein Beitrag doch länger wird. Ich stelle fest, dass Sie anscheinend die Sorgen ganz normaler Bürgerinnen und Bürger um so popelige Geschichten wie Kindergärten und Spielplätze nicht ernst nehmen, wenn Sie sagen, es sei kleinkariertes Zeug. Ich nehme dies ernst.

(Zuruf von der CSU: Solche Fragen werden überall beantwortet!)

Wenn Sie solche Sorgen und Geschichten als Hirngespinste abtun, bringe ich Sie gerne mit den Leuten zusammen, die sich bei uns beschwert haben – ich wünsche Ihnen damit viel Spaß.

Ich stelle außerdem fest, dass Sie gestern die Sicherheitsdebatte dazu benützten, um normale Anforderungen an eine transparente Verwaltung erst gar nicht zum Zuge kommen zu lassen oder anderweitig außer Kraft zu setzen. Wir sind mit unseren Parteifreunden auf Bundesebene immer noch der Meinung, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, weil in unserem Gesetzentwurf – wie ich anscheinend wiederholen muss – klare Sicherungen enthalten sind, die das, was Sie als Schreckgespenst an die Wand gemalt haben, überhaupt nicht ermöglichen. Informationen, die dem Land und dem Bund schaden, sind nach unserem Gesetzentwurf klar ausgeschlossen. Auch Punkte, die schaden, weil sie die Daten Dritter berühren, sind selbstverständlich ausgeschlossen. Sie haben vergessen zu erwähnen, dass die Gruppierungen, die nachgefragt haben und auf die Sie anspielen, haben keine Auskunft bekommen. Natürlich werden diese Gruppen anfragen. Die Frage ist jedoch, ob sie Auskunft erhalten. Nach unserem Gesetz erhalten sie diese nicht.

(Zuruf von der CSU)

Ich möchte erleben – das wäre ein Tag des Erlebnisses –, dass irgendeine Gruppierung zum Verfassungsschutz geht und bereitwillig Auskunft erhält. Das glauben Sie doch selbst nicht. Genau die Gruppen, die unter Umständen anderweitig nachfragen, werden vom Verfassungsschutz untersucht und kontrolliert. Insofern habe ich keine Sorge. Oder trauen Sie dem Verfassungsschutz nicht?

Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass Sie die Argumente des Verfassungsausschusses aufgegriffen habe. Ich persönlich komme mir immer etwas blöd vor, wenn ich alles gebetsmühlenartig wiederhole. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass man bei solchen Instrumenten, wie etwa die von Ihnen geplante flächendeckende Video-Überwachung, sehr wohl zusätzliche Rechte für Bürger und Bürgerinnen braucht.

(Zuruf von der CSU)

Schauen Sie sich Ihren Gesetzentwurf an. Sie sind mit mir im Rechtsausschuss und müssen ihn kennen. Sie wissen, der Entwurf ist grenzenlos und sieht überall und zu jeder Zeit Video-Überwachungen vor. Die Bekundung Ihres Innenministers, er wolle diese Überwachung nicht flächendeckend einführen, ist schon deshalb richtig, weil das Geld dazu fehlt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber irgendwann haben wir wieder Privatisierungserlöse, die wir für einen solchen Käse ausgeben, obwohl wir weiß Gott andere Sorgen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will in der gebotenen Ausführlichkeit auf die einzelnen Argumente dieser beiden Gesetzgebungswerke eingehen. Ich bitte dafür um Verständnis. Das Gesetz bringt wenig, es bringt aber sowohl für die Verwaltung als auch an Kosten erheblichen Aufwand mit sich und wird nur in wenigen Fällen, in denen es aus meiner Sicht erforderlich ist und in denen es die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen gibt, eine Rolle spielen.

Ich will die Argumente im Einzelnen zu Protokoll geben, um im Interesse der übrigen Kolleginnen und Kollegen dem zügigen Fortgang der Sitzung Rechnung zu tragen.

(Allgemeiner Beifall) (siehe Anlage 4)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt. Zu beiden Gesetzentwürfen wurde von Seiten der Fraktionen der CSU und der SPD namentliche Abstimmung beantragt.

Ich lasse zunächst über den Tagesordnungspunkt 4 in namentlicher Form abstimmen. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/6034 zugrunde. Der federführenden Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt auf Drucksache 14/7148 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereit gestellt. Die JaUrne ist auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne ist auf Seiten der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren. Die Urne für Enthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Abgabe kann begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 17.09 bis 17.14 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt.

In der Zwischenzeit führen wir die namentliche Abstimmung über den Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 14/6180, Tagesordnungspunkt 5, durch.

Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechtsund Parlamentsfragen empfiehlt auf Drucksache 14/7149 wiederum die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Die Urnen sind wie bei der vorhergehenden Abstimmung aufgestellt. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Wiederum stehen dafür fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.15 bis 17.20 Uhr)