Protocol of the Session on March 14, 2001

Wir haben 1993, als unsere Freunde in der Bundesregierung waren, gegen die Standortschließungen in Bayern massiv protestiert und Gelder von Bonn eingefordert. Ich bedanke mich dafür, Frau Kollegin Kellner, dass Sie mir als Kronzeugin zur Seite gestanden haben. Wir waren nie damit zufrieden, wie der Bund die Angelegenheit behandelt hat.

(Frau Naaß (SPD): Haben Sie die Gelder bekommen oder nicht?)

Auch die Aussagen des von mir hochgeschätzten ehemaligen Bundesfinanzministers Waigel spiegelten die Interessenlage des Bundes wider. Der Bund hat seinerzeit angegeben, dass Umsatzsteueranteile verlagert würden. Die Grundlagen dafür waren das Steueränderungsgesetz und der Fonds Deutsche Einheit. Man hat sich in der Tat im Vermittlungsausschuss geeinigt, um eine Lösung zu erzielen.

Die Länder haben dies nie als Abgeltung der Konversionsverpflichtung akzeptiert. Das gilt gleichermaßen für Herrn Schröder als Ministerpräsident von Niedersachsen, Herrn Eichel als Ministerpräsident von Hessen oder Max Streibl als Ministerpräsident von Bayern. Die Länder haben seinerzeit deutlich gemacht, dass Sie das Geld aus anderen Gründen nehmen, der Bund aber seine Aufgaben damit nicht erfüllt habe. Trotzdem ist dies vom Bund immer wieder behauptet worden. Es ist bis heute nicht geklärt, sondern der Interessengegensatz ist geblieben.

Wir lassen uns aber diese Position des Bundes aus dem Jahr 1993/94 nicht vorhalten, weil wir dies nie akzeptiert haben und nie akzeptieren werden, ganz gleich, wer auf Bundesebene regiert. Sie sehen die Frage nur parteipolitisch. Wir hingegen sehen zunächst einmal die Verantwortung des Bundes bzw. die Verantwortung der Länder, völlig unabhängig davon, ob die Landesregierung von denselben Parteien wie die Bundesregierung gestellt wird. Wir sind zunächst einmal dem Land verpflichtet. Wir haben den Mut, auch gegenüber den eigenen Freunden die bayerischen Positionen zu vertreten.

(Beifall bei der CSU)

Soweit zur Vergangenheitsbewältigung. Lassen Sie mich jetzt zur Zukunft kommen.

Ich begrüße sehr, dass im Antrag der CSU gefordert wird, dass der Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden kann und er etwas für die Gemeinden tun muss, die massiv betroffen sind. Das kann auf durchaus unterschiedliche Weise erfolgen. In München besteht sicher keine Notwendigkeit, in Heidenheim, Ebern, Hemau, Sonthofen oder in Kirchham sehe ich die Lage ganz anders. Da muss es zu einer Staffelung kommen. Der Vorschlag ist sicher richtig, dass der Bund die Liegenschaften an die Kommunen altlastenfrei und verbilligt abgibt.

Das ist auch eine Forderung der GRÜNEN. Dafür gibt es ein Beispiel. Dies kann nicht verfassungswidrig sein.

Denn in den frühen neunziger Jahren hat der Bund die Grundstücke zu 50%, manchmal sogar bis zu 75% unter ihrem Verkehrswert abgegeben. Das ist eine Starthilfe für die Gemeinden, damit sie die Konversion wirklich durchführen können. Aber, meine Damen und Herren von der SPD, die GRÜNEN, die auch in der Bundesregierung sind, haben den Mut, dies in ihren Antrag zu schreiben. Dazu kann ich nur sagen: Respekt. Gelegentlich haben sie auch einen positiven Gedankenblitz.

Die SPD hat nicht einmal den Mut, die selbstverständliche Forderung nach einer verbilligten Abgabe dieser Grundstücke an die Gemeinden in ihren Antrag hineinzuschreiben.

(Prof Dr. Gantzer (SPD): Lesen! Das steht doch in der Begründung!)

Ich meine, dass der Bund diese Grundstücke deutlich verbilligt an die Gemeinden abgeben soll. Das wäre eine Starthilfe für neue Investitionen.

(Beifall bei der CSU)

Der Bund sollte auch unmittelbar finanzielle Mittel bereitstellen, und er sollte sich drittens auch überlegen, was er über bestimmte Programme wie zum Beispiel die Gemeinschaftsaufgaben oder das Bundesfernstraßenprogramm tun kann. Frau Kollegin Naaß, ich war in Heidenheim, und Kollege Klinger war mit dabei. Ist es denn so abwegig, wenn man verlangt, dass der Ausbau einer Bundesstraße vorgezogen werden soll, damit die Infrastruktur für diese Gemeinde verbessert werden kann? Wenn der Bund schon diesen Schaden anrichtet und kleine Gemeinden jetzt vor dieser ungeheuer schwierigen Situation stehen, kann man doch nicht behaupten, ein solches Verlangen wären weit daneben. Man kann auch nicht sagen, die Gemeinde wird es schon schaffen oder die Staatsregierung in Bayern soll dafür aufkommen. Wenn man sich schon politisch verantwortlich fühlt, sollte man die kleinen Gemeinden im strukturschwachen Raum nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der CSU – Prof. Dr. Gantzer (SPD): Rheinland-Pfalz! – Frau Naaß (SPD): Die Staatsregierung steht aber auch in der Verantwortung!)

Die Staatsregierung ist bereit – darüber habe ich am 6. März hier im Landtag berichtet –, gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister maßgeschneiderte Hilfsprogramme aufzustellen. Wir haben zwar keine Patentrezepte, und wir können auch keine Betriebe aus dem Hut zaubern. Aber wir werden uns bemühen und den betroffenen Gemeinden zur Seite stehen, damit dort Arbeitsplätze entstehen und damit die Gemeinden eine neue Zukunft bekommen. Bringen Sie doch heute gemeinsam mit uns den Mut auf, den Bund in die Verpflichtung zu nehmen. Wir sind bereit, unsere eigenen Mittel einzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Dr. Scholz.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag wollen wir eine Hilfestellung für die betroffenen Kommunen und die dort lebenden Menschen erreichen.

(Sackmann (CSU): Wir geben das Geld her, weil der Bund nicht zahlen will!)

Es ist notwendig, den Menschen eine Perspektive zu bieten, und das natürlich unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Bundes. Forderungen, die Grundstücke und ähnliches betreffen, stehen bei uns zwar nicht als eigener Punkt im Antrag, sondern in der Begründung. Ansprechpartner für eine regionale Strukturpolitik und für Verbesserungen, die vor Ort erfolgen müssen, ist aber neben den Kommunen das Land. Das ist doch unbestritten.

(Zuruf von der CSU: Glaubt Ihr denn den Schmarrn, den Ihr erzählt?)

Das, was ich im Rahmen der Strukturpolitik tun muss, um die Konversion voranzubringen, kann nicht der Bund leisten. Freilich muss der Bund dort herangezogen werden, wo er Möglichkeiten hat. Das gilt vor allem dann, wenn der Bau einer Bundesstraße vorgezogen oder wenn ein Grundstück zu vernünftigen Preisen abgegeben werden muss. Diese Forderungen haben wir aber deswegen nicht in den Antrag geschrieben, weil wir sie für eine Selbstverständlichkeit halten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sackmann (CSU): Dann hättet Ihr sie doch hineinschreiben können, wenn Ihr sie schon für selbstverständlich haltet!)

Ich nenne Ihnen jetzt zwei Beispiele für Konversionsmaßnahmen. Rheinland-Pfalz hat sich dazu entschlossen, vor Ort Arbeitsmarktpolitik zu betreiben; es bietet Beratungs- und Orientierungsmaßnahmen an, Berufswegeplanung, Hilfen für Betroffene, Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Einstellungen in den Öffentlichen Dienst. Weiterhin werden dort Förderinstrumente eingesetzt. Der Einsatz dieser Förderinstrumente ist aber immer Sache des Landes. Auch der Einsatz von Förderinstrumenten nach den europäischen Regionalprogrammen ist Sache des Landes. Die Erstellung eines räumlichen Konzeptes für den jeweiligen Standort ist Sache des Landes. Das kann nicht der Bund, sondern nur das Land und die Kommune. Natürlich wollen wir immer das bekommen, was wir unter Einbeziehung des Bundes auch bekommen können. Aber das Land muss aktiv werden und den Menschen in den betroffenen Gemeinden zeigen, dass es ihnen helfen will, und dass es die Stellen einrichten wird, an die sich alle wenden können. Das hat Rheinland-Pfalz genauso gemacht.

Jetzt sage ich Ihnen, wie das ganze Konversionsprogramm ablaufen kann. Zunächst erfolgt eine standortbezogene Auflistung der Probleme. Dann finden Verhandlungen mit den Beteiligten und den Betroffenen vor Ort statt. Es erfolgt die Aufstellung eines Termin- und Arbeitsplanes. Dann werden Standortentwicklungsprogramme erarbeitet, die im laufenden Jahr möglichst zügig umgesetzt werden sollen. Alles das sind Aufgaben

des Landes in Zusammenarbeit mit den Kommunen. Zukunftskonzepte sind aufzustellen, in denen neben dem Bundeswehrstandort der Regierungspräsident, der Landrat, der Bürgermeister, der Personalrat und die örtliche Arbeitsverwaltung einbezogen werden. Alles das ist nötig. Weiter geht es dann mit der Erarbeitung von Standortentwicklungskonzepten.

Das ist kein Sozialismus, den ich hier predige. Vielleicht kommt dieses Konzept Herrn Wiesheu sogar bekannt vor. Personalwirtschaftliche Maßnahmen haben zu erfolgen. Ein Beauftragter für die Standortentwicklung ist zu bestellen. Ein Ansprechpartner muss zur Verfügung stehen, der sowohl zum Bund als auch zum Land Kontakt hat. Standortentwicklungsgesellschaften sind zu gründen. Aufgabe dieser Gesellschaften ist es, unter enger Einbeziehung der Regierungen, Landkreise und Gemeinden Nutzungskonzepte für die stillgelegten Konversionsareale zu erstellen und sie mit der Maßgabe der Schaffung neuer Arbeitsplätze zügig umzusetzen. Örtliche Vertreter des Arbeitsamtes und Betriebsräte werden in Form von Beiräten in die Standortentwicklungsgesellschaften integriert.

Ein großes Problem bilden die Altlasten. Das muss auch wieder in Zusammenarbeit mit dem Bund geregelt werden. Aktiv werden aber muss die Staatsregierung und sonst niemand. Ansiedlungswerbung und Standortmarketing können nicht die Kommunen selber ergreifen. Das können wir aber auch nicht vom Bund verlangen. Hier ist der Freistaat Bayern gefordert.

Das, was ich Ihnen hier alles vorgelesen habe, ist ein Bericht des bayerischen Staatsministers für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, Dr. Otto Wiesheu, zu den Zukunftsperspektiven von Standorten, welche dicht gemacht werden. In diesem Falle ging es zwar um die EON, aber inhaltlich gilt diese Vorgehensweise genauso für unsere Bundeswehrstandorte.

Kolleginnen und Kollegen, wir waren der Meinung, dass es eigentlich selbstverständlich sein sollte, dass diese Maßnahmen so beschlossen werden. Wir sind der Meinung, dass die CSU die in den Punkten 2 und 3 ihres Antrags genannten Maßnahmen nur ansatzweise aber nicht mit der nötigen Konsequenz beschlossen hat. In ebenso diese Richtung gehen auch die GRÜNEN. Wegen des Punktes 1 aber, mit dem alle Verantwortung auf die Bundesregierung abgeschoben wird, können wir dem CSU-Antrag nicht zustimmen. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Forderungen im Antrag der GRÜNEN soweit vernünftig sind, dass man ihnen zustimmen kann. Wir bitten Sie herzlich darum, dass der Freistaat Bayern seine Verantwortung wahrnimmt und den von den Standortschließungen betroffenen Kommunen und Menschen in unserem Land eine Perspektive gibt. Das ist die Aufgabe dieser Stunde.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Frau Lück.

(Sackmann (CSU): Muss das sein? – Gegenruf der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD): Und ob das sein muss!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Minister Huber und Herr Kollege Sackmann, wenn Sie schon von Redlichkeit sprechen, dann wünsche ich mir, dass auch Sie redlich mit dem Problem umgehen.

Redlich wäre es, wenn Sie erstens sagen würden, dass wirklich alle der Meinung sind, dass am Abbau der Bundeswehr kein Weg vorbei führt.

(Widerspruch bei der CSU)

Die Weizsäcker-Kommission – das ist kein SPDler – hat einen viel höheren Abbau gefordert. Das sind Tatsachen.

Das Zweite ist, dass die Bundeswehr bereits unter Ihrem Minister in einem Zustand war, wo man – Sie kennen das geflügelte Wort vom Kannibalismus bei den Geräten – wirklich den einen Panzer stillgelegt hat, um den anderen zum Laufen zu bringen. Das war bereits unter Rühe so, das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Man hat Löcher mit Löchern gestopft, übrigens nicht nur im Verteidigungshaushalt, sondern auch sonst. Wir gehen jetzt daran, den Schuldenberg abzubauen, den Sie uns hinterlassen haben, und zwar mit sinnvollen Maßnahmen.

(Gabsteiger (CSU): Also, Schuldenberg!)

Im Übrigen haben Sie Recht:

(Loscher-Frühwald (CSU): Wir haben immer Recht!)

Manche Orte bei uns in Bayern trifft es wirklich hart. Ich komme aus aus Sonthofen und Memmingen, und wir haben uns sehr gegen den Abbau gewehrt. Aber ich sage Ihnen eines: Ich hätte mich auch sehr gefreut, wenn wir von Ihnen, von Herrn Stoiber Unterstützung bekommen hätten, um die Ungleichgewichtung in Bayern besser in den Griff zu bekommen. Wir hätten uns sehr gefreut, wenn Sie, statt fünf vor zwölf mit einer Totalverweigerung ohne Konzept zu kommen, sinnvolle Vorschläge gemacht hätten.

(Beifall der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Jetzt sind die Würfel gefallen, und wir haben die Pflicht, die notwendigen Maßnahmen für die betroffenen Städte und Regionen zu ergreifen. Natürlich fordern wir dafür die Verantwortung aller ein. Wir fordern, dass der Bund, die EU, aber auch das Land ihre Pflichten wahrnehmen. Man kann schließlich für die unterschiedliche Entwicklung der Regionen nicht unbedingt den Bund verantwortlich machen. Die Unterschiede in Bayern sind auch so schon groß.

(Sackmann (CSU): Die muss man doch berücksichtigen!)

Deswegen sind Sie gefordert mitzuhelfen. Herr Sackmann, wenn Sie sagen, wir haben 1993182 Millionen DM weniger vom Bund bekommen,

(Sackmann (CSU): Umsatzsteuer, habe ich gesagt!)