Protocol of the Session on April 5, 2001

(Beifall bei der CSU)

Herr Manfred Scholz und die Gewerkschaften haben sich bei Staatsminister Dr. Wiesheu bedankt, dass er vor einigen Jahren mitgeholfen hat, diesen Standort zu retten. Ich muss sagen, sich heute hinzustellen und derartige Sprüche zu klopfen, ist eine Unverschämtheit.

Wenn Sie ernst genommen werden wollen, müssen Sie im Dialog bleiben und nicht die Türen zuschlagen bei der Diskussion über den Standort. Das gesamte Unternehmen Grundig steht am Scheideweg. Es geht um die Weichenstellung und um die Frage, ob mit einem modifizierten Konzept der Standort und die Firma erhalten werden können oder ob es möglicherweise gar keine Lösung mehr geben kann. Es geht nicht um Einzelfacetten, sondern es geht um Entweder-oder. Die Weichen stellt nicht allein die Politik, sondern die stellen vor allem das Unternehmen und die beteiligten Banken. Herr Appelt, fühlen Sie sich noch als Betriebsrat? Denn Sie betreiben SPDParteipolemik.

(Frau Radermacher (SPD): Schämen Sie sich! – Hoderlein (SPD): Gott sei Dank kennt Dr. Söder die CSU-Polemik nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)

Da sagt Herr Hoderlein: Gott sei Dank. Herrn Hoderlein sind, wie so oft, die Interessen der Menschen weniger wichtig als Parteitagsbeschlüsse. Das sei hier im Protokoll vermerkt.

(Beifall bei der CSU)

Statt zu sagen – was Herr Appelt tut – alles sei Blödsinn, man wolle mit niemandem mehr reden, wären sachgerechte Lösungen nötig.

(Frau Radermacher (SPD): Soviel Dummheit auf einem Haufen!)

Statt über Krisen zu reden, andere Leute zu beleidigen und die Psychologie der Wirtschaft zu treffen, indem man sagt, dass man insgesamt an Grundig nicht mehr glaube, wäre es wesentlich sinnvoller, sich um eine Lösung zu bemühen.

(Frau Radermacher (SPD): Schämen Sie sich überhaupt nicht? – Zuruf des Abgeordneten Wörner (SPD) und der Frau Abgeordneten Gote (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) – Weitere Zurufe von der SPD)

Anstatt, Kollege Wörner, herumzublöken und -zuschnattern, sollten Sie sich um Grundig kümmern.

Vor einigen Jahren haben wir über Grundig diskutiert. Als Nürnberger Abgeordneter sage ich herzlichen Dank dem Staatsminister Dr. Wiesheu, der mit seinen Managerqualitäten vielen Menschen, nicht nur bei Grundig, sondern auch bei anderen Firmen geholfen hat. Wir diskutierten damals, dass Grundig eine Restrukturierung brauche, um die Wettbewerbsfähigkeit steigern zu können. Das Ergebnis war nicht genügend. Das ist nicht die Aufgabe und die Verantwortung des Hohen Hauses. Weder Sie noch wir sind verantwortlich. Anscheinend sind von der Unternehmensführung Fehler gemacht worden. Es stellt sich aber auch die Frage nach der Mitwirkung der Betriebsräte, die dem Aufsichtsrat angehören. Zur jetzigen Zeit Polemik zu verbreiten, schadet. Statt Weltuntergangsstimmung an die Wand zu malen, wäre es wichtig, ein positives Bekenntnis zum Standort abzugeben. Ansonsten, meine lieben Kollegen, gefährden Sie auch die anderen Beschäftigten am Standort, und die Verantwortung müssten Sie tragen.

Im Wirtschaftsausschuss haben wir den Antrag, mit dem die Diskussion losging, gemeinsam verabschiedet, weil wir die Weichen stellen und den Wirtschaftsminister, den man nicht auffordern muss, sich zu kümmern, begleiten wollten. Der Aufsichtsrat von Grundig hat letzte Woche ein modifiziertes Konzept zur Restrukturierung umgesetzt. Das war die Voraussetzung, dass in zähen Verhandlungen mit den Banken eine vorläufige Zusage zur Fortführung des Engagements gegeben werden konnte. Dies ist im Antrag falsch dargestellt. Es geht nicht darum, dass der Freistaat Bayern und die LfA dies alleine machen müssten. Vielmehr die überwiegende Mehrheit des Konsortiums stellen andere Banken. Deshalb ist es nicht leicht, per Landtagsbeschluss etwas zu verändern oder erreichen zu können.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Dann gehen Sie doch heim!)

Es gibt ein positives Bekenntnis zum Standort NürnbergLangwasser. Dort soll der Sitz der Unternehmenszentrale bleiben. Es bleibt Produktionsstandort für die Tunerkopfstellenfertigung, für Konstruktion und für Kunststoffspritzerei. Im übrigen bleibt auch der Standort Bayreuth für die Bürokommunikation und die Ausbildung erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird immer wieder versucht, den Eindruck zu erwecken, man könnte durch einen Beschluss des SPD-Parteivorstandes, des Unterbezirks Nürnberg oder des Bayerischen Landtags ökonomische Entscheidungsprozesse umkehren. Man kann volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen setzen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist gut zu wissen!)

Man kann durch Beschluss ein Unternehmen aber nicht völlig verändern. Die ökonomischen Entscheidungsprozesse sind fortgeschritten. Unter Hilfe und Einsatz der Staatsregierung und Moderation und Führung des Staatsministers ist es gelungen, eine Koordinierung zwischen dem Aufsichtsrat und den Banken zu erreichen. Im übrigen: Die Zustimmungen der Bankengremien sind noch offen.

(Frau Radermacher (SPD): Ich denke, Staatsminister Dr. Wiesheu konnte nichts tun!)

Die heutige Diskussion wird auf keinen Fall Positives beitragen, die Zustimmung zu erleichtern. Wir brauchen jetzt die rasche Umsetzung des Konzepts, um weitere Marktakzeptanz zu erreichen. Den Antrag werden wir, entgegen den Erwartungen von Herrn Appelt, nicht unterstützen, weil zum einen das Kernanliegen bereits erreicht ist und wir zum Zweiten glauben, dass Ihr Verhalten im Parlament, rund ums Parlament mit vielen politischen Aktionen nicht geeignet ist, dem Standort zu nützen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das eher schadet. Ich hoffe, die Debatten werden nicht dazu führen, dass bereits getroffene Entscheidungen wieder ins Wanken geraten. Der Standort hat nur dann Zukunft, wenn alle anpacken.

(Zurufe des Abgeordneten Wörner (SPD) und der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Spalten Sie nicht, versuchen Sie nicht, die einen gegen die anderen auszuspielen.

(Zurufe von der SPD)

Leisten Sie endlich Ihren Beitrag als würdige Opposition. Helfen Sie mit, dass Bayern besser wird und dass der Standort besser wird. Das wäre eine lohnendere Aufgabe als die einfache Parteipolemik.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Stahl. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Grundig verdient eine letzte Chance. Ich finde es, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Söder, sehr ehrenhaft, hier noch einmal einen Appell im Sinne der Arbeitnehmer/innen loszulassen und auf die Brisanz hinzuweisen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nürnbergerin tut es mir weh, mit ansehen zu müssen, wie es mit einem traditionsreichen Unternehmen seit 20 Jahren bergab geht. Grundig ist eine Institution, und wie kein anderes Unternehmen hat es die Arbeitslandschaft in unserer Region geprägt. Wenn ich auch meine Kindheitserinnerungen an diese traditionsreiche Firma seit dem Weggang von Herrn Pieter Harmsen seit 1995 begraben habe, so ist mir der Fortbestand dieses Unternehmens doch ein Anliegen. Der kontinuierliche Raubbau auch durch Privatpersonen und die Mitnahme von Know-how – Kollege Appelt hat dies angesprochen – durch die Firma Philips, hat dieses Unternehmen von der hohen Arbeitnehmerzahl 37500 im Jahr 1970 bis zum März 2001 auf ganze 5800 Beschäftigte schrumpfen lassen. In Nürnberg sind es gerade mal noch 2200.

Wir fragen uns auch, ob man Grundig überhaupt noch helfen kann, und wenn ja, wie man das tun könnte. Darüber habe ich wenig – eigentlich gar nichts – von Herrn Dr. Söder gehört. Er hat lediglich auf ominöse Verhandlungen hingewiesen. Ich hätte mir politische Klarheit gewünscht und politische Zielvorstellungen. Das bedeutet nicht, dass man polarisiert und gefährdet, sondern dass man sagt, wie man sich die Beibehaltung und die Fortentwicklung vorstellt.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt die positiven Beispiele, an denen wir Hoffnung festmachen können. Ich denke an Loewe, vormals Loewe-Opta, jetzt Loewe AG. Auch sie war 1980 in der Krise, hat sich erholt und schreibt wieder schwarze Zahlen. Dies hätte damals, als der Markt massiv mit Billigprodukten überschwemmt wurde, kaum jemand geglaubt. Dennoch bin ich nicht so blauäugig zu glauben, dass man die Geschichte von Loewe auf Grundig übertragen könnte. Das ist sicher nicht möglich. Ich bin aber der Meinung, dass wir aus der Konsolidierung von Loewe zumindest drei Punkte lernen konnten:

Zum Ersten – das ist für Grundig wichtig – wird die Konzentration auf Kernbereiche notwendig. 1232 Sortimente sind eine Artikelvielfalt, die ein so kleines Unternehmen nicht leisten kann. Ich meine, dass etwa 400 sinnvoll wären. Diese wären ausbaufähig.

Zum Zweiten muss sich Grundig auf eine hochwertige Geräteherstellung konzentrieren und von der low-endproduction wegkommen zur high-end-production. Bei einem entsprechenden Image gibt es dafür einen Markt. Das kann man an sehr hochwertigen Produkten sehen. Das würde für uns in der Region reichen. Das Grundig dies kann, weiß man spätestens seit der Hifi-Linie „Art fine“. Diese hat einen Preis bekommen. Ich kann mir vorstellen, dass Grundig dies im Bereich TV-Geräte schafft. Das Problem ist, dass der Markt und mit ihm die Moden sehr schnelllebig sind. Grundig muss deswegen bei der Entwicklung Schritt halten.

Zum Dritten muss Grundig modernisiert werden. Dieser Punkt stimmt mich bitter, denn die Modernisierung hätte schon längst eingeleitet werden können. Statt dessen

hat man immer wieder Know-how und Finanzmittel entzogen und hat das Werk verkommen lassen, das durchaus schon in den schwarzen Zahlen sein könnte. Mit der Investitionsvorgabe der Banken gibt es vielleicht doch noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass man an eine moderne Produktion wieder anknüpfen kann.

Zum Ausbringen dieser drei Rettungsanker bedarf es jedoch einer klaren Steuerung. Auch daran hakt es. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Dr. Söder seinen pseudowirtschaftswissenschaftlichen Vortrag den damaligen Unternehmensführungen gehalten hätte und heute auch wieder Herrn Kathrein und Ähnlichen. Das wäre damals sehr hilfreich gewesen. Die hätten das nötig gehabt. Uns brauchen Sie das nicht zu erzählen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es fehlte und fehlt ein Management, das klare Ziele vorgibt. Stattdessen werden Fertigungslinien hin- und hergeschoben. Die Produktionen werden mal hierhin, mal dorthin verlagert. Bis heute weiß ich von Herrn Kathrein nicht, wohin die Reise gehen soll. Ich befürchte, auch die Arbeitnehmerinnen wissen es nicht. Das war der Grund, weshalb die Banken so gezögert haben; sie haben nicht erfahren, wie es weitergehen soll. Ich war aber auch der irrigen Annahme, dass jemand, der sich auf ein so relativ riskantes Unternehmen einlässt, vorher überprüft, wofür er sich engagiert und wie die Chancen sind.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nicht auch an der desolaten Führung in der Vergangenheit lag. Grundig ist es nie gelungen, innovative Produkte zu entwickeln, für die es unter Umständen auch einmal eine Hightech-Förderung hätte geben können, die unserer Region zugute gekommen wäre. Stattdessen wird das Geld in Callcenter gesteckt und nebenher aus dem Fenster geworfen. Ich muss sagen, das Missmanagement ist zum Teil auch daran zu erkennen, dass man mit Innovationen bei Grundig hinterherhinkt.

Es ist der Arbeitnehmerschaft zu verdanken, dass sie immer wieder von sich aus Vorschläge gemacht hat. Herr Appelt hat es sehr schön dargestellt. Die Vorschläge sind zu unserem großen Bedauern aber nie aufgegriffen worden. Manchmal wünsche ich mir – so auch in diesem kleinen Fall – die Zeiten der Kollektive zurück, wenn die Unternehmensführung nicht in der Lage ist, anständige Arbeit zu leisten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute um 8.30 Uhr tagte im Nürnberger Rathaus – ich nehme an, die Sitzung ist schon zu Ende; Herr Wiesheu kann uns vielleicht ein bisschen dazu erzählen – ein runder Tisch, um aus der Grobkonzeption langsam die Feinkonzeption anzustoßen und zu bearbeiten. Ich bin sehr gespannt, was heute dabei herausgekommen ist. Wir brauchen natürlich die Feinkonzeption auch, um die Banken weiterhin bei der Stange zu halten.

Wir wünschen jedenfalls dem runden Tisch und seiner Arbeit auch im Sinne der Arbeitsplätze der Arbeitnehmerinnen viel Erfolg und einen langen Atem. Ich muss auch

sagen, ich bin heilfroh, dass Leute wie Herr Dr. Söder nicht an so einem runden Tisch beteiligt sind; denn sonst könnten wir den runden Tisch sehr schnell abbrechen, weil dann keinerlei einvernehmliche Regelungen zu erzielen wären.

Wir werden dem SPD-Antrag, auch wenn ich zugeben muss, dass er in einer gewissen Weise einer gewissen Hilflosigkeit entspringt, die wir aber auch teilen, zustimmen.

Noch ein letztes Wort: Wenn die Produktion verlagert wird, ist für uns die Gefahr sehr, sehr stark gegeben, dass vermutlich auch der Rest von Grundig irgendwann wegfallen wird, und zwar in nicht allzu ferner Zukunft. Dann ist von dem Unternehmen wirklich nichts mehr vorhanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Bevor ich Herrn Kollegen Dr. Scholz das Wort gebe, weise ich darauf hin, dass seitens der SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt ist. Im Hinblick auf unsere Verfahrensweisen halte ich fest, dass wir, da es jetzt fünf Minuten vor 17.00 Uhr ist, ab zehn Minuten nach 17.00 Uhr abstimmen können. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Scholz.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatsminister! Was Herr Dr. Söder hier in seiner bekannt arroganten Art – das muss man hier schon sagen – abgeliefert hat, wird dem Ernst der Sache nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)