Wir wollen den Handel verpflichten, dass in den Regalen unserer Supermärkte über zwei Drittel aller Getränke in Mehrwegverpackungen angeboten werden.
Sie sagen jetzt, wir könnten schließlich nicht einen Vertrag abschließen. Ich sage Ihnen dagegen, Sie schließen am laufenden Band Verträge ab. Sie gehen am laufenden Band auf Selbstverpflichtungen ein. Erst in dieser Woche hat die Bundesregierung in Sachen Kraftwärmekopplung eine Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Wirtschaft angenommen.
In jeder Beziehung schließen Sie Verträge ab oder Sie gehen auf Selbstverpflichtungserklärungen der Wirtschaft ein.
(Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es hat auch keiner gesagt, dass Sie keine Verträge abschließen dürfen!)
Ausgerechnet hier, im Ringen um die beste Lösung in Sachen Mehrweg, wollen Sie aber sich selbst und anderen ein Denkverbot auferlegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass die Bayerische Staatsregierung ein Konzept vorgelegt hat, welches das richtige Ziel verfolgt.
Es verfolgt das Ziel, den Mehrweganteil in Deutschland zu stabilisieren, ohne sich die Nebenwirkungen und Risiken des Pfandes einzuhandeln. Deshalb sollten wir über diesen Weg ernsthaft nachdenken. Ich meine, dass es dem Bundesumweltminister gut zu Gesicht stehen würden, wenn er über dieses von vielen getragene Konzept mit den Ländern redet. Schließlich beruht das, worüber wir heute diskutieren, nicht alleine auf der Auffassung der Bayerischen Staatsregierung. Diese Auffassung wird geteilt von einer breiten über viele Partei- und Ländergrenzen hinweggehenden Mehrheit im Bundesrat. Den Antrag, die Dosenpfanddebatte im Bundesrat abzusetzen, hat doch nicht Bayern gestellt. Der Antrag ist von einem rot-grün geführten Land gestellt worden. Der Antrag, die Menge in Mehrwegverpackungen auf einen Anteil von 21,5 Milliarden Litern von insgesamt 24,5 Milliarden Litern zu begrenzen, ist im Bundesrat doch nicht einmal von Bayern, sondern von einem rot-gelb geführten Land gestellt worden. Was wollen Sie denn überhaupt?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wem es um die Sache und um die Mehrwegverpackungen geht, der sollte sich offen zeigen gegenüber unserem Vorschlag, die Mehrweganteile, die wir heute in Deutschland haben, in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag verbindlich festzuschreiben. Ich will mich nicht einmal auf eine einseitige Selbstverpflichtungserklärung der Wirtschaft einlassen. Ich will einen verbindlichen, notariell beglaubigten öffentlich-rechtlichen Vertrag, damit wir den Mehrweganteil in Deutschland festschreiben und somit die beste Lösung für die Zukunft erreichen können.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf von der SPD: Da klatschen nicht einmal die eigenen Leute – Gartzke (SPD): Es geht doch nicht einfach um eine Hundehütte!)
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ist der Gegenentwurf der Staatsregierung zur Novellierung der Verpackungsverordnung eine Mogelpackung? Ja, eindeutig! Hat er Auswirkungen auf die bayerische Brauereienlandschaft und auf die Umwelt? Ja, und zwar verheerende, ja geradezu vernichtende Auswirkungen!
Wie hat Herr Alfred König vom Landshuter Brauhaus dem CSU-Fraktionsvorsitzenden, Herrn Glück, geschrieben? Ich zitiere:
Sollte die angedachte Zwangsbepfandung für Dosen, Einweg und PET dank Ihres Engagements über Bord geworfen werden, wird sämtlichen Mittelstandsbrauern sowie allen kleinen Getränkeherstellern endgültig das Licht ausgeknipst.
Das ist ein Zitat aus diesem Brief, Herr Minister Schnappauf. Sie aber reden hier von einem Denkverbot. Glauben Sie wirklich, dass diese mittelständischen Betriebe nicht über ihre Unternehmen und über ihre Existenz nachdenken? Ihre Haltung ist ein Affront gegenüber diesen Personen. Wo bleibt die vielgepriesene Wirtschaftskompetenz der Bayerischen Staatsregierung gegenüber diesen vielen kleinen und mittelständischen Brauereien? Wo bleibt die ach so oft zitierte Vorreiterrolle der Bayerischen Staatsregierung in der Umweltpolitik und im Umweltschutz? Es ist höchste Zeit, dass CSU und Staatsregierung die bayerischen Interessen vertreten und nicht die Interessen Nordrhein-Westfalens.
Herr Minister, wir haben hier im Bayerischen Landtag einen Beschluss gefasst und wir fordern Sie noch einmal auf, diesen Beschluss zu vollziehen.
Der Gegenentwurf der Staatsregierung zur Novellierung der Verpackungsverordnung zeigt wieder einmal, dass es mit der Wirtschaftskompetenz und mit der Umweltkompetenz der Staatsregierung nicht sehr weit her ist. Dieser Gegenentwurf macht wieder einmal deutlich, dass zwischen Image und Realität Welten liegen. Nachdem die Bayerische Staatsregierung hier im Plenum am 9. Mai 2001 eine sehr empfindliche Abstimmungsniederlage erlitten hat und seitens des Bayerischen Landtags aufgefordert wurde, im Bundesrat für die Einführung des Dosenpfands zu stimmen, musste Herr Minister Schnappauf auf Druck seines Dienstvorgesetzten, Herrn Stoiber, einen Gegenentwurf zur Novellierung der Verpackungsverordnung erarbeiten. Die Strategie dieses Vorgehens ist doch ganz eindeutig: Ein strikter Konfrontationskurs gegenüber der rot-grünen Bundesregierung in Berlin soll damit gefahren werden.
Nachdem Herr Stoiber bereits bei den Abstimmungen über die Steuerreform und über die Rentenreform zwei empfindliche Niederlagen hinnehmen musste, versucht er nun, mit dem Dosenpfand der Bundesregierung eines auszuwischen – und das auch auf Kosten der kleinen und mittelständischen Brauereien in Bayern. Dabei gehen aber auch Arbeitsplätze und ein Stück kultureller Identität Bayerns mit vor die Hunde.
Der Vorschlag von Herrn Minister Schnappauf, dass sich die Getränkeindustrie auf eine Mindestmenge von Getränken in Mehrwegverpackungen verpflichten sollte, ist keine echte Alternative. Er ist eher ein ganz billiges Täuschungsmanöver. Die Verpackungsverordnung aus
dem Jahr 1991 sah doch gerade einen solchen Anteil schon vor. Es kann hier nicht davon die Rede sein, dass etwas über’s Knie gebrochen werden soll. Die Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991 sah gerade vor, dass die Industrie ihrer Selbstverpflichtung nachkommt. Was ist geschehen? Nichts ist geschehen. Die 1991 geschaffene und 1998 novellierte Verpackungsverordnung schreibt eine Pfandpflicht vor, wenn die Mehrwegquote über zwei Jahre hintereinander auf unter 72% fällt. Die Getränkeindustrie hatte damit doch schon ihre Chance, aber sie hat sie nicht genutzt. Die Mehrwegquote liegt nun bereits seit drei Jahren unter 72%, aktuell nämlich bei 66,7%. Der Dosenberg, aufgetürmt auf einem Fußballfeld von 90 mal 60 Metern, erreicht mittlerweile jährlich eine Höhe von über 900 Metern. Für jeden vernünftig denkenden Menschen muss die Konsequenz deshalb sein: Her mit dem Dosenpfand, her mit der Stärkung des Mehrwegsystems und her mit der Stärkung und Stabilisierung ökologisch vorteilhafter Verpackungen!
Übrigens ist auch Folgendes ganz interessant, aber vielleicht lesen Sie es nicht, vielleicht wollen Sie es gar nicht wahrhaben. Drei Viertel der Bundesbürger unterstützen die Einführung einer Pfandpflicht. Selbst über zwei Drittel der CDU/CSU-Anhänger, nämlich 68%, befürworten die Pfandregelung des Bundesumweltministers. Dies ergab eine vom 15. bis 18. Juni 2001 vom Forsa-Institut durchgeführte Umfrage. Bayern muss also aufpassen, dass es sich nicht wieder wie schon so oft ins Abseits manövriert. Die Vorschläge von Umweltminister Schnappauf zielen aber eindeutig darauf ab, dass sich beim Dosenpfand nichts ändert. Weiter so! Die CSU und die Staatsregierung sollen bei der Ablehnung des Dosenpfandes möglichst ungeschoren davonkommen. Minister Schnappauf stellt sich mit seinem Konzept eindeutig auf die Seite der Dosenpfandgegner.
Die bereits erwähnte Selbstverpflichtung der Getränkeindustrie auf Mindestmengen in Mehrwegverpackungen ist nicht nur ein schlechter Witz – anders kann man es nicht bezeichnen –, sondern der Vorschlag Schnappaufs, die Abfüllung von Getränken in Mehrweggebinden dauerhaft auf 22 Milliarden Liter festzuschreiben, ist absolut lächerlich. Denn bereits jetzt werden 22,8 Milliarden Liter in Mehrwegverpackungen abgefüllt. Somit ist Ihr Vorschlag kein Fortschritt. Sie nehmen keine Vorreiterrolle ein. Sie gehen mit Ihrem Vorschlag hinter den jetzt aktuellen Istzustand zurück. Von wegen Bayern vorne! Von wegen Bayern Nummer eins! Von wegen Bayern an der Spitze! Bayern ist eindeutig das ÖkoSchlusslicht und nichts anderes!
Darüber hinaus schreibt die Mogelpackung der Staatsregierung den Mehrweganteil auf eine absolute Menge fest. Es wird genau das Gegenteil von dem eintreten, was Sie, Herr Minister, hier am Rednerpult ausgeführt haben. Unserer Meinung nach bedeutet Ihr Vorschlag, dass die künftigen jährlichen Zuwachsraten mit zum Teil zweistelligen Prozentzahlen den Einwegverpackungen zugute kämen. Auch die vom Einzelhandel angebotenen
Sanktionen und der Beitrag zum Einsammeln von Dosen in der freien Natur – dafür ist ein Betrag von 250 Millionen DM vorgesehen – sind im Vergleich zu den Ausgaben für Rücknahmesysteme für die Industrie ein Taschengeld.
Solche „Bußgelder“ sieht die Getränkeindustrie nicht als ernsthafte Bedrohung an – wahrhaftig nicht. Solche Beträge werden von Anfang an einkalkuliert und aus der Portokasse bezahlt. Sie führen nicht zu den gewünschten Veränderungen.
Aus meiner Sicht ist der Vorschlag von Minister Dr. Schnappauf ein Signal für die Wirtschaft, sich nicht nur über die Novellierung der Verpackungsverordnung der Bundesregierung sondern auch über die „Töpfer-Verordnung“ von 1991 hinwegzusetzen und diese „auszusitzen“. Ich verstehe beim besten Willen nicht, dass die CSU beim Dosenpfand eine derartige Kehrtwende vorgenommen hat. Noch 1991 hielt der damalige bayerische Umweltminister Dr. Gauweiler die „Töpfer-Verordnung“ für viel zu lasch; denn diese sah und sieht nach wie vor nur die Pfandpflicht für Bier- und Mineralwasserdosen vor, nicht jedoch für Limonaden- oder Coladosen. Das soll jemand verstehen. Diese Kehrtwende verstehe wer will, ich nicht. Im Gegenteil: Herr Dr. Gauweiler wollte eigentlich ein gänzliches Dosenverbot. Ein anderes Beispiel: Sie, Herr Minister Dr. Schnappauf, wurden noch im August 2000 im „Münchner Merkur“ zitiert – ich zitiere auch:
Was denn nun? – Ich sage dazu nur „Wendehals“. Hier sieht man die „Anpassungsfähigkeit“ der CSU, wenn es um die Lösung von Sachfragen geht
und wenn es darum geht zu versuchen – mehr wird es nicht sein als ein weiterer Versuch – sich auf Kosten der rot-grünen Bundesregierung zu profilieren. Sie betreiben nichts anderes als einen vorgezogenen Bundeswahlkampf 2002. Auch das möchte ich klar zum Ausdruck bringen. Was Sie früher als „große Dosengegner“ verfochten haben, lehnen Sie heute ab, obwohl wir ein Votum des Bayerischen Landtags „Pro Dosenpfand“ haben. Sie wissen genau, dass es nicht um die Frage geht, ob wir ein Pfand wollen, sondern darum, welches Pfand wir wollen. Die SPD will eine für die Verbraucher und Verbraucherinnen leicht nachvollziehbare und praktikable Neuregelung der Verpackungsverordnung. Sie will ein Pfand auf alle ökologisch nachteiligen Getränkeverpackungen – unabhängig vom Inhalt und von den Quoten, Herr Minister.
Nicht nur dass Sie sich, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, mit dem Schnappaufschen Vorschlag über einen Beschluss des Bayerischen Landtags hinweg zu setzen versuchen und damit die Grundfesten der parlamentarischen Demokratie aushöhlen,
Sie beginnen jetzt bereits mit dem Bundestagswahlkampf und wollen Ihren „Möchtegern aber darf-nochnicht-Kanzlerkandidaten Stoiber“ frühzeitig gegen RotGrün positionieren. Das geht nach dem Motto: Egal, was aus Berlin kommt, es muss abgelehnt werden.
Wir haben eine klare Position: Einweg ist kein Weg. Das Dosenpfand hilft der Umwelt und dem Mittelstand. Wir wollen die entsprechende Dosenpfandverordnung. Sie schont Rohstoffe, senkt den Energieverbrauch, schützt die Natur vor weiteren Müllbergen und entlastet die bayerischen Brauer und Getränkehersteller. Ich bitte Sie: Überdenken Sie noch einmal Ihre Haltung. Sagen Sie Ja zum Dosenpfand und setzen Sie sich endlich für die bayerischen Interessen ein.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst vielen Dank an die GRÜNEN, dass sie uns die Chance geben, diese offensichtlich zentrale Schicksalsfrage der deutschen Nation erneut zum Gegenstand der parlamentarischen Debatte zu machen.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Highlight der Politik der Staatsregierung!)
Ob mit dieser Debatte die bayerische Bierkultur gerettet wird, weiß ich nicht, aber sie ist offensichtlich ein Gewinn für den Parlamentarismus.