Protocol of the Session on May 9, 2001

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin Hecht, in unserer Konzeption zur Ernährungsberatung ist vorgesehen, eine Grundinformation für Verbraucher aller Einkommensstufen und beruflichen Vorbildungen zu entwickeln. Das Konzept läuft bei uns unter dem Arbeitstitel „Verbraucherschule“. Vielleicht lassen wir uns noch einen attraktiveren Namen einfallen.

In engem Zusammenwirken mit den Verbraucherverbänden planen wir derzeit, ein Angebot zur „Entwicklung von Verbrauchersouveränität“ zu entwickeln. Die Lerninhalte werden sicher Themen enthalten, die für Eltern wichtig sind, wenn es darum geht, eine „gewisse Ernährungskultur“ entsprechend den heutigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Familien zu pflegen. Die Frage, ob das Angebot kostenfrei angeboten werden kann, muss erst mit den Kooperationspartnern abgesprochen werden.

Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Herr Staatsminister, die Ernährungsberatung soll bei den Landratsämtern angesiedelt werden. Das Landratsamt umfasst das Veterinäramt, die Lebensmittelkontrolle und das Gesundheitsamt. Meine Frage lautet: Können auch Sie sich vorstellen, dass die Ernährungsberatung bestens beim Gesundheitsamt aufgehoben wäre, weil es um die Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere der Kinder geht?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin Hecht, das kann ich mir nicht nur vorstellen, sondern das stelle ich mir so vor. Wir haben in unserem Hause die Ernährungsberatung in die Gesundheitsabteilung eingegliedert. Unser Vorschlag ist, dies auch im Landratsamt zu tun. Bei der Organisationshoheit, die die Landräte haben, kann ich allerdings nicht ausschließen, dass die Ernährungsberatung auch einmal im Veterinäramt landet. Wir wollen aber ein Konzept, das beinhaltet, dass die Bereiche, die uns nachgeordnet sind – Lebensmittelüberwachung, Veterinäramt, Gesundheitsamt – über Abteilungsgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Wir stellen uns vor, dass am Landratsamt ein Kompetenz- und Servicezentrum für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz entsteht. Das Gesundheitsamt soll zwar Priorität haben, wenn aber die Ernährungsberatung in der Veterinärabteilung angesiedelt würde, wäre dies kein Beinbruch.

Weitere Zusatzfrage, bitte.

Sie könnten aber den Landratsämtern empfehlen, dieses Amt bei den Gesundheitsämtern anzugliedern. Dies wäre mein Wunsch; denn gerade bei der Ernährung müssten die Prozesse durchschaubarer vonstatten gehen. Wenn man sich nur auf die Industrie verlässt, können das die Menschen doch nicht so perfekt erlernen, weil denen dann doch etwas verkauft werden soll.

Wir brauchen bitte schon noch eine Frage, wenn wir in der Fragestunde sind. Das war jetzt ein Kommentar. – Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich akzeptiere aber den Kommentar. Ich bin am 22. Mai auf der Verbandsversammlung des Landkreistages und werde das auch dort genau in dem Sinne, wie Sie es eben vorgetragen haben, vorstellen.

Die nächste und letzte Fragestellerin ist Frau Kollegin Paulig. Bitte schön.

Herr Staatsminister, in welchen Landkreisen sind die derzeit bestätigten BSE-Fälle aufgetreten, welche Ursachen sieht die Staatsregierung für das gehäufte Auftreten in Bayern und im Besonderen für die Häufung in einzelnen Landkreisen bzw. Regionen?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin Paulig, wie Sie wissen, geben wir zum Schutz der betroffenen Landwirte beim Auftreten eines BSE-Falles nur den entsprechenden Regierungsbezirk bekannt, aber nicht mehr die Landkreise. Diesem Vorgehen hat sich auch Frau Bundesministerin Künast angeschlossen. Auch im Internetangebot des Bundesernährungsministeriums finden Sie nur die Regierungsbezirke. Insoweit gebe ich Ihnen jetzt aus den Regierungsbezirken bekannt: Oberbayern 12, Schwaben 8, Oberpfalz 4, Mittelfranken 2, Niederbayern 1.

Ich habe Ihnen vorhin im persönlichen Gespräch schon angeboten, dass ich Ihnen außerhalb der Öffentlichkeit natürlich auch die Landkreise nennen kann.

Es ist zutreffend, dass die BSE-Fallzahlen in Bayern bei rund 50% der BSE-Zahl für Gesamtdeutschland liegen. Wir haben allerdings auch einen Anteil von einem Drittel des Milchkuhbestandes und einem Viertel des Gesamtrinderbestandes Deutschlands, also ungefähr 4 Millionen zu 14 oder 15 Millionen. Auch die Zahl der in Bayern durchgeführten BSE-Schnelltests sowohl bei Schlachttieren als auch im Monitoring entsprechen in etwa dem bayerischen Anteil am Rinderbestand.

Sie fragen zu Recht nach den Ursachen für den Anteil an BSE-Fällen in Bayern. Sie sind zurzeit wissenschaftlich noch nicht erklärbar. Die Fallzahlen von 27 zu 58 – ich glaube, heute beträgt die Zahl bundesweit sogar 59 – sind allerdings so gering, dass sich auf ihnen keine belastbare epidemiologische Aussage begründen lässt.

Wir bemühen uns jedoch, die Ursachen jedes einzelnen BSE-Falls durch intensive epidemiologische Untersuchungen zu ermitteln. Die Schwierigkeit liegt dabei darin, dass, wenn heute ein BSE-Fall festgestellt wird, die Infektion vier bis fünf Jahre zurückliegt und die Tiere zum damaligen Zeitpunkt in der Regel in anderen Beständen waren als zum Zeitpunkt, zu dem der Fall entdeckt wird. Wir versuchen aber trotzdem zu ermitteln – die Jahrgänge sind ohnehin klar zu ermitteln –: Welche Futtermittel, welche Milchaustauscher wurden verwendet, hat die geografische Herkunft, zum Beispiel Grünland, etwas damit zu tun.

Wenn der Haushalt heute verabschiedet ist, werden wir darüber hinaus eine Risikoanalyse BSE in Auftrag geben, um Ursachen und auch zukünftige Entwicklungen von BSE im Gesamtzusammenhang zu klären. Wir hoffen natürlich, dass diese Untersuchungen zu verwertbaren Ergebnissen führen. Wir werden das auch offen kommunizieren.

Nach meiner Vorstellung wollen wir die Schweizer an der Risikoanalyse beteiligen; sie sind im wahrsten Sinne des Wortes neutral, haben Erfahrung mit 370 Fällen in der Schweiz und haben auch Risikoanalysen durchgeführt. Ich denke, dass man aufgrund dieser Ausarbeitung dann auch kompetent darüber diskutieren kann, worin die Ursachen liegen und was zur Risikoabwehr in Zukunft gemacht werden muss.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Paulig, bitte.

Herr Staatsminister, teilen Sie meine Einschätzung, dass es selbstverständlich notwendig gewesen wäre, wesentlich früher mit BSE-Untersuchungen zu beginnen, um den tatsächlichen Ursachen auf den Grund zu gehen und die Gefährdung der Bevölkerung abzuwehren? In den vergangenen Jahren war das Risiko in den belasteten Regionen relativ hoch, und die Bevölkerung hat heute auch ein Recht auf Aufklärung und muss wissen, in welchen Regionen denn gehäuft BSE-Fälle auftreten. Insofern kann die Geheimhaltungspolitik der Staatsregierung nicht unterstützt werden.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Wir betreiben keine Geheimhaltungspolitik. Im Interesse des Verbraucherschutzes ist es nicht notwendig, den einzelnen Landwirt und den Landkreis bekannt zu geben.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Landwirt gilt der Datenschutz, okay!)

Die Namen der Bauern und die Landkreise sind bekannt bei der Bundesanstalt in Tübingen und bei Frau Künast. Wir spielen hier mit offenen Karten. Uns geht es nur darum, dass die Landwirte, die sich in einer existenzbedrohenden Situation befinden und auch psychisch massiv belastet sind, nicht noch zusätzlich durch ein mediales Fegfeuer gehen müssen.

Ich teile Ihre Auffassung, dass man früher mit den Schnelltests hätte beginnen können. Das trifft aber für alle Bundesländer zu. Das trifft auch für den Bund zu. Das ist Vergangenheitsbewältigung. Ich weiß nicht, ob dies sehr viel weiterführt. Ich weise allerdings darauf hin, dass Bayern am frühesten mit den Schnelltests begonnen hat, und dass wir zur Zeit bundesweit mit Abstand die meisten Schnelltests machen und dass in anderen EU-Staaten Schnelltests nicht gemacht werden. Auch die Schweiz nimmt beispielsweise noch keine flächendeckenden Schnelltests vor; dort wird das auf eine andere Weise gemacht. Es gibt verschiedene Varianten. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass das Risiko der Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen in der Vergangenheit ungleich größer war als jetzt, wo wir kranke Tiere ermitteln und konsequent Risikomaterial entnehmen und dieses Risikomaterial und die kranken Tiere nicht mehr in den Nahrungsmittelkreislauf kommen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Frau Kollegin Paulig, dass sie jetzt auf weitere Zusatzfragen verzichtet. Das ermöglicht es, die Fragestunde jetzt zu beenden.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 6

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2001/2002 (Nachtragshaushaltsgesetz 2001/2002) (Drucksache 14/6147)

Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsantrag der Abg. Dr. Dürr, Kellner, Dr. Runge und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Keine Staatsbürgschaft für Rindfleischexporte nach Russland (Drucksache 14/6457)

Änderungsantrag der Abg. Dr. Dürr, Kellner und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Keine Haushaltssperre über 12% für Zuweisungen und Zuschüsse an Kommunen, Vereine und Verbände (Drucksache 14/6578)

Das Wort hat zunächst der Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz. Bitte schön, Herr Staatsminister Sinner.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Heute sind es exakt 100 Tage seit meinem Amtsantritt, und ich freue mich, dass heute auch der erste Haushalt, der den Einzelplan 12 betrifft, verabschiedet wird.

Ende Januar dieses Jahres hat der Bayerische Landtag der Errichtung des Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz zugestimmt. Die Bündelung dieser Kompetenzen war die konsequente Ant

wort der Bayerischen Staatsregierung auf die BSEKrise. Mit diesem Nachtragshaushalt gibt der Landtag dem neuen Ministerium und seiner politischen Arbeit eine solide finanzielle und organisatorische Basis.

Meine Damen und Herren, weil wir dem Verbraucherschutz in Bayern neue politische Priorität verleihen, widmen wir ihm im Gegensatz zum Bund einen eigenständigen Geschäftsbereich. Verbraucherschutz ist für uns Hauptsache und nicht irgendein Anhängsel an die Agrarpolitik, an die Wirtschaftspolitik oder an die Sozialpolitik. Wenn ich die Entwicklungen in Berlin mit der Wiederzulassung von Fischmehl zur Verfütterung und damit die Wiedereinbringung in die Nahrungsmittelkette betrachte, stelle ich schon die Frage: Ist das ein Beitrag zum Verbraucherschutz? Welcher Verbraucher oder welcher Verbraucherverband hat den Wunsch nach Zulassung von Fischmehl in die Nahrungsmittelkette geäußert? Spielen hier nicht ganz andere Interessen eine Rolle? Allein dieses Beispiel zeigt, dass der bayerische Weg wohl der bessere Weg ist als der, den der Bund geht.

Meine Damen und Herren, die Gründung dieses Ministeriums ist mit einer beispiellosen finanziellen Kraftanstrengung verbunden. Trotzdem erfüllen wir diese Aufgabe mit Augenmaß. Der neue Geschäftsbereich wäre möglicherweise nicht oder nicht so rasch entstanden, wenn es die BSE-Krise nicht gegeben hätte. Sie war natürlich der Anlass für die Gründung. Unsere Aufgaben erschöpfen sich aber nicht nur im Krisenmanagement.

Meine Damen und Herren, mit der Verbraucherinitiative, die in der Öffentlichkeit schon ausführlich dargestellt wurde, stellt der Freistaat Bayern in den nächsten beiden Jahren 600 Millionen DM zur Linderung der BSEFolgen, zur Umstrukturierung der Landwirtschaft und für sichere Lebensmittel zur Verfügung. Das ist – dafür bin ich dankbar – eine der größten landespolitischen Investitionen der letzten Jahrzehnte und zeigt damit, dass wir dem Verbraucherschutz den entsprechenden Stellenwert geben.

Mit dieser Politik beanspruchen wir in der Tat, mehr zu leisten als kurzatmige Schadensbegrenzung. Wir polen die Reaktion um zur Aktion für die Zukunft.

Meine Damen und Herren, zunächst müssen wir die Schäden lindern. Mit rund 245 Millionen DM BSE-Hilfen für die direkt betroffenen Branchen leisten wir wirksame Hilfe. Wir lassen die Landwirte und die betroffenen Wirtschaftskreise, die teilweise nicht Verursacher, sondern eindeutig Opfer dieser Krise waren, nicht im Stich. 355 Millionen DM sind eine wichtige Vorsorge für die Zukunft: 145 Millionen DM für eine dauerhaft höhere Lebensmittelsicherheit, und weitere 210 Millionen DM wenden wir für eine nachhaltige Umstrukturierung der Landwirtschaft auf. Ich frage die Damen und Herren der Opposition, die sich im Haushaltsausschuss sehr kritisch geäußert haben:

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute wieder!)

Darauf bin ich gespannt.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kommt noch!)

Sind mehr Kontrollen und mehr aktiver Verbraucherschutz verzichtbar? Was halten Sie von innovativen und sicheren Schlachttechniken? Haben Sie dazu von Frau Künast jemals etwas gehört?

(Gartzke (SPD): Die ist doch nicht zuständig!)

Sind Sie nicht für eine intensivere BSE-Forschung? Was halten Sie von der geplanten DNA-Rinderbank?