Die aktuelle konjunkturelle Situation steht auf der Kippe. Die Entlastung für die Bürger durch die Steuerreform müsste früher eintreten, nicht erst im Jahr 2005, für das ein Rückgang des Spitzensteuersatzes auf 42,5% vorgesehen ist. Jetzt bräuchten wir mehr Investitionen. Es ist kein Wunder, dass Bayern mit einem realen Wachstum von 4,3% im Jahr 2000 deutlich an der Spitze aller Länder in der Bundesrepublik Deutschland steht. Unser Wachstum ist auch das Ergebnis einer guten Investitionspolitik und einer vorausschauenden, langfristigen Haushaltspolitik.
Mir macht weiter Sorgen, in welchem Ausmaß der Bund die Länder belastet und noch belasten will. Der Bund hat 100 Milliarden UMTS-Erlöse bekommen. Davon tragen die Länder und Kommunen im Lauf der Zeit 27 Milliarden DM aufgrund der steuerlichen Abschreibungen.
Der Bund hat vor, die Förderung der privaten Altersvorsorge auf steuerliche Art zu regeln. Wenn das über Steuerabzüge geschieht, sind Land und Kommunen zusammen mit 57,5% bei den Steuerausfällen dabei. Dann stellt sich die Frage nach dem Ausgleich. Der Bund trägt nach Artikel 120 des Grundgesetzes die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung. Wenn er das System hier ändert, muss er einen Ausgleich zahlen. Der von mir hoch geschätzte, inzwischen verstorbene frühere Finanzminister von Nordrhein-Westfalen Schleußer hat im Jahr 1995 bei der Umstellung der Sachleistung Kindergeld auf ein steuerliches Kindergeld nachhaltig einen Ausgleich gefordert. Den Ausgleich hat er von der damaligen Regierung – Finanzminister war Theo Waigel – bekommen; das wurde sogar ins Grundgesetz aufgenommen.
Jetzt gibt es einen ähnlichen Vorgang, aber Herr Eichel denkt nicht daran, auch nur einen Satz über einen Ausgleich zu verlieren. Das mahne ich permanent an. Auf diese Weise wird der Freistaat Bayern im Jahr 2005 noch einmal mit 1,2 Milliarden zusätzlich zur Kasse gebeten. Das wird von Jahr zu Jahr mehr, und dafür brauchen wir einen Ausgleich.
Bundesfinanzminister Eichel hat ein Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich vorgelegt, das heute bei der Ministerpräsidentenkonferenz Thema sein wird. In diesem Maßstäbegesetz, das wir massiv kritisieren, ist unter anderem vorgesehen, den Sonderausgleich ersatzlos zu streichen, den die Länder für die Umstellung der Sachleistung Kindergeld auf ein steuerliches Kindergeld bekommen. Das würde für alle Länder in den Jahren 2002, 2003 und 2004 zusammengerechnet mehr als 12
Milliarden DM weniger bedeuten. Bei den SPD-Ländern, auch bei Ihnen, herrscht Grabesruhe. Der Bundesfinanzminister kann mit seiner Politik des Sparens zu Lasten der Kommunen und der Länder fortfahren. Das halte ich für einen Skandal.
Unser Kurs, einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung ab dem Jahr 2006 vorzulegen, wird mit diesem Nachtragshaushalt konsequent fortgeführt. Für den vorliegenden Entwurf des Nachtragshaushalts bitte ich deshalb in diesem Hohen Hause nicht nur um Verständnis, sondern auch um Zustimmung.
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierfür eine Redezeit von zwei Stunden und 45 Minuten vereinbart. Auf die CSU-Fraktion entfallen 71 Minuten, auf die SPD 55 Minuten und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 39 Minuten. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Biedefeld, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der jahrelangen Politik des Verdrängens, des Verneinens, des Verschweigens und des Vertuschens
und damit der schweren Versäumnisse beim Verbraucherschutz in Bayern folgt nun eine Politik der vielen Worte und großspurigen Ankündigungen, denen bislang kaum Taten folgten.
Nach dem Versagen Stoibers und seiner Staatsregierung in der Agrarkrise zeichnet sich jetzt auch noch ein Versagen in der Verbraucherschutzpolitik ab. Die bisherige Bilanz in der Verbraucherschutzpolitik lautet: außer Spesen nichts gewesen. Die Profilierung des Herrn Ministerpräsidenten und der CSU-Staatsregierung ist offensichtlich wichtiger als der Verbraucherschutz und eine Neuausrichtung in der Landwirtschaftspolitik. Mit dieser Politik hat der Bayerische Ministerpräsident dem Freistaat insgesamt, insbesondere den Verbrauchern, den Landwirten, den Metzgern, der Lebensmittelindustrie und vielen anderen mehr, enormen Schaden zugefügt.
Hätte die Staatsregierung rechtzeitig und richtig gehandelt, das eine oder andere Mal vielleicht auch einen Antrag der SPD angenommen, hätte sie auf Warnungen von Experten reagiert, Missstände wirklich aufgearbeitet und umgehend abgestellt, statt sie unter den Teppich zu kehren, hätte sie Fakten aufgegriffen, hätte sie Kontrollberichte abgearbeitet, statt sie polemisch zu attackieren, dann wäre vieles erspart geblieben, und dann hätte der
Das Ergebnis dieser Politik ist, dass die Gesundheit der Verbraucher aufs Spiel gesetzt wurde. Es wurde eine Krise in der Landwirtschaft verursacht, und Sie stehen heute vor einem Scherbenhaufen, der, wenn überhaupt, nur mit enorm hohen Reparaturkosten – für zwei Jahre 600 Millionen DM – zu kitten ist. Dieses 600-MillionenDM-Programm der Staatsregierung zum Kampf gegen BSE ist ein gigantisches Schuldeingeständnis und zeigt, wie groß das schlechte Gewissen ist.
Erst jetzt zeigen sich so richtig die eklatanten Defizite und Versäumnisse und vor allem auch der riesige Nachholbedarf in der Agrar- und Verbraucherschutzpolitik in Bayern. Ich wäre froh, wenn der Verbraucherschutzminister wenigstens anwesend wäre. Ich habe ihm auch zugehört. Das ist keine sehr höfliche Art und Weise von ihm.
Herr Minister Sinner selbst hat heute Versäumnisse beim Namen genannt. Er sagte: „Es ist zu wenig Personal eingesetzt worden.“ Richtig. Die Kontrollen hätten sensibler, risikobewusster und prozessorientiert sein müssen, und es habe an einer vorausschauenden Risikoanalyse gefehlt. Auch das ist richtig. Er gesteht die Fehler ein und nennt sie beim Namen.
Herr Minister Sinner hat auch auf den Schutz hingewiesen. „Wirksamer Schutz für Verbraucher, gesunde Ernährung und eine darauf zielende Gesundheits- und Landwirtschaftspolitik sind ein vorrangiges Aufgabenfeld der Politik in Bayern“, hat er so schön gesagt. Dies war auch schon in einer Pressemitteilung der Staatsregierung zu lesen. Absolut richtig, können wir nur sagen, aber doch nicht erst seit heute, seit gestern oder seit dem ersten BSE-Fall in Bayern im Dezember letzten Jahres.
Wir meinen, das wäre längst möglich gewesen. Sie hätten nur unsere Anträge anzunehmen brauchen. Ich habe gedacht, dass heute ein durchgängiges und nachvollziehbares Gesamtkonzept für eine vorausschauende Verbraucherschutzpolitik in Bayern dargestellt wird. Fehlanzeige. Zieht denn die Bayerische Staatsregierung immer noch keine Lehren aus der BSE-Krise und den Lebensmittelskandalen? Begreift sie dies immer noch nicht als Chance für eine Neuorientierung in der Landwirtschaft, für einen wirklich vorausschauenden Verbraucherschutz?
Ich freue mich, Herr Minister Sinner, dass Sie nun da sind. Sie haben heute selbst festgestellt, dass die Staatsregierung bisher immer nur auf neu auftretende Probleme reagiert hat, statt offensiv zu agieren. Das waren Ihre Worte. Sie waren es auch, der bei einem
Besuch in Brüssel Anfang Februar Herrn Ministerpräsident Dr. Stoiber Fehler bei der Beurteilung der BSE-Gefahr attestiert hat. Das ist nichts anderes als ein Schuldeingeständnis. Sie haben jedoch diese Majestätsbeleidigung – das bedaure ich – umgehend zu spüren bekommen. Ich verweise auf Ihre Vorstellungen und Ankündigungen zum Beispiel in Bezug auf den Tiergesundheitsdienst und die Aktion „Offene Stalltür“. Wie schnell sind Sie vom Herrn Ministerpräsidenten zurückgepfiffen worden. Wie schnell hat die CSU-Fraktion Ihnen Ihre Grenzen aufgezeigt. Auch Sie bleiben bei der uns wohlbekannten Ankündigungspolitik.
Nehmen wir doch einmal die Ankündigungspolitk der Staatsregierung näher unter die Lupe. Da ist zum Beispiel – Franz Maget hat in dieser Beziehung vollkommen Recht – die politische Luftnummer bei Stoibers Fleischdeal mit Moskau zu nennen.
Ich hätte ihn gerne etwas gefragt, aber vielleicht kann die Frage auch Herr Landwirtschaftsminister Miller beantworten. Wieviel Gramm von dem angekündigten Rindfleisch sind inzwischen in Moskau eingetroffen?
Es war einmal vor etwa sieben Wochen, da fand ein Champions-League-Spiel zwischen Bayern München und Dynamo Moskau statt. Dort vereinbarte der ach so viel gepriesene Champion Dr. Edmund Stoiber mit dem Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow, dass Russland Rindfleisch im Wert von 250 Millionen DM aus Bayern beziehen werde, um den durch die BSE-Krise belasteten europäischen Fleischmarkt zu entlasten. Der Herr Ministerpräsident ließ sich allein für diese Ankündigung feiern, nicht für die Taten. Die Taten sind nämlich den Worten noch nicht gefolgt.
Der Ministerpräsident ist speziell von seinen krisengeschüttelten bayerischen Bauern gefeiert worden. Doch wie es sich jetzt herausgestellt hat, ging es dem Bayerischen Ministerpräsidenten gar nicht um eine Entlastung des europäischen Fleischmarkts oder gar um seine teils existenziell bedrohten bayerischen Landwirte und ihre Familien. Nein, es ging ihm um seine eigene Profilierung. Das Geschäft mit Russland war ein Scheingeschäft, nichts anderes, und das ist der eigentliche Skandal.
Fakt ist, dass in Russland seit vergangener Woche ein Importverbot für Rindfleisch besteht. Fakt ist auch, dass eine Ausfuhrgenehmigung der EU erforderlich gewesen wäre, die aber noch gar nicht beantragt worden ist. Fakt ist schließlich, dass eine Förderung zum Beispiel in Form der vorgesehenen bayerischen Millionenbürgschaft unzulässig ist.
Nehmen wir die Ankündigungspolitik weiter unter die Lupe. So wurde die Änderung der Schlachtpraxis angekündigt, Herr Minister Sinner. In einer Pressemitteilung aus dem neuen Verbraucherschutzministerium vom 21. Februar hieß es: „Sinner fordert Schlachtbetriebe zu sorgfältiger Entfernung von Risikomaterial auf.“ In einer Pressemitteilung aus demselben Haus vom 5. März heißt es: „Ab sofort sichere Schlachttechniken in Bayern zulässig.“ Schließlich gibt es die Pressemitteilung des Verbraucherministers vom 2. April: „Kein Aprilscherz – seit 1. April gibt es kein T-Bone-Steak mehr. EU verpflichtet zur Entfernung der Wirbelsäule bei Schlachttieren.“ Sie, Herr Sinner, haben dies als ein Mehr an Sicherheit bewertet und gesagt, dass sich damit verloren gegangenes Verbrauchervertrauen aufbauen lasse.
Weiterhin sagten Sie: „Das Sicherheitspaket im Rahmen des sogenannten Ingolstädter Modells, das die komplette Entfernung der Wirbelsäule vorsieht, hat also eine wichtige Hürde genommen.“ Eine absolut gründliche Entfernung von Risikomaterial wurde von Ihnen, Herr Minister Sinner, angekündigt. Das ist auch solch eine Showveranstaltung. Wir haben heute den 5. April, und es gibt noch immer T-Bone-Steaks zu kaufen. Sie brauchen nur in die nächste Metzgerei zu gehen. Wenn Sie vom Landtag aus geradeaus und dann nach rechts gehen, finden Sie eine Metzgerei, in der es noch T-BoneSteaks gibt. Ich habe extra heute früh nachgefragt. War es doch ein Aprilscherz, Herr Minister? Beim Verbraucher wird der Eindruck erweckt, es wird ihm sogar vorgegaukelt, dass ab dem 1. April die Wirbelsäule generell entfernt wird. Besuchen Sie doch die bayerischen Schlachthöfe. Kontrollieren Sie diese. Sie sind doch für Kontrollen zuständig, oder ist es Herr Minister Miller, oder Frau Stewens?
Sie werden in den Schlachthöfen unveränderte Schlachttechniken vorfinden. Die Rinder werden nach wie vor halbiert, die Wirbelsäule getrennt und damit das Rückenmark offen gelegt. Wie verhält es sich mit der angekündigten neuen Schlachttechnik? EU-Agrarkommissar Fischler hat in einem Gespräch mit unserem Fraktionsvorsitzenden Franz Maget und unserem Agrarexperten Gustav Starzmann von bereits 1996 in Großbritannien vorgenommenen Versuchen berichtet, die sich als kaum praxistauglich erwiesen hätten. Reden Sie einmal mit Herrn Fischler.
Eine weitere Ankündigung von Herrn Sinner war die Überprüfung der Aktion „Offene Stalltür“ und die Abschaffung des Tiergesundheitsdienstes. Nach Meinung der SPD wäre dies nach den schlechten Erfahrungen aus dem bayerischen Schweinemastskandal und dem darin offenkundig gewordenen Versagen des Tier
Im Zusammenhang mit dem Schweinemastskandal hat sich gezeigt, dass die zu Kontrollierenden nicht gleichzeitig die Kontrolleure sein dürfen. Wenn die Kontrolle tatsächlich funktionieren und vor allem das Vertrauen des Verbrauchers stärken soll, muss sie objektiv und neutral durch staatliche Behörden erfolgen. Deswegen beantragen wir auch die Auflösung der landwirtschaftlichen Selbsthilfeeinrichtung Tiergesundheitsdienst in ihrer bisherigen Form und die Streichung der Zuschüsse für diese Institution. Stattdessen fordern wir, die Mittel in der erforderlichen Höhe zur Finanzierung personeller Verstärkungen in den bisher unbesetzten beziehungsweise unterbesetzten staatlichen Veterinärämtern einzusetzen.
Wir fordern auch, es zu ermöglichen, dass tierärztliches Personal des Tiergesundheitsdienstes in den Dienst der staatlichen Veterinärämter wechseln kann, damit das Fachwissen dieser Mitarbeiter genutzt werden kann. Das wäre unserer Meinung nach folgerichtig. Herr Minister Sinner hat diese Maßnahme aber sehr kurzfristig – nur wenige Stunden – als sinnvoll erachtet, und schon ist ihm die CSU-Fraktion nicht nur schnell, sondern auch ganz schön gehörig in die Parade gefahren. Das Ergebnis war, der Tiergesundheitsdienst bleibt unangetastet, lediglich die Zuständigkeit geht vom Landwirtschaftsministerium, sprich von Herrn Miller, zu Herrn Sinner über.